TE Vwgh Beschluss 1997/9/30 97/05/0160

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 30.09.1997
beobachten
merken

Index

L10103 Stadtrecht Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §73 Abs2;
B-VG Art118 Abs5;
Statut Krems/Donau 1977 §37 Abs1;
Statut Krems/Donau 1977 §38 Abs3 Z7;
Statut Krems/Donau 1977 §7;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Schubrig Gesellschaft m.b.H. in Krems, vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Dinstlstraße 6, gegen den Stadtsenat der Stadt Krems an der Donau wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Bauangelegenheit, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen:

Begründung

In ihrer am 28. Mai 1997 beim Verwaltungsgerichtshof eingebrachten, auf Art. 132 B-VG gestützten Säumnisbeschwerde brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe am 14. Dezember 1995 für die Errichtung eines mehrgeschossigen Wohngebäudes auf dem Grundstück Nr. 2994/2 der Katastralgemeinde Krems beim Magistrat der Stadt Krems ein Baubewilligungsansuchen eingereicht, über welches nicht innerhalb der gesetzlichen Frist entschieden worden sei. Mit Schreiben vom 21. November 1996 habe sie daher bei der belangten Behörde einen Devolutionsantrag eingebracht, über welchen jedoch nicht entschieden worden sei. Infolge des nunmehr über sechs Monate dauernden Untätigseins der belangten Behörde sei sie zur Erhebung der Säumnisbeschwerde gemäß Art. 132 B-VG berechtigt. Sie beantrage daher, der belangten Behörde aufzutragen, innerhalb einer Frist von bis zu drei Monaten den Bescheid zu erlassen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliege, nach ungenütztem Ablauf der Frist über ihr Bauansuchen vom 14. Dezember 1995 in der Sache selbst zu erkennen und dieses zu bewilligen.

Mit hg. Beschluß vom 5. Juni 1997 wurde gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren über diese Beschwerde eingeleitet und die Beschwerde der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG mit der Aufforderung zugestellt, binnen drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen und eine Abschrift desselben dem Verwaltungsgerichtshof vorzulegen oder anzugeben, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht vorliegt.

In ihrer Eingabe vom 29. August 1997 führte die belangte Behörde aus, daß in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde die oberste sachlich in Betracht kommende Behörde der Gemeinderat sei. Das Kremser Stadtrecht enthalte keine Bestimmung, die dem Gemeinderat die von der Bundesverfassung vorgegebene Stellung nehmen würde. Die Erhebung einer Säumnisbeschwerde wegen Untätigkeit des Stadtsenates sei daher nicht zulässig.

Gemäß § 27 VwGG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht nach Art. 132 B-VG erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht, angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat.

Gemäß § 73 Abs. 1 AVG sind die Behörden verpflichtet, wenn in den Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmt ist, über Anträge der Parteien und Berufungen ohne unnötigen Aufschub, spätestens aber sechs Monate nach deren Einlangen den Bescheid zu erlassen. Nach Abs. 2 dieses Paragraphen geht, wenn der Partei innerhalb dieser Frist der Bescheid nicht zugestellt wird, auf ihren schriftlichen Antrag die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde über. Ein solcher Antrag ist unmittelbar bei der Oberbehörde einzubringen.

Gemäß § 118 Abs. 2 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 ist über einen Antrag nach § 92 oder § 93 binnen drei Monaten zu entscheiden.

Nach dem übereinstimmenden Vorbringen der Parteien liegt der gegenständlichen Säumnisbeschwerde ein Ansuchen um Erteilung einer Bewilligung gemäß § 92 der Niederösterreichischen Bauordnung 1976 (§ 96 leg. cit.; BO) zugrunde, demnach eine Angelegenheit, die in den eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde fällt (vgl. hiezu Art. 118 Abs. 3 Z. 9 B-VG; § 32 Abs. 2 Z. 9 Kremser Stadtrecht 1977, LGBl. 1010-6).

Gemäß § 7 Kremser Stadtrecht sind zur Besorgung der Aufgaben der Stadt als Organe berufen u.a. der Gemeinderat (Z. 1) und der Stadtsenat (Z. 2). Gemäß § 38 Abs. 2 Kremser Stadtrecht entscheidet der Stadtsenat in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches, die keinem anderen Organ ausdrücklich vorbehalten sind. Gemäß Abs. 3 Z. 7 dieser Gesetzesstelle sind dem Stadtsenat die Entscheidung über Berufungen gegen Bescheide des Magistrates im eigenen Wirkungsbereich und die Ausübung der in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse zur selbständigen Erledigung vorbehalten.

Im § 37 des Kremser Stadtrechtes wird der Wirkungskreis des Gemeinderates näher umschrieben und es werden die dem Gemeinderat zugewiesenen Aufgaben näher aufgezählt mit dem Hinweis, daß dem Gemeinderat auch jene Aufgaben zukommen, "die ihm durch andere gesetzliche Bestimmungen zugewiesen sind".

Im Instanzenzug ist somit in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Stadt Krems der Stadtsenat die oberste Behörde im Sinne des § 27 VwGG. Ihm kommt auch die Ausübung der in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse zu.

Entscheidend ist im vorliegenden Fall jedoch, ob es im Verhältnis zum Stadtsenat eine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde gibt, weil die die Organisation und das Handeln einer Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich maßgebende Organisationsnorm nicht ausdrücklich und mit den Worten des allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes eine "sachlich in Betracht kommende Oberbehörde" normieren muß, damit von der Existenz einer solchen ausgegangen werden kann (vgl. hiezu den hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 24. April 1986, Slg. Nr. 12123/A). Eine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde ist unter anderem jene, die - bei Ausschluß eines ordentlichen Rechtsmittels - durch Ausübung des Weisungs- oder Aufsichtsrechtes den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung hätte bestimmen können. Die Möglichkeit, den Verwaltungsgerichtshof mit einer Säumnisbeschwerde anzurufen, setzt voraus, daß die oberste Verwaltungsbehörde, die nach den in Frage kommenden Vorschriften das Recht hat, den Inhalt der unterbliebenen Entscheidung zu bestimmen, angerufen wurde und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Jede derartige Behörde ist sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG und muß von der Partei zuvor im Devolutionsweg angerufen worden sein, damit eine Säumnisbeschwerde zulässig werden kann (vgl. hiezu den bereits vorzitierten hg. Beschluß eines verstärkten Senates vom 24. April 1986 mit weiteren Nachweisen).

Gemäß Art. 118 Abs. 5 B-VG sind der Bürgermeister, die Mitglieder des Gemeindevorstandes (Stadtrates, Stadtsenates) und allenfalls bestellte andere Organe der Gemeinde für die Erfüllung ihrer dem eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde zugehörigen Aufgaben dem Gemeinderat verantwortlich. Der Gemeinderat hat somit das oberste Organ der Gemeinde zu sein und ist mit Rücksicht auf diese Stellung gegenüber den anderen zur Besorgung der Aufgaben der Stadt gemäß § 7 Kremser Stadtrecht berufenen Organen der Gemeinde jedenfalls insoweit, als sie im eigenen Wirkungsbereich der Gemeinde tätig werden, vorgesetztes Organ und weisungsberechtigt (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Dezember 1992, Slg. Nr. 13304; siehe auch Walter/Steiner in Fröhler-Obendorfer, Das österreichische Gemeinderecht, Pkt. 3.7.2.3. b) bb), Seite 13f). Die im § 38 Abs. 3 Z. 7 des Kremser Stadtrechtes getroffene Regelung enthält keine Aussage darüber, daß gegenüber dem Stadtsenat nicht der Gemeinderat als sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im Sinne des § 73 AVG in Betracht kommt. Im Kremser Stadtrecht ist zwar nicht ausdrücklich die Rede davon, daß der Gemeinderat die gegenüber dem Stadtsenat in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse ausübt, eine ausdrückliche Regelung einer solchen Annahme steht dem Kremser Stadtrecht aber auch nicht entgegen. Aus der im § 37 Abs. 1 leg. cit. enthaltenen Formulierung, "dem Gemeinderat sind außer jenen Aufgaben, die ihm durch andere gesetzliche Bestimmungen zugewiesen sind, vorbehalten", ist im Zusammenhang mit Art. 118 Abs. 5 B-VG vielmehr abzuleiten, daß dann, wenn auch der Stadtsenat seiner Entscheidungspflicht nicht nachkommt, der Gemeinderat anzurufen ist, weil der Gemeinderat nach der letztgenannten Norm als oberstes Organ der Gemeinde zur Überwachung der Vollziehung in allen Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde berufen ist (vgl. hiezu auch die hg. Beschlüsse vom 28. September 1993, Zl. 93/12/0118, und vom 20. September 1994, Slg. Nr. 14115/A).

Der Gemeinderat ist somit als oberstes Organ anzusehen, welches im Wege des § 73 Abs. 2 AVG angerufen werden kann und auch angerufen werden muß, damit die Voraussetzungen einer Säumnisbeschwerde geschaffen werden.

Der Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde steht somit die Nichterschöpfung des in den §§ 27 VwGG und 73 AVG geregelten Devolutionsrechtzuges entgegen, weshalb die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückzuweisen war.

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050160.X00

Im RIS seit

14.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten