TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/24 W156 2172973-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.09.2020
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Entscheidungsdatum

24.09.2020

Norm

ASVG §67 Abs10
ASVG §68
ASVG §83
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W156 2172973-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!


Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Alexandra Krebitz als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , vertreten durch Dax & Partner Rechtsanwälte GmbH in 7000 Eisenstadt, gegen den Bescheid der Burgenländischen Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, vom 22.06.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem Bescheid vom 22.06.2017 sprach die Burgenländische Gebietskrankenkasse, nunmehr Österreichische Gesundheitskasse (kurz ÖGK) aus, dass Herr XXXX (kurz BF) als Geschäftsführer der im Firmenbuch bereits gelöschten Beitragskontoinhaberin XXXX GmbH (kurz Primärschuldnerin) der ÖGK gemäß § 67 Abs. 10 iVm § 83 ASVG verpflichtet sei, die infolge schuldhafter Verletzung der ihm als Vertreter auferlegten Pflichten unberichtigt aushaftenden Sozialversicherungsbeiträgen in der Höhe von
€ 13.012,70 zuzüglich der bis zum 20.06.2017 berechneten Verzugszinsen in Höhe von
€ 4.801,84, somit einen Betrag von gesamt € 17.814,54 zuzüglich der ab dem 21.06.2017 auflaufenden Verzugszinsen in der sich nach § 59 Abs. 1 ASVG jeweils ergebenden Höhe, dies seien 3,38 % p. a. aus € 13.012,70, binnen 15 Tagen nach Zustellung des Bescheides bei sonstigen Zwangsfolgen zu bezahlen.

Begründend führte die ÖGK nach Darstellung der einschlägigen Rechtsgrundlagen aus, über die Primärschuldnerin sei am 03.04.2012 ein Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung eröffnet worden und am 18.06.2012 nach Annahme des angebotenen Sanierungsverfahren aufgehoben worden. Da von der Gesellschaft lediglich zwei Quoten bezahlt worden wären, wäre mit Beschluss des LG Eisenstadt vom 16.05.2013 neuerlich ein Konkursverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet worden. Dieses Verfahren sei nach Durchführung der Schlussverteilung (ausgeschüttete Quote in Höhe von 13,1099979 %) mit Beschluss vom 14.05.2014 aufgehoben. Die Primärschuldnerin schulde die im Spruch genannten Beiträge samt Verzugszinsen, sämtliche Einbringungsmaßnahmen seien erfolglos geblieben.

Gemäß den gesetzlichen Bestimmungen haften die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen für die von diesen zu entrichtenden Beiträgen insoweit, als die zu Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht hereingebracht werden konnten.

2. Mit Schreiben vom 21.07.2017, einlangend am 24.07.2017, erhob der BF Beschwerde gegen den Bescheid an das Bundesverwaltungsgericht.

Darin führte der BF aus, es liege ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vor und er bestreite das vorsätzliche Vorenthalten der Sozialversicherungsabgaben, da die Mittel mit Auszahlung der Nettolöhne erschöpft gewesen seien. Den BF treffe kein Verschulden.

Abschließend beantragte der BF, das BVwG möge der Beschwerde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung Folge gegeben und den Haftungsbescheid beheben in eventu das Verfahren an die ÖGK zurückzuverweisen.

3. Mit Schreiben vom 29.09.201719 wurde die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung übermittelt und der Gerichtsabteilung W263 zur Entscheidung zugewiesen.

4. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 21.01.2020 wurde das Verfahren der Gerichtsabteilung W156 zur Erledigung zugewiesen.

5. Mit Schreiben vom 02.06.2020 erging im Rahmen des Parteiengehörs die Aufforderung, binnen zwei Wochen den Nachweis der Gleichbehandlung aller Gläubiger für den März 2013 zu erbringen.

6. Mit Schreiben vom 18.06.2020 wurde um Fristerstreckung ersucht.

7. Mit Schreiben vom 08.07.2020 übermittelte der BF eine Aufstellung der im März 2013 offenen Forderungen und der darauf geleisteten Zahlung. Belege und Nachweise wurden nicht beigefügt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF war im verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom handelsrechtlicher Geschäftsführer der Primärschuldnerin.

Mit Beschluss des LG Eisenstadt wurde am 03.04.2012 ein Sanierungsverfahren mit Eigenverantwortung eröffnet und am 18.06.2012 nach Annahme des angebotenen Sanierungsverfahren aufgehoben. Da von der Primärschuldnerin lediglich zwei Quoten bezahlt wurden, wurde mit Beschluss des LG Eisenstadt vom 16.05.2013 neuerlich ein Konkursverfahren über die Primärschuldnerin eröffnet. Dieses Verfahren wurde nach Durchführung der Schlussverteilung (ausgeschüttete Quote in Höhe von 13,1099979 %) mit Beschluss vom 14.05.2014 aufgehoben. Die Primärschuldnerin wurde am 23.08.2014 amtswegig gemäß § 40 FBG infolge Vermögenslosigkeit gelöscht.

Im Rahmen einer GPLA für den Prüfzeitraum vom 01.01.2008 bis 31.12.2010 sowie der Insolvenzprüfung im ersten Insolvenzverfahren wurden Meldepflichtverletzungen festgestellt und ergibt sich daraus unter Berücksichtigung der im Insolvenzverfahren gezahlten Quote sowie die aliquot berücksichtigte Zahlung der IEF-Service GmbH ein Haftungsbetrag von insgesamt € 6.246,52 (Meldepflichtverletzungen aus der GPLA in Höhe von € 3.342,36 und Meldepflichtverletzungen aus der ersten Insolvenzprüfung in Höhe von € 2.904,16).

Seitens der Primärschuldnerin wurden die Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Oktober bis Dezember 2011 und Jänner bis Februar 2013 einbehalten und nicht entrichtet. Für diesen Zeitraum haften unter Berücksichtigung der im Insolvenzverfahren gezahlten Quote Beiträge in Höhe von € 1561,61 zuzüglich Verzugszinsen aus.

In den Monaten Jänner 2012 und Februar 2012 ergibt sich eine allgemeine Zahlungsquote der Primärschuldnerin vom 24,51% und eine Zahlungsquote an die ÖGK von 16,4%, somit eine Ungleichbehandlung von 8,11 %. Für die Zeiträume Jänner bis Februar 2012 ergibt sich aus der Ungleichbehandlung ein Haftungsbetrag in Höhe von € 1.108,70.

Für den Monat März 2013 wurden vom BF keine Nachweise der Gleichbehandlung der ÖKG vorgelegt. Die ausstehenden Sozialversicherungsabgaben betragen für März 2013 € 4.095,87.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes der ÖGK sowie in die im Verfahren vor den BVwG eingelangten Stellungnahmen.

Die Geschäftsführertätigkeit ergibt sich durch Einsicht in das Firmenbuch.

Die Feststellungen zur Insolvenz ergeben sich aus dem Auszug aus der Ediktsdatei und sind darüber hinaus unbestritten.

Die Feststellungen zu den Meldeverstößen ergeben sich aus dem dem Akt erliegende Prüfbericht zur GPLA.

Die Berechnung des Haftungsbetrages ergibt sich aus den detaillierten Ausführungen der ÖGK im angefochtenen Bescheid.

Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung und Fristerstreckung keinen Gleichbehandlungsnachweis für März 2013 erbracht, sondern eine nicht überprüfbare Liste von Forderungen und Zahlungen an das BVwG übermittelt. Auch in der Beschwerde hat er keinen diesbezüglichen Nachweis erbracht. Die vorgelegte Liste wird vom BVwG als Behauptung von geleisteten Zahlung gewertet, die jedoch mangels Belegen für die tatsächliche Zahlung nicht verifizierbar ist. Darüber hinaus wurde dem BF Gelegenheit gegeben, nachzuweisen, dass ihn an der gegenständlichen GPLA kein Verschulden trifft oder warum ihm eine ordnungsgemäße Meldung nicht möglich war. Auch diesbezüglich hat der Beschwerdeführer im Verfahren kein substantiiertes Vorbringen erstattet. Sofern er vorbringt, dass er sich betreffend Anmeldung von bei ihm tätigen Personen erkundigt hätte, blieb der BF den Beweis schuldig, dass er seine Erkundigungen bei geeigneten Stelle eingeholt hatte.

Vom BF wurde die Höhe der Haftungsbeträge nicht bestritten, ebenso nicht, dass trotz ausbezahlter Löhne die Dienstnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht an die ÖGK abgeführt hat wurden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A.) Abweisung der Beschwerde

3.1. Materiellrechtliche Grundlagen

§ 58 Abs 5 ASVG lautet:

(5) Die VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) haben alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

§ 67 Abs 10 ASVG lautet:

(10) Die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen haften im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

§ 68 Abs. 1 und Abs. 2 ASVG lauten:
(1) Das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen verjährt bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Hat der Dienstgeber Angaben über Versicherte bzw. über deren Entgelt nicht innerhalb der in Betracht kommenden Meldefristen gemacht, so beginnt die Verjährungsfrist erst mit dem Tage der Meldung zu laufen. Diese Verjährungsfrist der Feststellung verlängert sich jedoch auf fünf Jahre, wenn der Dienstgeber oder eine sonstige meldepflichtige Person (§ 36) keine oder unrichtige Angaben bzw. Änderungsmeldungen über die bei ihm beschäftigten Personen bzw. über deren jeweiliges Entgelt (auch Sonderzahlungen im Sinne des § 49 Abs. 2) gemacht hat, die er bei gehöriger Sorgfalt als notwendig oder unrichtig hätte erkennen müssen. Die Verjährung des Feststellungsrechtes wird durch jede zum Zwecke der Feststellung getroffene Maßnahme in dem Zeitpunkt unterbrochen, in dem der Zahlungspflichtige hievon in Kenntnis gesetzt wird. Die Verjährung ist gehemmt, solange ein Verfahren in Verwaltungssachen bzw. vor den Gerichtshöfen des öffentlichen Rechtes über das Bestehen der Pflichtversicherung oder die Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen anhängig ist.

(2) Das Recht auf Einforderung festgestellter Beitragsschulden verjährt binnen zwei Jahren nach Verständigung des Zahlungspflichtigen vom Ergebnis der Feststellung. Die Verjährung wird durch jede zum Zwecke der Hereinbringung getroffene Maßnahme, wie zum Beispiel durch Zustellung einer an den Zahlungspflichtigen gerichteten Zahlungsaufforderung (Mahnung) unterbrochen; sie wird durch Bewilligung einer Zahlungserleichterung gehemmt. Bezüglich der Unterbrechung oder Hemmung der Verjährung im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Beitragsschuldners/der Beitragsschuldnerin gelten die einschlägigen Vorschriften der Insolvenzordnung.

3.2. Im konkreten Fall bedeutet dies:

3.2.1. Zur Verjährung

In seinem Erkenntnis vom 09.01.2020, Zl. Ra 2019/08/0180, führt der verwaltungsgerichtshof aus, dass gemäß § 68 Abs. 1 ASVG Maßnahmen zur Verjährungsunterbrechung gegen den Zahlungspflichtigen in gleicher Weise gegen den Beitragsmithaftenden wirken. […] Die Feststellungsverjährung konnte ihm (Anm. dem Geschäftsführer) gegenüber erst mit dem Feststehen der objektiven Uneinbringlichkeit der noch nicht verjährten Forderung gegenüber der Primärschuldnerin (der GmbH), d.h. im vorliegenden Fall mit der rechtskräftigen Beendigung des Sanierungsverfahrens gemäß § 152b IO beginnen (VwGH 9.9.2019, Ra 2019/08/0126, mwN). Innerhalb der Verjährungsfrist wurde der Geschäftsführer aufgefordert, bis zu einem bestimmten Zeitpunkt schriftlich darzulegen, weshalb ihn kein Verschulden treffe. Damit wurde die Verjährung ihm gegenüber gemäß § 68 Abs. 1 ASVG unterbrochen.

Auf den gegenständlichen Fall umgelegt, bedeutet dies:

Die Uneinbringlichkeit der Beitragsschuldstand mit der Aufhebung des Konkurses durch Beschluss vom 14.05.2014 fest. Gemäß § 68 Abs. 1 ASVG verjährt das Recht auf Feststellung der Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen bei Beitragsschuldnern und Beitragsmithaftenden binnen drei Jahren vom Tag der Fälligkeit der Beiträge. Unter Anwendung des obzitierten Judikates wäre somit frühestens mit dem 14.05.2017 Verjährung auf Feststellung der Beiträge eingetreten.

Der BF wurde mit Schreiben vom 21.11 2016 vom Ergebnis der Feststellungen informiert, sohin innerhalb der Verjährungsfrist und wurde somit die Verjährung unterbrochen.

Zur Haftungsfrage:

Bestritten wurde, dass der BF es schuldhaft zu vertreten hätte, dass Sozialversicherungsabgaben nicht entrichtet worden wären.

Sofern sich der BF auf die Bestimmung des §114 ASVG bezieht, ist anzumerken, dass § 114 ASVG im Zeitpunkt der Bescheiderlassung nicht mehr in Kraft war.

Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge (ohne rechtliche Grundlage) insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Gebietskrankenkasse Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (vgl. das zu § 25a BUAG ergangene Erkenntnis vom 29. Jänner 2014, 2012/08/0227, mwN). (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (vgl. VwGH 29.1.2014, 2012/08/0227, zur Parallelbestimmung des § 25a Abs. 7 BUAG). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Durch das SRÄG 2010 wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert (vgl. zur vorangehenden Rechtslage VwGH (verstärkter Senat) 12.12.2000, 98/08/0191, VwSlg. 15528 A/2000), dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern (u.a. von juristischen Personen) die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (vgl. VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001). Eine solche die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (vgl. VwGH 7.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (vgl. VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Leichte Fahrlässigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war (vergleiche VwGH 29.06.1999, 99/08/0075).

Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH trifft ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (vgl. VwGH 26.5.2004, 2001/08/0043; 26.1.2005, 2002/08/0213; 25.5.2011, 2008/08/0169). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (vgl. VwGH 21.9.1999, 99/08/0065). (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038)

Es ist jedem Vertreter, der fällige Abgaben der Gesellschaft nicht (oder nicht zur Gänze) entrichten kann, schon im Hinblick auf seine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger zumutbar, sich - spätestens dann, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige Abgabenschulden unberichtigt aushaften - jene Informationen zu sichern, die ihm im Fall der Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger die Erfüllung der Darlegungspflicht im oben beschriebenen Sinn ermöglichen. Diese Darlegungspflicht trifft nämlich auch solche Haftungspflichtige, die im Zeitpunkt der Feststellung der Uneinbringlichkeit der Abgaben bei der Gesellschaft nicht mehr deren Vertreter sind. (VwGH 28.10.1998, 97/14/0160)

Zwischen der Haftung des Primärschuldners und der des Vertreters nach § 67 Abs. 10 ASVG muss ein Zusammenhang bestehen. Dieser ergibt sich unmittelbar aus den Voraussetzungen für die Vertreterhaftung; vor allem das Tatbestandsmoment der Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung beim Primärschuldner zeigt zweierlei: zum einen, dass die Verjährungsfrist für den haftungspflichtigen Vertreter (zumindest) nicht früher ablaufen kann, als die Haftung entstanden ist, dh. als feststeht, dass die Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung eingetreten ist. Von Uneinbringlichkeit der Beitragsforderung in dem in § 67 Abs. 10 ASVG gemeinten Sinne kann aber zum anderen nur dann gesprochen werden, wenn im Zeitpunkt der Feststellbarkeit der Uneinbringlichkeit (frühestens also mit deren objektivem Eintritt) die Beitragsforderung gegenüber dem Primärschuldner nicht verjährt (und damit schon wegen Fristablaufs uneinbringlich geworden) ist. (VwGH 26.05.2004, 2001/08/0209).

Für den Beschwerdefall bedeutet das:

Im Beschwerdefall sind die Voraussetzungen der Haftung gemäß § 67 Absatz 10 ASVG unter Beachtung der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH) erfüllt:

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus.

Die Vertreterhaftung ist eine reine Ausfallshaftung, d.h. bei Uneinbringlichkeit von Beitragsverbindlichkeiten bei der Primärschuldnerin (Dienstgeberin) zum Zeitpunkt der Erlassung des Haftungsbescheids. Im Insolvenzfall wird diese Voraussetzung spätestens mit Beendigung des Insolvenzverfahrens bzw. mit der Annahme eines Sanierungs- bzw. Zahlungsplans eintreten (Müller in der SV-Komm, 110. Lieferung, § 67, Rz 129).

Die Uneinbringlichkeit liegt im Beschwerdefall vor, da das Insolvenzverfahren nach Verteilung gemäß § 139 IO aufgehoben wurde. Darüber hinaus wurde die Primärschuldnerin wegen Vermögenslosigkeit aus dem Firmenbuch gelöscht.

Der Beschwerdeführer war als handelsrechtlicher, allein vertretungsbefugter Geschäftsführer zur Vertretung der Primärschuldnerin berufen und gehört damit zum Kreis der nach § 67 Absatz 10 ASVG haftender Personen (vergleiche auch VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Eine weitere Voraussetzung ist die schuldhafte Verletzung der den Vertreter/innen auferlegten sozialversicherungsrechtlichen Pflichten.

Gemäß § 58 Absatz 5 ASVG haben die gesetzlichen Vertreter/innen von juristischen und natürlichen Personen insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Die Pflichten umfassen jedenfalls Melde-, Zahlungs- und Abfuhrpflichten, wobei einige Kernpflichten in § 58 Absatz 4 ASVG geregelt sind. (vergleiche dazu Müller in der SV-Komm, 110. Lfg. zu § 67 ASVG, Rz 107 und 109 sowie 111 bis 114)

Für die Haftung ist das Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen, d.h. rechtzeitigen, Beitragsentrichtung entscheidungswesentlich. Daher kommt es auf die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung an (Verbot der Gläubigerbegünstigung bzw. Benachteiligungsverbot und Gleichbehandlungspflicht). Als Schuldform genügt leichte Fahrlässigkeit, welche schon dann anzunehmen ist, wenn der Geschäftsführer keine Gründe anzugeben vermag, wonach ihm die Erfüllung seiner Verpflichtung, für die Beitragsentrichtung zu sorgen, unmöglich war.

Der Vertreter hat die Gläubigergleichbehandlung nachzuweisen, auch die Beendigung der Geschäftsführertätigkeit enthebt ihn nicht von dieser Verpflichtung. Vielmehr trifft ihn im Hinblick auf eine mögliche Inanspruchnahme als Haftungspflichtiger eine erweiterte Aufbewahrungspflicht um der Darlegungspflicht nachzukommen. Diese Informationssicherung hat spätestens dann zu erfolgen, wenn im Zeitpunkt der Beendigung der Vertretungstätigkeit fällige/rückständige Beitragsschulden unberichtigt aushaften. Allenfalls ist der Vertreter im Verfahren zur Präzisierung und Konkretisierung seines Vorbringens und zu entsprechenden Beweisanboten aufzufordern. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, haftet er dann für die Beitragsschulden zur Gänze. (vergleiche dazu Derntl in Sonntag (Hrsg), ASVG9 (2018) § 67 Rz 80j und 80k mit Judikatur- und Literaturverweisen)

Der Beschwerdeführer als damaliger Geschäftsführer der Primärschuldnerin hätte bei Fälligkeit (vergleiche § 59 ASVG) für die Entrichtung der Beiträge Sorge tragen müssen. Sein bloß allgemeiner Hinweis darauf, dass die Gesellschaft damals über keine ausreichend liquiden Zahlungsmittel verfügt habe und deshalb keine ausreichenden Zahlungen an die ÖGK erfolgt seien, reicht nicht aus, zumal der Beschwerdeführer seine Behauptung nicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen untermauert hat. Darüber hinaus hat er trotz Aufforderung und Gewährung von Fristerstreckung auch keine konkreten sachbezogenen Behauptungen gemacht und auch keinen substantiierten Nachweis betreffend die Gläubigergleichbehandlung für den März 2013 vorgelegt.

Es gab auch keine Hinweise, dass die Beweislast des Beschwerdeführers überspannt wurde. Vielmehr wies das BVwG den Beschwerdeführer im Schreiben vom 02.06.2020 darauf hin, dass eine Aufstellung sowohl sämtlicher Verbindlichkeiten als auch sämtliche Zahlungen unter Nachweis der getätigten Zahlungen vorzulegen ist. Entsprechende Nachweise, wie Bankbelege, wurden jedoch nicht beigeschafft.

Da der Beschwerdeführer somit seiner besonderen Mitwirkungspflicht trotz Aufforderung nicht nachgekommen ist, kann im Hinblick auf die zitierte Rechtsprechung des VwGH ohne weitere Ermittlungen eine schuldhafte (fahrlässige) Pflichtverletzung angenommen werden.

Sofern der BF im Verfahren (Stellungnahme vom 21.04.2017) angibt, er habe nicht über ausreichendes Grundwissen verfügt und deshalb Erkundigungen eingeholt, ist anzumerken, dass der BF nicht kundgetan hat, bei welcher Stell er Erkundigungen eingeholt hat.

In diesem Zusammenhang darf auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen werden, wonach ein Meldepflichtiger sich alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verschaffen muss; er hat den Mangel im Falle einer darauf zurückzuführenden Meldepflichtverletzung als Außerachtlassung der gehörigen Sorgfalt zu vertreten. Ein Meldepflichtiger, der nicht über alle zur Erfüllung seiner gesetzlichen Verpflichtungen notwendigen Kenntnisse verfügt, ist nicht schon deshalb exkulpiert, weil er sich mit der strittigen Frage ohnedies, wenn auch nur auf Grund seiner eingeschränkten Kenntnisse, auseinandergesetzt hat und dementsprechend vorgegangen ist. Einen solchen Meldepflichtigen trifft vielmehr grundsätzlich eine Erkundigungspflicht. Im Rahmen dieser Erkundigungspflicht ist der Meldepflichtige gehalten, sich über die Vertretbarkeit seiner Rechtsauffassung bei der Behörde bzw. bei einer zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugten Person oder Stelle Gewissheit zu verschaffen. Der Meldepflichtige ist also nur dann entschuldigt, wenn die zur Beurteilung im Einzelfall notwendigen Kenntnisse nicht zu dem einem Meldepflichtigen zu unterstellenden Grundwissen gehören und er die ihm zumutbaren Schritte unternommen hat, sich in der Frage der Meldepflicht hinsichtlich des Beschäftigungsverhältnisses sachkundig zu machen, und die Unterlassung der Meldung auf das Ergebnis dieser Bemühungen ursächlich zurückzuführen ist. Dabei macht es keinen Unterschied, ob sich der Dienstgeber auf eine ihm mitgeteilte Verwaltungspraxis der Gebietskrankenkasse, auf ständige höchstgerichtliche Rechtsprechung oder auf sonstige verlässliche Auskünfte sachkundiger Personen oder Institutionen zu stützen vermag (Hinweis: E 14. September 2005, 2004/08/0104, vgl. VwGH vom 11.11.2019, Zl. Ra 2018/08/0195, vom 20.06.2018, Zl. Ra 2017/08/0012, vom 07.10.2015, Zl. 2013/08/0015)

Die Kausalität dieser Pflichtverletzung für die Uneinbringlichkeit und der Rechtswidrigkeitszusammenhang sind mangels eines substantiierten Vorbringens im Verfahren bzw. mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ebenfalls zu bejahen.

Was die ziffernmäßige Bestimmtheit der Höhe des Haftungsbetrags anbelangt, so legte die belangte Behörde ihrem Bescheid eine detaillierte Berechnung des Haftungsbetrages zugrunde, die unbestritten blieb und dessen Aufgliederung in Teilbeträge für bestimmte Zeiträume zuzüglich Verzugszinsen ausreichend ist (vergleiche VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

Die Haftung umfasst im Hinblick auf §§ 58 Absatz 5 und 83 ASVG auch die Pflicht zur Zahlung von Verzugszinsen nach § 59 Absatz 1 ASVG (vergleiche VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038). Daher erfolgte auch der Ausspruch über die Haftung für die aufgelaufenen und noch auflaufenden Verzugszinsen zu Recht.

Daher war die Haftung des Beschwerdeführers zu bejahen.

Daher ist die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden.

Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen und wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Recherche nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. In der Beschwerde wurden keine noch zu klärenden Tatsachenfragen in konkreter und substantiierter Weise aufgeworfen und war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Schlagworte

Geschäftsführer Gleichbehandlung Haftung Mitwirkungspflicht Nachweismangel Pflichtverletzung Uneinbringlichkeit Verjährungsunterbrechung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2172973.1.00

Im RIS seit

19.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

19.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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