TE OGH 2020/11/3 4R115/20y

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Veröffentlicht am 03.11.2020
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Das Oberlandesgericht Innsbruck als Berufungsgericht hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoffmann als Vorsitzenden sowie den Richter Dr. Huber und die Richterin Dr. Prantl als weitere Mitglieder des Senats in der Rechtssache der klagenden Partei U*****, vertreten durch Dr. Frank Philipp, Rechtsanwalt in Feldkirch, wider die beklagte Partei R*****, wegen EUR 611,95 s.A., über die Berufungen der klagenden Partei (Berufungsinteresse: EUR 471,83) und der beklagten Partei (Berufungsinteresse: EUR 140,12), gegen das Urteil des Landesgerichts Feldkirch vom 3.7.2020, 4 Cg 133/19k-8, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung der beklagten Partei wird k e i n e Folge gegeben.

Hingegen wird der Berufung der klagenden Partei t e i l w e i s e Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahingehend abgeändert, dass es unter Einschluss seines bestätigten Teils insgesamt lautet:

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen EUR 478,65 samt 4 % Zinsen seit 6.12.2019 zu zahlen und die mit EUR 394,31 (darin enthalten EUR 51,20 an Barauslagen und EUR 57,19 an USt) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu ersetzen.

Das Mehrbegehren von EUR 133,30 s.A. wird a b g e w i e s e n .“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei zu Handen des Klagsvertreters binnen 14 Tagen die mit EUR 289,46 (darin enthalten EUR 49,-- an Barauslagen und EUR 40,08 an USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen.

Die Revision ist jedenfalls u n z u l ä s s i g .

Entscheidungsgründe:

Text

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft ***** vom 9.5.2019 wurde ein dort anhängiges Verfahren eines anwaltlich vertretenen russischen Staatsbürgers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels („Rot-weiß-rot-Karte plus“) nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz bis zur rechtskräftigen Entscheidung des beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängigen Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ausgesetzt, wobei dieser Bescheid vom Betroffenen mittels Beschwerde bekämpft wurde. Das angerufene Landesverwaltungsgericht Vorarlberg teilte mit Schreiben vom 24.6.2019 dem Beschwerdeführer mit, dass von einer Verspätung des Rechtsmittels ausgegangen werde, ihm allerdings die Möglichkeit einer Stellungnahme binnen zwei Wochen eingeräumt werde. Der anwaltlich vertretene Beschwerdeführer teilte daraufhin mittels Schriftsatzes mit, dass eine Verspätung des Rechtsmittels nicht vorliege, nachdem das Ende der Rechtsmittelfrist auf einen gesetzlichen Feiertag (Pfingstmontag) und somit der letzte Tag der Frist auf den nächstfolgenden Werktag fällt, somit die Beschwerde rechtzeitig sei.

Der Annahme der Richterin des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg, dass das Rechtsmittel verspätet erhoben wurde, lag eine unvertretbare Rechtsansicht zugrunde, sodass die klagende Partei als Haftpflichtversicherer des Landes Vorarlberg dem Beschwerdeführer die Kosten seiner Stellungnahme im Umfang von EUR 611,95 (auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 21.800,-- nach TP 2 RATG) ersetzte.

Mit ihrer (Mahn-)Klage begehrt die Klägerin von der beklagten Partei unter Berufung auf § 67 VersVG den Ersatz der geleisteten Zahlung an den Beschwerdeführer und brachte dazu im Wesentlichen vor, die beklagte Partei sei gemäß § 1 Abs 3 zweiter Satz AHG funktioneller Rechtsträger, dem im vorliegenden Fall das schadensursächliche Fehlverhalten des Landesverwaltungsgerichts, das in Vollziehung von Niederlassungs- und Aufenthaltsangelegenheiten, die in die Zuständigkeit des Bundes fielen, erfolgt sei, zuzurechnen sei.

Die beklagte Partei erhob gegen den vom Erstgericht antragsgemäß erlassenen Zahlungsbefehl fristgerecht Einspruch, beantragte Klagsabweisung und wendete im Wesentlichen ein, sie sei passiv nicht legitimiert. Ein allfälliges rechtswidriges und schuldhaftes bzw unvertretbares Handeln eines Landesverwaltungsgerichts sei der beklagten Partei weder funktionell noch organisatorisch zurechenbar. Einem Rückersatzbegehren des Landes Vorarlberg, das einen Amtshaftungsanspruch teilweise anerkannt habe, komme daher ebenso wie dem Anspruch der Klägerin als Versicherer und Zessionar aus dem Versicherungsvertrag zum Land Vorarlberg keine Berechtigung zu. Mit der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 sei die zweistufige Verwaltungsgerichtsbarkeit eingeführt worden. Die Verwaltungsgerichte hätten über Beschwerden gegen Bescheide einer Behörde in der Sache selbst zu entscheiden. Dabei würden diese nicht als weisungsgebundene Behörde tätig, sondern als Gerichte, die dabei eine typisch richterliche Entscheidungsperspektive wahrnehmen. Den richterlichen Mitgliedern der Verwaltungsgerichte kämen die verfassungsrechtlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zu und sie seien mit den Richtern der ordentlichen Gerichte in verfassungsrechtlicher Hinsicht gleichgestellt. Damit würden sie sich grundlegend von den ehemaligen unabhängigen Verwaltungssenaten unterscheiden, welche sich lediglich als „weisungsfreie Verwaltungsbehörden“ durch ihre verfassungsrechtliche Unabhängigkeit ausgezeichnet hätten. Durch die Schaffung der Verwaltungsgerichtsbarkeit in den Ländern sei den Ländern somit erstmals Anteil an der Vollziehung der Staatsgewalt „Gerichtsbarkeit“ gewährt worden. Die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz in den Angelegenheiten der Verwaltungsgerichtsbarkeit sei nach Art 10 B-VG zwar dem Bund zugewiesen, von dieser Kompetenz ausdrücklich ausgenommen sei jedoch die Organisation der Verwaltungsgerichte der Länder, die gemäß Art 15 Abs 1 B-VG in Gesetzgebung und Vollziehung den Ländern zugeordnet worden sei. In der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 habe der Gesetzgeber wörtlich festgehalten, dass die Verwaltungsgerichte der Länder damit Landesorgane seien.

Soweit die Kompetenz zur Errichtung und Organisation einer Behörde bzw eines Gerichts in die alleinige Zuständigkeit der Länder fällt und der Bund auch nicht auf andere Weise, etwa durch Weisungen, auf die Tätigkeit der Organwalter einer Behörde, somit gegenständlich auf die Richterinnen und Richter des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg Einfluss nehmen könne, wäre es weder sachgerecht noch verfassungsrechtlich zulässig, wenn dem Bund bzw der beklagten Partei eine Haftung nach dem AHG für das Fehlverhalten dieser, seiner Ingerenz vollkommen entzogenen Organe treffen würde. Der Bund könne weder auf die Ausbildung der Richterinnen und Richter noch auf die Ausstattung des Landesverwaltungsgerichts mit Personal- und Sachressourcen Einfluss nehmen. Es bestehe kein hinreichender Zusammenhang zwischen dem Rechtsträger Bund und einem Landesverwaltungsgericht aus dem nachgereihten Vollzug der Materie, die vom Verwaltungsgericht zu entscheiden sei. Die Zuweisung der Zuständigkeiten der Landesverwaltungsgerichte erfolge nicht durch einfaches Gesetz, sondern bereits von der Verfassung. Die bloße Tatsache, dass das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg gegenständlich - kraft ausdrücklicher verfassungsrechtlicher Zuständigkeit - in einer Angelegenheit vollziehend tätig wurde, welche von den vorab eingeschrittenen (Landes-)Behörden gemäß Art 10 iVm Art 102 Abs 2 B-VG in mittelbarer Bundesverwaltung zu vollziehen waren und deren Fehlverhalten beim Vollzug auch nach § 1 AHG dem Bund funktionell zuzurechnen wäre, vermöge nichts daran zu ändern, dass das nachfolgende Handeln der Landesverwaltungsgerichte nicht dem Bund zuzurechnen sei. Tatsächlich führten die auch den Landesverwaltungsgerichten eingeräumten richterlichen Garantien der Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit dazu, dass eine funktionelle Zuordnung des Fehlverhaltens dieser Landesorgane im organisatorischen Sinn auch bei der Rechtsprechung über Materien, deren Vollzug dem Bund obliegen, zu den Ländern zu erfolgen habe. In den Fällen der Verwaltungsgerichtsbarkeit müsse für die funktionelle Zuordnung nach § 1 AHG die „Ausübung der Gerichtsbarkeit“ und nicht die „Materien, die davon berührt waren“, entscheidend sein.

Es würde sämtlichen verschuldensabhängigen schadenersatzrechtlichen Grundsätzen widersprechen, eine Haftung der beklagten Partei für ihr Fehlverhalten von Organwaltern zu bejahen, auf welche der Bund weder unter organisatorischen Gesichtspunkten noch in inhaltlicher Richtung Einfluss nehmen könne, um allfälliges haftungsbegründendes Fehlverhalten zu unterbinden bzw zu verhindern.

Das Klagebegehren werde auch der Höhe nach bestritten. Es sei nicht nachvollziehbar, auf welcher rechtlichen Grundlage der nunmehr geltend gemachte Betrag an den Beschwerdeführer geleistet worden sei. Es hätte seitens des Beschwerdeführers bereits ein nach TP 8 RATG zu honorierender kurzer Telefonanruf bzw jedenfalls ein nach TP 1 RATG zu honorierender kurzer Schriftsatz („Zweizeiler“) ausgereicht, um das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg auf den unrichtigen Vorhalt der Verspätung des eingebrachten Rechtsmittels hinzuweisen. Es könne auch die Angemessenheit der offenbar herangezogenen Bemessungsgrundlage von EUR 21.800,-- nicht nachvollzogen werden.

Mit dem nunmehr beidseits angefochtenen Urteil gab das Erstgericht dem Klagebegehren im Umfang von EUR 140,12 s.A. statt und wies das darüber hinausgehende Mehrbegehren von EUR 471,83 s.A. ab. Es legte seiner Entscheidung den eingangs dargestellten, im Berufungsverfahren nicht mehr strittigen Sachverhalt zugrunde und traf darüber hinaus noch folgende Feststellung:

Die anwaltliche Vertretung des Beschwerdeführers übermittelte dem Landesverwaltungsgericht Vorarlberg am 27.6.2019 folgende „aufgetragene Stellungnahme“:

„Der Beschwerdeführer erstattet zum Vorhalt des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 24.6.2019, …., zugestellt am 26.6.2019, fristgerecht, nachstehende

S T E L L U N G N A H M E :

Gemäß § 7 Abs 4 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz ist die Beschwerde binnen vier Wochen einzubringen. Die Frist beginnt mit Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheids.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 4 sowie des IV. Teils sinngemäß anzuwenden. Für die Berechnung von Fristen ist sohin auch im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht § 33 AVG maßgeblich.

Gemäß § 33 AVG werden Beginn und Lauf einer Frist durch Samstage, Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert. Fällt das Ende einer Frist jedoch auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, Karfreitag oder 24. Dezember, so ist der nächste Tag, der nicht einer der vorgenannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen.

Als gesetzliche Feiertage gelten die in § 1 Abs 1 Feiertagsruhegesetz bestimmten Tage und handelt es sich beim Pfingstmontag um einen gesetzlichen Feiertag.

Der 10.6.2019 war Pfingstmontag und ist sohin gemäß § 33 Abs 2 AVG der 11.6.2019 als letzter Tag der Frist anzusehen.

Die am 11.6.2019 eingebrachte Beschwerde war daher rechtzeitig.“

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Streitteile würden einhellig vom Vorliegen eines amtshaftungsbegründenden Verhaltens des Organs des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg ausgehen, sodass dieser Umstand ungeprüft zugrundezulegen sei. Gemäß § 1 Abs 3 AHG hafte derjenige, als dessen Organ die handelnde Person gewählt, ernannt oder sonst wie bestellt worden ist, zur ungeteilten Hand mit dem in Abs 1 genannten Rechtsträger. Hat dieser Rechtsträger aufgrund dieser Haftung Zahlungen geleistet, so habe er gegenüber den in Abs 1 genannten Rechtsträgern einen Anspruch auf Rückersatz.

Für die Frage, welchem Rechtsträger ein Fehlverhalten eines Organs (amts-)haftungsrechtlich zuzurechnen sei, komme es auf die funktionelle Zuordnung an. Gehöre das die schädigende Handlung setzende Organ allerdings organisatorisch einem anderen Rechtsträger an, hafte gemäß § 1 Abs 3 AHG auch dieser Rechtsträger solidarisch mit jenem, dem das Organ funktionell zugeordnet sei. Nach der Funktionstheorie sei das schädigende Organhandeln aber jenem Rechtsträger zuzurechnen, in dessen Namen und für den das betreffende Organ im Zeitpunkt der angeblich schuldhaften Handlung agierte; es komme also darauf an, in wessen funktionellen Bereich das Organ dabei tätig war (RIS-Justiz RS0087680 [T1]; RS0038400 [T4, T7]). Eine Haftung des Bundes für Landes- oder Gemeindeorgane sei damit nach der Funktionstheorie durchaus möglich. So hafte der Bund für gesetzwidrige Handlungen von Landes- oder Gemeindeorganen, wenn diese im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig sind.

Bei Klärung der Frage, welcher Rechtsträger nach dem AHG endgültig zu haften hat, komme es nicht darauf an, wessen Organ (organisatorisch) der angeblich Schuldtragende war, sondern sei allein entscheidend die zugeteilte Aufgabe und die ausgeübte Tätigkeit, also der Vollzugsbereich, innerhalb dessen das betreffende Organ im Zeitpunkt der schuldhaften Rechtsverletzung tätig war oder tätig zu sein hatte (1 Ob 107/06a).

Vor diesem Hintergrund könnten die Argumente der Beklagten nicht überzeugen. Die richterlichen Organe an den Landesverwaltungsgerichten hätten auch nach der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 in verwaltungsrechtlichen Angelegenheiten zu entscheiden, deren Vollzug in die Kompetenz des Bundes falle. Nur darauf komme es allerdings bei der Frage, welcher Rechtsträger endgültig hafte, an. Im vorliegenden Fall habe das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg über eine wider einen in einem Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz ergangenen Bescheid erhobene Beschwerde zu befinden gehabt. Gemäß Art 10 Abs 1 Z 3 B-VG seien unter anderem das Ein- und Auswanderungswesen einschließlich des Aufenthaltsrechts aus berücksichtigungswürdigen Gründen, das Passwesen, Aufenthaltsverbot, Ausweisung und Abschiebung, Asyl und Auslieferung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache. Somit sei das Land Vorarlberg gegenüber der Beklagten zum Regress berechtigt.

Nach § 67 Abs 1 VersVG gehe der Ersatzanspruch des Versicherungsnehmers gegen einen Dritten auf den Versicherer über, soweit dieser dem Versicherungsnehmer den Schaden ersetzt habe. Die Klägerin habe dem Land Vorarlberg als dessen Haftpflichtversicherer den entstandenen Schaden ersetzt und sei daher von einem wirksamen Forderungsübergang auszugehen, was beklagterseits auch gar nicht bestritten werde. Durch den Forderungsübergang nach § 67 VersVG trete in der Rechtsstellung des haftpflichtigen Schädigers keine Änderung ein; er könne dem Versicherer als neuem Gläubiger alle Einreden entgegenhalten, die ihm auch gegen den geschädigten Versicherungsnehmer zustanden.

Der Beklagten sei beizupflichten, dass die Klägerin ihre Schadensminderungspflicht verletzt habe. Die angezogene Bemessungsgrundlage von EUR 21.800,-- erweise sich als überhöht. Es sei von einer Verwaltungssache allgemeiner Natur auszugehen, für die nach den AHK eine Bemessungsgrundlage von EUR 16.000,-- heranzuziehen sei. Die Heranziehung einer Bemessungsgrundlage von EUR 21.800,-- sei nicht nachvollziehbar. Auch habe es für den Hinweis darauf, dass es sich bei dem vermeintlich letzten Tag der Frist um einen gesetzlichen Feiertag handelte, nicht der tatsächlich getätigten weitwendigen Ausführungen bedurft, sondern hätte zweifellos mit einer kurzen, unter TP 1 fallenden Mitteilung das Auslangen gefunden werden können. Mit einem Telefonanruf habe sich allerdings der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers nicht begnügen müssen, zumal er auch seitens des Landesverwaltungsgerichts zu einer Stellungnahme eingeladen worden sei.

Die berechtigten Schadenersatzansprüche würden sich daher wie folgt errechnen:

Äußerung vom 27.6.2019, TP 1 auf BMG EUR 16.000,--   EUR 46,70

50 % Einheitssatz        EUR 23,35

Aufforderungsschreiben nach § 8 AHG vom 2.9.2019 TP 2 -

BMG EUR 84,06        EUR 29,20

60 % Einheitssatz        EUR 17,52

                                                                                                   EUR 116,77

20 % Umsatzsteuer        EUR 23,35

Summe                   EUR 140,12

In diesem Umfang sei dem Klagebegehren daher stattzugeben, das darüber hinausgehende Mehrbegehren sei hingegen abzuweisen.

Mangels substantieller Bestreitung des Beginns des Zinsenlaufs würden der Klägerin Zinsen ab 6.12.2019 gebühren.

Gegen dieses Urteil richten sich die Berufungen beider Parteien jeweils wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung. Während die Klägerin den gesamten klagsabweisenden Teil des Ersturteils bekämpft, richtet sich das Rechtsmittel der Beklagten gegen den gesamten klagsstattgebenden Teil des Ersturteils. Die Klägerin beantragt in Stattgebung ihrer Berufung die Abänderung des Ersturteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgebung, während die Beklagte in Stattgebung ihrer Berufung die Abänderung des Ersturteils im Sinn einer gänzlichen Klagsabweisung beantragt.

In ihren Berufungsbeantwortungen beantragen die Parteien wechselseitig, der Berufung der Gegenseite keine Folge zu geben.

Berechtigt ist nur teilweise die Berufung der Klägerin.

Rechtliche Beurteilung

1. Zur Berufung der Beklagten:

Die Beklagte steht in ihrem Rechtsmittel unter Wiederholung ihrer bereits in erster Instanz vorgebrachten Argumente nach wie vor am Standpunkt, sie habe für das Handeln der Richter der Landesverwaltungsgerichte nicht zu haften, weil entscheidend sei nicht die vorgelagerte Verwaltungsmaterie, die vor Anrufung des Verwaltungsgerichts auf Behördenebene vollzogen wurde, sondern die jeweilige Ausübung der Rechtsprechungskompetenz. Die Länder seien durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 an der Staatsfunktion „Gerichtsbarkeit“ beteiligt worden, sodass sie auch für die von ihnen bestellten Organe der Gerichtsbarkeit zu haften hätten.

Diese Ausführungen vermögen nicht zu überzeugen:

Vorerst kann auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts zur grundsätzlichen Haftung der beklagten Partei gemäß § 500a ZPO verwiesen werden, die vom Berufungsgericht vollumfänglich geteilt werden.

Ergänzend hiezu ist auszuführen:

Unbestritten ist, dass das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg in einem Verfahren nach dem Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz - NAG) tätig wurde, bei dem es sich um ein Bundesgesetz handelt und dessen Vollziehung im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung zu erfolgen hat, wie sich insbesondere aus dessen § 3 betreffend die sachliche Zuständigkeit ergibt. Dort heißt es:

§ 3 (1) Behörde nach diesem Bundesgesetz ist der örtlich zuständige Landeshauptmann. Der Landeshauptmann kann, wenn dies im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit oder Sparsamkeit der Verwaltung gelegen ist, die Bezirksverwaltungsbehörden mit Verordnung ermächtigen, alle oder bestimmte Fälle in seinem Namen zu entscheiden.

(2) Über Beschwerden gegen Entscheidungen nach diesem Bundesgesetz entscheidet das örtlich zuständige Verwaltungsgericht des Landes.

Gemäß Art 6 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Entscheidung eines unabhängigen, unparteiischen, auf Gesetz beruhenden Organs über zivilrechtliche Ansprüche und Verpflichtungen oder eine gegen ihn erhobene strafrechtliche Anklage. Ein solches Organ muss zwar nicht den Kriterien eines Gerichts im Sinne des B-VG erfüllen, sondern genügen nach der EMRK auch geringere Anforderungen an die Sicherung der Unabhängigkeit, wie etwa nur eine befristete Bestellung. Als „Gericht“ in diesem Sinne können daher auch gewisse weisungsfreie Verwaltungsbehörden, die eingeschränkte Kriterien der Unabhängigkeit genügen, qualifiziert werden. Es hat sich für solche Organe in Anlehnung an die Originalsprachen der EMRK der Ausdruck Tribunal eingebürgert. Die wichtigsten Tribunale in diesem Sinn waren die unabhängigen Verwaltungssenate (UVS). Sie wurden 1988 eingerichtet, um der Rechtsprechung des EGMR zu Art 6 EMRK Rechnung zu tragen und wurden mit 1.1.2014, BGBl I 2012/51, durch die erstinstanzlichen Verwaltungsgerichte ersetzt (Öhlinger/Eberhard, Verfassungsrecht11 Rz 645).

Die Einrichtung der Verwaltungsgerichtsbarkeit mit 1.1.2014 diente insbesondere dazu, die zahllosen unabhängigen Verwaltungsbehörden auf Bundes- und Landesebene (siehe Anlage zu B-VG, BGBl I 2012/51) durch straffere Strukturen, nämlich durch neun Landesverwaltungsgerichte und zwei Gerichte auf Bundesebene, nämlich das Bundesverwaltungsgericht und das Bundesfinanzgericht, zu ersetzen. Die richterlichen Mitglieder dieser Verwaltungsgerichte genießen die Garantien der richterlichen Unabhängigkeit und werden vom Bundespräsidenten oder der jeweiligen Landesregierung auf der Grundlage von Dreiervorschlägen des jeweiligen Gerichts ernannt. Grundsätzlich handelt es sich - organisatorisch - bei den Landesverwaltungsgerichten um Organe des jeweiligen Bundeslandes, bei den beiden Bundesgerichten um Organe des Bundes.

Das Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts und der Landesverwaltungsgerichte ist durch ein besonderes Bundesgesetz einheitlich zu regeln (Art 136 Abs 2 B-VG), was durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl I 2013/33, erfolgte. Dabei hatten die Länder ein Mitwirkungsrecht an der Vorbereitung dieses Gesetzes, wobei auch aus bestimmten Gründen abweichende Regelungen in den Gesetzen zulässig sind. Es unterscheidet sich die Bundeskompetenz zur Regelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens von der Bedarfsgesetzgebungskompetenz des Bundes zur Regelung des Verwaltungsverfahrens (Art 11 Abs 2 B-VG) darin, dass der materielle Gesetzgeber keine Adhäsionskompetenz hat, soweit der Bundesgesetzgeber von seiner Kompetenz keinen Gebrauch gemacht hat. Das Verfahren beim Verwaltungsgericht ist vielmehr abschließend zu kodifizieren und ergänzende Regelungen sind nur unter der Voraussetzung des Art 136 Abs 2 B-VG zulässig (Öhlinger/Eberhard aaO Rz 653).

Die Aufgabenverteilung zwischen den Verwaltungsgerichten beruht auf einer Generalklausel zugunsten der Landesverwaltungsgerichte. Im Verhältnis zwischen den beiden Verwaltungsgerichten des Bundes gilt eine Generalklausel zugunsten des Bundesverwaltungsgerichts (Art 131 Abs 2 B-VG). Das Bundesverwaltungsgericht ist gemäß Art 131 Abs 2 erster Satz B-VG zuständig für alle Arten von Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG in Rechtssachen, die in die Vollziehungskompetenz des Bundes fallen und in unmittelbarer Bundesverwaltung besorgt werden, sowie im Verfahren nach Art 130 Abs 1a B-VG. Das Bundesfinanzgericht ist zuständig in Abgaben- oder Finanzstrafsachen gemäß Art 131 Abs 3 B-VG.

Vorgesehen sind sogenannte „Flexiklauseln“ zur Verschiebung von Zuständigkeiten zwischen den Verwaltungsgerichten des Bundes und der Länder. Der einfache Bundesgesetzgeber ist ermächtigt, mit Zustimmung aller Länder unter anderem in den Angelegenheiten Art 11 und 12 B-VG sowie in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vorzusehen (Art 131 Abs 4 Z 2 B-VG). Art 131 Abs 5 B-VG erlaubt es auch dem Landesgesetzgeber, in Angelegenheiten der Landesvollziehung eine Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts vorzusehen, bedarf hiezu allerdings auch der Zustimmung der Bundesregierung. Umgekehrt darf auch der Bundesgesetzgeber alle den Verwaltungsgerichten des Bundes aufgrund des B-VG zukommende Aufgaben mit der Zustimmung aller Länder in die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte gemäß Art 131 Abs 4 Z 1 B-VG übertragen (Öhlinger/Eberhard aaO Rz 660).

Für rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten von „in Vollziehung der Gesetze“ handelnden Verwaltungsorganen und auch Gerichten haftet der jeweilige Rechtsträger nach den Bestimmungen des Bürgerlichen Rechts im Rahmen der Amtshaftung gemäß Art 23 Abs 1 B-VG. Dabei kommt es auf den funktionellen Zusammenhang zwischen Organ und Rechtsträger an. Das Fehlverhalten eines Organwalters ist jenem Rechtsträger zuzurechnen, in dessen Wirkungsbereich (Vollzugsbereich) das Organ tätig geworden ist. Das bedeutet, dass für Fehlverhalten von Landesorganen in der mittelbaren Bundesverwaltung der Bund, für Fehlverhalten von Organen eines Selbstverwaltungsträgers, etwa einer Gemeinde, im übertragenen Wirkungsbereich der Bund und das Land, je nach kompetenzrechtlicher Zuordnung, haftet. Nach dieser funktionellen Zuordnung unterliegen auch Beliehene dem Amtshaftungsrecht. Der Geschädigte kann allerdings auch jenen Rechtsträger klagen, dem das handelnde Organ organisatorisch zuzurechnen ist. Dieser hat jedoch gemäß § 1 Abs 3 AHG einen Regressanspruch gegenüber dem nach der funktionellen Zuordnung haftenden Rechtsträger (Öhlinger/Eberhard aaO Rz 672; 1 Ob 3/96 mwN). Die dargestellte „Funktionstheorie“ lässt sich auch zwanglos aus der Entstehungsgeschichte des die Grundlage des AHG bildenden Art 23 B-VG ableiten. Anders als in der Stammfassung des B-VG, BGBl 1/1920, wonach gemäß Art 23 Abs 1 B-VG der Bund, die Länder oder die Gemeinden „für die Rechtsverletzungen der von ihnen bestellten Personen“ hafteten, trifft die Haftung für das Verhalten der „als ihre Organe handelnden Personen“ im Sinne des Art 23 Abs 1 B-VG idgF den Rechtsträger, dem jenes Verhalten kraft funktioneller Zuständigkeit von Rechts wegen zuzuordnen ist, sodass für die Haftung maßgeblich ist, in wessen Vollzugsbereich jene Organe fungierten, nicht aber, welchem Rechtsträger sie organisationsrechtlich zugehören (VfGHSlg 13.476/1993). Diese Änderung wurde durch die Bundes-Verfassungsnovelle BGBl 268/1925 bewusst vorgenommen, um die Haftpflicht von der Autorität, die die handelnde Person bestellt hat, auf die Autorität übergehen zu lassen, als dessen Organ die Person gehandelt hat. Die Änderung erschien deshalb notwendig, „weil andernfalls beispielsweise ein Land auch für die Amtshandlungen eines Landeshauptmanns in den Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung haftpflichtig wäre, obwohl dieser allenfalls im konkreten Fall auf Weisung des vorgesetzten Bundesministers vorgegangen ist“ (327 BlgNR 2. GP, 8). Die Beifügung des dritten Absatzes des § 1 AHG mit Art XXII Z 1 WGN 1989, wonach neben dem Rechtsträger, für den das angeblich schuldtragende Organ handelte, zur ungeteilten Hand auch derjenige haftet, als dessen Organ die handelnde Person gewählt, genannt oder sonst wie bestellt worden ist, erfolgte ausschließlich im Interesse der Geschädigten, für die es oft schwierig war, den funktionell zuständigen Rechtsträger zu erkennen (1 Ob 3/96).

Nach der dargestellten „Funktionstheorie“ handeln die Landesverwaltungsgerichte in ihren Tätigkeiten und Entscheidungen von Bundesgesetzen, deren Vollzug den Ländern im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung übertragen wurde, für jene Gebietskörperschaft, die für den Vollzug des Gesetzes zuständig ist; dies ist im Bereich des NAG der Bund, der in seinem Bundesgesetz selbst die Zuständigkeit u.a. der jeweiligen Landesverwaltungsgerichte zur Entscheidung über Beschwerden gegen Bescheide normiert hat.

Der Bund hat den Ländern teilweise nicht nur die Durchführung des erstinstanzlichen Verwaltungsverfahrens - im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung - übertragen, sondern auch die Überprüfung durch ein Tribunal im Sinne der EMRK, wobei dessen Bezeichnung als UVS oder LVG oder sonst eine unabhängige Verwaltungsbehörde (Kollegialbehörde mit richterlichem Einschlag) unerheblich ist.

Es mag zutreffend sein, dass als Ausfluss der Sachentscheidungs- und Sacherledigungskompetenz die Entscheidung eines Verwaltungsgerichts, mit der die zuvor von der Verwaltungsbehörde entschiedene Angelegenheit erledigt wird, an die Stelle des beim Verwaltungsgericht bekämpften Bescheids tritt - sofern die Beschwerde erfolgreich war - und der angefochtene Bescheid aus dem Rechtsbestand beseitigt und durch die Entscheidung des Verwaltungsgerichts ersetzt wird, allerdings ergeht diese Entscheidung des Verwaltungsgerichts auch in Vollziehung des Materiengesetzes, welches regelt, welche Gebietskörperschaft für den Vollzug zuständig ist.

Es ist weiters zutreffend, dass den richterlichen Mitgliedern der Verwaltungsgerichte die verfassungsrechtlichen Garantien der richterlichen Unabhängigkeit, Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit zukommen und sie insoweit den Richtern der ordentlichen Gerichte in verfassungsrechtlicher Hinsicht gleichgestellt sind, allerdings stellt dies keinen gravierenden Unterschied zu den vorher bestehenden unabhängigen Verwaltungssenaten, die im Rahmen ihrer Entscheidungen vollkommen weisungsfrei waren, dar; der wesentliche Unterschied liegt lediglich darin, dass keine zeitliche Bestellung mehr erfolgt, was allerdings insoweit keinen gravierenden Unterschied darstellt, da in verschiedenen Ländern auch Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit nur auf Zeit bestellt werden (siehe etwa Schweiz, Liechtenstein, etc).

Dass die Landesverwaltungsgerichtsbarkeit in die alleinige organisatorische Zuständigkeit der Länder fällt, ist unbestritten. In funktioneller Hinsicht ist diese Behauptung jedoch unzutreffend. Der Bundesgesetzgeber hat den Ländern - mit deren Zustimmung - die Überprüfung von verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen durch eine Gerichtsinstanz hinsichtlich bestimmter Materiengesetze übertragen, es könnte, wie eingangs zitiert, allerdings auch diese Kompetenz - einvernehmlich - wieder auf den Bund bzw das Bundesverwaltungsgericht durch einfaches Gesetz übertragen werden. Gerade diese Übertragung der richterlichen Überprüfung von Handlungen und Entscheidungen der Verwaltungsbehörden in bestimmten Materiengesetzen durch den Bund an die Länder zeigt, dass es sehr wohl auf die funktionelle Zuständigkeit ankommt, für welche Gebietskörperschaft das jeweilige Organ tätig wurde und nicht welchem Organisationsbereich es angehört.

Der Umstand, dass die Haftung des Bundes für das Fehlverhalten von Bediensteten der Länder und Gemeinden unangenehme Konsequenzen haben kann, wenn die Haftung die Folge von Unfähigkeit oder Überlastung von Bediensteten ist, die nicht unter der Diensthoheit des haftenden Rechtsträgers stehen, wurde bereits früher beklagt. Ein Versuch des Bundes, im Wege der Amtshaftung ein Land haftbar zu machen, dessen sich rechtswidrig und schuldhaft verhalten habende Bedienstete dem Bund Schaden zugefügt haben, wurde jedoch abgelehnt, weil die Landesbediensteten Organe des Rechtsträgers Bund waren (SZ 69/133). Auch vertritt der OGH die Auffassung, dass die unzureichende personelle Ausstattung im Organisationsbereich des Landes in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung dem Bund zuzurechnen ist, weil Weisungsgebundenheit und Zurechnung nicht gleich laufen müssen, mag dies auch für den Haftenden unbefriedigend sein, weil er keinen Einfluss auf mangelnde Organisation oder Personalausstattung hat. Allerdings müsste der Verfassungsgesetzgeber insoweit Regressansprüche einräumen oder aber die mittelbare Bundes- und Landesverwaltung beseitigen und die Vollziehung der Gesetze jenen Rechtsträgern übertragen, deren Personal sie durchzuführen hat (siehe dazu Schragel, AHG3 Rz 51 mwN). Diese Problematik gibt es nicht erst seit Einrichtung der Landesverwaltungsgerichte, sondern betraf in gleicher Weise schon die unabhängigen Verwaltungssenate wie auch sonst die Verwaltungsbehörden der Länder, die im Rahmen der mittelbaren Bundesverwaltung tätig wurden.

Das Erstgericht hat daher zu Recht die Haftung der beklagten Partei für das Fehlverhalten eines Mitglieds des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg im Rahmen der Vollziehung des NAG bejaht und vermag die Argumentation in der Berufung der beklagten Partei eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung nicht aufzuzeigen.

Die Berufung der beklagten Partei muss daher erfolglos bleiben.

2. Zur Berufung der Klägerin:

Diese richtet sich gegen die Höhe des ihr vom Erstgericht zuerkannten Ersatzes und macht geltend, der Oberste Gerichtshof habe bereits in 2 Ob 2182/96p festgehalten, dass gerichtlich aufgetragene Schriftsätze und Äußerungen, soweit sie inhaltliche Ausführungen enthalten, nach TP 3 I zu honorieren seien und nur bloße Anzeigen, Urkundenvorlagen und Mitteilungen unter TP 1 fielen. Der Kläger habe im Rahmen eines diesbezüglichen Auftrags des Landesverwaltungsgerichts eine Stellungnahme eingebracht, die rechtliche Ausführungen zur Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels beinhalten, weshalb ihm eine Honorierung nach TP 3 A RATG zustehe, mag dies auch nur auf einer Bemessungsgrundlage von EUR 16.000,-- erfolgen. Damit sei aber der geleistete und nunmehr von der beklagten Partei begehrte Betrag von EUR 611,95 jedenfalls angemessen.

Hiezu hat das Berufungsgericht erwogen:

Anwaltskosten, die aufgewendet werden, um eine drohende Verwaltungsstrafe oder auch die Zurückweisung einer Beschwerde als verspätet abzuwenden, sind als „Rettungsaufwand“ positiver Schaden (RIS-Justiz RS0023516). Ein solcher Rettungsaufwand ist nur zu ersetzen, wenn er zweckmäßig und angemessen war (RIS-Justiz RS0106806 [unvermeidbare Verfahrenshandlungen]; 8 Ob 6/09d = RS0023516 [T2]).

Der Beschwerdeführer im Verfahren nach dem NAG machte an Kostenersatz für die Stellungnahme seines anwaltlichen Vertreters insgesamt EUR 1.104,43 geltend, wovon die Klägerin als Haftpflichtversicherer des Landes Vorarlberg nur EUR 611,95 ersetzte, weil sie den Standpunkt vertrat, für die Stellungnahme seien nur Kosten nach TP 2 RAT angemessen. Grundsätzlich gebührt dem Rechtsanwalt für seine Tätigkeit entweder das vereinbarte Honorar oder, wenn keine Honorarvereinbarung getroffen wurde, ein angemessenes Honorar, wobei die AHK 2005 ein kodifiziertes Gutachten über die Angemessenheit des Honorars für bestimmte Vertretungsleistungen darstellt. Nach § 5 Z 34 AHK beträgt die Bemessungsgrundlage in „sonstigen Verwaltungssachen“ - Niederlassungs- und Aufenthaltssachen sind nicht eigens angeführt und fallen daher unter „sonstige Verwaltungssachen“ - bei sehr einfacher Natur und von geringer Bedeutung EUR 4.000,-- (lit a), im Allgemeinen EUR 16.000,-- (lit b) und bei weittragender Bedeutung EUR 42.000,-- (lit c). Dem Erstgericht ist beizupflichten, dass wohl von einer Bemessungsgrundlage von EUR 16.000,-- wegen durchschnittlicher Bedeutung auszugehen ist. Nach § 6 AHK kann die Berechnung des Honorars unter sinngemäßer Anwendung des RATG erfolgen, insbesondere durch Anwendung der Bestimmungen über den Einheitssatz und der TP 1 bis 3 und 5 bis 9 RATG.

Nach TP 3 A sind nur bestimmte verfahrenseinleitende und aufgetragene Schriftsätze zu entlohnen, worunter die Stellungnahme des Beschwerdeführers, deren Kosten ersetzt begehrt werden, gerade nicht fällt. Denn ein Auftrag zur Stellungnahme wurde ihm vom Landesverwaltungsgericht nicht erteilt, es wurde ihm nur die Möglichkeit eingeräumt, zu der geäußerten Rechtsansicht, die Beschwerde sei verspätet, Stellung zu nehmen. Damit kommt eine Entlohnung nach TP 3 A RAT nicht in Frage.

Eine Entlohnung nur nach TP 1 ist allerdings auch nicht gerechtfertigt, weil dies nur für ganz kurze Schriftsätze, wie Anzeigen, Kostenbestimmungsanträge oder dergleichen vorgesehen ist. Vielmehr fällt diese Stellungnahme, die aufgrund der vom Landesverwaltungsgericht vertretenen falschen Rechtsansicht zur Rechtzeitigkeit der Beschwerde des Beschwerdeführers notwendig war, um die Zurückweisung des Rechtsmittels abzuwenden, und deshalb auch einer näheren Begründung bedurfte, unter die Auffangbestimmung nach TP 2 I. 1. lit e „sonstige Schriftsätze, die nicht in TP 1 oder 3 genannt sind“, welche Ansicht die Klägerin schon gegenüber dem Anspruchswerber zutreffend vertrat. Danach betragen die berechtigten Kosten für diese Stellungnahme auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 16.000,-- nach TP 2 einschließlich 50 % Einheitssatz und 20 % USt EUR 394,74. Für das Aufforderungsschreiben, gegen dessen Entlohnung nach TP 2 kein Einwand erhoben wurde, gebührt eine Entlohnung, allerdings nur auf Basis einer Bemessungsgrundlage von EUR 394,74, sodass diesbezüglich nur ein Betrag von EUR 83,91 angemessen ist. Somit hat die Klägerin als Legalzessionärin Anspruch auf Ersatz gegenüber der beklagten Partei nach § 1 Abs 3 AHG von EUR 478,65 s.A., in welchem Sinne in teilweiser Stattgebung der Berufung der Klägerin das angefochtene Ersturteil abzuändern war. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Mehrbegehrens musste es jedoch bei der Abweisung verbleiben.

Die abändernde Entscheidung in der Hauptsache bedingt auch die Fällung einer neuen Kostenentscheidung betreffend das erstinstanzliche Verfahren. Diese stützt sich auf § 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin ist mit rund 80 % ihres Begehrens durchgedrungen, sodass sie Anspruch auf Ersatz von 80 % der Pauschalgebühr sowie 60 % ihrer Vertretungskosten, gegen deren Verzeichnung keine Einwendungen erhoben wurden, hat.

Hinsichtlich des Berufungsverfahrens stützt sich die Entscheidung auf §§ 50 Abs 1, 43 Abs 1 ZPO. Diesbezüglich hat die Klägerin die Berufung der Beklagten zur Gänze abgewehrt, sodass ihr die Kosten der Berufungsbeantwortung in voller Höhe - wie zutreffend verzeichnet - zu ersetzen sind. Hinsichtlich ihrer eigenen Berufung ist sie mit rund 70 % durchgedrungen, sodass sie Anspruch auf 70 % der Pauschalgebühr für das Berufungsverfahren sowie 40 % ihrer Vertretungskosten hat.

Die Unzulässigkeit der Revision ist in § 502 Abs 2 ZPO normiert.

Oberlandesgericht Innsbruck, Abteilung 4

Innsbruck, am 3. November 2020

Dr. Georg Hoffmann, Senatspräsident

Elektronische Ausfertigung
gemäß § 79 GOG

Textnummer

EI0100085

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0819:2020:00400R00115.20Y.1103.000

Im RIS seit

23.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.11.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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