TE Vwgh Erkenntnis 1993/11/23 93/04/0131

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Veröffentlicht am 23.11.1993
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §37;
GewO 1973 §74 Abs2 idF 1988/399;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Kommissärin Mag. Paliege, über die Beschwerde des H in K, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 28. April 1993, Zl. UVS-4/130/3-1993, betreffend Übertretung der GewO 1973, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem verurteilenden Teil wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 11.510,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Salzburg vom 28. April 1993 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, als der gemäß § 39 Abs. 1 GewO 1973 bestellte gewerberechtliche Geschäftsführer der E-Gesellschaft m.b.H. verantwortlich zu sein, daß diese in einem als landwirtschaftliche Remise baubehördlich gewidmeten Gebäude auf einem näher bezeichneten Grundstück sowie auf auf diesem Grundstück befindlichen Freiflächen östlich des Gebäudes eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage, nämlich eine Reifenmontierwerkstätte mit einem Lager für Reifen und Felgen, einem Kfz-Zubehörverkauf mit Verkaufsraum und Büro samt Pkw- und Lkw-Abstellflächen, ohne die hiefür erforderliche gewerbebehördliche Betriebsanlagengenehmigung seit mindestens 7. Mai 1992 betreibe, obwohl der Betrieb der Anlage geeignet sei, die Nachbarn der Betriebsanlage durch Lärm (Montagearbeiten, Kunden- und Lieferantenverkehr) zu belästigen. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 366 Abs. 1 Z. 3, 2. Fall GewO 1973 i.V.m. § 74 Abs. 2 Z. 2 leg. cit. begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 16.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 100 Stunden) verhängt wurde. Gleichzeitig wurde das erstbehördliche Straferkenntnis hinsichtlich eines weiteren Tatvorwurfes "zur Gänze aufgehoben". Zur Begründung führte der Unabhängige Verwaltungssenat nach Darstellung des Verfahrensganges im wesentlichen aus, der im Zuge des Verfahrens gehörte Sachverständige habe eindeutig angegeben, von der gegenständlichen Anlage könnten abstrakte Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen für die Nachbarn im Sinne des § 74 Abs. 1 GewO 1973 ausgehen. So könnte es insbesonders durch die Reifenmontagearbeiten zu sehr unangenehmen impulsartigen, schlagähnlichen Geräuschen durch die Schlagschrauber kommen. Weiters könnte auch der Kunden- und Lieferantenverkehr zu Belästigungen führen. Es handle sich sohin um eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage, welche ohne gewerbebehördliche Genehmigung betrieben werde. Wenn sich der Beschwerdeführer auf eine angebliche Äußerung des nunmehrigen Bezirkshauptmannes anläßlich seines Ansuchens um Gewerbeberechtigung berufe, wonach eine Betriebsanlagenbewilligungspflicht nicht gegeben sei, so müsse dem entgegengehalten werden, daß bereits in der Vergangenheit Strafverfahren gegen ihn eingeleitet worden seien (Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 15. Oktober 1990). Spätestens ab dem Zeitpunkt der Einleitung dieses Strafverfahrens habe sich der Beschwerdeführer nicht mehr in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befinden können. Die verhängte Strafe betrage etwa ein Drittel des Strafrahmens von S 50.000,--. Die Verhängung einer Strafe in dieser Höhe sei notwendig gewesen um dem Beschwerdeführer als gewerberechtlichem Geschäftsführer einer Handelsgesellschaft die Notwendigkeit der Einhaltung von Verwaltungsvorschriften eindringlich vor Augen zu führen. Das Betreiben einer genehmigungspflichtigen Betriebsanlage ohne Vorliegen einer gewerbebehördlichen Genehmigung stelle einen äußerst schweren Eingriff in die Rechtsordnung dar, sodaß sowohl aus generalpräventiven als auch spezialpräventiven Gründen eine empfindliche Strafe zu verhängen sei.

Milderungsgründe seien der Berufungsbehörde keine bekannt geworden. Erschwerend müsse sich jedoch eine rechtskräftige Vormerkung auswirken. An nachteiligen Folgen müßten zahlreiche Anrainerbeschwerden, welche bis zur Volksanwaltschaft herangetragen worden seien, verzeichnet werden. Gemäß § 5 VStG genüge zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten, im gegenständlichen Fall müsse dem Beschwerdeführer aber vorgeworfen werden, daß er bereits mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Aus diesen Gründen erscheine die verhängte Strafe als angemessen im Sinn des § 19 VStG, wenngleich vom Beschwerdeführer bloß ein Monatseinkommen von ca. 10.000,-- bei Sorgepflichten für Gattin und ein Kind angegeben worden sei.

Gegen diesen Bescheid, inhaltlich jedoch nur gegen dessen verurteilenden Teil, richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer "in den gesetzlich gewährleisteten Rechten, entgegen der Bestimmung des § 366 Abs. 1 Ziff. 3,

2. Fall GewO i.V.m. § 44 Abs. 2 Ziff. 2 GewO nicht bestraft zu werden und auf fehlerfreie Handhabung des bei Festlegung der Strafe auszuübenden Ermessens gemäß § 19 VStG verletzt". In Ausführung des so formulierten Beschwerdepunktes trägt der Beschwerdeführer vor, die in Rede stehende Handelsgesellschaft handle hauptsächlich mit Kfz-Zubehör einschließlich Reifen. Dieser Handel benötige keine Betriebsanlagengenehmigung und es seien auch die damit verbundenen notwendigen Serviceleistungen vom Gewerbeschein voll gedeckt. Allein schon aus diesem Grund könne nicht, wie im angefochtenen Bescheid festgestellt, davon ausgegangen werden, es werde eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage betrieben. Dies entspreche auch den Feststellungen des Sachverständigen, der anläßlich der Berufungsverhandlung erwähnt habe, einen Lokalaugenschein durchgeführt zu haben, während dessen er keinerlei Tätigkeit der Handelsgesellschaft habe feststellen können, die auf eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage hingewiesen hätte. Insbesonderes habe der Sachverständige festgestellt, es sei betriebsbedingter Störlärm nicht wahrnehmbar gewesen, außerdem seien Arbeiten im Freien nicht erfolgt. Es sei kein Kundenfahrzeug in den Geschäftsräumen abgestellt und Kundenverkehr nicht zu registrieren gewesen. Lediglich ein Telefonanruf habe festgestellt werden können. Allein aus dieser Geschäftstätigkeit heraus müsse der zwingende Schluß gezogen werden, daß von dem von der in Rede stehenden Handelsgesellschaft betriebenen Gewerbe keine abstrakten Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen im Sinne des § 74 Abs. 2 GewO 1973 ausgehen könnten. Unrichtig sei, daß sich der Beschwerdeführer auf Grund des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung vom 15. Oktober 1990 nicht in einem entschuldbaren Rechtsirrtum befunden haben könne. Die belangte Behörde übersehe offensichtlich, daß dieses Straferkenntnis für den Standort X 31 ergangen sei, der Betrieb in X 31a von der Geschäftsgestaltung her mit diesem Betrieb aber nichts zu tun habe, sodaß der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit der Auskunft des nunmehrigen Bezirkshauptmannes von Salzburg darauf habe vertrauen können, daß der gegenständliche Geschäftsbetrieb keiner Genehmigungspflicht unterliege. Die Behörde habe auch nicht begründet, warum sie meine, der Beschwerdeführer habe mit bedingtem Vorsatz gehandelt. Im Hinblick auf die von der belangten Behörde festgestellten Einkommens- und Familienverhältnisse des Beschwerdeführers sei auch die verhängte Strafe zu hoch.

Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften macht der Beschwerdeführer geltend, der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige sei Oberbaurat und als solcher nicht geeignet, lärmtechnische Fragen zu beantworten. Es sei von ihm eine Lärmentwicklung angenommen worden, die er anläßlich eines Ortsaugenscheines nicht habe feststellen können. Die belangte Behörde hätte daher entsprechend dem Beweisantrag des Beschwerdeführers ein lärmtechnisches Sachverständigengutachten zum Beweis dafür einholen müssen, daß bei Montagearbeiten im Inneren des Gebäudes keinerlei Lärm nach außen dringen könne. Es hätte sich auf Grund dieses Gutachtens ergeben, daß keine Auswirkungen von der Betriebsanlage ausgingen, die geeignet seien, irgendwelche Belästigungen, Gefährdungen und Beeinträchtigungen hervorzurufen. Auch die Einvernahme des Bezirkshauptmannes von Salzburg hätte die belangte Behörde durchführen müssen, aus der sich ergeben hätte, daß der Beschwerdeführer sich in einem Rechtsirrtum befunden habe. Die belangte Behörde habe die diesbezüglichen Beweisanträge abgelehnt, ohne diese Ablehnung ausreichend zu begründen.

Gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1973 dürfen gewerbliche Betriebsanlagen nur mit Genehmigung der Behörde (§§ 333, 334, 335) errichtet oder betrieben werden, wenn sie wegen der Verwendung von Maschinen und Geräten, wegen ihrer Betriebsweise, wegen ihrer Ausstattung oder sonst geeignet sind, 1. das Leben oder die Gesundheit des Gewerbetreibenden, der nicht den Bestimmungen des Arbeitnehmerschutzgesetzes, BGBl. Nr. 234/1972, unterliegenden mittätigen Familienangehörigen, der Nachbarn oder Kunden, die die Betriebsanlage der Art des Betriebes gemäß aufsuchen, oder das Eigentum oder sonstige dingliche Rechte der Nachbarn zu gefährden; ... 2. die Nachbarn durch Geruch, Lärm, Rauch, Staub, Erschütterung oder in anderer Weise zu belästigen,

3. die Religionsausübung in Kirchen, den Unterricht in Schulen, den Betrieb von Kranken- und Kuranstalten und die Verwendung oder den Betrieb anderer öffentlichen Interessen dienender benachbarter Anlagen oder Einrichtungen zu beeinträchtigen,

4. die Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs an oder auf Straßen mit öffentlichem Verkehr wesentlich zu beeinträchtigen oder 5. eine nachteilige Einwirkung auf die Beschaffenheit der Gewässer herbeizuführen, sofern nicht ohnedies eine Bewilligung auf Grund wasserrechtlicher Vorschriften vorgeschrieben ist.

Zufolge Abs. 3 dieser Gesetzesstelle besteht die Genehmigungspflicht auch dann, wenn die Gefährdungen, Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteiligen Einwirkungen nicht durch den Inhaber der Anlage oder seine Erfüllungsgehilfen, sondern durch Personen in der Betriebsanlage bewirkt werden können, die die Anlage der Art des Betriebes gemäß in Anspruch nehmen.

Gemäß § 366 Abs. 1 Z. 3 GewO 1973 begeht eine Verwaltungsübertretung, die nach dem Einleitungssatz dieser Gesetzesstelle mit einer Geldstrafe bis zu S 50.000,-- zu bestrafen ist, wer eine genehmigungspflichtige Betriebsanlage (§ 74) ohne die erforderliche Genehmigung errichtet oder betreibt.

Wie sich aus § 74 GewO 1973 ergibt, ist unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes Voraussetzung der Genehmigungspflicht einer Betriebsanlage, daß von dieser Einwirkungen ausgehen, die geeignet sind, Nachbarn zu gefährden, zu belästigen oder in sonstiger Weise zu beeinträchtigen. Es trifft zwar zu, daß die grundsätzliche Eignung der Betriebsanlage, derartige Gefährdungen, Beeinträchtigungen oder Belästigungen hervorzurufen, für die Bejahung der Genehmigungspflicht genügt, ohne daß es Feststellungen darüber im Einzelfall bedarf, ob solche Gefährdungen, Beeinträchtigungen und Belästigungen von der konkreten Betriebsanlage tatsächlich ausgehen; dies festzustellen und allenfalls durch entsprechende Auflagen zu verhindern, ist Sache des Genehmigungsverfahrens selbst. Eine derartige Eignung ist aber nicht schon allein dann gegeben, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, daß von der Betriebsanlage Emissionen der verschiedensten Art ausgehen könnten. Erforderlich ist vielmehr auch das Vorhandensein von Nachbarn, auf die diese Emissionen gefährdend, beeinträchtigend oder belästigend einwirken können. Um beurteilen zu können, ob eine Betriebsanlage unter dem Gesichtspunkt des Nachbarschutzes der Genehmigungspflicht nach § 74 Abs. 2 GewO 1973 unterliegt, bedarf es daher neben der Feststellung der von der Betriebsanlage möglicherweise ausgehenden Einwirkungen auch konkreter Feststellungen über das Vorhandensein von Nachbarn, die durch solche Einwirkungen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten.

Diesem Erfordernis kam die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides insofern nicht nach, als daraus nicht erkennbar ist, ob und allenfalls in welcher Entfernung von der Betriebsanlage Nachbarn vorhanden sind, die durch von der Betriebsanlage ausgehende Emissionen gefährdet, beeinträchtigt oder belästigt werden könnten.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 104/1991. Das auf Zuspruch von Umsatzsteuer zum Schriftsatzaufwand gerichtete Mehrbegehren war im Hinblick auf die Pauschalierung des diesbezüglichen Ersatzanspruches, die auch die Umsatzsteuer umfaßt, abzuweisen.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1993:1993040131.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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