TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/29 G310 2233336-1

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Entscheidungsdatum

29.07.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1

Spruch

G310 2233336-1/2Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Gaby WALTNER über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Deutschland, gesetzlich vertreten durch seine Eltern XXXX und XXXX , diese vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 05.06.2020, Zl. XXXX , betreffend die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung zu Recht:

A)       Die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht zuerkannt.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) legte dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die am 14.07.2020 eingebrachte Beschwerde gegen den oben genannten Bescheid vor, mit dem gegen den Beschwerdeführer (BF) gemäß § 67 Abs. 1 und 2 FPG ein auf fünf Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 70 Abs. 3 FPG kein Durchsetzungsaufschub erteilt (Spruchpunkt II.) und einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde (Spruchpunkt III.).

Das BFA begründete die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung im Wesentlichen damit, dass der BF in Österreich gerichtlich strafbare Handlungen begangen habe. Sein Interesse an einem Aufenthalt in Österreich trete hinter das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit zurück.

Der BF erhob dagegen eine Beschwerde, mit der er die Behebung des angefochtenen Bescheids beantragt. Hilfsweise strebt er die Reduktion der Dauer des Aufenthaltsverbots und an. Er begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass er mit seinen Eltern in XXXX lebe, somit in der Nähe der österreichischen Stadt XXXX lebe, wo er zahlreiche soziale Kontakte habe. Auch zu seinen Onkeln, Tanten und Cousins, die in Österreich leben, habe er regelmäßigen Kontakt. Er spreche fließend Deutsch. Bei regelmäßigen Besuchen der alten Heimat des Vaters des BF würden sie am Transitweg stets durch Österreich fahren.

Feststellungen:

Der aktuell 15-jährige BF ist ledig und kinderlos. Er spricht Deutsch und besucht die Mittelschule in XXXX , wo er mit seinen Eltern lebt. Er hat weder Einkommen noch Vermögen und auch keine Schulden. Er weist abgesehen von seinen Anhaltungen in der Justizanstalt XXXX keine Wohnsitzmeldungen im Bundesgebiet auf. Eine Anmeldebescheinigung wurde ihm nie ausgestellt; er hat dies auch nicht beantragt. Er ist gesund und hat Verwandte in Österreich, Rumänien und Italien. Er unterzieht sich einem Antiaggressionstraining und einer Psychotherapie.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB und des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 2. Fall StGB unter Anwendung von §§ 28 Abs. 1, 5 Abs. 4 JGG zu einer 20monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei 14 Monate unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen wurden. Für die Dauer der Probezweit wurde Bewährungshilfe angeordnet.

Mit Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2020, XXXX , wurde der BF wegen des Vergehen der Amtsanmaßung nach § 314 1. Fall StGB, des Verbrechen des versuchten Raubes nach den §§ 15 Abs. 1, 142 Abs. 1 StGB und des Vergehens der versuchten Sachbeschädigung nach §§ 15 Abs. 1, 125 StGB unter Anwendung von §§ 28 Abs. 1, 5 Abs. 4 JGG zu einer Zusatzfreiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Der BF verbüßt den unbedingten Strafteil derzeit in der Justizanstalt XXXX . Das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX .11.2020.

Beweiswürdigung:

Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich ohne entscheidungswesentliche Widersprüche aus dem unbedenklichen Inhalt der Akten des Verwaltungsverfahrens sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister, dem Versicherungsdatenauszug und dem Fremdenregister. Es bestehen keine entscheidungswesentlichen Widersprüche.

Eine Kopie des Personalausweises des BF liegt vor. Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten und zu seinen Verurteilungen basieren auf den Urteilen des Landesgerichts Ried im Innkreis und dem Strafregister. Deutsche Sprachkenntnisse sind aufgrund seiner Herkunft plausibel und konnte in den Strafverfahren von der Beiziehung eines Dolmetschers abgesehen werden. Der Strafvollzug geht aus der Vollzugsinformation und den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR hervor. Die Feststellungen zu den sozialen und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten des BF in Österreich, Rumänien und Italien folgen dem Beschwerdevorbringen sowie den Angaben in der Stellungnahme.

Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann (ua) bei EWR-Bürgern die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn deren sofortige Ausreise oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Diese Voraussetzung ist hier aufgrund zweifachen Tatbegehung innerhalb kurzer Zeit erfüllt, zumal er trotz seines jugendlichen Alters wegen Raubes bzw. versuchten Raubes verurteilt wurde und die letzte Tat während einem laufenden Strafverfahren beging.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das BVwG der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK, Art 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Solche Gründe wurden hier nicht vorgebracht. Eine Grobprüfung der vorgelegten Akten und der dem BVwG vorliegenden Informationen über die Lage im Herkunftsstaat des BF (Deutschland) ergibt keine konkreten Hinweise für das Vorliegen der Voraussetzungen des § 18 Abs 5 BFA-VG, zumal es sich um einen Mitgliedstaat der EU handelt.

Bei Berücksichtigung des Privat- und Familienlebens des gesunden und alleinstehenden BF im Bundesgebiet hält er sich – selbst unter Zugrundelegung der Beschwerdebehauptungen – hauptsächlich in Deutschland auf, wo seine Eltern leben und er die Schule besucht. Die Kontakte zu seinen Verwandten und Bekannten, die aktuell ohnedies haftbedingt eingeschränkt sind, können nach seiner Entlassung auch durch Besuche in Deutschland und durch diverse Kommunikationsmittel (Telefon, Internet etc.) gepflegt werden. Daher begründet die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung keinen unverhältnismäßigen Eingriff in seine von Art 8 EMRK geschützten Rechte, zumal er familiäre Anknüpfungen sowie schulische Verpflichtungen in Deutschland hat und dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme aufgrund der strafbaren Handlungen gegen fremdes Vermögen großes Gewicht beizumessen ist. Der BF wird seinen Gesinnungswandel erst durch einen längeren Wohlverhaltenszeitraum in Freiheit nach dem Strafvollzug unter Beweis stellen müssen.

Im Ergebnis ist die sofortige Ausreise des BF nach seiner Haftentlassung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich; die vom BFA vorgenommene Interessenabwägung ist (trotz der insoweit äußerst knappen Begründung) nicht zu beanstanden. Es ist dem BF zumutbar, den Verfahrensausgang allenfalls auch in seinem Herkunftsstaat abzuwarten. Der Beschwerde ist derzeit – vorbehaltlich allfälliger anderer Verfügungen zu einem späteren Zeitpunkt – die aufschiebende Wirkung nicht zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das BVwG grundsätzliche Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle nicht zu lösen hatte.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G310.2233336.1.00

Im RIS seit

03.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

03.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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