TE OGH 2020/9/15 15Os89/20g

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Veröffentlicht am 15.09.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. September 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel-Kwapinski in der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. E***** M***** gegen den Antragsgegner C***** A***** wegen § 7 MedienG, AZ 21 Hv 23/20f des Landesgerichts Feldkirch, über die Grundrechtsbeschwerde des C***** A***** gegen die von der Einzelrichterin verfügte Vorführung zur Hauptverhandlung nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

C***** A***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit verletzt.

Dem Bund wird der Ersatz der mit 800 Euro zuzüglich der darauf entfallenden Umsatzsteuer festgesetzten Beschwerdekosten auferlegt.

Text

Gründe:

In der Medienrechtssache des Antragstellers Dr. E***** M***** gegen den Antragsgegner C***** A***** wegen § 7 MedienG beraumte die Einzelrichterin des Landesgerichts Feldkirch die Hauptverhandlung für den 26. Juni 2020 an (ON 4). Sie verfügte (ua) die Ladung des „Angeklagten“ (gemeint: des Antragsgegners), die durch Zustellung unter Verwendung des Formblattes „Z“ („Ladung zu einem Termin“) auch durchgeführt wurde (ON 4).

Das dem Antragsgegner als Medieninhaber seines Facebook-Accounts zugestellte Ladungsformular enthält ein Ersuchen, „zum nachstehend angeführten Termin persönlich zu kommen“, aber keinen Hinweis auf Säumnisfolgen, insbesondere auch keine Androhung der Vorführung des Geladenen für den Fall dessen unentschuldigten Nichterscheinens.

Mit Verfügung vom 26. Juni 2020 gab die Einzelrichterin einer Vertagungsbitte des Antragsgegners Folge und verlegte den Termin auf den 21. Juli 2020 (ON 9). Einer weiteren Vertagungsbitte (ON 10) kam sie nicht nach; davon verständigte sie den seinerzeitigen Vertreter des Antragsgegners (ON 11).

Zur Hauptverhandlung am 21. Juli 2020 erschien der Antragsgegner nicht, worauf die Einzelrichterin dessen zwangsweise Vorführung durch die Polizeiinspektion H***** anordnete und die Hauptverhandlung zu diesem Zweck unterbrach. Der Antragsgegner wurde festgenommen und dem Landesgericht Feldkirch am selben Tag vorgeführt, worauf die Hauptverhandlung fortgesetzt wurde (ON 12 S 1 f).

Rechtliche Beurteilung

Gegen die zwangsweise Vorführung zur Hauptverhandlung wendet sich die – zulässige (vgl 14 Os 48/12h) und fristgerechte – Grundrechtsbeschwerde des Antragsgegners, der Berechtigung zukommt.

Gemäß § 41 Abs 1 MedienG gelten für das Strafverfahren wegen eines Medieninhaltsdelikts und für das selbständige Verfahren (hier: § 8a MedienG), soweit im MedienG nichts anderes bestimmt ist, die Bestimmungen der StPO. Gemäß Abs 6 leg cit ist in den im Abs 1 bezeichneten Verfahren der Medieninhaber zur Hauptverhandlung zu laden. Er hat die Rechte des Angeklagten; insbesondere steht ihm das Recht zu, alle Verteidigungsmittel wie der Angeklagte vorzubringen und das Urteil in der Hauptsache anzufechten. Doch werden das Verfahren und die Urteilsfällung durch sein Nichterscheinen nicht gehemmt; auch kann er gegen ein in seiner Abwesenheit gefälltes Urteil keinen Einspruch erheben.

Daraus ergibt sich, dass es dem im selbständigen Verfahren als Antragsgegner belangten Medieninhaber unbeschadet dessen, dass ihm die prozessualen Rechte des Angeklagten zukommen (RIS-Justiz RS0123643; Rami in WK2 MedG § 41 Rz 30/2), frei steht, an der Hauptverhandlung teilzunehmen. Auf sein Nichterscheinen ist keine Rücksicht zu nehmen und er kann ein in seiner Abwesenheit gefälltes Urteil nicht mit Einspruch, sondern nur mit Berufung bekämpfen (lex specialis zu § 427 StPO; vgl Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 41 Rz 31; Brandstetter/Schmid, MedienG2 § 8 Rz 6). Im Gegensatz zum (Privat-)Angeklagten im Strafverfahren besteht für ihn daher keine Prozesseinlassungspflicht und keine Verpflichtung, vor Gericht zu erscheinen (Rami in WK2 MedG § 41 Rz 33/1).

Die Möglichkeit einer verpflichtenden Ladung unter Androhung und im Nichterscheinensfall Anordnung der Vorführung sieht die Spezialbestimmung des § 41 Abs 6 MedienG, die die für den Angeklagten nach der Strafprozessordnung 1975 geltenden Vorschriften verdrängt, für den Medieninhaber, der nicht selbst Angeklagter ist (vgl Heindl in Berka/Heindl/Höhne/Koukal, MedienG4 § 41 Rz 27; Rami in WK2 MedG § 41 Rz 27/1), nicht vor.

Die gegenständliche Festnahme und Vorführung des antragsgegnerischen Medieninhabers verstößt daher gegen § 41 Abs 6 MedienG und verletzt mangels gesetzlicher Grundlage für den erfolgten Eingriff diesen im Grundrecht auf persönliche Freiheit (§ 2 Abs 1 GRBG). Diese Grundrechtsverletzung war festzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 8 GRBG.

Textnummer

E129463

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0150OS00089.20G.0915.000

Im RIS seit

12.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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