TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 94/05/0166

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BauO Wr §129 Abs2;
BauRallg;
MRG §18;
VVG §4 Abs1;
VVG §4;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 94/05/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerden des Wilfried Aigner in Wien, vertreten durch Dr. Günther Romauch, Rechtsanwalt in Wien III, Landstraßer Hauptstraße 7, gegen die Bescheide der Wiener Landesregierung vom 16. März 1994, Zlen. MA 64 - BE 59/93 (hg. Zl. 94/05/0166) und MA 64 - BE 58/93 (hg. Zl. 94/05/0167), jeweils betreffend Kostenvorauszahlungsaufträge gemäß § 4 Abs. 2 VVG, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 9.130,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der erstangefochtene Bescheid bezieht sich auf das Gebäude 1170 Wien, Gschwandnergasse 3; der zweitangefochtene Bescheid auf das Gebäude 1170 Wien, Gschwandnergasse 5.

Mit Bescheiden vom 18. Oktober 1988 trug der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, den Eigentümern dieser beiden Häuser verschiedene im einzelnen beschriebene Instandsetzungs- und Sanierungsmaßnahmen auf. Die Bescheide waren an die damalige Eigentümerin W.G. und an den Hausverwalter gerichtet. Berufungen gegen diese Bescheide wies die Bauoberbehörde für Wien mit Bescheiden vom 2. März 1989 als unbegründet ab.

Mit Schreiben vom 25. Februar 1991 wurde dem Beschwerdeführer als nunmehrigem Eigentümer des Hauses Gschwandnergasse 5 die Ersatzvornahme hinsichtlich einzelner im Bescheid vom 18. Oktober 1988 aufgetragener Maßnahmen angedroht. Dieses Schreiben wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung zugestellt, von ihm aber nicht behoben. Hinsichtlich des Hauses Gschwandnergasse 3 erging eine Androhung der Ersatzvornahme mit Schreiben vom 3. Juli 1991. Obwohl der Beschwerdeführer nunmehr in der Beschwerde behauptet, er hätte jenes Schreiben nie erhalten, antwortete er mit Schreiben vom 23. Juli 1991 unter ausdrücklicher Bezugnahme auf die Androhung vom 3. Juli 1991; in diesem Antwortschreiben behauptete er, daß einzelne Maßnahmen bereits gesetzt worden seien, andere Sanierungsarbeiten würden im Herbst 1991 ausgeführt werden.

Nach Ermittlung der voraussichtlichen Kosten für die Ersatzvornahme erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 64, am 22. April 1993 Bescheide, mit denen hinsichtlich einzelner noch nicht bzw. nicht vollständig duchgeführter Maßnahmen Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von S 110.000,-- (Gschwandnergasse 5) bzw. S 305.000,-- (Gschwandnergasse 3) vorgeschrieben wurden. In seinen dagegen erstatteten Berufungen machte der Beschwerdeführer geltend, daß er am 21. August 1992 bei der Magistratsabteilung 50 einen Antrag auf Erhöhung des Hauptmietzinses eingereicht habe. In diesem Antrag seien die geforderten Arbeiten berücksichtigt und würden nach der Grundsatzentscheidung der Schlichtungsstelle durchgeführt werden. Es sei auch keine Mietzinsreserve vorhanden. Eine Verfahrensanordnung vom 27. April 1992 habe er nicht erhalten. Hinsichtlich des Hauses Gschwandnergasse 5 machte er geltend, daß er auch eine Verfahrensanordnung vom 25. Februar 1991 nicht erhalten habe. In den beiden Schreiben vom 23. Juni 1993 hielt die Wiener Landesregierung dem Beschwerdeführer vor, daß Verfahrensanordnungen vom 27. April 1992 ein anderes Verfahren betroffen hätten. Die den Bescheiden vom 22. April 1993 zugrundeliegenden Verfahrensanordnungen vom 25. Februar 1991 bzw. vom 3. Juli 1991 seien jeweils durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz wirksam zugestellt worden. Diese Vorhalte blieben unbeantwortet; im Akt Gschwandnergasse 5 befindet sich der Aktenvermerk vom 12. August 1993, wonach der Beschwerdeführer persönlich bekannt gegeben hat, daß das Verfahren vor der Schlichtungsstelle trotz mehrmaliger Urgenzen noch nicht abgeschlossen sei und er um ein Zuwarten mit der Entscheidung ersuche.

Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde die Berufungen als unbegründet ab. Hinsichtlich der Verfahrensanordnungen vom 25. Februar 1991 bzw. 3. Juli 1991 verwies die belangte Behörde auf die Zustellung durch Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz; daß die Anordnung vom 25. Februar 1991 wirksam zugestellt worden sei, sei dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht und von ihm nicht bestritten worden. Der Nachweis, daß ein Antrag gemäß § 18 Mietrechtsgesetz bei der Schlichtungsstelle eingebracht worden sei, bilde allenfalls in einem Strafverfahren gemäß § 129 der Bauordnung eine Entlastung des Eigentümers, in einem Ersatzvornahmeverfahren jedoch keine Unzulänglichkeit der Vollstreckung.

Gegen diese Bescheide richten sich die vorliegenden Beschwerden, die vom Verwaltungsgerichtshof wegen des engen sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden wurden. Der Beschwerdeführer macht inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Bescheide und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete Gegenschriften.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Beschlußfassung verbundenen Beschwerden erwogen:

Gemäß § 4 Abs. 1 VVG kann, wenn der zu einer Arbeits- oder Naturalleistung Verpflichtete dieser Pflicht gar nicht oder nicht vollständig oder nicht zur gehörigen Zeit nachgekommen ist, die mangelnde Leistung nach vorheriger Androhung auf Gefahr und Kosten des Verpflichteten bewerkstelligt werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung kann die Vollstreckungsbehörde in einem solchen Fall dem Verpflichteten die Vorauszahlung der Kosten gegen nachträgliche Verrechnung auftragen.

Die hier gegenständlichen Kostenvorauszahlungsaufträge setzten somit das Vorliegen einer Androhung der Ersatzvornahme voraus. Daher ist es wesentlich, ob eine solche Androhung wirksam erfolgt ist.

Aus dem Rückschein hinsichtlich des Androhungsschreibens vom 21. Februar 1991 ergibt sich, daß die Verständigung über die Hinterlegung in das Hausbrieffach eingelegt und die Hinterlegung beim Postamt 1080 Wien erfolgt ist. Die Tatsache der Hinterlegung dieses Schreibens wurde dem Beschwerdeführer von der Berufungsbehörde vorgehalten; er hat sich dazu nicht geäußert und insbesondere keinerlei Behauptungen dahingehend aufgestellt, daß er zum Zeitpunkt der Hinterlegung ortsabwesend gewesen wäre.

Auch in der Beschwerde macht er nur geltend, daß anfangs März "erfahrungsgemäß" eine urlaubsbedingte Abwesenheit von der Abgabestelle nicht ausgeschlossen werden könne, ohne jedoch zu behaupten, daß er selbst ortsabwesend gewesen wäre.

Gemäß § 17 Abs. 1 Zustellgesetz ist das Schriftstück, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, daß sich der Empfänger regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt zu hinterlegen. Nach Abs. 3 dieser Bestimmung gelten hinterlegte Sendungen mit dem ersten Tag der Abholfrist als zugestellt; sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, daß der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, wobei die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam wird, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte.

Alleine durch die Behauptung in der Berufung, der Beschwerdeführer habe die Verfahrensanordnung vom 25. Februar 1991 nicht erhalten, macht er noch keine Rechtswidrigkeit des Zustellvorganges geltend; insbesondere wird weder eine Abwesenheit von der Abgabestelle behauptet, noch dargetan, daß der Zusteller einen Grund zur Annahme gehabt hätte, der Beschwerdeführer halte sich nicht an der Abgabestelle auf. Da der Beschwerdeführer von der ihm von der belangten Behörde ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit keinen Gebrauch gemacht hat, allfällige Zustellmängel darzulegen, kann der belangten Behörde kein Verfahrensverstoß angelastet werden, wenn sie von der Rechtmäßigkeit des vom Zusteller beurkundeten Zustellvorganges ausgegangen ist. Mit dem Grundsatz der Amtswegigkeit des Verwaltungsverfahrens korrespondiert eine Verpflichtung der Partei zur Mitwirkung bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes; dieser Mitwirkungspflicht ist der Beschwerdeführer nicht nachgekommen, wenn er nicht einmal Behauptungen aufgestellt hat, die die Gesetzmäßigkeit des Zustellvorganges in Zweifel ziehen.

Hinsichtlich der Zustellung der Verfahrensanordnung vom 3. Juli 1991 erübrigt sich im Hinblick auf den oben wiedergegebenen Sachverhalt eine weitere Erörterung.

Im erstinstanzlichen Bescheid über die Vorauszahlung der Kosten einer Ersatzvornahme wurden im einzelnen die noch unerledigten Punkte des Bauauftrages vom 18. Oktober 1988 (Punkte 8, 11 bis 15 hinsichtlich Gschwandnergasse 5; Punkte 6 bis 9 hinsichtlich Gschwandnergasse 3) aufgezählt. In seinen Berufungen dagegen hat der Beschwerdeführer nicht einmal die Behauptung aufgestellt, daß einzelne Maßnahmen, für die der Kostenvorauszahlungsauftrag erlassen wurde, schon ausgeführt worden wären. In beiden Beschwerden beruft er sich jetzt darauf, daß Punkt 6 des Auftrages teilweise erfüllt sei, obwohl nur der Kostenvorauszahlungsauftrag bezüglich des Hauses Gschwandnergasse 3 einen Punkt 6 enthält. Dagegen, daß die Kosten der Ersatzvornahme bezüglich des Hauses Gschwandnergasse 3 unter Bedachtnahme auf den Umstand, daß aufgetragene Verputzarbeiten teilweise erfüllt worden sind, S 305.000,-- betragen würde, hat sich der Beschwerdeführer in der diesbezüglichen Berufung aber nicht gewehrt. Es bestand daher für die belangte Behörde keine Veranlassung, über das von der Behörde erster Instanz durchgeführte Beweisverfahren hinaus - zumal zu dieser Frage auch ein Amtssachverständiger beigezogen wurde - weitere Erhebungen anzustellen.

Als weiteren Verfahrensfehler macht der Beschwerdeführer geltend, es seien keine Erhebungen über den Stand des Verfahrens bei der Schlichtungsstelle gepflogen worden; korrespondierend macht er als inhaltliche Rechtswidrigkeit geltend, daß das Verfahren vor der Schlichtungsstelle für das Ersatzvornahmeverfahren von grundsätzlicher Bedeutung sei. Wenn nämlich durch den Liegenschaftseigentümer der Nachweis erbracht werde, daß er den gesetzlich vorgeschriebenen Weg für die Durchführung von Erhaltungs- bzw. Verbesserungsarbeiten beschritten habe (gemeint: durch ein Verfahren nach § 18 MRG), so sei inhaltlich einem baubehördlichen Auftrag zur Erfüllung von gemäß § 129 der Bauordnung für Wien auferlegten Verpflichtungen entsprochen worden, weshalb ein Ersatzvornahmeverfahren unterbleiben könne.

Der Beschwerdeführer verkennt völlig, daß ihn als Eigentümer die Verpflichtungen aus dem Bauauftrag treffen und daß er daher im Vollstreckungsverfahren zum Kostenersatz verpflichtet ist (vgl. Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens5, 1160). Ohne Belang ist, ob der zum Kostenersatz Verpflichtete derartige Kosten an Dritte, z.B. Mieter, überwälzen kann.

Wie die belangte Behörde richtig aufgezeigt hat, hat der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. Dezember 1988, Zl. 88/05/0173, (veröffentlicht in MietSlg. Nr. 40.886) ausgesprochen, daß bei der Vollstreckung von Bauaufträgen auf allfällige Anträge nach § 18 MRG nicht Bedacht zu nehmen ist. Weder aus § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien noch aus § 4 VVG könne abgeleitet werden, daß die Erlassung eines die Vollstreckung eines rechtsgültigen baupolizeilichen Instandsetzungsauftrages dienenden Auftrages zur Vorauszahlung der Kosten der Ersatzvornahme unzulässig wäre, solange ein Verfahren im Sinne des § 18 MRG anhängig ist; dies wäre mit der gesetzlichen Verpflichtung zur ehesten (hier seit 1988 bestehenden) Behebung von Baugebrechen nicht zu vereinbaren.

Somit erwiesen sich beide Beschwerden insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen waren.

Im Hinblick auf das zuletzt genannte Erkenntnis und mit Rücksicht darauf, daß die hier angenommene Mitwirkungspflicht der Parteien des Verwaltungsverfahrens der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 AVG entspricht, konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Baupolizei Vollstreckung Kosten BauRallg10

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994050166.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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