TE Bvwg Beschluss 2020/7/7 L511 2147546-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

ASVG §67
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

L511 2147546–1/6E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a JICHA als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Rechtsanwälte GREGER & AUER, gegen den Bescheid der Salzburger Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse) vom 25.11.2016, Zahl: XXXX , nach Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2017, Zahl: XXXX :

A)

In Erledigung der Beschwerden wird der Bescheid vom 18.01.2017, Zahl: XXXX , behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Österreichische Gesundheitskasse zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I.       Verfahrensgang und Verfahrensinhalt

1.       Verfahren vor der Gebietskrankenkasse [SGKK]

1.1.    Mit Schreiben vom 03.11.2016 teilte die SGKK dem Beschwerdeführer mit, dass auf dem Beitragskonto der XXXX [im Folgenden: OG] ein Rückstand an Beiträgen für die Zeiträume November 2014 bis Februar 2016 in Höhe von insgesamt EUR 66.141,29 zuzüglich Verzugszinsen offen aufscheine. Dem Schreiben war eine Rückstandsaufstellung gemäß § 64 ASVG vom selben Tag beigelegt (Aktenzahl der vorgelegten Aktenteile [AZ] I).

Der Beschwerdeführer hafte als unbeschränkt haftender Gesellschafter gemäß § 67 Abs. 3 ASVG iVm § 128 und 161 Abs. 2 UGB für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft und wurde aufgefordert, den Rückstand bis spätestens 23.11.2016 zu begleichen oder innerhalb dieser Frist Gründe darzulegen, welche gegen eine Haftung gemäß § 67 Abs. 3 ASVG sprächen.

1.2.    Eine Stellungnahme des Beschwerdeführers erfolgte nicht.

1.3.    Mit Haftungsbescheid vom 25.11.2016, Zahl: XXXX , verpflichtete die SGKK den Beschwerdeführer gemäß § 67 Abs. 3 iVm § 83 ASVG als unbeschränkt haftender Gesellschafter zur ungeteilten Hand zusammen mit der OG zur Zahlung der von der OG zu entrichten gewesenen Beiträge samt Nebengebühren idHv EUR 66.141,29 innerhalb von 14 Tagen bei sonstiger Exekution. Zusätzlich sei der Beschwerdeführer verpflichtet, ab 24.06.2016 bis zur Einzahlung Verzugszinsen in der Höhe von derzeit 7,88% p.a. von EUR 65.714,90 zu entrichten (AZ III).

Die Summe setze sich laut beigelegtem Rückstandsaufstellung vom 25.11.2016 aus „Beiträgen GPLA“ für 11/2014 bis 02/2016, „Beitrag Rest“ für 11/2015, 12/2015 und KJ/2015 sowie aus „Beiträgen“ für 01/2016 und 02/2016 sowie Verzugszinsen und Nebengebühren zusammen.

Begründend wurde im Wesentlichen zusammengefasst ausgeführt, im Haftungszeitraum seien Dienstnehmer beschäftigt worden, die ausständigen Beiträge konnten jedoch nicht eingebracht werden. Aufgrund der laufenden Betriebsführung werde von Überschüssen der Erträge über die Aufwendungen ausgegangen und der erzielte Gewinn sei dem Beschwerdeführer überwiegend zugefallen, wodurch es zu einer Vermögensverminderung bei der Dienstgeberin gekommen sei. Der Beschwerdeführer habe trotz Aufforderung vom 03.11.2016 keine Gründe vorgebracht, die gegen die Haftung sprächen.

1.4.    Mit Schreiben vom 22.12.2016 erhob der Beschwerdeführer gegen den am 30.11.2016 zugestellten Bescheid fristgerecht Beschwerde [Bsw] (AZ IV, V).

Der Beschwerdeführer führte im Wesentlichen zusammengefasst aus, die Voraussetzungen des § 67 Abs. 3 ASVG lägen nicht vor. Der Beschwerdeführer sei nur anteilig am Gewinn bzw. Risiko beteiligt gewesen und Gewinne seien am Kapitalkonto der OG belassen worden. Zudem sei eine Haftung nach § 128 UGB mittels Bescheid nicht möglich; diese liege in der Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte. Dem Bescheid sei auch kein Rückstandsausweis, sondern lediglich eine Rückstandsaufstellung angeschlossen gewesen; diese könne mangels Zustellung an die Beitragsschuldnerin keinerlei Rechtswirkung entfalten. Zudem sei die Forderungsanmeldung der SGKK im Insolvenzverfahren noch nicht abschließend geprüft und die Berechnung der Rückstände sei nicht nachvollziehbar, zumal die Rückstandsaufstellung ohne konkrete Angaben nur auf die GPLA-Prüfung verweise.

1.5.    Mit Beschwerdevorentscheidung vom 18.01.2017, Zahl: XXXX , wies die SGKK gemäß § 14 VwGVG die Beschwerde ab und bestätigte den angefochtenen Bescheid vom 25.11.2016 (AZ VI).

Ergänzend zum Bescheid wird ausgeführt, ein unbeschränkt haftender Gesellschafter trage die wirtschaftliche Gefahr, wenn auch nicht überwiegend, zu gleichen Teilen wie der Dienstgeber. Gegenteiliges sei vom Beschwerdeführer zwar behauptet, jedoch nicht mit Unterlagen belegt worden. Es sei lediglich eine Rückstandsaufstellung verschickt worden, da der Rückstandsausweis im Insolvenzverfahren gegenüber der Primärschuldnerin eingebracht worden sei. Die darin enthaltene Aufstellung der Beitragsschulden sei bereits aus dem Insolvenzverfahren bekannt und es werde zudem der Prüfbericht und die Niederschrift über die Schlussbesprechung als integrierender Bestandteil der Beschwerdevorentscheidung beigelegt.

1.6.    Mit Vorlageantrag vom 23.01.2017 beantragte der Beschwerdeführer fristgerecht die Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (AZ VIII].

2.       Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 13.02.2017 die Beschwerde samt Auszügen aus dem Verwaltungsakt vor (Ordnungszahl des hg Gerichtsaktes [im Folgenden:] OZ 1 [=AZ I-IX]).

Im beiliegenden Vorlagebericht wurde als Beweis für den überwiegenden Zufall des erwirtschafteten Gewinnes werde das Schreiben des Alpenländischen Kreditorenverbandes (AKV) vom 03.06.2016 (AZ IX) gewertet, demzufolge wesentliche finanzielle Mittel in andere Gesellschaften der persönlich haftenden Gesellschafter geflossen seien und damit der OG nicht unerhebliche Liquidität entzogen worden sei.

2.1.    Das BVwG führte eine Abfrage beim Firmenbuch betreffend die OG durch (OZ 5).

II.      ad A) Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       entscheidungswesentliche Feststellungen

1.1.    Der Beschwerdeführer ist seit 05.08.1997, seit 16.01.2013 gemeinsam mit XXXX , unbeschränkt haftender Gesellschafter der OG und vertritt diese selbständig. Mit Beschluss des LG Salzburg vom 03.03.2016, XXXX , wurde der Konkurs über die OG eröffnet und die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst. Mit Beschluss vom 22.03.2017 wurde der Sanierungsplan rechtskräftig bestätigt, der Konkurs aufgehoben und die Gesellschaft fortgesetzt (OZ 4).

1.2.    Im Verfahrensakt finden sich keine Unterlagen und Hinweise auf erzielte Gewinne der OG im Zeitraum 2014 bis 2016 sowie, eine (etwaige) vorgenommene Gewinnverteilung dieser an die unbeschränkt haftenden Gesellschafter*innen (AZ I-IX).

2.       Beweisaufnahme und Beweiswürdigung

2.1.    Die Beweisaufnahme, aus der sich auch der unter I. dargelegte Verfahrensgang ergibt, erfolgte durch Einsicht in die im Folgenden gelisteten von den Verfahrensparteien vorgelegten oder vom BVwG erhobenen Dokumenten und Unterlagen

im Verfahrensakt der GKK:

?        Haftungsbrief und Aufforderung zur Unterlagenvorlage der SGKK (AZ I)

?        Rückstandsaufstellung vom 25.11.2016 (III)

?        Bescheid und Beschwerdevorentscheidung der SGKK (III und VI)

?        Beschwerde und Vorlageantrag (V und VIII)

?        Schreiben des Alpenländischen Kreditorenverbandes vom 03.06.2016 (IX)

im hg. Gerichtsakt:

?        Firmenbuchauszug der GmbH vom 10.01.2020 (OZ 5)

2.2.    Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich unmittelbar ohne weitere Interpretation aus den jeweils zitierten Aktenteilen (AZ I-IX; OZ 4), wobei weder der Beschwerdeführer noch die ÖGK diesen entgegengetreten sind.

3.       Entfall der mündlichen Verhandlung

3.1.    Der Anspruch einer Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist kein absoluter (§ 24 VwGVG unter Hinweis auf Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC]). Nach der Rechtsprechung des EGMR und ihm folgend des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unumstritten und nur eine Rechtsfrage zu entscheiden ist oder wenn die Sache keine besondere Komplexität aufweist (vgl. dazu für viele EGMR 12.11.2002, Döry / S, Rn37; VfGH 20.02.2015, B1534; sowie jüngst VwGH 18.12.2018, Ra 2018/03/0132, jeweils mwN).

3.2.    Aufgrund der Behebung des angefochtenen Bescheides kann eine Verhandlung gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen.

4.       Rechtliche Beurteilung

4.1.1.  Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch Einzelrichterin ergeben sich aus § 6 Bundesgesetz über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes [BVwGG] iVm § 414 Abs. 1 und Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz [ASVG]. Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) geregelt. Verfahrensgegenständlich sind demnach neben dem VwGVG auch die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, sowie jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen sinngemäß anzuwenden, die die GKK im erstinstanzlichen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte (§ 17 VwGVG).

4.1.2.  Die SGKK hat gegenständlich eine Beschwerdevorentscheidung gemäß § 14 VwGVG erlassen und der Beschwerdeführer hat fristgerecht einen Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG gestellt, mit dem die (gegen den ersten Bescheid gerichtete) Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist daher die an die Stelle des Ausgangsbescheides getretene Beschwerdevorentscheidung, wobei der Ausgangsbescheid Maßstab dafür bleibt, ob die Beschwerde berechtigt ist oder nicht, da sich diese gegen den Ausgangsbescheid richtet und ihre Begründung auf diesen beziehen muss (VwGH 20.05.2015, Ra 2015/09/0025; 17.12.2015, Ro 2015/08/0026).

4.1.3.  Die Beschwerde und der Vorlageantrag sind rechtzeitig und auch sonst zulässig.

4.2.    Zu § 67 Abs. 3 ASVG

4.2.1.  Gemäß § 67 Abs. 3 ASVG haften beide zur ungeteilten Hand für die fällig gewordenen Beiträge, wenn einem anderen als dem Dienstgeber die wirtschaftliche Gefahr des Betriebes (der Verwaltung, des Haushaltes, der Tätigkeit) oder der erzielte Gewinn vorwiegend zufällt.

Die beiden Tatbestände sind getrennt voneinander zu sehen, weil sie mit einem alternativen „oder“ miteinander verbunden sind (VwGH 14.09.2005, 2003/08/0119), treffen beide aber nur Nichtdienstgeber. Nach dem ersten Tatbestand haftet derjenige mit, dem die wirtschaftliche Gefahr des Betriebs (der Verwaltung, des Haushalts, der Tätigkeit) zufällt, nach dem zweiten Tatbestand derjenige, dem der erzielte Gewinn anstelle des Dienstgebers vorwiegend zukommt.

4.2.2.  Im gegenständlichen Fall stützt die SGKK ihre Haftung auf § 67 Abs. 3 ASVG und geht im Bescheid unausgesprochen aber erkennbar von der Verwirklichung des zweiten Tatbestandes des § 67 Abs. 3 ASVG aus („[Dem Beschwerdeführer] ist als unbeschränkt haftendem Gesellschafter der erzielte Gewinn überwiegend zugefallen.“). In der Beschwerdevorentscheidung geht die SGKK ergänzend davon aus, dass auch der erste Tatbestand des § 67 Abs. 3 ASVG verwirklicht sei („Dass ein unbeschränkt haftender Gesellschafter die wirtschaftliche Gefahr, wenn auch nicht überwiegend, jedoch zu gleichen Teilen wie der Dienstgeber trägt, ist nicht von der Hand zu weisen.“).

4.2.3.  Die erste Alternative des § 67 Abs. 3 ASVG soll einen Durchgriff durch „Strohmänner“ ermöglichen, die zwar formell aus eigenem Recht über das betriebene Unternehmen disponieren, denen aber weder der wirtschaftliche Vorteil noch der wirtschaftliche Nachteil endgültig zufällt. Es soll also derjenige erfasst werden, dem die wirtschaftliche Gefahr eines Betriebs zufällt und der dennoch nicht Dienstgeber ist, also jemand, von dem feststeht, dass er die Finanzierung des Unternehmens in dominierender Weise in Händen hält, auf den im Vollstreckungsweg regelmäßig nicht gegriffen werden kann (vgl. Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §67 Rz31-33).

Ein derart gelagerter Fall ergibt sich verfahrensgegenständlich aber nicht aus dem Verfahrensakt, zumal der Beschwerdeführer ohnehin persönlich für die Schulden der OG haftet und auch von der SGKK nicht behauptet wurde, dass das Unternehmerrisiko der OG gar nicht zuzuordnen wäre (vgl. dazu VwGH 14.09.2005, 2003/08/0119).

4.2.4.  Der zweite Haftungstatbestand des § 67 Abs. 3 ASVG stellt auf das vorwiegende Zufallen des erzielten Gewinns ab und nimmt jene Personen in die Haftung, die den Ertrag eines Unternehmens zulasten von liquiden, der Beitragsentrichtung dienenden Mitteln überwiegend abschöpfen, während gleichzeitig die Beitragsentrichtung unterbleibt. Bereits im Wortlaut des § 67 Abs. 3 ASVG kommt dabei deutlich zum Ausdruck, dass auf das Zufallen der erzielten Gewinne und nicht auf eingeräumte Gewinnchancen oder Gewinnmöglichkeiten abgestellt wird. Noch nicht haftungsbegründend ist daher eine Gutschrift auf dem Kapitalkonto, solange der Gewinn nicht auch entnommen und damit dem Unternehmen entzogen wird (VwGH 14.09.2005, 2003/08/0119 mwN; Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm §67 Rz36-39).

Maßgebend ist die zeitliche Kongruenz zwischen Gewinnzufluss und Beitragsschuld. Es ist daher zu prüfen, ob die OG in jenem Zeitraum, aus dem die uneinbringlich gewordenen Sozialversicherungsbeiträge stammen, Gewinne erwirtschaftet hat und ob diese im Haftungszeitraum zumindest überwiegend dem Beschwerdeführer zugefallen sind. Grundlage der Gewinnverteilung ist der Gesellschaftsvertrag, bei Fehlen eines solchen das Gesetz. Für die Erfüllung des besonderen Tatbestandsmerkmales des "überwiegenden Zufallens des Gewinns" reicht es dabei nicht aus, dass der dem betreffenden Gesellschafter zukommende Gewinn gemäß § 120 Abs. 2 HGB seinem Kapitalkonto gutgebracht wurde. Der Zweck der Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG ist es nämlich, denjenigen in eine besondere sozialversicherungsrechtliche Haftung zu nehmen, der der Gesellschaft als Beitragsschuldner (wenngleich dies auf Grund des Gesellschaftsvertrages berechtigterweise geschehen wäre) im Wege der Verteilung des erzielten Gewinns, durch Buchung auf Privatkonto oder auf andere Weise, Mittel entnommen hat, während im selben Zeitraum Sozialversicherungsbeiträge unberichtigt geblieben sind. Wesentlich ist also, dass bei der Gesellschaft durch das "Zufallen des Gewinns" an einen Gesellschafter auch eine Vermögensverminderung eingetreten ist. Wurde der Gewinn hingegen überwiegend auf dem Kapitalkonto des Gesellschafters belassen, so steht er der Gesellschaft und in weiterer Folge ihrer Konkursmasse ohnehin zur Verfügung, sodass insoweit eine abweichende Vermögenszuordnung nicht vorgenommen wurde (VwGH 14.09.2005, 2003/08/0119 mwN).

4.2.5.  Zu diesem entscheidungswesentlichen Punkt fehlen aber Sachverhaltsermittlungen zur Gänze und lassen sich – entgegen der von der SGKK im Vorlagebericht vertretenen Ansicht – auch dem im Akt einliegenden Schreiben des AKV nicht entnehmen, zumal sich diesem weder die Gewinne der OG im maßgeblichen Zeitraum, noch eine etwaige Gewinnverteilung entnehmen lassen.

4.3.    Zurückverweisung des Verfahrens gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG

4.3.1.  Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht (Z1) oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist (Z2). Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

4.3.2.  Entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes [VwGH] zu § 28 VwGVG verlangt es das in § 28 VwGVG insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt somit nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127; 29.04.2015, Ra 2015/20/0038; 26.06.2014, Ro 2014/03/0063 RS29).

4.3.3.  Verfahrensgegenständlich handelt es sich nicht um vorhandene Ermittlungsergebnisse, welche einer allfälligen Ergänzung durch das BVwG bedürften (vgl. VwGH 19.12.2018, Ra2018/01/0368), sondern es wäre verfahrensgegenständlich das gesamte erforderliche Ermittlungsverfahren zur Erhebung des entscheidungswesentlichen Punktes der zeitlichen Kongruenz zwischen Gewinnzuflüssen und Beitragsschulden iSd § 67 Abs. 3 ASVG auf das BVwG übertragen.

4.3.4.  Die Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde und die Zurückverweisung der Angelegenheit an dieselbe steht daher im Einklang mit der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127), weshalb gegenständlich das dem BVwG gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eingeräumte Ermessen im Sinne einer kassatorischen Entscheidung auszuüben und das Verfahren spruchgemäß an die ÖGK zur Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen ist.

4.4.    Für das fortgesetzte Verfahren wird aus verfahrensökonomischen Gründen bereits an dieser Stelle zum Vorbringen des Masseverwalters, der rechtskräftig bestätigte erfüllte Sanierungsplan gemäß § 164 Abs. 2 IO habe auch für den Beschwerdeführer schuldbefreiende Wirkung, festgehalten, dass die Haftung nach § 67 Abs. 3 ASVG bei unbeschränkt Haftenden zu der nach § 128 HGB bestehenden, gerichtlich geltend zu machenden Haftung hinzutritt. Den nach § 67 Abs. 3 ASVG Haftungspflichtigen kommt daher auch nicht die allein für die Haftung auf Grund der Gesellschafterstellung geltende Bereinigungswirkung des Ausgleiches (Sanierungsplans) der Primärschuldnerin zugute (vgl. dazu explizit VwGH 15.11.2017, Ro2017/08/0001 mwN).

III.    ad B) Unzulässigkeit der Revision

Die gegenständliche Entscheidung stützt sich auf die umfangreiche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 VwGVG und bewegt sich im vom VwGH eng gesetzten Rahmen der Zulässigkeit einer Zurückverweisung. Etwa jüngst zur Zulässigkeit einer zurückverweisenden Entscheidung bei Fehlen jeglicher Ermittlungstätigkeit der belangten Behörde VwGH 30.03.2017, Ra 2014/08/0050; 09.03.2016, Ra 2015/08/0025 und VwGH 17.03.2016, Ra 2015/11/0127 sowie grundlegend VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063. Zur Erforderlichkeit der Feststellung der Gewinnverteilung insbesondere VwGH 14.09.2005, 2003/08/0119 mwN

Der Entfall der mündlichen Verhandlung ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetz. Es ergeben sich auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage, so dass insgesamt die Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht vorliegen.

Schlagworte

Beitragsschuld Ermittlungspflicht Haftung Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L511.2147546.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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