TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/1 94/09/0364

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Veröffentlicht am 01.10.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;
67 Versorgungsrecht;

Norm

ABGB §1120;
AVG §37;
KOVG 1957 §13 Abs1;
KOVG 1957 §13 Abs3;
KOVG 1957 §13;
OFG §11 Abs13;
OFG §11 Abs14;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):97/09/0291

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Fuchs, Dr. Blaschek und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Loibl, über die Beschwerde der Leopoldine Schneeweiß in Spitz an der Donau, vertreten durch Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwalt in Krems, Ringstraße 50, gegen die Bescheide der Schiedskommission beim Bundessozialamt Wien, Niederösterreich und Burgenland jeweils vom 7. Oktober 1994, Zl. OB. 126-205.354-008, betreffend die Zusatzrente nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 für die Jahre 1993 und 1994,

Spruch

I. den Beschluß gefaßt:

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Bescheid hinsichtlich der Zusatzrente für das Jahr 1994 richtet, zurückgewiesen.

II. zu Recht erkannt:

Der die Zusatzrente für das Jahr 1993 betreffende Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin bezieht als Witwe nach ihrem am 10. September 1992 verstorbenen Ehegatten gemäß § 35 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 (KOVG) eine Witwengrundrente. Zu dieser Grundrente erhält die Beschwerdeführerin eine Zusatzrente nach dem KOVG.

In einer "Erhebung der wirtschaftlichen Verhältnisse" für den Zeitraum Jänner bis Dezember 1993 teilte die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Formblattes vom 18. März 1994 mit, daß sie aus dem Objekt in Sp., Hauptstraße 30a, im Jänner und Februar 1993 "tatsächliche Einnahmen" in Höhe von S 4.555,-- (Miete S 5.185,-- abzüglich Betriebskosten S 630,--) erhalten habe. Am 3. März 1993 habe sie das Haus an Marianne G. übergeben.

Mit Bescheid vom 17. Mai 1994, Zl. 126-205354-008 VZ: 03, entschied das Landesinvalidenamt gemäß den §§ 13 Abs. 3, und 35 KOVG über die Zusatzrente für die Zeit vom 1. Jänner bis 31. Dezember 1993. Die Leistung betrage unter Bedachtnahme auf § 67 KOVG ab 1. Jänner 1993 monatlich S 3.404,--. In der Begründung des Bescheides wird ausgeführt, gemäß § 13 Abs. 3 KOVG gelte bei schwankendem Einkommen ein Zwölftel des innerhalb eines Kalenderjahres erzielten Einkommens als monatliches Einkommen. Über den Anspruch auf Gewährung einer vom Einkommen abhängigen Versorgungsleistung sei jeweils für ein Kalenderjahr im nachhinein zu entscheiden. Die Zusatzrente sei in dem Ausmaß zu zahlen, als das monatliche Einkommen (§ 13 KOVG) der Witwe ohne Berücksichtigung der Grundrente den jeweiligen Betrag des Richtsatzes für Pensionberechtigte auf Witwenpension gemäß § 293 Abs. 1 erster Satz lit. b ASVG nicht erreiche. Das gemäß § 13 Abs. 3 KOVG anrechenbare Einkommen der Beschwerdeführerin betrage durchschnittlich monatlich S 3.595,90. Im Rahmen der im Bescheid näher dargestellten Berechnung werden bei der Einkommensermittlung - ohne nähere Begründung - Mieteinnahmen in Höhe von S 2.546,80 zum Ansatz gebracht.

Mit Bescheid ebenfalls vom 17. Mai 1994, Zl. 126-205354-008 VZ: 05, erfolgte gemäß den §§ 13, 35 Abs. 3 und 51 Abs. 2 KOVG die Gewährung einer Zusatzrente zur Witwengrundrente. Die Leistung betrage unter Bedachtnahme auf § 67 KOVG monatlich ab 1. Jänner 1994 S 3.879,--. In der Begründung wird bei der Ermittlung des nach § 13 KOVG anrechenbaren Einkommens in Höhe von S 3.621,-- ein Betrag für "fiktive Mieteinnahmen" von S 2.546,80 angesetzt.

Mit Schriftsatz vom 30. Mai 1994 erhob die Beschwerdeführerin "gegen die Bescheide vom 17. 5. 1994 - Abrechnung der Zusatzrente 1993 u. 1994 -" Einspruch. Wie sie bereits mitgeteilt habe, habe sie das Haus in Sp., Hauptstraße 30a, am 3. März 1993 an ihre Tochter Marianne übergeben. Sie lege dazu den diesbezüglichen Notariatsakt vom 3. März 1993 nochmals vor. Sie habe demnach Mieteinnahmen nur mehr im Jänner und Februar des Jahres 1993 erhalten. Dies habe sie auch im Erhebungsbogen, den sie am 5. April 1994 eingesandt habe, angegeben.

Mit den nunmehr angefochtenen Bescheiden gab die belangte Behörde der Berufung (jeweils gesondert betreffend die Zusatzrente für die Jahre 1993 und 1994) keine Folge. In den in beiden Bescheiden gleichlautenden Begründungen wird ausgeführt, der erstinstanzliche Bescheid werde aus den darin angeführten Gründen gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Hinzugefügt werde, daß dem Grundsatz der ordentlichen Bewirtschaftung folgend die "Verschenkung" der bislang der Beschwerdeführerin Mieteinnahmen sichernden Liegenschaft bei der Einkommensermittlung nach § 13 KOVG keine Berücksichtigung finden könne. Es sei somit spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Mit dem am 13. Dezember 1994 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangten Schriftsatz vom 9. Dezember 1994 erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 7. Oktober 1994, OB. 126-205354-008, zugestellt am 7. November 1994, betreffend die Bemessung der Zusatzrente für das Jahr 1993 (die ursprünglich hier enthaltene Jahreszahl 1994 war handschriftlich auf 1993 ausgebessert). Nach der Sachverhaltsdarstellung und Ausführungen, warum die Beschwerdeführerin die Ansicht der belangten Behörde als unrichtig erachte, stellte die Beschwerdeführerin den Antrag, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Da sie über ein sehr geringes Einkommen verfüge, ersuche sie um Bewilligung von Verfahrenshilfe gemäß § 63 ZPO.

Nachdem die Beschwerdeführerin über hg. Aufforderung vom 11. Jänner 1995 ein Vermögensbekenntnis zur Erlangung der Verfahrenshilfe vom 7. Februar 1995 vorgelegt hatte (in dem beantragt worden war, ihr zur Beschwerde gegen den Bescheid vom 7. Oktober 1993 betreffend "Zusatzrente für das Jahr 1993" Verfahrenshilfe zu gewähren), und mit hg. Beschluß vom 16. Februar 1995, Zl. 1994/09/0364-4, die Verfahrenshilfe bewilligt worden war, entsprach der bestellte Verfahrenshelfer mit Schriftsatz vom 18. April 1995 einem hg. Ergänzungsauftrag vom 6. März 1995. In diesem Mängelbehebungsauftrag nach § 34 Abs. 2 VwGG war u.a. ersucht worden, eine Ausfertigung, Gleichschrift oder Kopie des angefochtenen Bescheides vorzulegen, sowie die Beschwerde mit der Unterschrift eines Rechtsanwaltes zu versehen.

In dem Mängelbehebungsschriftsatz vom 18. April 1995 (beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt am 19. April 1995) werden - und insoweit abweichend von der mit Schriftsatz vom 9. Dezember 1994 erfolgten Beschwerdeerhebung - nunmehr beide am 7. Oktober 1994 ergangenen Bescheide betreffend die Zusatzrente der Beschwerdeführerin für die Jahre 1993 und 1994, die der Beschwerdeführerin am 7. November 1994 zugestellt worden seien, bekämpft (in Ablichtung beigeschlossen ist dem Schriftsatz - nur - der Bescheid vom 7. Oktober 1994 betreffend die Zusatzrente für das Jahr 1993).

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der (die Zusatzrente für das Jahr 1993 betreffenden) Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt. Hinsichtlich des Jahres 1994 wurde kein Vorverfahren eingeleitet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

I. Zur Beschwerde betreffend die Zusatzrente für das Jahr 1994:

Nach § 26 Abs. 1 VwGG beträgt die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde gemäß Art. 131 B-VG sechs Wochen. Die erstmals im Mängelbehebungsschriftsatz vom 18. April 1995 erhobene Beschwerde betreffend den angefochtenen Bescheid vom 7. Oktober 1994 über die Zusatzrente für das Jahr 1994 (der Beschwerdeführerin laut Beschwerde zugestellt am 7. November 1994) erweist sich somit als verspätet und war aus diesem Grund gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat wegen Versäumung der Einbringungsfrist zurückzuweisen.

II. Zur Beschwerde betreffend die Zusatzrente für das Jahr 1993:

Nach § 35 Abs. 1 KOVG wird die Witwenrente als Grundrente und als Zusatzrente geleistet. Gemäß dem Abs. 3 dieser Gesetzesstelle ist die Zusatzrente - abgesehen von der im Abs. 4 enthaltenen Regelung - auf Antrag und in dem Ausmaß zu zahlen, als das monatliche Einkommen (§ 13) der Witwe ohne Berücksichtigung der Grundrente den jeweiligen Betrag des Richtsatzes für Pensionsberechtigte auf Witwenpension gemäß § 293 Abs. 1 erster Satz lit. b ASVG nicht erreicht.

Unter Einkommen ist gemäß § 13 Abs. 1 KOVG - abgesehen von den Sonderbestimmungen der Abs. 4 bis 9 - die Wertsumme zu verstehen, die einer Person aus dauernden Ertragsquellen in Geld- oder Güterform zufließt und die sie verbrauchen kann, ohne daß ihr Vermögen geschmälert wird. Nach Abs. 3 dieser Gesetzesstelle gilt bei schwankendem Einkommen ein Zwölftel des innerhalb eines Kalenderjahres erzielten Einkommens (Abs. 1) als monatliches Einkommen. Über den Anspruch auf Gewährung einer vom Einkommen abhängigen Versorgungsleistung ist jeweils für ein Kalenderjahr im nachhinein zu entscheiden.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß der Versorgungsberechtigte, der sich ohne zureichenden Grund der Möglichkeit begibt, aus seinem Besitz ein ausreichendes Einkommen zu erzielen, keinen bzw. keinen vollen Anspruch auf Zusatzrente hat. Bei der Beurteilung, welche Erträgnisse bei einer ordentlichen Bewirtschaftung aus einem Besitz zu erzielen sind, ist grundsätzlich vom freien Gestaltungsrecht des Rentenbeziehers auszugehen. Der Grundsatz der ordentlichen Bewirtschaftung besagt im wesentlichen, daß der Rentenbezieher nicht in einer ihm vorwerfbaren Weise sein ertragbringendes Vermögen ungenützt lassen darf. Hiebei sind die ortsüblichen Verhältnisse sowie die persönlichen Umstände des Rentenbeziehers zu berücksichtigen. Der Maßstab für die Einhaltung des Grundsatzes der ordentlichen Bewirtschaftung ist hiebei nicht nur eine abstrakte Verwertungsmöglichkeit, sondern auch die - nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilende - Zumutbarkeit im konkreten Fall (vgl. dazu beispielsweise die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. Jänner 1984, 82/09/0066, und vom 30. Oktober 1985, 85/09/0060).

Aus dieser Betrachtung ergibt sich, daß beispielsweise nicht bereits jede Übergabe bzw. Veräußerung der Sache (vgl. § 1120 ABGB) die Anrechnung der dadurch entfallenen Mieteinnahmen bei der Berechnung einer Zusatzrente nach dem KOVG rechtfertigt. Die Begebung der Einkunftsquelle müßte vielmehr in einer dem Rentenberechtigten vorwerfbaren Weise erfolgt sein. Erfolgt beispielsweise die Übergabe in erwarteter Abgeltung der Arbeitsleistung naher Angehöriger oder auch tatsächlich in Erfüllung von Rechtspflichten (so etwa einer Heiratsguthingabe) könnte dem Versorgungsberechtigten daraus nicht der Vorwurf gemacht werden, sich ohne zureichenden Grund der Möglichkeit begeben zu haben, aus seinem Vermögen ein ausreichendes Einkommen zu erzielen (vgl. dazu z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1973, 1207/72, vom 19. November 1973, 477/72, und vom 10. Dezember 1986, 84/09/0150).

Im Beschwerdefall fehlte dem erstinstanzlichen Bescheid jegliche Begründung zur Zurechnung der Mieteinnahmen bei der Ermittlung des anrechenbaren Einkommens gemäß § 13 Abs. 3 KOVG; auch die Ermittlung dieses Betrages war in keiner Weise dargestellt. Damit hätte die belangte Behörde aber, wenn sie in der neuerlich in der Berufung vorgebrachten Übergabe des Hauses im März 1993 an die Tochter der Beschwerdeführerin eine nicht "ordentliche Bewirtschaftung" erblickte, der Beschwerdeführerin Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer Rechte und rechtlichen Interessen geben müssen, um so den für die Erledigung der Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt in einem ordnungsgemäßen Verfahren nach § 37 AVG festzustellen (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. September 1989, 88/09/0083). Nach dem Beschwerdevorbringen (wonach die Übertragung der Liegenschaft wegen von Tochter und Schwiegersohn in das Gebäude getätigter Investitionen erfolgt sei und im Zusammenhang mit einem Erbrechtsverzicht und einer Vorausregelung der erbrechtlichen Verhältnisse stehe, sowie schließlich mit der Übergabe auch eine sittliche Pflicht wegen bisher nicht erfolgter Dotierung eines Heiratsgutes erfüllt worden sei) kann auch nicht ausgeschlossen werden, daß die Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Die in der Beschwerde weiters enthaltene Rüge, die belangte Behörde hätte bei der Ermittlung der angesetzten Mieteinnahmen auch die von der Beschwerdeführerin zu tätigenden Ausgaben absetzen müssen, erweist sich bereits insofern als berechtigt, als wegen der fehlenden Begründung zur Mieteinnahmenberechnung dem Verwaltungsgerichtshof eine nachprüfende Kontrolle in diesem Punkt unmöglich ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. März 1995, 94/09/0272). Der über die Zusatzrente für das Jahr 1993 absprechende Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Soweit in der Gegenschrift versucht wird, auf die in der Beschwerde vorgetragenen Argumente einzugehen, genügt es, darauf hinzuweisen, daß eine fehlende Bescheidbegründung durch Ausführungen in der Gegenschrift nicht ersetzt werden kann.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Ordentliche Bewirtschaftung Erzielung eines ausreichenden Einkommens

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1994090364.X00

Im RIS seit

13.11.2001

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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