TE Vwgh Beschluss 2020/10/16 Ra 2020/19/0234

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Veröffentlicht am 16.10.2020
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Index

E000 EU- Recht allgemein
E3L E19103000
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §38
AVG §68 Abs1
EURallg
VwGG §62 Abs1
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs2
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs3
32013L0032 IntSchutz-RL Art40 Abs4

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache des Z P, in S, vertreten durch Dr. Gerhard Mory, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Wolf-Dietrich-Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. November 2019, L509 2164996-4/4E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Das Revisionsverfahren wird bis zur Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache C-18/20 über die mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Dezember 2019, EU 2019/0008 (Ro 2019/14/0006), vorgelegten Fragen ausgesetzt.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein pakistanischer Staatsangehöriger, stellte am 23. Oktober 2012 einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 4. Februar 2019 abgewiesen.

2        Am 30. September 2019 stellte der Revisionswerber einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, den er neben seinen alten Fluchtgründen damit begründete, dass er homosexuell sei. Er habe bereits in Pakistan Geschlechtsverkehr mit einem Mann und wegen seiner Homosexualität „Probleme mit der Polizei und mit Mullahs“ gehabt. In Europa habe er seine Homosexualität nunmehr intensiver ausgelebt und zuletzt in Deutschland eine Beziehung mit einem Mann geführt. Er habe seine Homosexualität im ersten Asylverfahren aus Scham nicht vorgebracht.

3        Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21. Oktober 2019 wurde der Antrag sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen, kein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit der Abschiebung nach Pakistan festgestellt, keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt, ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen und dem Revisionswerber aufgetragen, in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen.

4        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das BVwG mit dem angefochtenen Erkenntnis als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

5        Begründend führte das BVwG - auf das hier Wesentliche zusammengefasst - aus, der Antrag sei schon mangels geänderten Sachverhaltes seit der Abweisung des ersten Antrages auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

6        Mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 27. Februar 2020, E 4327/2019-8, wurde dieses Erkenntnis, soweit damit die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status des subsidiär Schutzberechtigten, gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels, gegen die Rückkehrentscheidung, gegen den Ausspruch der Zulässigkeit der Abschiebung in den Herkunftsstaat ohne Setzung einer Frist für die freiwillige Ausreise, gegen die Verhängung eines auf zwei Jahre befristeten Einreiseverbots und gegen die Anordnung der Unterkunftnahme abgewiesen worden war, aufgehoben. Im Übrigen - somit hinsichtlich der Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten - lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat diese mit Beschluss vom 8. Mai 2020, E 4327/2019-11, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

7        Der Verwaltungsgerichtshof hat über die in der Folge erhobene außerordentliche Revision das Vorverfahren eingeleitet.

8        Mit dem im Spruch genannten Beschluss vom 18. Dezember 2019 hat der Verwaltungsgerichtshof dem Gerichtshof der Europäischen Union folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

„1. Erfassen die in Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes (Neufassung), im Weiteren: Verfahrensrichtlinie, enthaltenen Wendungen ‚neue Elemente oder Erkenntnisse‘, die ‚zutage getreten oder vom Antragsteller vorgebracht worden sind‘, auch solche Umstände, die bereits vor rechtskräftigem Abschluss des früheren Asylverfahrens vorhanden waren?

Falls Frage 1. bejaht wird:

2. Ist es in jenem Fall, in dem neue Tatsachen oder Beweismittel hervorkommen, die im früheren Verfahren ohne Verschulden des Fremden nicht geltend gemacht werden konnten, ausreichend, dass es einem Asylwerber ermöglicht wird, die Wiederaufnahme eines rechtskräftig abgeschlossenen früheren Verfahrens verlangen zu können?

3. Darf die Behörde, wenn den Asylwerber ein Verschulden daran trifft, dass er das Vorbringen zu den neu geltend gemachten Gründen nicht bereits im früheren Asylverfahren erstattet hat, die inhaltliche Prüfung eines Folgeantrages infolge einer nationalen Norm, die einen im Verwaltungsverfahren allgemein geltenden Grundsatz festlegt, ablehnen, obwohl der Mitgliedstaat mangels Erlassung von Sondernormen die Vorschriften des Art. 40 Abs. 2 und Abs. 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt und infolge dessen auch nicht ausdrücklich von der in Art. 40 Abs. 4 Verfahrensrichtlinie eingeräumten Möglichkeit, eine Ausnahme von der inhaltlichen Prüfung des Folgeantrages vorsehen zu dürfen, Gebrauch gemacht hat?“

9        Der Beantwortung dieser Fragen durch den Gerichtshof der Europäischen Union kommt für die Behandlung der vorliegenden Revision ebenfalls Bedeutung zu. Es liegen daher die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, weshalb das Revisionsverfahren auszusetzen war (vgl. VwGH 23.3.2020, Ra 2019/14/0398, mwN).

Wien, am 16. Oktober 2020

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190234.L00

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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