TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/30 G314 2220406-1

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Veröffentlicht am 30.06.2020
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Entscheidungsdatum

30.06.2020

Norm

AVG §6
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §17
VwGVG §42

Spruch

G314 2220406-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER in der Rechtssache der beschwerdeführenden Partei XXXX, geboren am XXXX, Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, vertreten durch die Rechtsanwälte Dr. Peter LECHENAUER und Dr. Margrit SWOZIL,

1. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.04.2019, Zl. XXXX, betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags zu Recht erkannt:

A)       Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid wegen Unzuständigkeit des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl behoben.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

2. über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX.11.2018, Zl. XXXX, betreffend die Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot beschlossen:

A)       Die Beschwerde wird wegen Unzuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts zurückgewiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer (BF) ist Staatsangehöriger von Bosnien und Herzegowina, befindet sich seit Ende 2010 in Österreich und verfügte zuletzt über einen Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot - Karte Plus“.

Im Hinblick auf eine strafgerichtliche Verurteilung und das dieser zugrundeliegende Fehlverhalten erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gegen ihn mit dem Bescheid vom XXXX.11.2018 gemäß § 52 Abs 4 FPG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung sowie gemäß § 53 Abs 1 iVm Abs 3 Z 1 FPG ein siebenjähriges Einreiseverbot. Gleichzeitig stellte es fest, dass gemäß § 52 Abs 9 FPG die Abschiebung des BF nach Bosnien und Herzegowina zulässig sei, gewährte gemäß § 55 Abs 4 FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise und sprach aus, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde. Da der BF seit XXXX.11.2018 nicht mehr im Bundesgebiet gemeldet war, verfügte das BFA die Zustellung dieses Bescheids am XXXX.11.2018 gemäß § 8 Abs 2 iVm § 23 ZustG durch Hinterlegung im Akt.

Laut Aktenvermerk des BFA vom XXXX.03.2019 wurde der in Strafhaft befindliche BF an diesem Tag aus Anlass seiner Einvernahme zur Erlangung eines Heimreisezertifikats darüber informiert, dass gegen ihn eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot existiere. In der Folge stellte er mit dem am 15.04.2019 zur Post gegebenen Schriftsatz vom 10.04.2019 einen „Antrag auf neuerliche Zustellung“ des Bescheids vom XXXX.11.2018, weil dessen Zustellung „nicht ordnungsgemäß erfolgt“ sei; er habe - so ist sein Vorbringen offenkundig zu deuten - entgegen der Darstellung im Zentralen Melderegister (ZMR) seinen Hauptwohnsitz an einer näher angeführten Adresse in XXXX auch über den XXXX.11.2018 hinaus aufrechterhalten.

„In eventu“ stellte der BF einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018 und holte „in einem ... die versäumte Prozesshandlung“ (also die Beschwerde) nach.

Mit dem Bescheid vom XXXX.04.2019 wies das BFA den Wiedereinsetzungsantrag als verspätet zurück. Dagegen erhob der BF eine Beschwerde, in der er u.a. darauf hinwies, dass sein Zustellantrag nicht behandelt worden sei. Das BFA habe sich mit seinem Vorbringen, wonach er seine Abgabestelle nie aufgegeben habe, nicht auseinandergesetzt. Bei der Übergabe des Bescheids am XXXX.03.2019 in der Justizanstalt sei ihm nicht klar gewesen, worum es gehe; er habe auch keine Rechtsmittelbelehrung erhalten. Erst durch Akteneinsicht am XXXX.04.2019 hätten seine Rechtsvertreter „von dem vorliegenden rechtskräftigen Bescheid“ erfahren. Im selben Schriftsatz holte der BF „die versäumte Prozesshandlung“ nach und wiederholte die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018.

Das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) wies die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.04.2019 betreffend die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags mit dem Erkenntnis vom 15.07.2019, G314 2220406-1/2E, als unbegründet ab und mit dem gleichzeitig ausgefertigten Beschluss die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018 betreffend Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot als verspätet zurück. Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hob diese Entscheidungen aufgrund der Revision des BF wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts auf (XXXX).

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und dem Gerichtsakt des BVwG.

Die Feststellungen basieren auf den vom BVwG in Erkenntnis und Beschluss vom 15.07.2019, G314 2220406-1/2E, getroffenen Sachverhaltsannahmen, denen die Revision nicht substantiiert entgegentrat und die auch der VwGH seiner Entscheidung zugrunde legte.

Rechtliche Beurteilung:

Aufgrund der Aufhebung der Entscheidungen des BVwG vom 15.07.2019, G314 2220406-1/2E, durch das Erkenntnis des VwGH vom XXXX, XXXX, tritt die Rechtssache gemäß § 42 Abs 3 VwGG in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung der Entscheidungen befunden hat. Die Herstellung des der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustands erfolgt durch die Erlassung einer Ersatzentscheidung des BVwG (Kolonovits/Muzak/Stöger, Verwaltungsverfahrensrecht10 Rz 1407 ff).

Da der vom BF vorrangig gestellte Antrag auf „neuerliche Zustellung“ des Bescheids vom XXXX.11.2018 noch nicht behandelt wurde und der Wiedereinsetzungsantrag ausdrücklich nur „in eventu“ eingebracht wurde, war das BFA vor der Erledigung des Primärantrags auf Bescheidzustellung nicht zuständig, über den Eventualantrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu entscheiden. Diese Unzuständigkeit, die in der Beschwerde auch ausdrücklich angesprochen wird, hat das BVwG nunmehr aufzugreifen.

Das Wesen eines Eventualantrags liegt darin, dass er unter der aufschiebenden Bedingung gestellt wird, dass der Primärantrag erfolglos bleibt. Wird ein Eventualantrag vor dem Eintritt des Eventualfalles erledigt, belastet dies die Erledigung mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit. Der Bescheid vom XXXX.04.2019 ist daher in Stattgebung der Beschwerde dagegen zu beheben.

Da die mit dem Wiedereinsetzungsantrag nachgeholte Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018 ebenfalls bloß eventualiter (in Verbindung mit dem Wiedereinsetzungsantrag) erhoben wurde, ist das BVwG vor der Erledigung des primär gestellten (Neu-) Zustellantrags nicht zuständig, darüber zu entscheiden, sodass die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018 nach dem derzeitigen Verfahrensstand zurückzuweisen ist.

Das BFA hat im fortzusetzenden Verfahren zunächst über den noch offenen Zustellantrag des BF zu entscheiden und sich dabei insbesondere mit seinem Vorbringen zur Rechtswidrigkeit der Zustellung durch Hinterlegung zum Akt am XXXX.11.2018 auseinanderzusetzen; in der Folge wird gegebenenfalls auf die Frage der Heilung eines allfälligen Zustellmangels einzugehen sein.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG, weil die Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX.11.2018 zurückzuweisen ist und bereits aufgrund der Aktenlage feststeht, dass der Bescheid vom XXXX.04.2019 aufzuheben ist.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zuzulassen, weil das BVwG aufgrund der Bindung an die für das Erkenntnis des VwGH vom XXXX, XXXX, ausschlaggebenden Entscheidungsgründe keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Unzuständigkeit Wiedereinsetzungsantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2220406.1.00

Im RIS seit

06.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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