TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/23 G311 2205316-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.09.2020
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Entscheidungsdatum

23.09.2020

Norm

BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs4
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G311 2205316-1/16E

SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 13.08.2020 MÜNDLICH VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva WENDLER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit: Bosnien und Herzegowina, vertreten durch Rechtsanwälte Dr. LECHENAUER & Dr. SWOZIL, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 07.08.2018, Zahl: XXXX , betreffend Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.08.2020, zu Recht erkannt:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben der angefochtene Bescheid aufgehoben.

II.      Der Antrag der belangten Behörde vom 13.08.2020 wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Salzburg, vom 07.08.2018 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Bosnien und Herzegowina zulässig ist (Spruchpunkt II.) und ihm gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine Frist zur freiwilligen Ausreise von vier Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt III.). Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die vom Beschwerdeführer eingegangene Ehe mit einer in Österreich daueraufenthaltsberechtigten bosnischen Staatsangehörigen nur zur Erlangung eines Aufenthaltstitels eingegangen worden wäre und trotz des vom Beschwerdeführer rechtzeitig gestellten Verlängerungsantrages die Voraussetzungen einer Verlängerung nicht vorlägen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz seiner bevollmächtigten Rechtsvertretung vom 05.09.2018, beim Bundesamt am 06.09.2018 einlangend, das Rechtsmittel der Beschwerde. Es wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Verhandlung durchführen, der Beschwerde stattgeben und den angefochtenen Bescheid aufheben; in eventu den Bescheid aufheben und das Verfahren an das Bundesamt zurückverweisen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Beschwerdeführer habe mit seiner Ehefrau ein Eheleben iSd EMRK geführt und könne er für das Scheitern der Ehe aufgrund von Alltagsproblemen nicht verantwortlich gemacht werden. Er lebe seit zweieinhalb Jahren im Bundesgebiet, sei erwerbstätig und bringe rund EUR 1.700,00 monatlich ins Verdienen. Sein Lebensmittelpunkt befinde sich nunmehr in Österreich, wo auch sein Onkel lebe und arbeite, der für ihn eine enge Bezugsperson sei. Unter einem wurden diverse Beweismittel zur Vorlage gebracht.

Die gegenständliche Beschwerde und die Bezug habenden Verwaltungsakten wurden vom Bundesamt vorgelegt und langten am 10.09.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Mit am 26.02.2019 einlangender Urkundenvorlage wurde das Zeugnis des Beschwerdeführers über dessen bestandene Integrationsprüfung auf Niveau A2 vorgelegt.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 13.08.2020 eine mündliche Verhandlung durch, zu welcher der Beschwerdeführer unentschuldigt nicht erschien, jedoch die bevollmächtigte Rechtsvertretung des Beschwerdeführers sowie ein Vertreter der belangten Behörde teilnahmen. Die Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers wurde als Zeugin vernommen.

Im Anschluss an die Verhandlung wurde das gegenständliche Erkenntnis gemäß § 29 Abs. 2 VwGVG samt den wesentlichen Entscheidungsgründen verkündet und die Rechtsmittelbelehrung erteilt.

Mit am 27.08.2020 einlangenden Schreiben beantragte die belangte Behörde fristgerecht die schriftliche Ausfertigung des gegenständlichen Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina (vgl. Kopie des bosnischen Reisepasses, AS 69 ff)

Er stellte am 21.03.2012 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung „Selbstständiger“, der am 16.05.2013 seitens der zuständigen NAG-Behörde rechtskräftig abgewiesen wurde (vgl. Antrag auf Einleitung aufenthaltsbeendender Maßnahmen vom 01.03.2018, AS 5 ff).

Beim Beschwerdeführer liegen im Zentralen Melderegister nachfolgende Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet vor (vgl. Auszug aus dem Zentralen Melderegister vom 13.08.2020):

-        29.02.2012 bis 11.04.2016   Hauptwohnsitz

-        11.04.2016 bis 22.06.2016   Hauptwohnsitz (bei (Ex-) Ehegattin)

-        24.04.2017 bis 04.09.2017   Hauptwohnsitz (bei (Ex-) Ehegattin)

-        04.09.2017 bis Entscheidungszeitpunkt Hauptwohnsitz

Im Zeitraum 2012 bis April 2017 hielt sich der Beschwerdeführer nur im Rahmen der visumfreien Aufenthaltsdauer von 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen im Bundesgebiet auf (vgl. Niederschrift Bundesamt am 16.05.2018, AS 49 ff).

Weiters liegen beim Beschwerdeführer nachfolgende Sozialversicherungszeiten vor (vgl. Sozialversicherungsdatenauszug vom 13.08.2020):

-        02.03.2012 bis 31.07.2017   selbstständig Erwerbstätiger

-        08.09.2017 bis Entscheidungszeitpunkt Arbeiter

Am XXXX 2016 heiratete der Beschwerdeführer in Bosnien und Herzegowina XXXX , geboren am XXXX , bosnische Staatsangehörige, die seit 2009 in Österreich über einen Daueraufenthalt EU verfügt und im Bundesgebiet erwerbstätig ist. Die Beziehung begann im Dezember 2015 und die Eheschließung fand unter Beiziehung zweiter Trauzeugen statt und wurde im Juli 2018 durch ein bosnisches Gericht geschieden. Es wird nicht festgestellt, dass die Ehe nur zum Zweck der Erteilung eines Aufenthaltstitels geschlossen wurde (vgl. Kopie bosnische Heiratsurkunde, AS 79; Sozialversicherungsdaten und Fremdenregisterauszug der Ex-Ehefrau vom 11.08.2020).

Infolge der Eheschließung wurde dem Beschwerdeführer eine von 05.04.2017 bis 04.04.2018 gültige Rot-Weiß-Rot-Karte plus (Familiennachzug) erteilt. Er stellte am 01.03.2018 einen rechtzeitigen Verlängerungsantrag, über welchen zum Entscheidungszeitpunkt seitens der NAG-Behörde noch nicht entschieden war (vgl. Fremdenregisterauszug vom 13.08.2020; Kopie Aufenthaltstitel, AS 193 f).

Am 08.02.2019 legte der Beschwerdeführer die Integrationsprüfung mit Sprachkompetenz auf Niveau A2 sowie Werte- und Orientierungswissen ab (vgl. vorgelegtes Integrationsprüfungszeugnis vom 08.02.2019).

Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten (vgl. Strafregisterauszug vom 13.08.2020).

2. Beweiswürdigung:

Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Zur Person der beschwerdeführenden Partei:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität (Namen, Geburtsdatum), Staatsangehörigkeit und Familienstand des Beschwerdeführers getroffen wurden, beruhen diese auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, denen in der gegenständlichen Beschwerde nicht entgegengetreten wurde.

Das Bundesverwaltungsgericht nahm weiters sowohl hinsichtlich des Beschwerdeführers als auch seiner (Ex-)Ehefrau Einsicht in das Fremdenregister, das Zentrale Melderegister sowie in die Sozialversicherungsdaten. Weiter holte das Bundesverwaltungsgericht einen Strafregisterauszug des Beschwerdeführers ein.

Dass die Ehe nur zum Zweck der Erteilung eines Aufenthaltstitels geschlossen worden wäre, konnte insbesondere vor dem Hintergrund der glaubhaften Aussagen der als Zeugin vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen der mündlichen Verhandlung vernommenen Ex-Ehefrau des Beschwerdeführers nicht festgestellt werden. Vielmehr wurde die Ehe beiderseits in der Absicht geschlossen, ein Familienleben zu führen. Die Zeugin wirkte im unmittelbaren Eindruck wahrheitsliebend und zuverlässig.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, sich in der Zeit von 2012 bis April 2017 immer nur während der sichtvermerkfreien Aufenthaltsdauer in Österreich aufgehalten zu haben, wird mangels gegenteiliger Beweise durch das Bundesamt in Zusammenschau mit den glaubwürdigen Angaben der Ex-Ehefrau als Zeugin im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie der vorgelegten Bestätigung des bosnischen Busunternehmens, mit welchem der Beschwerdeführer mehrmals jährlich zwischen Bosnien und Herzegowina sowie Österreich pendelte (vgl. Bestätigung samt Übersetzung ins Deutsche, AS 127 ff), dem gegenständlichen Verfahren zugrunde gelegt. Der Umstand der durchgehenden Wohnsitzmeldung in diesem Zeitraum kann – wie der Verwaltungsgerichtshof auch in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat – nur als Indiz gewertet werden. Der Beschwerdeführer brachte diesbezüglich glaubhaft vor, dass sein Onkel ihn bei Ausreisen nicht abgemeldet hat.

Die übrigen Feststellungen ergeben sich aus den im Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt einliegenden Beweismitteln, welche in der jeweiligen Klammer konkret angeführt und vom Beschwerdeführer zu keiner Zeit bestritten wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) Spruchpunkte I. und II.:

§ 52 Abs. 4 NAG lautet:

„(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn

1. nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,

1a. nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,

2. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

3. ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,

4. der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder

5. das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.“

§ 11 Abs. 1 und Abs. 2 NAG lauten:

„§ 11. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nicht erteilt werden, wenn
1.         gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot gemäß § 53 FPG oder ein aufrechtes Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht;
2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht;
3.         gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung erlassen wurde und seit seiner Ausreise nicht bereits achtzehn Monate vergangen sind, sofern er nicht einen Antrag gemäß § 21 Abs. 1 eingebracht hat, nachdem er seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist;
4.         eine Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 Abs. 1 oder 2) vorliegt;
5.         eine Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien oder visumpflichtigen Aufenthalts im Zusammenhang mit § 21 Abs. 6 vorliegt oder
6.         er in den letzten zwölf Monaten wegen Umgehung der Grenzkontrolle oder nicht rechtmäßiger Einreise in das Bundesgebiet rechtskräftig bestraft wurde.

(2) Aufenthaltstitel dürfen einem Fremden nur erteilt werden, wenn
1.         der Aufenthalt des Fremden nicht öffentlichen Interessen widerstreitet;
2.         der Fremde einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird;
3.         der Fremde über einen alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist;
4.         der Aufenthalt des Fremden zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte;
5.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden;
6.         der Fremde im Fall eines Verlängerungsantrages (§ 24) das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, rechtzeitig erfüllt hat, und
7.         in den Fällen der §§ 58 und 58a seit der Ausreise in einen Drittstaat gemäß § 58 Abs. 5 mehr als vier Monate vergangen sind.“

§ 60 AsylG 2005 lautet:

„§ 60. (1) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nicht erteilt werden, wenn
1.         gegen ihn eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 Abs. 2 oder 3 FPG besteht, oder
2.         gegen ihn eine Rückführungsentscheidung eines anderen EWR-Staates oder der Schweiz besteht.

(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn
1.         der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,
2.         der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,
3.         der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und
4.         durch die Erteilung eines Aufenthaltstitels die Beziehungen der Republik Österreich zu einem anderen Staat oder einem anderen Völkerrechtssubjekt nicht wesentlich beeinträchtigt werden.

(3) Aufenthaltstitel dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen nicht öffentlichen Interessen widerstreitet. Der Aufenthalt eines Drittstaatsangehörigen widerstreitet dem öffentlichen Interesse, wenn
1.         dieser ein Naheverhältnis zu einer extremistischen oder terroristischen Gruppierung hat und im Hinblick auf deren bestehende Strukturen oder auf zu gewärtigende Entwicklungen in deren Umfeld extremistische oder terroristische Aktivitäten derselben nicht ausgeschlossen werden können, oder auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass dieser durch Verbreitung in Wort, Bild oder Schrift andere Personen oder Organisationen von seiner gegen die Wertvorstellungen eines europäischen demokratischen Staates und seiner Gesellschaft gerichteten Einstellung zu überzeugen versucht oder versucht hat oder auf andere Weise eine Person oder Organisation unterstützt, die die Verbreitung solchen Gedankengutes fördert oder gutheißt oder
2.         im Falle der §§ 56 und 57 dessen Aufenthalt die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.“

§ 9 Integrationsgesetz idF BGBl. I Nr. 68/2017 war von 01.10.2017 bis 31.05.2019 in Kraft und lautete:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,
2.         einen gleichwertigen Nachweis gemäß § 11 Abs. 4 über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung vorlegt,
3.         über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4.         einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5.         als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,
1.         die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;
2.         denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3.         wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 oder 2 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 bzw. 2 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 bzw. 2 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.“

Der zum Entscheidungszeitpunkt in Geltung befindliche § 9 IntG lautet:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) Drittstaatsangehörige (§ 2 Abs. 1 Z 6 NAG) sind mit erstmaliger Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG zur Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung verpflichtet. Diese Pflicht ist dem Drittstaatsangehörigen nachweislich zur Kenntnis zu bringen.

(2) Der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Unter Bedachtnahme auf die persönlichen Lebensumstände des Drittstaatsangehörigen kann der Zeitraum der Erfüllungspflicht auf Antrag mit Bescheid verlängert werden. Diese Verlängerung darf die Dauer von jeweils zwölf Monaten nicht überschreiten; sie hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(2a) Fällt das Ende der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 in die Zeit von 22. März 2020 bis 30. Juni 2020, verlängert sich der Zeitraum der Erfüllungspflicht nach Abs. 2 bis zum 31. Oktober 2020; diese Verlängerung hemmt den Lauf der Fristen nach § 14.

(3) Für die Dauer von fünf Jahren ab Ablauf der Gültigkeit des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG werden bereits konsumierte Zeiten der Erfüllungspflicht auf den Zeitraum der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 2 angerechnet.

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige
1.         einen Nachweis des Österreichischen Integrationsfonds über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 vorlegt,

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. III Z 15, BGBl. I Nr. 41/2019)
3.         über einen Schulabschluss verfügt, der der allgemeinen Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 Universitätsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 120/2002, oder einem Abschluss einer berufsbildenden mittleren Schule entspricht,
4.         einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte“ gemäß § 41 Abs. 1 oder 2 NAG besitzt oder
5.         als Inhaber eines Aufenthaltstitels „Niederlassungsbewilligung – Künstler“ gemäß § 43a NAG eine künstlerische Tätigkeit in einer der unter § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 Kunstförderungsgesetz, BGBl. I Nr. 146/1988, genannten Kunstsparte ausübt; bei Zweifeln über das Vorliegen einer solchen Tätigkeit ist eine diesbezügliche Stellungnahme des zuständigen Bundesministers einzuholen.

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,
1.         die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;
2.         denen auf Grund ihres physischen oder psychischen Gesundheitszustands die Erfüllung nicht zugemutet werden kann; der Drittstaatsangehörige hat dies durch ein amtsärztliches Gutachten nachzuweisen;
3.         wenn sie schriftlich erklären, dass ihr Aufenthalt die Dauer von 24 Monaten innerhalb von drei Jahren nicht überschreiten soll; diese Erklärung enthält den unwiderruflichen Verzicht auf die Stellung eines weiteren Verlängerungsantrags im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 11 NAG nach dem ersten Verlängerungsantrag.

(6) Die Behörde kann von Amts wegen mit Bescheid feststellen, dass der Drittstaatsangehörige trotz Vorliegen eines Nachweises gemäß Abs. 4 Z 1 das Modul 1 der Integrationsvereinbarung mangels erforderlicher Kenntnisse gemäß § 7 Abs. 2 Z 1 nicht erfüllt hat.

(7) Der Nachweis über die Erfüllung des Moduls 1 gemäß Abs. 4 Z 1 oder Abs. 4 iVm. § 10 Abs. 2 Z 1 darf zum Zeitpunkt der Vorlage im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens (§ 24 NAG) nicht älter als zwei Jahre sein.“

§ 24 Abs. 1 NAG lautet:

„§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. Danach gelten Anträge als Erstanträge. Nach Stellung eines Verlängerungsantrages ist der Antragsteller, unbeschadet der Bestimmungen nach dem FPG, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über den Antrag weiterhin rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Über die rechtzeitige Antragstellung kann dem Fremden auf begründeten Antrag eine einmalige Bestätigung im Reisedokument angebracht werden, die keine längere Gültigkeitsdauer als drei Monate aufweisen darf. Diese Bestätigung berechtigt zur visumfreien Einreise in das Bundesgebiet. Der Bundesminister für Inneres ist ermächtigt, Form und Inhalt der Bestätigung durch Verordnung zu regeln.“

Fallbezogen ergibt sich daraus:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Republik Bosnien und Herzegowina und somit Drittstaatsangehöriger iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Ihm wurde infolge der Eheschließung am XXXX 2016 mit einer in Österreich daueraufenthaltsberechtigten bosnischen Staatsangehörigen ein Aufenthaltstitel Rot-Weiß-Rot-Karte plus (Familiennachzug) mit Gültigkeit von 05.04.2017 bis 04.04.2018 erteilt. Am 01.03.2018 beantragte der Beschwerdeführer vor Ablauf der Gültigkeit des Aufenthaltstitels dessen Verlängerung, über welche zum Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes noch nicht entschieden war. Der Beschwerdeführer ist daher derzeit im Bundesgebiet zum Aufenthalt und zur visumfreien Einreise berechtigt.

Wie festgestellt, lag im Gegenstand keine Aufenthaltsehe vor, sodass die Tatbestände des § 52 Abs. 4 Z 1 und Z 4 NAG nicht erfüllt sind.

Die belangte Behörde hat in der Bescheidbegründung eine zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung nicht in Geltung befindliche Fassung des § 52 Abs. 4 NAG zitiert, zumal der bis 30.09.2017 in Geltung befindliche § 52 Abs. 4 NAG, BGBl. I Nr. 100/2005, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 70/2015, zitiert wurde, welcher auch in § 52 Abs. 4 Z 4 FPG auf § 14 NAG Bezug nahm.

Dem Beschwerdeführer wurde am 05.04.2017 eine Rot-Weiß-Rot-Karte plus, somit ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 NAG erteilt. Der Erfüllungspflicht gemäß § 9 Abs. 1 IntG haben Drittstaatsangehörige binnen zwei Jahren ab erstmaliger Erteilung des Aufenthaltstitels gemäß § 8 Abs. 1 Z 1, 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 NAG nachzukommen. Diese Voraussetzung hat der Beschwerdeführer durch rechtzeitige Ablegung der Integrationsprüfung am 08.02.2019 erfüllt, sodass auch der Tatbestand des § 52 Abs. 4 Z 5 FPG nicht vorliegt.

Gemäß § 25 Abs. 2 NAG ist das Verfahren über den Verlängerungsantrag auf Erteilung des Aufenthaltstitels formlos einzustellen, wenn eine Aufenthaltsbeendigung in Rechtskraft erwächst. Das Verfahren ist im Fall der Aufhebung einer Aufenthaltsbeendigung auf Antrag des Fremden fortzusetzen, wenn nicht neuerlich eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gesetzt wird. Ist eine Aufenthaltsbeendigung unzulässig, hat die Behörde einen Aufenthaltstitel mit dem gleichen Zweckumfang zu erteilen.

Die Voraussetzungen für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG lagen gegenständlich somit nicht vor, sodass der angefochtene Bescheid daher ersatzlos (VwGH vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0017) zu beheben und der in der Verhandlung gestellte Antrag der Amtspartei auf Verhängung eines Einreiseverbots als unbegründet abzuweisen war.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des VwGH ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung mangelnder Anknüpfungspunkt Rückkehrentscheidung Voraussetzungen Wegfall der Gründe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G311.2205316.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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