TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/24 97/03/0025

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Veröffentlicht am 24.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §14 Abs3;
AVG §15;
AVG §45 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer, Dr. Gruber, Dr. Gall und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des L in M, vertreten durch Dr. Michael Kinberger und Dr. Alexander Schuberth, Rechtsanwälte in Zell am See, Mozartstraße 3, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 29. Jänner 1997, Zl. 4/01-15/107/1-1997, betreffend Enthebung eines Jagdschutzorgans (mitbeteiligte Partei: Jagdgesellschaft Gemeinschaftsjagd M, vertreten durch den Jagdleiter F, U), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Salzburg hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 16. Oktober 1995 gab die Bezirkshauptmannschaft Zell am See dem als Jagdschutzorgan für das Jagdgebiet Gemeinschaftsjagd M bestellten Beschwerdeführer bekannt, der Hegemeister des H habe der Behörde mitgeteilt, daß der Beschwerdeführer am 15. August 1995 dem zuständigen Jagdaufsichtsorgan des Jagdgebietes V die Erlegung einer Rehgeiß bestätigt habe, obwohl er einen Rehbock erlegt habe. Diese bewußte Falschmeldung stelle die für eine beeidete Wache erforderliche Vertrauenswürdigkeit in Frage. Zur Klarstellung des Sachverhaltes lud die Bezirkshauptmannschaft Zell am See den Beschwerdeführer sodann mit Verständigung vom 30. Oktober 1995 zu einer für den 13. November 1995 anberaumten mündlichen Verhandlung. Über die Verhandlung vom 13. November 1995 wurde eine vom Verhandlungsleiter und vom Beschwerdeführer unterschriebene Niederschrift mit folgendem Inhalt aufgenommen:

"Im Zuge der Besprechung bezüglich der Erlegung eines Rehbockes durch Herrn L am 15.8.1995 erklärte Herr L, daß er sein Amt als bestelltes Jagdschutzorgan für das Jagdgebiet Gemeinschaftsjagd M mit dem heutigen Tag freiwillig zurücklegt und den Dienstausweis und das Jagdschutzabzeichen innerhalb von 3 Tagen der Behörde vorlegt."

Mit Eingabe vom 14. November 1995 brachte der Beschwerdeführer vor, daß er am 13. November 1995 sein Amt als bestelltes Jagdschutzorgan nicht freiwillig zurückgelegt habe. Bei der Amtshandlung am 13. November 1995 sei von mehreren Personen auf ihn energisch eingewirkt worden, das verfertigte Kurzprotokoll abzuzeichnen. Selbst bei der Unterschriftsleistung sei noch stets auf ihn eingesprochen worden, weshalb ihm auch der Inhalt des von ihm abgezeichneten Protokolls erst zu Hause in seiner vollen Tragweite zu Bewußtsein gekommen sei. Tatsächlich sei besprochen worden, der Beschwerdeführer würde dann sein Amt zurücklegen, wenn er nicht innerhalb von drei Tagen umdisponiere. Da dies "somit" geschehe, sei der "Verhandlungsinhalt" vom 13. November 1995 obsolet.

In der Folge teilte F als Jagdleiter der "Gemeindejagd S" mit Schreiben vom 10. Juli 1996 der Bezirkshauptmannschaft Zell am See mit, daß er sich aufgrund eines ihm zugegangenen Schreibens der Salzburger Jägerschaft "bezüglich Vertrauenswürdigkeit des Jagdschutzorganes L" gezwungen sehe, den Genannten als Jagdschutzorgan in der obgenannten Gemeindejagd zu entbinden.

Mit Schreiben vom 21. Oktober 1996 beantragten einige "Jagdgesellschafter der Gemeinschaftsjagd M" bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See die Enthebung des Beschwerdeführers als Jagdschutzorgan in dieser Gemeinschaftsjagd.

Mit Bescheid vom 11. November 1996 sprach die Bezirkshauptmannschaft Zell am See aus, daß der Beschwerdeführer gemäß § 114 Z. 8 des Salzburger Jagdgesetzes 1993, LGBl. Nr. 100, in Verbindung mit § 8 Abs. 1 des Salzburger Landes-Wacheorganegesetzes, LGBl. Nr. 66/1977, von seinem Amt als Jagdschutzorgan für das Jagdgebiet Gemeinschaftsjagd M enthoben werde. Der Dienstausweis und das Dienstabzeichen seien innerhalb einer Frist von zwei Wochen der Behörde vorzulegen.

Der gegen diesen Bescheid vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid "dahingehend Folge gegeben, daß der angefochtene Bescheid behoben wird und festgestellt wird, daß die Bestellung des Herrn L, zum Jagdschutzorgan für das Gemeinschaftsjagdgebiet M mit Wirkung 13.11.1995 beendet wurde und daher der Dienstausweis und das Dienstabzeichen unverzüglich bei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See abzugeben sind und daher aber auch die Anträge der Gemeindejagd M, vertreten durch den Jagdleiter F, vom 10.7.1996 und der Jagdgesellschafter der Gemeinschaftsjagd M vom 21.10.1996 zurückgewiesen werden". In der Begründung ging die belangte Behörde davon aus, daß der Beschwerdeführer im Zuge der Besprechung vor der Bezirkshauptmannschaft Zell am See am 13. November 1995 erklärt habe, daß er sein Amt als bestelltes Jagdschutzorgan für das Jagdgebiet Gemeinschaftsjagd M mit 13. November 1995 freiwillig zurücklege. Durch diese Erklärung sei die Bestellung des Beschwerdeführers als Jagdschutzorgan für die genannte Gemeinschaftsjagd gemäß § 8 Abs. 1 des Salzburger Landes-Wacheorganegesetzes mit Wirkung vom 13. November 1995 beendet worden.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten des Verwaltungsverfahrens und Erstattung von Gegenschriften durch die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei erwogen:

Gemäß § 15 AVG liefert, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis. Der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges bleibt zulässig.

Gemäß § 14 Abs. 3 erster Satz AVG ist jede Niederschrift den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen, wenn sie nicht darauf verzichten, vorzulesen und von ihnen durch Beisetzung ihrer eigenhändigen Unterschrift zu bestätigen.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis vom 19. Juni 1986, Zl. 85/04/0106) liefert eine Niederschrift, die keinen Hinweis darauf enthält, daß sie den vernommenen oder sonst beigezogenen Personen vorgelesen worden wäre oder daß die Genannten auf die Verlesung verzichtet hätten, über den Verlauf einer Verhandlung nicht vollen Beweis im Sinne des § 15 AVG. Eine solche, dem § 14 AVG nicht voll entsprechende Niederschrift verliert jedoch nicht jeglichen Beweischarakter, sondern unterliegt gemäß § 45 Abs. 2 AVG der freien Beweiswürdigung der Behörde (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1989, Zl.89/01/0175).

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften behaftet. Die Niederschrift vom 13. November 1995 läßt keinen Hinweis darauf erkennen, daß sie dem Beschwerdeführer vorgelesen worden wäre oder daß der Beschwerdeführer auf die Verlesung verzichtet hätte. Sie liefert daher keinen vollen Beweis über den Verlauf der betreffenden Amtshandlung und den Inhalt der vom Beschwerdeführer dabei abgegebenen Erklärung. Mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Eingabe vom 14. November 1995, es sei bei der Amtshandlung am 13. November 1995 "tatsächlich besprochen" worden, daß er sein Amt dann zurücklegen würde, wenn er nicht innerhalb von drei Tagen umdisponiere, wurde der Sache nach geltend gemacht, daß die vom Beschwerdeführer in der Verhandlung abgegebene Erklärung unrichtig protokolliert worden sei. Die Behörde hätte sich im Sinne der oben dargelegten Rechtslage mit diesem Einwand auseinandersetzen und die den entsprechenden Feststellungen über den Inhalt der vom Beschwerdeführer abgegebenen Erklärung zugrundeliegenden, bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen darlegen müssen.

Dies ist unterblieben, weshalb Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.

Der angefochtene Bescheid war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Für die - mit Ausnahme einer Ausfertigung des angefochtenen Bescheides - nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Beilagen war kein Stempelgebührenersatz zuzusprechen.

Schlagworte

freie Beweiswürdigung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030025.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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