TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/29 I412 2123206-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.09.2020
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Entscheidungsdatum

29.09.2020

Norm

ASVG §410
ASVG §44
ASVG §49
ASVG §68
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §8 Abs1

Spruch

I412 2123206-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Säumnisbeschwerde der XXXX , vertreten durch Wirtschaftstreuhandgesellschaft DKfm Dr. Karl Köller KG, Kitzbühel, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.09.2020 zu Recht erkannt:

A)

1. Der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht wird gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG stattgegeben.

2. Die XXXX ist verpflichtet, der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau für den Zeitraum 01.09.2010 bis 31.07.2011 insgesamt € 29.197,99 an Sozialversicherungsbeiträgen und Beiträgen für die Mitarbeitervorsorgekasse samt Verzugszinsen zu zahlen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.       Am 27.05.2015 informierte die Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (nunmehr: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau – im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet) die XXXX (im Folgenden als Beschwerdeführerin bezeichnet), dass sie plane, ab dem 06.07.2015 eine Prüfung sämtlicher lohnabhängiger Abgaben durchzuführen und dazu näher bezeichnete Unterlagen bei Prüfungsbeginn bereitzustellen seien. In der Folge wurde ab 06.07.2015 eine GPLA-Prüfung bei der Beschwerdeführerin durchgeführt und am 09.07.2015 eine Niederschrift über die Schlussbesprechung erstellt.

2.       Am 17.03.2016 wurde von der Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht eingebracht betreffend Bescheiderlassung für die Jahre 2010/2011 (Prüfungsjahre) und um Ausstellung des Bescheides in Bezug auf den Sachverhalt ÖBB Nachverrechnung für die Sozialversicherungsabgaben aus der letzten erfolgten GPLA – Prüfung ersucht.

3.       Von der belangten Behörde wurde nach Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht am 19.12.2019 eine Stellungnahme erstattet und zusammengebracht vorgebracht, die Praxis der Beschwerdeführerin, die ÖBB Ausweise beitragsfrei zu halten, sei im hier relevanten Zeitraum (05/2010 bis 07/2011) von der belangten Behörde nicht geduldet worden. Im Gegenteil, die belangte Behörde habe die Beitragsfreistellung schon im Rahmen des ersten GPLA-Verfahrens nachweislich moniert. Als sich die Seilbahnen erstmals im Zuge dieser ab 09.09.2010 durchgeführten GPLA auf die Rechtsansicht berufen hätten, dass der Ausnahmetatbestand in § 49 Abs. 3 Z 20 ASVG anwendbar wäre, bzw. ein beitragspflichtiger Sachverhalt nicht vorläge, sei dem widersprochen und ein beitragspflichtiger Vorteil aus dem Dienstverhältnis festgestellt worden. Die Bergbahnen hätten im maßgeblichen Zeitraum von 05/2010 bis 07/2011 nicht darauf vertrauen können, dass kein Zusammenhang der gewährten Vergünstigung mit dem Dienstverhältnis bestünde.

Zur Frage der Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährungsfrist nach § 68 Abs. 1 ASVG weit die belangte Behörde darauf hin, dass ein Dienstgeber nach ständiger Judikatur des VwGH im Zweifel über die Beitragspflicht beim Krankenversicherungsträger anfragen müsse. Unterlasse er dies, habe er bereits die Pflicht, die gehörige Sorgfalt anzuwenden, verletzt und unterliege damit der fünfjährigen Verjährungsfrist.

Ein Auskunftsersuchen an die belangte Behörde sei jedoch nicht ergangen. Eine Berufung auf alternative Rechtsansichten, selbst wenn sie von namhaften Juristen vertreten werden, sei bei der Beurteilung der Sorgfaltswidrigkeit im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG außer Acht zu lassen. Nach ständiger Judikatur des VwGH dürfen sich Dienstgeber in derartigen Fällen „selbst auf die Auskunft von Rechtsanwälten oder Wirtschaftstreuhändern … nicht verlassen“.

Aus den dargelegten Gründen hätten die Seilbahnen auf die Beitragsfreiheit nicht vertrauen dürfen und sei aus Sicht der belangten Behörde von einer Sorgfaltswidrigkeit der Bergbahnen im Sinne des § 68 Abs. 1 ASVG auszugehen.

4.       Mit beim Bundesverwaltungsgericht am 13.02.2020 eingelangten Schreiben führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus wie folgt: Bereits im GPLA-Verfahren sei mündlich die Bescheiderlassung beantragt worden. Das mit der Prüfung betraute Organ habe der Beschwerdeführerin verweigert, diesen (mündlichen) Antrag in das GPLA – Verfahren aufzunehmen und habe auch keine schriftliche Ergänzung als Beilage im Akt diesbezüglich zugelassen. Sodann sei schriftlich der Antrag gestellt worden, woraufhin keine Antwort durch die Behörde ergangen sei. Die eingeforderten Abgaben seien aber unverzüglich nach der GPLA eingezogen und am Konto VAEB gutgeschrieben worden. Man habe mündlich erklärt, dass eine Stundung nicht anerkannt werde.

Nach Ausführungen betreffend die Verpflichtung zur Bescheiderlassung bzw. den formalen Erfordernissen eines Bescheides legte die Beschwerdeführerin zusammengefasst dar, die Behörde unterliege insofern einem Irrtum, als aus bestehendem, verfassungsrechtlich gewährleistetem Recht ein Bescheid auszustellen sei und die in den Erläuterungen angeführte Rechtsmeinung des prüfenden Organs zur Sache selber (Verjährung als Vorfrage in Verbindung mit der Entscheidung des VwGH 23.10.2002, Zl. 99/08/0128 oder es sich um eine schwierige Rechtsfrage wie im vorliegenden Fall handle) nicht korrekt sei und gängiger Rechtsprechung und Entscheidungen widerspreche. Der Beschwerdeführerin sei somit ein korrekter Bescheid auszustellen unter Berücksichtigung der Verjährung. Ein Verschulden durch den Dienstgeber sei eindeutig auszuschließen (Bescheiderlassung 07/2011 – letzte Abrechnung und Entscheidung durch den Landeshauptmann positiv für den Beschwerdeführer 2012). Unabhängig davon habe es sich um eine damals über vierzig Jahre von vielen Betrieben angewandte und von den Behörden akzeptierte Steuerbefreiung für Beförderungsunternehmen gehandelt, der ein entsprechender Sachverhalt zugrunde gelegen sei. Der Landeshauptmann von Tirol als Behörde zweiter Instanz habe der Meinung des Dienstgebers zu einem späteren Zeitpunkt Recht gegeben. Sodann habe die Behörde die außerordentliche Revision an den VwGH begehrt. Wenn die Gesetzesinterpretation in den Jahren sich ändere (durch VwGH-Entscheidung), sei dies eine komplette Neuauslegung einer Gesetzesstelle, die zeitlich weit später erfolgt sei, als die vorliegenden Abrechnungen, gegen die Verjährung eingewandt werde.

Festzuhalten sei aber auch, dass die vorgelegte Entscheidung des VwGH aus dem Jahr 2002 spiegelgleich zum Verfahren und der Einwand der Verjährung gerechtfertigt sei. Fakt sei, dass es sich um die Jahre gehandelt habe, die VOR der erstmaligen GPLA Prüfung und Erledigung in der Sache selber (Rechtsverfahren) berechtigt abgerechnet worden seien.

Zuvor sei der Sachverhalt rund 40 Jahre (mit lückenloser Prüfung) exakt gleich und in Abstimmung mit der Behörde abgerechnet worden. Das Land Tirol als unabhängige 2. Instanz, sei mit entsprechenden, rechtsprechenden Organen ausgestattet und habe der damaligen Beschwerde der Beschwerdeführerin in der 2. Instanz Recht gegeben. Erst in einer außerordentlichen Revision an den VwGH sei diese über Jahrzehnte auch vom SV-Träger akzeptierte und gutgläubig angewendete Rechtsansicht geklärt worden. Den Arbeitgeber könne somit kein Verschulden treffen. Zudem sei bereits im letzten Verfahren kein Verschulden des Dienstgebers festgestellt und somit nur die Beiträge für zwei Jahre und drei Monate (von 01.10.2007 bis 31.12.2009) verrechnet worden. Es habe nie Beanstandungen gegeben. Die Behörde sei informiert gewesen, als das Verfahren erledigt gewesen sei. Sie habe auch gewusst, dass bis zur Erledigung in erster Instanz wie in den 40 Jahren zuvor abgerechnet worden sei. Durch die Erledigung im Rechtsmittelverfahren sei von der bisherigen langjährigen Subsumption eines Sachverhaltes unter einen Tatbestand erstmalig abgegangen worden. Es habe grundsätzlich soweit geführt, dass es zu einer wesentlichen Gesetzesänderung gekommen sei, bzw. der Sachverhalt der Freibezüge neu geregelt worden sei.

Im Jahr 2010 habe bei der Beschwerdeführerin eine Beitragsprüfung für die Vorjahre (bis 2009) stattgefunden. Der Prüfer habe bei Ergebnisfeststellung gewusst, dass auch das laufende (nicht in der damaligen Prüfung inkludierte) Jahr so abgerechnet gewesen sei, wie in den 40 Jahren zuvor. Es seien sämtliche Informationen offengelegt gewesen. Das damalige Prüfungsergebnis sei unerwartet, erstmalig nach Jahrzehnten komplett konträr zu den festgestellten Vorjahren vorgeschrieben worden. Der damalige Bescheid sei von der Behörde mit 20.06.2011 ausgestellt worden, zugestellt mit 13.07.2011, dies umfasse exakt den letzten Abrechnungszeitraum.

Man habe nicht davon ausgehen müssen, dass eine gesetzliche Regelung, welche über Jahrzehnte angewandt und von der Behörde selber nie – trotz lückenloser Prüfungen – beanstandet worden sei, sich ändern würde. Eine Änderung der Abrechnungen sei sodann nach Bescheiderlassung mit August 2011 ausschließlich aus Vorsichtsgründen erfolgt. Ein Instanzenverfahren sei im Gange gewesen. Die Beschwerdeführerin habe einen Präzedenzfall für andere ähnliche Betriebe geführt. Erst nach der Prüfung bei der Beschwerdeführerin seien andere Betriebe auf diesen Sachverhalt hin geprüft worden.

Zur Anwendbarkeit der fünfjährigen Verjährungsfrist führt die Beschwerdeführerin aus, ein Auskunftsersuchen an die belangte Behörde sei nicht notwendig gewesen, da man zwischenzeitlich das Verfahren in zweiter Instanz gewonnen habe, bzw. den steuerbefreiten Sachbezug nur bis 07/2011 gewährt habe (Zeitraum Bescheiderlassung). Dass die Behörde eine von dieser in den letzten Jahrzehnten klar akzeptierte Steuerbefreiung nunmehr nicht mehr akzeptiert habe, sei schlichtweg unlogisch. Keiner habe mit diesem Verfahrensausgang nach jahrzehntelanger problemloser Anwendung des Tatbestandes gerechnet. Man habe jedenfalls darauf vertrauen dürfen. Tatsächlich habe es sich (in Anlehnung an die Entscheidung um eine so schwierige Rechtsfrage gehandelt, die erst vom obersten Gericht Jahre später geklärt werden habe können und werde der Antrag auf Entscheidung im Senat gestellt und auf mündliche Verhandlung.

In einer weiteren Stellungnahme vom 18.03.2020 führt die Beschwerdeführerin aus, im Bereich der Sozialversicherung gelte eine taggenaue dreijährige Verjährungsfrist (§ 68 ASVG). Lediglich bei Verschulden des Dienstgebers sei eine Verjährungsfrist von fünf Jahren zu beachten. Verschulden bestehe dann, wenn der Dienstgeber sich erkundigen hätte können. Kein Verschulden bestehe dann, wenn der Sachverhalt bei der letzten GPLA für das Prüforgan ersichtlich gewesen sei. oder es sich um eine schwierige Rechtsfrage gehandelt habe.

Bereits im Vorverfahren sei richtigerweise der Einwand der Verjährung geltend gemacht und vollumfassend von der Behörde anerkannt worden.

Aufgrund der positiven Entscheidung durch die Behörde zweiter Instanz sei bestätigt, dass jede andere Meldung falsch gewesen wäre und der Beschwerdeführer sich vollumfassend im Recht befunden habe. Es habe sich um eine Rechtsfrage von besonderer Bedeutung gehandelt, die sodann wesentlich später durch den Verwaltungsgerichtshof entschieden worden sei. Die Behörde habe ausreichend Zeit gehabt, eine Prüfung zeitgerecht vorzunehmen.

Es werde davon ausgegangen, dass die Behörde ohne Bescheid den vorgeschriebenen Betrag falsch und widersprechend zur gesetzlichen Lage vorgeschrieben hat. Mit Schreiben vom 18.03.2020 ergänzte die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen und beantragte die Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

5.       Die belangte Behörde beantwortete mit Schreiben vom 18.07.2020 sowie vom 04.08.2020 Anfragen seitens des Bundesverwaltungsgerichts und erstattete weiteres Vorbringen.

6. Am 22.09.2020 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Im September 2010 wurde bei der Beschwerdeführerin eine GPLA – Prüfung für den Zeitraum 01.10.2005 – 31.12.2009 durchgeführt, die mit Bescheid über einen Prüfauftrag vom 12.07.2010 angekündigt wurde.

Im Rahmen dieser Prüfung wurde vom damaligen Prüfer erstmals der Umstand aufgegriffen, dass die Beschwerdeführerin seit 1976 einen Vertrag mit der ÖBB hatte, wodurch dem seit einer bestimmten Mindestzeit beschäftigten Stammpersonal der Beschwerdeführerin die Benützung des ÖBB Schienennetzes zu einem vergünstigten Preis ermöglicht wurde.

Die in Rede stehenden Vergünstigungen schienen in den Lohnkonten der Beschwerdeführerin unter dem Titel „diverse Abzüge“ mit einem Betrag von € 4,40 bzw.
€ 8,80 auf.

Die Prüfung des Unternehmens erfolgte vom 06.-10.09.2010 sowie vom 20. – 24.09.2010 und war die Rechtsansicht der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit den ÖBB-Fahrbegünstigungen der Beschwerdeführerin spätestens am 10.09.2010 bekannt.

1.2. Von der Beschwerdeführerin wurde zur (lohnsteuerrechtlichen) Problematik ein Gutachten von Univ. Prof. Dr. XXXX eingeholt, welches mit 14.11.2010 datiert ist und eine Verpflichtung zum Abzug von Lohnsteuer verneint.

1.3. Bei vorangegangenen Prüfungen (vor dem Jahr 2010) wurde diese Problematik nicht thematisiert. Von der Beschwerdeführerin wurde zu keinem Zeitpunkt ein Auskunftsersuchen zu dieser Thematik an die belangte Behörde gerichtet.

1.4. Derartige Vergünstigungen wurden in der Vergangenheit österreichweit von zahlreichen Beförderungsunternehmen, aber auch z.B. von Nebengesellschaften der ÖBB und auch von der damaligen VAEB selbst ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (und deren Angehörigen, sowie pensionierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern) gewährt.

1.5. Mit Bescheid vom 20.06.2011 hat die (damalige) Versicherungsanstalt für Eisenbahnen und Bergbau (VAEB) die Beschwerdeführerin verpflichtet, den Betrag in Höhe von
€ 95.919,75 (Beiträge samt Verzugszinsen) zu bezahlen. Nachverrechnet wurden im Zusammenhang mit den gewährten ÖBB-Fahrtbegünstigungen Beiträge für den Zeitraum 01.10.2007 bis 31.12.2009. Für den davorliegenden Zeitraum wurde von der Versicherungsanstalt zu diesem Nachverrechnungspunkt in Anwendung einer dreijährigen Verjährungsfrist Verjährung angenommen.

Dieser Bescheid wurde von der Dienstgeberin bekämpft und vom Landeshauptmann von Tirol mit Bescheid vom 14.03.2012 in diesem Punkt behoben. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte schließlich in seiner Entscheidung vom 09.10.2013, Zl. 2012/07/0097 die Rechtsansicht der belangten Behörde.

1.6. Am 26.05.2015 erfolgte die Ankündigung einer GPLA – Prüfung für den gegenständlichen Beitragszeitraum 01.01.2010 bis 31.12.2014. Anlässlich dieser GPLA – Prüfung am 06.07.2015 wurden von der belangten Behörde Beiträge zur Sozialversicherung bei der Beschwerdeführerin für den Zeitraum 05/2010 bis 07/2011 aufgrund der Sachbezüge durch die ÖBB Jahreskarten nachverrechnet und der gesamte nachverrechnete Betrag von der Beschwerdeführerin bereits bezahlt.

1.7. Unter Berücksichtigung des vom Dienstgeber geleisteten Selbstbehaltes und der Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte und den gegenüber der Österreich – Card verminderten Nutzungsmöglichkeiten wurde von der belangten Behörde 20 % des Preises für die Österreich Card der ÖBB 2. Klasse in Höhe von € 1.690, also € 28.17 pro Ausweis und Monat als Sachbezug für die betroffenen Mitarbeiter angesetzt und beträgt der gesamte Nachverrechnungsbetrag für den Zeitraum 01.05.2010 bis 31.07.2011 € 47.011,02 (SV-Beiträge Sachbezug € 34.548,22; Verzugszinsen Sachbezug € 12.040,73; MVK-Sachbezug
€ 313,80; MVK Verzugszinsen Sachbezug € 108,27).

Für den Prüfzeitraum 01.09.2010 bis 31.07.2011 beträgt der Nachverrechnungsbetrag SV-Beiträge Sachbezug € 29 197,99 (SV-Beiträge Sachbezug € 22 424,17; Verzugszinsen Sachbezug € 6 502,47; MVK-Beiträge Sachbezug: € 210,36; MVK-Verzugszinsen Sachbezug
€ 60,99).

1.8. Von der Beschwerdeführerin wurde am 21.07.2015 die Feststellung der nachverrechneten Beiträge in Bezug auf den Sachverhalt ÖBB Nachverrechnung für das Wirtschaftsjahr 2010/2011 beantragt und mit Schreiben vom 14.03.2016 Säumnisbeschwerde erhoben. Von der belangten Behörde wurde innerhalb der gesetzlichen Entscheidungsfrist kein Bescheid erlassen.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt, soweit er den Verfahrensgang und die bei der Beschwerdeführerin durchgeführten Prüfungen betrifft, ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der belangten Behörde und ist unstrittig. Ebenso unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die Ausstellung eines Bescheides betreffend die Nachverrechnung der Beiträge im Zusammenhang mit den ÖBB-Fahrausweisen beantragt hat und die belangte Behörde einen solchen nicht in der gesetzlich vorgesehenen Entscheidungsfrist erlassen hat.

Die Höhe der vorzuschreibenden Beiträge bzw. die Berechnungsmethode ergibt sich aus einer vorliegenden Aufstellung der belangten Behörde, dem im Akt aufliegenden Protokoll über die GPLA-Prüfung und wurde von der Beschwerdeführerin nicht beanstandet.

Dass die in Rede stehenden Vergünstigungen jahrzehntelang österreichweit von zahlreichen Beförderungsunternehmen, Nebengesellschaften der ÖBB und auch von der Versicherungsanstalt selbst ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt wurden, wurde von der Beschwerdeführerin glaubhaft dargelegt und auch in der mündlichen Verhandlung von der belangten Behörde bestätigt, ebenso wie der Umstand, dass bei der Nachverrechnung dieser Beiträge im Rahmen der GPLA Prüfung 2010 kein Verschulden von der belangten Behörde hinsichtlich der Nichtmeldung der betreffenden Beiträge angenommen worden ist, und die verfahrensgegenständliche Problematik erstmals im Rahmen der GPLA-Prüfung im September 2010 aufgegriffen wurde.

Die Verbuchung der Fahrbegünstigungen in Form der Abbuchung des geringen Eurobetrages in den Lohnkonten ist ebenso unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

In Angelegenheiten nach § 410 Abs. 1 Z 1, 2 und 6 bis 9 ASVG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht auf Antrag einer Partei durch einen Senat; dies gilt auch für Verfahren, in denen die zitierten Angelegenheiten als Vorfragen zu beurteilen sind. Der Antrag ist gleichzeitig mit der Beschwerde oder dem Vorlageantrag oder binnen vier Wochen ab Zustellung der Beschwerde einzubringen. Von der Beschwerdeführerin wurde (erst) in der Stellungnahme vom 13.02.2020 ein Antrag auf Entscheidung im Senat gestellt, dieser ist somit verspätet gestellt worden; gegenständlich liegt daher Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

(2) In die Frist werden nicht eingerechnet

1. die Zeit, während deren das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung einer Vorfrage ausgesetzt ist;

2. die Zeit eines Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof, vor dem Verfassungsgerichtshof oder vor dem Gerichtshof der Europäischen Union.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. zu A.1:

Die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde setzt die Säumnis der vor dem Verwaltungsgericht belangten Behörde voraus, deren Entscheidungspflicht geltend gemacht wird, und somit die Verpflichtung dieser Behörde, über den bei ihr eingebrachten Antrag mittels Bescheid zu entscheiden (siehe VwGH 24.05.2018, Ro 2017/07/0026; VfGH 02.07.2015, E 657/2015). Fehlt es an der Säumnis der Behörde, so ist die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen (zur Säumnis als Prozessvoraussetzung siehe VwGH 23.08.2017, Ra 2017/11/0150); (VwGH 10.12.2018, Ro 2018/12/0017).

Die Entscheidungspflicht im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG, deren Verletzung zur Erhebung eines Devolutionsantrages (nunmehr Säumnisbeschwerde) berechtigt, setzt einen Antrag einer Partei im Verwaltungsverfahren voraus. Jede Partei des Verwaltungsverfahrens hat Anspruch auf Erlassung eines Bescheides, wenn ein Antrag oder eine Berufung offen ist (vgl. hiezu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), Anm. 3 zu § 73 AVG, S. 1618 f, sowie die auf S. 1637 ff referierte VwGH-Rechtsprechung). Für die Begründung der Entscheidungspflicht kommt es nicht darauf an, ob das Verfahren, in welchem ein Antrag gestellt wurde, von Amts wegen einzuleiten oder fortzusetzen ist. Auch dann, wenn eine Partei einen Antrag stellt, obzwar die Behörde auch von Amts wegen vorzugehen hätte, liegt ein Antrag im Sinne des § 73 Abs. 1 AVG vor (vgl. hiezu VwGH vom 31. Jänner 1995, Zl. 93/07/0123). Vermeint die Behörde, dass keine Sachentscheidung zu fällen ist, so trifft sie dennoch eine Entscheidungspflicht insofern, als sie den Antrag bescheidförmig zurückzuweisen hat (vgl. hiezu Walter/Thienel, a. a. O., S. 1619). Dies gilt jedoch nicht in Fällen, in denen jemand ohne Rechtsanspruch und ohne rechtliches Interesse die Tätigkeit der Behörde in Anspruch nimmt (vgl. hiezu VwGH 3. März 1989, Zl. 88/11/0193); (VwGH 12.10.2007, 2007/05/0017).

Die Beschwerdeführerin stellte am 21.07.2015 einen Antrag auf Bescheiderlassung betreffend die Nachverrechnung der Beiträge anlässlich einer GPLA Prüfung im September 2015. Am 17.03.2016 wurde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht eine Säumnisbeschwerde erhoben. Da die gesetzliche Entscheidungsfrist von sechs Monaten überschritten war, war die Säumnisbeschwerde zulässig und war der Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht stattzugeben.

3.3. zu A.2:

3.3.1   Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz ASVG ist Grundlage für die Bemessung der allgemeinen Beiträge (allgemeine Beitragsgrundlage) für Pflichtversicherte, sofern im folgenden nichts anderes bestimmt wird, der im Beitragszeitraum gebührende auf Cent gerundete Arbeitsverdienst mit Ausnahme allfälliger Sonderzahlungen nach § 49 Abs. 2. Als Arbeitsverdienst in diesem Sinne gilt bei den pflichtversicherten Dienstnehmern und Lehrlingen das Entgelt im Sinne des § 49 Abs. 1, 3, 4 und 6 ASVG.

Gemäß § 49 sind unter Entgelt die Geld- und Sachbezüge zu verstehen, auf die der pflichtversicherte Dienstnehmer (Lehrling) aus dem Dienst(Lehr)verhältnis Anspruch hat oder die er darüber hinaus auf Grund des Dienst(Lehr)verhältnisses vom Dienstgeber oder von einem Dritten erhält.

§ 49 Abs 3 ASVG enthält eine taxative Aufzählung jener Geld- und Sachbezüge, die nicht als Entgelt im Sinne der Abs 1 und 2 leg cit gelten, dh die zwar an sich die Merkmale der in den Abs 1 und 2 angeführten Art aufweisen, jedoch kraft besonderer gesetzlicher Vorschriften im § 49 Abs 3 ASVG von der Wertung als beitragspflichtiges Entgelt ausgenommen sind. Der Anwendungsbereich des durch § 49 Abs 3 ASVG normierten Ausnahmenkatalogs erstreckt sich demnach nur auf solche Bezüge, die "an sich" Entgelt im Sinne des § 49 Abs 1 oder 2 sind (vgl das hg Erkenntnis vom 26. Mai 2004, Zl 2001/08/0229).

§ 49 Abs 3 Z 20 ASVG in der damals geltenden Fassung lautete:

"(3) Als Entgelt im Sinne des Abs. 1 und 2 gelten nicht:

(…)

20. die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer und deren Angehörigen bei Beförderungsunternehmen, die Beförderung der Dienstnehmer zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Kosten des Dienstgebers sowie der Ersatz der tatsächlichen Kosten für Fahrten des Dienstnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit Massenbeförderungsmitteln;"

3.3.2   In seiner Entscheidung vom 09.10.2013, Zl. 2012/08/0097 (die Beschwerdeführerin selbst betreffend und in Erledigung einer Beschwerde, die die Nachverrechnung von Beiträgen für 01.10.2007 – 31.12.2009 zu beurteilen hatte) hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass im gegenständlichen Verfahren keine Umstände hervorgekommen seien, die ein entsprechend intensives bis ausschließliches betriebliches Interesse der mitbeteiligten Partei an der Gewährung der Fahrbegünstigten erkennen ließen. Von einem ausschließlichen Interesse der mitbeteiligten Partei als Dienstgeberin an der Gewährung der Fahrbegünstigungen sei somit nicht auszugehen. Angesichts des eindeutigen Überwiegens des Leistungsinteresses der Dienstnehmer und des erheblichen Werts der Leistung müssen die gegenständlichen Fahrbegünstigungen vielmehr als eine Form der Abgeltung der Arbeitsleistung der Dienstnehmer angesehen werden. Die Auffassung der belangten Behörde, es fehle an einem entsprechenden Kausalzusammenhang zwischen der Gewährung der Fahrbegünstigungen und der Abgeltung der Arbeitsleistung und es sei daher von keinem Entgeltbestandteil im Sinne des § 49 Abs 1 ASVG auszugehen, erweise sich somit als rechtswidrig.

Zur Prüfung des Ausnahmetatbestandes des § 49 Abs 3 Z 20 ASVG führt der Verwaltungsgerichtshof in der zitierten Entscheidung weiter aus, diese Bestimmung nenne als ersten Fall "die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer und deren Angehörigen bei Beförderungsunternehmen". Daraus sei zunächst abzuleiten, dass diese Bestimmung ehemalige (pensionierte) Dienstnehmer jedenfalls nicht erfasst. Aus dem Gesetzeswortlaut sei weiters zu schließen, dass sich die Bestimmung nur auf die bei Beförderungsunternehmen beschäftigten Dienstnehmer und deren Angehörige beziehe (arg: "der eigenen Dienstnehmer … bei Beförderungsunternehmen"; vgl auch den Wortlaut des § 3 Abs 1 Z 21 EStG).

Der Gesetzeswortlaut lasse hingegen offen, ob nur die Beförderung durch das Beförderungsunternehmen selbst oder auch die Beförderung durch Dritte erfasst werden soll. Eine nähere Betrachtung des Normzwecks und der Systematik des § 49 Abs. 3 Z 20 ASVG (in der damals geltenden Fassung) zeige jedoch, dass "die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer … bei Beförderungsunternehmen" sich nur auf eine Beförderung bezieht, die das Beförderungsunternehmen selbst durchführt. Nur in einem solchen Fall sei nämlich aufgrund der besonderen Nähe der Dienstnehmer zu den betrieblichen Leistungen ihres Dienstgebers und der - im Vergleich zum Zukauf externer Leistungen - geringen Kosten für den Dienstgeber sachlich zu rechtfertigen, dass Dienstnehmern Beförderungsleistungen ihres Dienstgebers unentgeltlich oder verbilligt angeboten werden, ohne vom Entgeltbegriff erfasst zu werden (vgl die ähnliche Situation bei gemäß § 49 Abs 3 Z 14 und 15 ASVG gewährtem Haustrunk oder Freimilch).

Auf die verfahrensgegenständlichen Begünstigungen für Beförderungsleistungen, bei denen die Beförderung nicht von der mitbeteiligten Partei im Rahmen ihres Beförderungsunternehmens selbst, sondern aufgrund vertraglicher Vereinbarung der mitbeteiligten Partei mit einem Dritten von diesem Dritten durchgeführte werden, wäre der Ausnahmetatbestand des § 49 Abs 3 Z 20 ASVG daher nicht anzuwenden.

3.3.3   Bei der verfahrensgegenständlich zu Grunde liegenden GPLA-Prüfung im Jahr 2015 wurde festgestellt, dass auch im prüfungsrelevanten Zeitraum bis 31.07.2011 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Beschwerdeführerin (und deren Angehörige) gegen einen geringen Beitrag ÖBB – Fahrausweise zur Verfügung gestellt bekommen haben und diese – auch im Sinne der angeführten Judikatur - einen Vorteil aus dem Dienstverhältnis darstellen.

3.3.4   Das Vorbringen der Beschwerdeführerin, welche die Berechnungsmethode und die Höhe der von der belangten Behörde im Zuge der GPLA festgestellten Beiträge nicht bestreitet, beschränkt sich auf den Einwand, dass die gegenständlichen Beiträge verjährt seien, da die fünfjährige Verjährungsfrist nicht zur Anwendung komme.

Dazu ist wie Folgt auszuführen:

Im Zuge der GPLA – Prüfung im Jahr 2015 wurden Beiträge aufgrund der Sachbezüge durch die ÖBB Jahreskarten im Zeitraum 05/2010 bis 07/2011 nachverrechnet.

Gemäß § 68 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

Für die Beurteilung der Frage, ob und inwieweit Feststellungsverjährung gemäß § 68 Abs. 1 ASVG eingetreten ist, kommt es auf die jeweils anzuwendende Verjährungsfrist an. Deren Dauer hängt vom Verschulden des Meldepflichtigen an der Meldepflichtverletzung ab. Die rechtswidrige Nichtmeldung indiziert dieses Verschulden. Es liegt am Meldepflichtigen darzutun, aus welchem besonderen Grund ihn ausnahmsweise kein Verschulden an der Meldepflichtverletzung trifft (vgl. das hg. Erkenntnis vom 1. April 2009, Zl. 2006/08/0152, mwN).

Der Beschwerdeführerin war jedenfalls seit dem Zeitpunkt des ersten Verfahrens, das auf einer GPLA – Prüfung im September 2010 beruhte, die diesbezügliche Rechtsansicht der belangten Behörde, dass der Ausnahmetatbestand in § 49 Abs. 3 Z 20 ASVG nicht anzuwenden und ein beitragspflichtiger Sachverhalt vorliegt, bekannt.

Die bloße "Nichtbeanstandung" in der Vergangenheit stellt noch keine Verwaltungsübung dar, auf die ein Meldepflichtiger vertrauen durfte. Die ihn treffende Erkundigungspflicht wird dadurch nicht aufgehoben (siehe dazu das Erkenntnis des VwGH vom 7.10.2015, Zl. 2013/08/0015).

Die Beschwerdeführerin bezieht sich zur Untermauerung ihrer Rechtsansicht insbesondere auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23.10.2002, Zl. 99/08/0128 bzw. vom 14.09.2005, Zl. 2003/08/0266. In den ins Treffen geführten Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes wird ein Verschulden des Dienstgebers ausgeschlossen, da eine mangelnde Berücksichtigung von Schmutzzulagen bei der Berechnung der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsgrundlagen über einen Zeitraum von 20 Jahren bei den Beitragsprüfungen nicht aufgegriffen bzw. beanstandet wurde. Die Beschwerdeführerin verkennt jedoch, dass der Umstand, dass den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die beanstandeten Vergünstigungen zugekommen sind, aus den Lohnkonten (im Gegensatz zu beitragsfrei belassenen Schmutzzulagen) nicht auf den ersten Blick ersichtlich waren und nur unter „allgemeine Abzüge“ aufschienen. Die Problematik betreffend den vergünstigten Bezug von ÖBB – Fahrten wurde bei vorangegangenen Prüfungen nie aufgegriffen. Wie auch die belangte Behörde betont, kann aus dem Charakter der GPLA Prüfungen als nachträgliche, stichprobenartige Überprüfungen die Bestätigung der Richtigkeit der Lohnverrechnung nicht ohne weiteres abgeleitet werden (sh. dazu auch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 18.05.1994, Zl. 93/09/0176).

Die Beschwerdeführerin bestreitet auch nicht, dass ein Auskunftsersuchen an die belangte Behörde zu dieser Thematik nicht gestellt wurde, ebenso wurde übereinstimmend von der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin angegeben, dass dieser Punkt bei vorangegangenen Prüfungen nie thematisiert worden ist.

Die Beschwerdeführerin argumentiert zudem jedoch auch, dass bis zum Zeitpunkt der Prüfung im September 2010 der Ausnahmetatbestand des damals geltenden § 49 Abs. 3 Z 21 ASVG (bzw. des § 3 (1) Z 21 EStG 1988) allgemein so ausgelegt wurde, dass nicht nur die eigenen Beförderungsleistungen sondern auch zugekaufte Beförderungsleistungen steuer- bzw. sozialversicherungsrechtlich beitragsfrei gewährt werden konnten und sei dies von sämtlichen Seilbahngesellschaften bzw. auch von der Versicherungsanstalt selbst betreffend deren eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter so gehandhabt worden. Erst in Folge von Umstrukturierungen bei der ÖBB, und im Zusammenhang mit der Gewährung dieser Vergünstigung an deren Nebenbetriebe, bei denen es sich nicht um Beförderungsbetriebe gehandelt hat, sei dieses Thema aufgegriffen worden.

Dieser Sachverhalt wird von der belangten Behörde auch nicht bestritten. Diese führt jedoch ins Treffen, die Beschwerdeführerin hätte schon vor der GPLA 2010 von der Beitragspflicht wissen müssen und sei somit die Verjährungsfrist von fünf Jahren, von der Verständigung zur GPLA, zu berechnen und stützt dies auch auf die als bekannt vorauszusetzenden Lohnsteuerrichtlinien.

Nach Ansicht der Beschwerdeführerin traf diese auch nach der GPLA im Jahr 2010 keine besondere Erkundigungs- und Befassungspflicht (die gegenständlichen Beitragsjahre betreffend), insbesondere da ihre Rechtsansicht dazu der belangten Behörde bekannt war und vom Landeshauptmann als Berufungsbehörde in dessen Bescheid vom 14.03.2012 bestätigt worden ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich (ua.) in seiner Entscheidung vom 22.03.1994, Zl. 93/08/0176 ausführlich mit der Problematik der Anwendung der drei- oder fünfjährigen Verjährungsfrist beschäftigt.

Im genannten Erkenntnis führte der Verwaltungsgerichtshof aus, die (von ihm im Erkenntnis dargelegten) Erkundigungs- und Befassungspflichten würden sich nur auf Fallkonstellationen beziehen, in denen dem Meldepflichtigen nicht schon vor dem Zeitpunkt, zu dem die bezüglichen Meldungen zu erstatten waren bzw. erstattet wurden, von der zur Vollziehung der beitragsrechtlichen Normen des ASVG zuständigen Gebietskrankenkasse eine die Meldepflicht auslösende Rechtsauffassung mitgeteilt worden sei. In diesem Fall gehe das Risiko der Unterlassung einer Meldung bzw. der Erstattung einer unrichtigen Meldung im Sinne des dritten Satzes des § 68 Abs. 1 ASVG (bei einer wenn auch erst im späteren Beitragsverfahren bestätigten Richtigkeit dieser mitgeteilten Rechtsauffassung) zu Lasten des Meldepflichtigen, dem es freilich nach § 410 Abs. 1 Z 7 ASVG freisteht, unverzüglich nach einer solchen Mitteilung von sich aus auf eine rasche Klärung der strittigen Frage im Beitragsverfahren zu dringen. Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze sei im Beschwerdefall die Zeit vor der Mitteilung der Rechtsauffassung der Beschwerdeführerin über die grundsätzliche Beitragspflicht der strittigen Provisionen durch ihren Prüfer und die Zeit ab diesem Zeitpunkt zu unterscheiden, so der Verwaltungsgerichtshof. Jedenfalls für die ab diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Beiträge betrug die Verjährungsfrist wegen der zufolge der genannten Mitteilung ausgelösten Verpflichtung zu einer Änderungsmeldung nach § 34 Abs. 1 ASVG oder zu Angaben nach § 34 Abs. 2 leg. cit. fünf Jahre.

Die belangte Behörde hat im vorliegenden Fall auf Aufforderung der erkennenden Richterin dargelegt, dass die Beschwerdeführerin zumindest ab 10.09.2010 (dem Zeitpunkt der Mitteilung durch den Prüfer im Rahmen der Beitragsprüfung) von der Rechtsansicht der belangten Behörde informiert war und in diesem Sinn die Beitragsmeldungen zu erstatten hatte.

Für alle ab diesem Zeitpunkt fällig gewordenen Beiträge, somit die Beiträge ab September 2010) betrug die Verjährungsfrist somit fünf Jahre und waren diese somit zum Zeitpunkt der Setzung der verjährungsunterbrechenden Maßnahme am 26.05.2015 (Mitteilung über Beitragsprüfung für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum) noch nicht verjährt.

Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Landeshauptmann von Tirol als zu diesem Zeitpunkt zuständige Einspruchsbehörde dem Rechtsmittel der Beschwerdeführerin in diesem Punkt Folge gab, zumal der Verwaltungsgerichtshof die durch den Prüfer und in der Folge auch durch einen Bescheid der belangten Behörde geäußerte Rechtsmeinung vollinhaltlich bestätigte und damit objektiv deren Beitragspflicht feststeht.

Zur Vorwerfbarkeit der Rechtsunkenntnis der Beschwerdeführerin für Beiträge, die vor diesem Zeitpunkt fällig wurden, ist ebenfalls auf das bereits zuvor zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Wie auch die belangte Behörde hinweist, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass sich ein Meldepflichtiger alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss und den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung der Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten hat. (Hinweis auf Krejci, Das Sozialversicherungsverhältnis, 159 und Teschner-Fürböck, Anmerkung 2a zu § 68 ASVG).

Den Meldepflichtigen trifft allerdings keine "verschuldensunabhängige Erfolgshaftung für die richtige Gesetzeskenntnis"; erforderlich ist vielmehr eine Vorwerfbarkeit der Rechtsunkenntnis, dh dass ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, nicht schon deshalb iSd § 68 Abs 1 dritter Satz ASVG exkulpiert ist, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist (Hinweis E 17.9.1991, 91/08/0052-0054). Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr eine Erkundigungspflicht, sofern er seine - objektiv unrichtige - Rechtsauffassung nicht etwa auf höchstgerichtliche (und erst später geänderte) Rechtsprechung oder bei Fehlen einer solchen auf eine ständige Verwaltungsübung zu stützen vermag.

Dass eine (positive) Verwaltungsübung bestand, derartige Begünstigungen beitragsfrei zu belassen, hat sich im vorliegenden Verfahren nicht ergeben.

Im zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes führt dieser aus, eine bloß fehlende Verwaltungsübung, nach der Provisionen (hier: Provisionen für den Abschluss von Bausparverträgen und Versicherungsverträgen) der ASVG-Beitragspflicht zu unterstellen gewesen wären, enthebt den Meldepflichtigen - anders als das Bestehen einer positiven, tatsächlich von der zuständigen Gebietskrankenkasse gehandhabten und dem Meldepflichtigen bekannten Verwaltungsübung, solche Provisionen nicht der Beitragspflicht zu unterziehen - grundsätzlich nicht von seiner Erkundigungspflicht.

Die Erkundigungspflicht wird allerdings nur ausgelöst, wenn der Meldepflichtige nach dem von ihm zu fordernden Grundwissen über beitragsrechtliche und melderechtliche Angelegenheiten zumindest Bedenken gegen die bzw. Zweifel an der Beitragsfreiheit gehabt haben musste.

Davon ist nach beim vorliegenden Sachverhalt jedoch nicht auszugehen. Auch die erkennende Behörde gesteht der Beschwerdeführerin zu, dass die Ausnahmebestimmung des damals geltenden § 49 Abs. 3 Z 21 ASVG (bzw. der gleichlautenden Bestimmung des EStG) nach der die gewährten Begünstigungen beitragsfrei gehalten wurden, allgemein so ausgelegt worden ist und auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Versicherungsanstalt selbst diese so erhalten haben. Überzeugend wurde dargelegt, dass die geänderte Rechtsansicht bzw. Auslegung der Ausnahmebestimmung des § 49 Abs. 1 Z 20 ASVG in der damals geltenden Fassung für die Beschwerdeführerin (und die übrigen betroffenen Beförderungsunternehmen) äußerst überraschend war, was auch die belangte Behörde nicht bestreitet. Darauf hinzuweisen ist auch, dass selbst die belangte Behörde bei der ersten Nachverrechnung im Rahmen der GPLA des Jahres 2010 nicht von der Anwendung der fünfjährigen Verjährung ausgegangen ist, und ein Verschulden der Beschwerdeführerin bis zur (erstmaligen) Mitteilung der Rechtsansicht der belangten Behörde durch den Prüfer im Rahmen der GPLA nicht angenommen hat. Auch das zu diesen Befreiungen ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes lässt darauf schließen, dass es sich nicht um einen Aspekt gehandelt hat, der in der Vergangenheit bereits Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen war und wurde die in Rede stehende Bestimmung in der Folge auch novelliert.

Für diese Annahme spricht auch, dass erst daraufhin zahlreiche Beförderungsunternehmen von der belangten Behörde auf dieses Thema hin geprüft und die entsprechenden Beiträge nachverrechnet worden sind.

Die belangte Behörde beruft sich zur Anwendung der fünfjährigen Verjährungsfrist für den gesamten Nachverrechnungszeitraum darauf, dass die Beitragspflicht der ÖBB- Fahrbegünstigungen schon aus den damals geltenden Lohnsteuerrichtlinien ersichtlich gewesen wären, die im bekämpften Bescheid vom 20.06.2011 angeführt seien.

Dazu ist anzumerken, dass die darin zitierten Entscheidungen sich zum einen auf einen Fall aus Deutschland und die deutsche Rechtslage (wenn sie auch mit der österreichischen vergleichbar ist) und zum anderen auf eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes bezieht, welche nicht die Interpretation der Ausnahmebestimmung des § 49 Abs. 3 Z 21 ASVG, also die die unentgeltliche oder verbilligte Beförderung der eigenen Dienstnehmer und deren Angehörigen bei Beförderungsunternehmen, zum Thema hatte.

Insofern ist für die Beiträge die vor dem 10.09.2010 fällig wurden, von einer dreijährigen Verjährungsfrist auszugehen, und waren die Beiträge bis August 2010 (fällig am 31.08.2010) bei Setzung der verjährungsunterbrechenden Maßnahme bereits verjährt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

begünstigter Personenkreis Beitragsnachverrechnung Entscheidungspflicht Fahrtkosten GPLA Rechtslage Säumnisbeschwerde Verjährung Verjährungsfrist Zeitraumbezogenheit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2123206.1.00

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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