TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/7 96/11/0348

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Veröffentlicht am 07.10.1997
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Index

90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §64 Abs2;
KFG 1967 §75 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leukauf und die Hofräte Dr. Waldner, Dr. Bernard, Dr. Graf und Dr. Gall als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Lenhart, über die Beschwerde des P in A, vertreten durch Dr. Walter Brandt und Dr. Karl Wagner, Rechtsanwälte in Schärding, Oberer Stadtplatz 9, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 22. Oktober 1996, Zl. VerkR-392.193/1-1996/Si, betreffend Entziehung der Lenkerberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 73 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit entzogen und gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm für die Dauer von 24 Monaten, gerechnet ab der am 24. Jänner 1996 erfolgten Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides, keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe.

Die belangte Behörde stützte diese Maßnahme darauf, daß der Beschwerdeführer ein Verbrechen nach § 12 Suchtgiftgesetz begangen habe und deshalb mit Urteil des Landesgerichtes Wels vom 2. Dezember 1994 rechtskräftig bestraft worden sei. Aus dieser Verurteilung sei bereits die Verwerflichkeit der strafbaren Handlung abzuleiten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Aus den vorliegenden Akten ergibt sich, daß dem Beschwerdeführer mit Bescheid der Erstbehörde vom 30. September 1994 gemäß § 74 Abs. 1 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für Kraftfahrzeuge der Gruppe B wegen mangelnder geistiger Eignung vorübergehend entzogen wurde. In diesem Bescheid wurde gemäß § 73 Abs. 2 leg. cit. ausgesprochen, daß ihm bis zur Erlangung der geistigen (und körperlichen) Eignung keine neue Lenkerberechtigung erteilt werden dürfe. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 4. Oktober 1994 in der Justizanstalt Wels zugestellt.

Dem Urteil des Landesgerichtes Wels vom 2. Dezember 1994, auf das die belangte Behörde ihren Bescheid stützt, liegen Tathandlungen des Beschwerdeführers in der Zeit zwischen Mitte August 1994 und 28. September 1994 zugrunde.

Bei der Beurteilung des Beschwerdefalles ist zu beachten, daß Gegenstand eines nach § 75 Abs. 1 KFG 1967 eingeleiteten Ermittlungsverfahrens der seit der Erteilung der Lenkerberechtigung eingetretene Wegfall jeder einzelnen der maßgebenden Eignungsvoraussetzungen im Sinne des § 64 Abs. 2 KFG 1967 ist. Dies hat zur Folge, daß bis zur Erlassung des Bescheides verwirklichte Tatsachen, die eine der Eignungsvoraussetzungen betreffen, im Bescheid bereits zu berücksichtigen sind. Das einheitliche Ermittlungsverfahren nach § 75 Abs. 1 KFG 1967 umfaßt somit sämtliche Erteilungsvoraussetzungen. Wird eine Entziehungsmaßnahme ergriffen, sind sämtliche bis zur Bescheiderlassung verwirklichten Umstände zu berücksichtigen. Waren solche der Behörde nicht bekannt, kommt unter den Voraussetzungen des § 69 Abs. 3 AVG die Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen in Betracht. Die wiederholte Ergreifung von Entziehungsmaßnahmen jeweils nach dem Abschluß des Ermittlungsverfahrens hinsichtlich einzelner Erteilungsvoraussetzungen ist dem Gesetz fremd (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 3. Juli 1990, Zl. 89/11/0224, Slg. Nr. 13.249/A, und vom 29. Oktober 1991, Zl. 91/11/0054).

Ausgehend von dieser Rechtslage erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. Die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende bestimmte Tatsache ist zufolge § 66 Abs. 2 lit. c KFG 1967 die Begehung des Verbrechens nach § 12 Suchtgiftgesetz, nicht aber die Verurteilung wegen dieser Straftat. Es kommt daher im gegebenen Zusammenhang darauf an, wann der Beschwerdeführer die strafbaren Handlungen begangen hat, nicht aber wann er ihretwegen verurteilt wurde oder wann diese Verurteilung rechtskräftig geworden ist. Da die diesbezüglichen strafbaren Handlungen vom Beschwerdeführer vor der Erlassung des Entziehungsbescheides vom 30. September 1994 begangen wurden, hätten sie bereits im seinerzeitigen Entziehungsverfahren berücksichtigt werden müssen. Nur im Falle der amtswegigen Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens hätten sie in einem dann zu erlassenden neuen Bescheid verwertet werden dürfen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996110348.X00

Im RIS seit

19.03.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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