TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/30 96/04/0182

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Veröffentlicht am 30.09.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §370 Abs2;
GewO 1994 §74 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des E in V, vertreten durch Dr. M und Mag. W, Rechtsanwälte in K, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juni 1996, Zl. KUVS-1288/7/95, betreffend Übertretung der GewO 1994, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 20. Juni 1996 wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe es als gewerberechtlicher Geschäftsführer der B.-Gastbetriebsgesellschaft m.b.H., welche die Gewerbeberechtigung für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Kaffeerestaurant" besitze, zu verantworten, daß vom 10. Juli 1994 bis 25. August 1994 im näher beschriebenen Standort "eine genehmigungspflichtige Betriebesanlage, die geeignet ist, Nachbarn durch Lärm zu belästigen, indem Lärm durch lautes Musikspielen bei geöffneten Türen verursacht wurde, ohne die erforderliche Genehmigung betrieben wurde". Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 i.V.m. § 74 Abs. 2 Z. 2 GewO 1994 habe er dadurch eine Verwaltungsübertretung begangen, deretwegen über ihn eine Geldstrafe von S 10.000,-- (im Nichteinbringungsfall drei Tage Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Hiezu wurde im wesentlichen ausgeführt, es stehe aufgrund des Ergebnisses der durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung fest, daß der Beschwerdeführer gewerberechtlicher Geschäftsführer der B.-Gastbetriebsgesellschaft m.b.H. sei, der die Konzession für das Gastgewerbe in der Betriebsart "Kaffeerestaurant" im genannten Standort erteilt worden sei. Das Gastlokal, dem eine Terrasse vorgelagert sei, sei zumindest vom 10. Juli 1994 bis 25. August 1994 betrieben worden. Dabei sei durch eine im Inneren des Lokals installierte Stereoanlage Musik in einer derartigen Lautstärke erzeugt worden, daß diese durch die zur Terrasse führenden, geöffneten Türen auch für die auf der Terrasse aufhältigen Gäste akustisch wahrnehmbar gewesen sei. Feststellungen darüber, ob die solcherart nicht auszuschließenden Belästigungen der Nachbarn durch die Betriebsanlage zumutbar seien, seien - im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers - nicht im Strafverfahren, sondern erst in einem Genehmigungsverfahren zu treffen. Es stehe somit fest, daß es sich im vorliegenden Fall um eine im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1994 genehmigungspflichtige Betriebsanlage handle, eine Genehmigung aber nicht vorliege. Mit dem Berufungsvorbringen, das in Rede stehende Lokal werde seit Jahren ohne Betriebsanlagengenehmigung und ohne daß bisher ein Strafverfahren eingeleitet worden sei, betrieben, werde mangelndes Verschulden nicht glaubhaft gemacht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im "Recht auf Durchführung eines mängelfreien Ermittlungsverfahrens" sowie im "Recht auf Nichtbestrafung nach dem VStG bzw. der Gewerberordnung wegen eines nicht begangenen Delikts verletzt". Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die in Rede stehende Verwaltungsübertretung sei ihm von der Erstbehörde als Inhaber der Gewerbeberechtigung vorgeworfen worden. Demgegenüber habe ihm die belangte Behörde das Delikt als gewerberechtlichen Geschäftsführer der B.-Gastbetriebsgesellschaft m.b.H. zur Last gelegt. Abgesehen davon, daß durch diese Änderung des Spruches des erstinstanzlichen Straferkenntnisses nicht mehr von derselben Strafsache gesprochen werden könne, habe es die belangte Behörde unterlassen, Feststellungen darüber zu treffen, ob der Beschwerdeführer für die genannte Gesellschaft im Tatzeitraum zum gewerberechtlichen Geschäftsführer bestellt gewesen sei. Sollte sich dies aus von der belangten Behörde beigeschafften Akten ergeben, so werde, weil solche Akten dem Beschwerdeführer niemals zur Kenntnis gebracht worden seien, eine Verletzung des Parteiengehörs gerügt. Das Ermittlungsverfahren sei weiters mangelhaft geblieben, weil trotz der vom Beschwerdeführer ausdrücklich gestellten Anträge weder Lärmmessungen durchgeführt, noch Sachverständige zur Abklärung der Frage beigezogen worden seien, ob die Betriebsanlage in der Lage sei, durch ihre Betriebsweise Beeinträchtigungen der Nachbarn herbeizuführen. Die Einholung entsprechender Gutachten sei von der belangten Behörde aufgrund ihrer verfehlten Auffassung, Feststellungen, ob Belästigungen der Nachbarn zumutbar seien, wären nicht im Strafverfahren, sondern erst im Genehmigungsverfahren zu treffen, unterlassen worden. Solcherart sei die belangte Behörde zufolge eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens zu Unrecht zur Genehmigungspflicht der in Rede stehenden Betriebsanlage gelangt. Diesbezüglich sei auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. April 1991, Zl. 90/04/0238 bzw. Zl. 90/04/0281, zu verweisen. Dazu komme, daß die belangte Behörde es auch unterlassen habe, Feststellungen über das konkrete Vorhandensein von Nachbarn zu treffen, bzw. in welcher Entfernung Nachbarn vorhanden seien, die durch die Betriebsanlage gefährdet oder belästigt werden könnten. Auch diesbezüglich werde auf die verwaltungsgerichtliche Judikatur verwiesen. Bereits im erstinstanzlichen wie auch im Berufungsverfahren habe der Beschwerdeführer weiters vorgebracht, daß er die Betriebsanlage seit Jahren ohne Betriebsanlagengenehmigung betreibe und daß dies der Behörde seit mindestens vier Jahren bekannt sei. Er habe darauf hingewiesen, daß ein wegen desselben Deliktes gegen seine Nachbarin Anna S. eingeleitetes Strafverfahren eingestellt worden sei, und darauf, daß viele Lokale am K.-See über keine gewerberechtliche Genehmigung verfügten. Da es sich somit um eine durch die Behörden geduldete Praxis handle, habe der Beschwerdeführer guten Glaubens gehandelt und durch sein Vorbringen auch glaubhaft gemacht, daß ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe.

Diesbezüglich verweise er auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. Jänner 1994, Zl. 93/11/0227. Das fehlende Verschulden habe der Beschwerdeführer aber auch dadurch glaubhaft gemacht, daß er in der Zwischenzeit einen Antrag gemäß § 358 GewO 1994 an den Landeshauptmann gerichtet habe, damit festgestellt werde, ob der vorliegende Betrieb überhaupt einer Betriebsanlagengenehmigung bedürfe. Er habe nicht wissen können, daß trotz Einleitung eines solchen Überprüfungsverfahrens während der Dauer dieses Verfahrens die Strafbarkeit eines Verwaltungsdeliktes nicht gehemmt sei. Die belangte Behörde habe auch die Frage, ob der Beschwerdeführer überhaupt legitimiert sei, eine gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung zu beantragen, unrichtig gelöst. Er habe das Objekt nämlich nur gemietet und es sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes davon auszugehen, daß als Betreiber der Anlage der Eigentümer bzw. Vermieter des Betriebes anzusehen sei. Schließlich sei die Bezeichnung des Gastgewerbebetriebes im Spruch des angefochtenen Bescheides nicht ausreichend, um einen entsprechenden Tatvorwurf hinreichend zu konkretisieren, weil keine Feststellungen über die Art des Gewerbebetriebes vorlägen.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 - in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997 - dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind,

1.

das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder der Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; als dingliche Rechte im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten auch die im § 2 Abs. 1 Z. 4 lit. g angeführten Nutzungsrechte,

2.

die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen, ...

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 2 leg. cit. begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Gemäß § 370 Abs. 2 leg. cit. sind Geldstrafen gegen den Geschäftsführer zu verhängen, wenn die Bestellung eines Geschäftsführers angezeigt oder genehmigt wurde.

Als unzutreffend erweist sich zunächst der Beschwerdevorwurf, die belangte Behörde habe dem angefochtenen Bescheid, indem sie dem Beschwerdeführer die ihm in erster Instanz als Gewerbeinhaber vorgeworfene Übertretung nunmehr als gewerberechtlichen Geschäftsführer der Gewerbeinhaberin anlaste, eine andere Strafsache zugrunde gelegt; ist die Berufungsbehörde doch - ohne die Grenzen der Entscheidung in der "Sache" gemäß § 66 Abs. 4 AVG zu überschreiten - befugt, die Bestrafung eines Beschuldigten mit der Maßgabe aufrecht zu erhalten, daß ihm die Straftat nicht als Gewerbeinhaber, sondern als gewerberechtlichen Geschäftsführer zuzurechnen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 6. November 1995, Zl. 95/04/0122).

Daß er während des von der belangten Behörde angenommenen Tatzeitraumes als gewerberechtlicher Geschäftsführer der B.-Gastbetriebsgesellschaft m.b.H. bestellt war, bestreitet der Beschwerdeführer nicht. Selbst wenn der belangten Behörde im Zuge dieser Feststellung Verfahrensmängel unterlaufen sein sollten, wären diese daher nicht relevant.

Aus § 74 Abs. 2 leg. cit. ergibt sich unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes als Voraussetzung der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage, daß von dieser Einwirkungen ausgehen, die geeignet sind, Nachbarn zu gefährden, zu belästigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Im Gegensatz zur Auffassung des Beschwerdeführers genügt daher die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, um die Genehmigungspflicht auszulösen, ohne daß es Feststellungen darüber im Einzellfall bedürfte, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens. Eine derartige Eignung ist aber - und hierin ist dem Beschwerdeführer zuzustimmen - nicht schon allein dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß von der Betriebsanlage Emissionen der verschiedensten Art ausgehen könnten. Erforderlich ist vielmehr auch das Vorhandensein von Nachbarn, auf die diese Emissionen gefährdend, beeinträchtigend oder belästigend einwirken können. Um daher beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 leg. cit. unterliegt, bedarf es neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkreter Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. November 1993, Zl. 93/04/0131).

Von dieser Rechtslage ausgehend besteht der Vorwurf des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe ausdrückliche Feststellungen darüber unterlassen, ob und allenfalls in welcher Entfernung von der Betriebsanlage Nachbarn vorhanden seien, die durch von dieser Anlage ausgehende Emissionen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten, zu Recht. Allerdings hat der Beschwerdeführer weder im Verwaltungsverfahren noch selbst in der vorliegenden Beschwerde behauptet, es seien - im Gegensatz zur Auffassung der belangten Behörde - keine Nachbarn vorhanden, auf die in diesem Sinne eingewirkt werden könnte. Vielmehr hat er selbst darauf hingewiesen, daß "gegen seine Nachbarin Frau Anna S." ein Strafverfahren durchgeführt und eingestellt worden sei.

Sind aber in Wahrheit Nachbarn vorhanden, auf die - entsprechend den Annahmen der belangten Behörde - durch Lärmemissionen der in Rede stehenden Betriebsanlage eingewirkt werden könnte, so erweist sich die Unterlassung entsprechender Feststellungen als ein nur unwesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG.

Im übrigen gleicht der vorliegende Beschwerdefall in allen für die Entscheidung relevanten Umständen jenem, der bereits mit hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1997, Zl. 96/04/0183, entschieden wurde. Auf die Gründe dieses Erkenntnisses wird daher gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Änderungen im Personenkreis der Verfahrensbeteiligten (siehe auch Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Person des Bescheidadressaten) Spruch der Berufungsbehörde Ergänzungen des Spruches der ersten Instanz Verantwortlichkeit (VStG §9) Vertreter

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996040182.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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