TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/22 W156 2176023-1

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Veröffentlicht am 22.07.2020
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Entscheidungsdatum

22.07.2020

Norm

ASVG §113 Abs1 Z1
ASVG §113 Abs2
ASVG §33 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W156 2176023-1/16E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Alexandra KREBITZ als Einzelrichterin im Beschwerdeverfahren der XXXX , vertreten durch DORDA Rechtsanwälte GmbH, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 31.08.2017 in der Fassung der Beschwerdevorentscheidung vom 12.10.2017, VA/ED-FP- XXXX , betreffend Vorschreibung eines Beitragszuschlags nach § 113 Abs 1 Z 1 iVm Abs 2 ASVG in der Höhe von 2.300,-- Euro, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 13.07.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang

1. Am 04.05.2017 stellte die Finanzpolizei im Zuge einer Kontrolle auf einer Baustelle in XXXX , fest, dass drei Personen ( XXXX ) auf einem Gerüst stehend Putz von der Wand entfernten und nicht vor Arbeitsantritt zur Sozialversicherung angemeldet wurden.

2. Am 31.08.2017 erließ die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse (nunmehr Österreichische Gesundheitskasse, in weiterer Folge: belangte Behörde) den angefochtenen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass Frau XXXX (in weiterer Folge: Beschwerdeführerin, BF) gemäß § 113 Abs. 1 Z 1 iVm Abs. 2 ASVG ein Beitragszuschlag in der Höhe von 2.300,00 Euro vorgeschrieben wird, weil die Anmeldungen für die drei oben genannten Personen nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurden.

Der Beitragszuschlag setze sich wie folgt zusammen: Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung: 1.500,00 Euro, Teilbetrag für den Prüfeinsatz: 800,00 Euro.

3. Die BF erhob am 19.09.2017 fristgerecht Beschwerde im Wege ihrer rechtsfreundlichen Vertretung.

Die drei Herren seien vom Ehemann der BF beauftragt worden, die BF stehe mit ihnen in keinem Vertrags- oder Beschäftigungsverhältnis.

4. Die belangte Behörde erließ am 12.10.2017 eine Beschwerdevorentscheidung und wies die Beschwerde als unbegründet ab.

5. Die BF brachte am 30.10.2017 einen Vorlageantrag ein.

6. Der Beschwerdeakt wurde am 08.11.2017 dem BVwG übermittelt.

7. Die BH XXXX erließ am 12.10.2017 ein Straferkenntnis gegen den Ehegatten der BF. Gegen diesen wurde wegen der Übertretung des § 111 Abs 1 Z 1 iVm § 33 ASVG in drei Fällen eine Geldstrafe von insgesamt 3.300, -- Euro verhängt. Das Straferkenntnis erwuchs am 14.11.2017 in Rechtskraft.

8. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen die BF wurde von der BH XXXX mit Bescheid vom 30.11.2017 eingestellt.

9. Am 13.07.2020 fand eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beiziehung einer Dolmetscherin für die Sprache Russisch vor dem BVwG statt.

Die Beschwerdeführerin gab an, sie sei Ärztin, ihr Mann Bauingenieur. Daher habe sie den Umbau des in ihrem Alleineigentum stehenden Hauses ihrem Mann überlassen. Sie habe sich um die Bauarbeiten nicht gekümmert.

Der als Zeuge befragte Ehemann der Beschwerdeführerin gab an, er habe sich um den Umbau des Hauses und um die Beauftragung der Firmen gekümmert. Es sei eine Generalsanierung gewesen, mit Entkernung des Gebäudes, Dachneudeckung, Neuinstallation, etc.

Auf Nachfrage gab der Zeuge an, dass seine Gattin wissen hätte können, wer dort arbeitet, wenn sie sich dafür interessiert hätte.

1. Feststellungen:

Die BF ist Alleineigentümerin der Liegenschaft XXXX .

Von der Finanzpolizei wurden am 04.05.2017 die drei oben genannten Personen auf einem Gerüst beim Abschlagen vom Putz des Hauses angetroffen.

Der Umfang der auf der Baustelle insgesamt zu betreibenden Bauarbeiten war als erheblich einzustufen (Generalsanierung).

Zum Zeitpunkt der Betretung waren die Personen nicht als Dienstnehmer zur Sozialversicherung angemeldet.

Die Tätigkeit das Beschäftigten basierte auf einer mündlichen Vereinbarung mit dem Gatten der Beschwerdeführerin. Nach den Angaben der Beschäftigten war ein stündliches Entgelt von 8 Euro vereinbart, welches wöchentlich bar ausbezahlt wurde. Insgesamt wurde eine Tätigkeitsdauer auf der Baustelle von ca 2 Monaten zum Zeitpunkt der Kontrolle angegeben. Das Bestehen eines Freundschaftsdienstes kann nicht festgestellt werden.

Die Dienstnehmereigenschaft der beiden Betretenen ist als erwiesen anzusehen.

Es handelt sich um den ersten derartigen Meldeverstoß der Beschwerdeführerin.

2. Beweiswürdigung:

Die Ausführungen zum Verfahrensgang und zu den Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Dass die BF Alleineigentümerin des Hauses ist, an welchem die drei Männer bei der Arbeit betreten wurden, ergibt sich aus einem Auszug aus dem Grundbuch und wurde auch in der mündlichen Verhandlung bestätigt.

Die Lichtbildbeilage (26 Fotos), welche durch die Finanzpolizei angefertigt wurde, ergibt, dass es sich um umfangreiche Bauarbeiten an Wänden und Böden im gesamten Gebäude handelte. Dies bestätigte auch der Ehemann der Beschwerdeführerin im Zuge der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen zum Nichtvorliegen eines Freundschaftsdienstes, der Entlohnung und der Beschäftigungsdauer ergeben sich aus den Angaben der Beschäftigten im Zuge der Befragung vor dem BFA vom 04.05.2017 und wird durch das rechtskräftige Straferkenntnis der BH XXXX vom 12.10.2017 untermauert.

Die Dienstnehmereigenschaft der Betretenen wird aufgrund der Umstände (einfache manuelle Tätigkeit, Entgeltlichkeit, persönliche Abhängigkeit) vom BVwG als erwiesen angesehen und ist auch nicht bestritten worden.

Aus dem Verwaltungsakt ergibt sich, dass es der erste Meldeverstoß der BF war.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Abweisung der Beschwerde

Rechtliche Grundlagen:

Gemäß § 4 Abs. 2 1. Satz ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.

Gemäß § 35 Abs. 1 1. Satz ASVG gilt als Dienstgeber im Sinne des ASVG unter anderem derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb (die Verwaltung, die Hauswirtschaft, die Tätigkeit) geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Gemäß § 33 Abs. 1 ASVG haben Dienstgeber jede von ihnen beschäftigte, nach dem ASVG in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherte und Teilversicherte) vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden und binnen sieben Tagen nach dem Ende der Pflichtversicherung abzumelden. Die An(Ab)meldung durch den Dienstgeber wirkt auch für den Bereich der Unfall- und Pensionsversicherung, soweit die beschäftigte Person in diesen Versicherungen pflichtversichert ist.

Gemäß § 113 Abs. 1 ASVG können den in § 111 Abs. 1 ASVG genannten Personen (Stellen) Beitragszuschläge vorgeschrieben werden, wenn

1.       die Anmeldung zur Pflichtversicherung nicht vor Arbeitsantritt erstattet wurde oder

2.       die vollständige Anmeldung zur Pflichtversicherung nach § 33 Abs. 1a Z 2 nicht oder verspätet erstattet wurde oder

3.       das Entgelt nicht oder verspätet gemeldet wurde oder

4.       ein zu niedriges Entgelt gemeldet wurde.

Der Beitragszuschlag setzt sich gemäß § 113 Abs. 2 ASVG im Fall des Abs. 1 Z 1 nach einer unmittelbaren Betretung im Sinne des § 111a aus zwei Teilbeträgen zusammen, mit denen die Kosten für die gesonderte Bearbeitung und für den Prüfeinsatz pauschal abgegolten werden. Der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung beläuft sich auf 500 € je nicht vor Arbeitsantritt angemeldeter Person; der Teilbetrag für den Prüfeinsatz beläuft sich auf 800 €. Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung mit unbedeutenden Folgen kann der Teilbetrag für die gesonderte Bearbeitung entfallen und der Teilbetrag für den Prüfeinsatz bis auf 400 € herabgesetzt werden. In besonders berücksichtigungswürdigen Fällen kann auch der Teilbetrag für den Prüfeinsatz entfallen.

3.3. Auf den Fall bezogen:

Voraussetzung für die nach § 33 Abs. 1 ASVG normierte Meldeverpflichtung von Dienstnehmern zur Sozialversicherung ist das Vorliegen von Beschäftigungsverhältnissen.

Als Dienstgeber gilt gemäß § 35 Abs. 1 ASVG derjenige, für dessen Rechnung der Betrieb geführt wird, in dem der Dienstnehmer in einem Beschäftigungsverhältnis steht, auch wenn der Dienstgeber den Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen hat oder ihn ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verweist.

Bei der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb (im Sinne der zum Sozialversicherungsrecht entwickelten Rechtsprechung) geführt wird, kommt es nach der Rechtsprechung des VwGH darauf an, ob jene Person, deren Versicherungs- und Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis – also im Verhältnis zu Dritten – berechtigt und verpflichtet wird. Das Eigentum bzw Miteigentum am Betrieb ist eine solche rechtliche Gegebenheit (vgl VwSlg 13456/A, Erkenntnis vom 18.06.1991).

Umgelegt auf den Beschwerdefall bedeutet dies, dass die BF als (Allein-)Eigentümerin im Außenverhältnis berechtigt und verpflichtet ist.

Allein das Eigentum an einem Haus begründet keinen noch Betrieb, jedoch ist ein Bauvorhaben einer gewissen Größe als „Betrieb“ im Sinne der Judikatur zu sehen (vgl VwGH Ra2014/08/0069). In Anbetracht dieser Judikatur und der Lichtbildbeilage ist durch das unstrittige Volumen der durchgeführten Bauarbeiten jedenfalls von einem „Betrieb“ auszugehen, welcher auf Rechnung und Gefahr der Beschwerdeführerin geführt wurde.

Das Vorbringen der BF, dass ihr Ehemann die drei Männer beauftragt hat, geht ins Leere.

An der Dienstgebereigenschaft der Beschwerdeführerin ändert sich auch dadurch nichts, dass bei der mit ihrem Wissen erfolgten Betriebsführung der Ehegatte bei den für ihr Wohnhaus abgeschlossenen Geschäften (Vergabe von Bautätigkeiten) nach außen hin im eigenen Namen aufgetreten ist, wenn die Beschwerdeführerin das Risiko des Betriebes getroffen hat und ihr zumindest die rechtliche Einflussmöglichkeit auf die tatsächliche Ausführung möglich gewesen wäre (vgl VwGH 2001/08/0130 vom 21.04.2004).

Auch wenn die Indienstnahme der Arbeiter vor Ort durch ihren Ehemann erfolgt sein sollte, so ist dieser als Mittelsperson der Beschwerdeführerin anzusehen und daher die Tätigkeit der Betretenen der Beschwerdeführerin zuzurechnen.

Der ASVG-Kommentar, Poperl/Trauner/Weißenböck besagt zu § 35 ASVG, dass es für die Dienstgebereigenschaft wesentlich ist, wer nach den rechtlichen und nicht nach den tatsächlichen Gesichtspunkten aus den im Betrieb getätigten Geschäften unmittelbar berechtigt und verpflichtet wird, wen also das Risiko des Betriebes im Gesamten betrifft. Das Eigentum am Betrieb ist für die Beurteilung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein Betrieb geführt wird, in erster Linie maßgebliche rechtliche Gegebenheit. Wer berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die auf Grund rechtlicher Gegebenheiten, z.B. dem Eigentum am Betrieb, beantwortet werden kann.

Als Alleineigentümerin hatte die Beschwerdeführerin jedenfalls die rechtliche Möglichkeit der Einflussnahme, dass sie diese vielleicht nicht wahrgenommen hat, ist nicht maßgeblich.

Die Auszahlung des Entgelts durch ihren Ehegatten stellt kein taugliches Kriterium für die Dienstgeberqualität dar, weil Entgelt auch von einem Dritten geleistet werden kann.

Will der Dienstgeber verhindern, dass Beschäftigungsverhältnisse durch Aufnahme einer Beschäftigung in seinem Betrieb ohne seine Zustimmung bzw. ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung begonnen werden, muss er ein wirksames Kontrollsystem errichten bzw. entsprechende Weisungen erteilen und deren Befolgung sicherstellen. Für die mangelnde Effektivität seines Kontrollsystems hat der Dienstgeber unabhängig von seinem Verschulden einzustehen (VwGH 03.12.2013, 2012/08/0026; 17.01.2014, 2013/08/0281; 14.03.2014, 2012/08/0029; 26.05.2014, 2012/08/0207).

Fallbezogen hätte die BF die ungewollte Aufnahme einer Tätigkeit jedenfalls verhindern können, indem sie die Tätigkeiten an ihrem Haus untersagt hätte.

Der Beschwerdeführerin wäre es als Eigentümerin des Objektes möglich und zumutbar gewesen, sich bei Wahrnehmung von Arbeiten an ihrem Objekt davon zu überzeugen, dass die gesetzlichen Bestimmungen weitgehend eingehalten werden und widrigenfalls die Arbeiten zu untersagen.

Auch wenn der Ehemann die Arbeiter auf der Baustelle in Dienst stellt und mit der Gattin – in deren Alleineigentum das Haus steht –diesbezügliches nichts Genaues besprochen haben will, hat die BF ihrem Ehemann bezüglich der Bauarbeiten freie Hand gelassen und ist eine jedenfalls konkludente – Zustimmung zur Beschäftigung der drei Männer daher im Beschwerdefall zu bejahen.

Die Beschwerdeführerin ist daher als Dienstgebern im Sinne des § 35 Abs. 1 ASVG anzusehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH stehen das Verfahren vor der Bezirksverwaltungsbehörde gem. § 111 ASVG und das Verfahren der Gebietskrankenkasse gemäß § 113 ASVG miteinander in keinem Zusammenhang. Den Verfahren liegen unterschiedliche Beurteilungsmaßstäbe zugrunde. Daher ist eine Bindungswirkung an die Entscheidung der anderen daher nicht gegeben.

Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen der persönlichen Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit.

Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z. B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. VwGH 27.04.2011, 2009/08/0123).

Bei einfachen manuellen Tätigkeiten oder Hilfstätigkeiten, die in Bezug auf die Art der Arbeitsausführung und auf die Verwertbarkeit keinen ins Gewicht fallenden Gestaltungsspielraum des Dienstnehmers erlauben, kann bei einer Integration des Beschäftigten in den Betrieb des Beschäftigers - in Ermangelung gegenläufiger Anhaltspunkte - das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in persönlicher Abhängigkeit im Sinn des § 4 Abs. 2 ASVG ohne weitwendige Untersuchungen vorausgesetzt werden (vgl. VwGH 21.12.2011, 2010/08/0129).

Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen, d.h. arbeitend, unter solchen Umständen angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten, ist die Behörde zwar berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. VwGH 21.04.2004, 2003/08/0182).

Im gegenständlichen Fall wurden die Betretenen am 04.05.2017 auf der Baustelle der Beschwerdeführerin auf einem Fassadengerüst angetroffen und waren mit der Entfernung von Putz von den Wänden beschäftigt. Fassadenarbeiten bzw Bauhilfsarbeiten sind nach der Lebenserfahrung als Dienstverhältnis anzusehen. Im Zuge der Befragung durch die Finanzpolizei ist hervorgekommen, dass die für die Tätigkeit bzw. das Ergebnis der Arbeit wesentliche Betriebsmittel vom Gatten der Beschwerdeführerin bereitgestellt wurden.

Im vorliegenden Fall wurde als atypischer Umstand, welcher der Deutung des Vorliegens eines Dienstverhältnisses entgegenstehen könnte, das Vorliegen eines unentgeltlichen Freundschaftsdienstes geltend gemacht.

Bei der Frage, ob ein unentgeltlicher Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, handelt es sich um eine grundsätzlich nicht revisible einzelfallbezogene Beurteilung (vgl. VwGH 24.02.2015, Ra 2015/08/0009).

Die Unentgeltlichkeit einer Verwendung bzw. ein Gefälligkeitsdienst sind nicht schon bei bloßem Fehlen einer Entgeltvereinbarung zu vermuten. Die Unentgeltlichkeit muss vielmehr - wenigstens den Umständen nach konkludent - vereinbart worden sein und einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten. Eine derartige sachliche Rechtfertigung könnte in persönlichen Beziehungen, in bestimmten wirtschaftlichen Interessen, aber auch in einer idealistischen Einstellung begründet sein (vgl. VwGH 04.09.2013, 2011/08/0318).

Als Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienste sind kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anzusehen, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsempfänger erbracht werden und die einer Prüfung auf ihre sachliche Rechtfertigung standhalten (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).

Für die Abgrenzung zwischen einem Gefälligkeitsdienst und einer Beschäftigung ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei trifft die Partei - unabhängig von der grundsätzlichen Verpflichtung der Behörde zur amtswegigen Erforschung des für die Entscheidung notwendigen Sachverhaltes und über die oben erwähnte Darlegungspflicht hinaus - eine entsprechende Mitwirkungspflicht, zumal es sich bei den zur Beantwortung der Frage, ob ein Freundschafts- oder Gefälligkeitsdienst vorliegt, maßgeblichen Umständen und Motiven um solche handelt, die zumeist der Privatsphäre der Partei zuzuordnen sind und der Behörde nicht ohne weiteres zur Kenntnis gelangen. Es ist in diesen Fällen daher Sache der Partei, entsprechende konkrete Behauptungen aufzustellen und Beweise anzubieten (vgl. VwGH 19.12.2012, 2012/08/0165).

Gegen einen Freundschaftsdienst sprechen jedoch die Angaben der Beschäftigten, die angaben, dass ein Entgelt in der Höhe von 8 Euro pro Stunde vereinbart gewesen sei, welches bar wöchentlich ausbezahlt wurde.

Aus diesem Grund ist die Dienstnehmereigenschaft der Betretenen jedenfalls zu bejahen und es ist für das erkennende Gericht erwiesen, dass die Betretenen als Dienstnehmer der Beschwerdeführerin zuzurechnen waren und die Anmeldungen nicht vor Arbeitsbeginn und nicht vor der Kontrolle selbst vorgenommen wurden.

Bei erstmaliger verspäteter Anmeldung und unbedeutenden  Folgen kann der Bearbeitungsbeitrag entfallen und der Prüfeinsatzbeitrag auf bis zu € 400,– reduziert werden (oder in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gänzlich entfallen; § 113 Abs 2 Satz 3 und 4). Voraussetzung für die zuschlagsmindernde Berücksichtigung des Umstands, dass die Folgen des Meldeverstoßes unbedeutend geblieben sind, ist allerdings, dass es sich um ein von der Behörde festgestelltes und sanktioniertes erstmaliges Meldevergehen handelt (VwGH 2008/08/0246, ARD 6029/9/2010).

Unbedeutende Folgen liegen etwa vor, wenn diese Folgen hinter dem typischen Bild eines Meldeverstoßes bleiben. So etwa wenn die Anmeldung zur Sozialversicherung zwar verspätet erfolgte, jedoch im Zeitpunkt der Durchführung der Kontrolle aber bereits vollzogen war (vgl. VwGH vom 10.04.2013, 2013/08/0041).

Die Folgen im vorliegenden Fall entsprechen jedoch dem typischen Bild eines Meldeverstoßes und auch das Vorliegen von „unbedeutenden Folgen“ kann nicht bejaht werden, weshalb eine Reduzierung bzw ein Entfall nicht infrage kommt.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Beitragszuschlag Dienstgebereigenschaft Dienstnehmereigenschaft Entgelt Meldeverstoß Rechnung und Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W156.2176023.1.00

Im RIS seit

13.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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