TE Vwgh Beschluss 2020/10/9 Ro 2016/08/0026

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Veröffentlicht am 09.10.2020
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Index

66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz
75 Volksbildung

Norm

ASVG §49 Abs7 Z2 lita
ErwachsenenbildungFG 1973 §1 Abs2
PauschV Aufwandsentschädigung 2002 §1 Z3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Strohmayer sowie die Hofrätin Dr. Julcher und den Hofrat Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Klima LL.M., über die Revision der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse in Graz (nunmehr: Österreichische Gesundheitskasse) als belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Dr. Gerald Mader, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 29. September 2016, G308 2005127-1/16E, betreffend Pflichtversicherung nach dem ASVG und Beitragsnachentrichtung (mitbeteiligte Parteien: 1. Mag. T W in G, vertreten durch die Held Berdnik Astner & Partner Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Karmeliterplatz 4; 2. Pensionsversicherungsanstalt in 1020 Wien, Friedrich Hillegeist-Straße 1; 3. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert Stifter-Straße 65-67), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Österreichische Gesundheitskasse hat der erstmitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung nicht einheitlich beantwortet wird.

Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Gemäß § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

2.1. Die Revisionswerberin sprach mit Bescheid vom 18. April 2013 aus, dass der Erstmitbeteiligte im Jahr 2011 in bestimmten Zeiträumen bei zwei Dienstgebern in vollversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen gestanden sei (Spruchpunkte I. und II.), dass er daneben von Jänner bis August 2011 auf Grund einer nebenberuflichen Tätigkeit als (Kurs)Vortragender bei y.T. e.U. (als geringfügig beschäftigter freier Dienstnehmer) der Teilversicherung in der Unfallversicherung gemäß § 4 Abs. 4, § 5 Abs. 1 Z 2 und Abs. 2, § 7 Z 3 lit. a ASVG unterlegen sei (Spruchpunkt III.), sowie dass er auf Grund der zuletzt genannten Tätigkeit pauschalierte Dienstnehmerbeiträge zur Kranken- und Pensionsversicherung von € 156,07 gemäß § 44a Abs. 1 und 2, § 53a Abs. 3 ASVG zu entrichten habe (Spruchpunkt IV.).

2.2. Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Verwaltungsgericht der gegen die Spruchpunkte III. und IV. dieses Bescheids gerichteten Beschwerde des Erstmitbeteiligten Folge und hob die Entscheidung insoweit ersatzlos auf.

Das Verwaltungsgericht führte begründend im Wesentlichen aus, bei y.T. e.U. handle es sich um eine Einrichtung im Sinn des § 49 Abs. 7 Z 2 lit. a ASVG, die vorwiegend Erwachsenenbildung im Sinn des Bundesgesetzes über die Förderung der Erwachsenenbildung und des Volksbüchereiwesens aus Bundesmitteln (im Folgenden: ErwachsenenbildungFG) betreibe. Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen habe, komme es für das Vorliegen einer solchen Einrichtung zum einen auf inhaltliche Kriterien, wie ein deutlich niederschwelliges und breit gefächertes, nicht (primär) auf Berufsausbildung, sondern auf ständige Weiterbildung ausgerichtetes Bildungsangebot, verbunden mit einem pädagogischen Konzept, sowie zum anderen auf formale Kriterien, wie den Zugang für jedermann, höchstens verbunden mit Beschränkungen bezüglich Vorkenntnisse, an.

Vorliegend richte sich das Kursangebot von y.T. e.U. zwar hauptsächlich an Studenten und werde von diesen zur Prüfungsvorbereitung genützt. Die Teilnahme sei aber jedermann - insbesondere auch im Berufsleben stehenden interessierten Personen - ohne Zugangsbeschränkungen möglich. Die Kurse dienten - wenngleich auf höherem Niveau und unter Annahme von Vorkenntnissen - der Vermittlung eines allgemein anwendbaren Wissens. Es könne daher durchaus (noch) von einem niederschwelligen auf Erwachsene zugeschnittenen Bildungsangebot ausgegangen werden. Weiters handle es sich um ein breit gefächertes Angebot mit Schwerpunkt auf juridischen und sprachlichen Kursen, welche die Aneignung von Kenntnissen und die Entfaltung der persönlichen Anlagen zum Ziel hätten. Das Bildungsangebot sei ferner nicht (primär) auf eine Berufsausbildung ausgerichtet, wobei auch kein formaler Kursabschluss zu erlangen sei. Das Angebot ziele vielmehr auf eine ständige Weiterbildung ab, der ein pädagogisches Konzept im Sinn einer planmäßigen Bildungsarbeit in Bezug auf die Kursziele zugrunde liege.

Ausgehend davon erfülle y.T. e.U. die Kriterien einer Erwachsenenbildungseinrichtung und komme daher die Regelung des § 49 Abs. 7 ASVG iVm. der dazu ergangenen Verordnung des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen über beitragsfreie pauschalierte Aufwandsentschädigungen (im Folgenden nur: Verordnung) zur Anwendung. Demnach seien aus einer nebenberuflichen Tätigkeit (wie hier) als Lehrender an einer Erwachsenenbildungseinrichtung bezogene pauschalierte Aufwandsentschädigungen von bis zu € 537,78 im Kalendermonat nicht als Entgelt im Sinn des § 49 Abs. 1 ASVG zu erachten. Dies treffe auf den Erstmitbeteiligten zu, der für den betreffenden Zeitraum (Jänner bis August 2011) mit einem Gesamtbetrag von lediglich € 1.103,-- angemeldet worden sei.

Im Hinblick darauf sei jedoch der Beschwerde (im aufgezeigten Sinn) Folge zu geben (gewesen).

2.3. Das Verwaltungsgericht sprach weiters aus, dass die Revision zulässig sei, weil Rechtsprechung zu der Frage fehle, „welche (privaten) Einrichtungen als solche, die Erwachsenenbildung anbieten, einzustufen sind“; die bisherige Judikatur habe sich nur auf Fachhochschulen bezogen.

3. Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die ordentliche Revision, zu der der Erstmitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete.

4. Die Revision ist entgegen dem den Verwaltungsgerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht zulässig.

5. Ein Revisionswerber hat auch bei Erhebung einer ordentlichen Revision von sich aus die Zulässigkeit der Revision (gesondert) darzulegen, sofern er der Ansicht ist, dass die Begründung des Verwaltungsgerichts für die Zulässigkeit der Revision nicht ausreicht, oder er andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für relevant erachtet (vgl. VwGH 9.9.2019, Ro 2016/08/0009; 19.6.2017, Ro 2016/03/0028).

Dies ist so zu verstehen, dass eine ordentliche Revision zurückzuweisen ist, wenn die in der Begründung des Zulässigkeitsausspruchs des Verwaltungsgerichts vertretene Auffassung über das Vorliegen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG, von denen die Behandlung der Revision abhängt, vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird und auch in der ordentlichen Revision unter Zulässigkeitserwägungen keine anderen derartigen Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung konkret dargelegt werden (vgl. VwGH 15.12.2016, Ro 2016/11/0003).

6.1. Das Verwaltungsgericht begründet die Zulassung der Revision im Ergebnis mit dem Fehlen von Rechtsprechung zur Frage, wann bzw. unter welchen Voraussetzungen vom Vorliegen einer Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinn des § 49 Abs. 7 Z 2 lit. a ASVG iVm. dem ErwachsenenbildungFG auszugehen sei.

6.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich freilich schon mehrfach mit dem Begriff der Erwachsenenbildung im ErwachsenenbildungFG (vor allem dessen § 1 Abs. 2), auf den § 49 Abs. 7 Z 2 lit. a ASVG und § 1 Z 3 der Verordnung verweisen, auseinandergesetzt. Demnach handelt es sich bei Erwachsenenbildung insbesondere um ein deutlich niederschwelliges und sehr breit gefächertes, vor allem nicht primär auf Berufsausbildung, sondern auf ständige Weiterbildung ausgerichtetes Bildungsangebot, verbunden mit einem pädagogischen Konzept, wobei der Besuch von Veranstaltungen jedermann offen stehen muss bzw. der Zugang nur im Hinblick auf erforderliche Vorkenntnisse beschränkt werden darf (vgl. näher VwGH 4.6.2008, 2004/08/0012; 14.3.2013, 2010/08/0222).

Der Verwaltungsgerichtshof hat auch bereits festgehalten, dass das soeben aufgezeigte Begriffsverständnis zwar zur Abgrenzung in Bezug auf Fachhochschulen entwickelt wurde, allerdings nicht darauf beschränkt ist (vgl. VwGH 25.6.2018, Ra 2017/08/0079).

6.3. Vorliegend hat das Verwaltungsgericht die dargestellte Rechtsprechung beachtet und ist fallbezogen auf Grundlage des festgestellten Sachverhalts bezüglich der hier im Blick stehenden Kurse auf jedenfalls nicht unvertretbare Weise zum Ergebnis gelangt, dass es sich um ein vorwiegend als Erwachsenenbildung im Sinn des § 49 Abs. 7 Z 2 lit. a ASVG iVm. dem ErwachsenenbildungFG zu erachtendes Bildungsangebot und daher bei y.T. e.U. um eine Erwachsenenbildungseinrichtung im oben aufgezeigten Sinn handelt.

Demnach ist jedoch das behauptete Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs im Sinn der Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts nicht zu sehen. Die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts reicht somit nicht aus, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG darzulegen.

7.1. Auch in der Revision selbst wird - über die Zulassungsbegründung des Verwaltungsgerichts hinausgehend - von der Revisionswerberin keine andere derartige Rechtsfrage gesondert und konkret aufgeworfen.

Die Revision beinhaltet zwar Erörterungen zu den Revisionsgründen. Sie lässt aber konkrete Ausführungen vermissen, inwiefern in den angesprochenen Punkten eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu erblicken sein sollte.

Im Hinblick darauf wird die Revision der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs, wonach der Revisionswerber auf die Rechtssache bezogen für jede von ihm über die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts hinausgehend als von grundsätzlicher Bedeutung qualifizierte Rechtsfrage (gesondert) konkret aufzuzeigen hat (vgl. VwGH 14.4.2016, Ro 2016/11/0011; neuerlich Ro 2016/08/0009), nicht gerecht.

8. Die Revision war deshalb gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

9. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 9. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2016080026.J00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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