TE Bvwg Beschluss 2020/6/23 L504 2232071-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §7
ZustG §5
ZustG §7
ZustG §9

Spruch

L504 2232071-1/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL über den Antrag von XXXX , geb. XXXX , StA. Türkei, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.05.2020, Zl. 201961004-190927904, vertreten durch RA Dr. Tassilo WALLENTIN und ARGE Rechtsberatung, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird mangels rechtswirksamen Bescheid gem. § 7 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrenshergang

Das Bundesamt hat gegen die beschwerdeführende Partei [bP] ein Aufenthaltsbeendigungsverfahren eingeleitet und der bP die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme übermittelt.

Mit Stellungnahme vom 12.11.2019 hat die bP durch ihren gleichzeitig bevollmächtigten Rechtsfreund, unter Anschluss der Rechtsanwaltsvollmacht von RA Dr. Tassilo Wallentin, eine Stellungnahme eingebracht.

Der das Verfahren abschließende Bescheid wurde der bP persönlich durch RSb am 07.05.2020 zugestellt und in der Zustellverfügung die beschwerdeführende Partei als Empfänger bezeichnet.

Eine vor der Zustellung erfolgte Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu dem angeführten Rechtsfreund ergibt sich nicht aus dem Akteninhalt.

Nach Zustellung des Bescheides hat die bP am 25.05.2020 zusätzlich auch die ARGE Rechtsberatung bevollmächtigt und wurde durch diese mit Schriftsatz vom 02.06.2020 gegenständliche Beschwerde eingebracht.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde Beweis erhoben.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

Die bP hat nach Einleitung des Verfahrens zur Beendigung des Aufenthaltes in Österreich RA Dr. Tassilo Wallentin mit der Vertretung bevollmächtigt. Diese am 04.11.2019 erteilte und dem Bundesamt mit der anwaltlichen Stellungnahme vom 12.11.2019 übermittelte Vollmacht beinhaltet auch eine Zustellbevollmächtigung.

Das Bundesamt bei dem verfahrensgegenständlichen Bescheid trotz Bekanntgabe des Rechtsfreundes als Zustellungsbevollmächtigten die beschwerdeführende Partei als Empfänger bezeichnet, wurde dieser der bP per RSb übermittelt und ihr am 07.05.2020 ausgefolgt.

Der Bescheid ist dem Zustellungsbevollmächtigten nicht tatsächlich zugekommen.

Nach Zustellung des Bescheides an die bP hat sie am 25.05.2020 zusätzlich auch die ARGE Rechtsberatung bevollmächtigt und wurde durch diese mit Schriftsatz vom 02.06.2020 Beschwerde eingebracht.

2. Beweiswürdigung

Der für diese Entscheidung maßgebliche Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus der Aktenlage des Bundesamtes.

3. Rechtliche Beurteilung

Aus dem Zustellgesetz ergibt sich:

Zustellverfügung

§ 5. Die Zustellung ist von der Behörde zu verfügen, deren Dokument zugestellt werden soll. Die Zustellverfügung hat den Empfänger möglichst eindeutig zu bezeichnen und die für die Zustellung erforderlichen sonstigen Angaben zu enthalten.

Heilung von Zustellmängeln

§ 7. Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Zustellungsbevollmächtigter

§ 9. (1) Soweit in den Verfahrensvorschriften nicht anderes bestimmt ist, können die Parteien und Beteiligten andere natürliche oder juristische Personen oder eingetragene Personengesellschaften gegenüber der Behörde zur Empfangnahme von Dokumenten bevollmächtigen (Zustellungsvollmacht).

(2) Einer natürlichen Person, die keinen Hauptwohnsitz im Inland hat, kann eine Zustellungsvollmacht nicht wirksam erteilt werden. Gleiches gilt für eine juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, wenn diese keinen zur Empfangnahme von Dokumenten befugten Vertreter mit Hauptwohnsitz im Inland hat. Das Erfordernis des Hauptwohnsitzes im Inland gilt nicht für Staatsangehörige von EWR-Vertragsstaaten, falls Zustellungen durch Staatsverträge mit dem Vertragsstaat des Wohnsitzes des Zustellungsbevollmächtigten oder auf andere Weise sichergestellt sind.

(3) Ist ein Zustellungsbevollmächtigter bestellt, so hat die Behörde, soweit gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, diesen als Empfänger zu bezeichnen. Geschieht dies nicht, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen ist.

(4) Haben mehrere Parteien oder Beteiligte einen gemeinsamen Zustellungsbevollmächtigten, so gilt mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung des Dokumentes an ihn die Zustellung an alle Parteien oder Beteiligte als bewirkt. Hat eine Partei oder hat ein Beteiligter mehrere Zustellungsbevollmächtigte, so gilt die Zustellung als bewirkt, sobald sie an einen von ihnen vorgenommen worden ist.

(5) Wird ein Anbringen von mehreren Parteien oder Beteiligten gemeinsam eingebracht und kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt die an erster Stelle genannte Person als gemeinsamer Zustellungsbevollmächtigter.

(6) § 8 ist auf den Zustellungsbevollmächtigten sinngemäß anzuwenden.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt gemäß den §§ 7 und 9 ZustG die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger (Zustellungsbevollmächtigten) tatsächlich zukommt. Ein tatsächliches Zukommen setzt nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes voraus, dass der vom Gesetz vorgesehene Empfänger tatsächlich in den Besitz des zuzustellenden Schriftstücks kommt. Nicht ausreichend ist die bloße Kenntnisnahme des Inhalts des Schriftstücks beispielsweise durch Übermittlung einer Ablichtung oder durch Akteneinsicht. Wenn die Kenntnisnahme des Schriftstücks (ohne tatsächliches Zukommen) nicht genügt, dann saniert auch der Umstand, dass ein Rechtsmittel gegen das Schriftstück eingebracht wird, die fehlende Zustellung nicht (vgl. etwa VwGH 20.11.2019, Fr 2018/15/0011; sowie im Ergebnis bereits VwGH 18.11.2015, Ra 2015/17/0026).

Gemäß § 7 ZustG gilt - wenn im Verfahren der Zustellung Fehler unterlaufen - die Zustellung in dem Zeitpunkt als bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist. "Empfänger" im Sinne dieser Bestimmung ist jedoch nicht die Person, für die das Dokument inhaltlich bestimmt ist, die es betrifft, sondern die Person, an die es die Behörde gerichtet hat, die in der Zustellverfügung von ihr als Empfänger angegeben worden ist ("formeller Empfängerbegriff"). Die fehlerhafte Bezeichnung einer Person als Empfänger in der Zustellverfügung kann nicht heilen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998) 1900 ff angeführten Nachweise zur Rechtsprechung; ferner Thienel/Schulev-Steindl, Verwaltunsrecht5 (2009) 356 f; Walter/Kolonovits/Muzak/Stöger, Grundriss des österreichischen Verwaltungsverfahrensrecht9 (2011) Rz 203/1, alle mwN).

Wenn ein unzutreffender Empfänger in der Zustellverfügung genannt wird, so liegt kein Fall vor, bei dem im Sinne des § 7 Abs. 1 ZustG durch das tatsächliche Zukommen des Dokumentes an den Empfänger eine Heilung eines Zustellmangels und damit eine wirksame Zustellung erfolgen könnte (vgl. VwGH 23.11.2016, Ra 2015/05/0092).

Fallbezogen ergibt sich daraus Folgendes:

Die bP hat vor Bescheiderlassung gem. § 9 Abs 1 ZustG den bevollmächtigten Rechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigten bekannt gegeben. Die Behörde hat jedoch nicht wie in § 9 Abs 3 ZustG angeordnet den zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt als Empfänger iSd § 7 ZustG bezeichnet, sondern die bP selbst und wurde der gegenständliche Bescheid (nur) an sie zugestellt.

Gem. § 9 Abs 3 ZustG könnte dieser Mangel dadurch heilen, in dem das Dokument dem Rechtsfreund als Zustellungsbevollmächtigten tatsächlich zugekommen wäre. Dass dem Rechtsfreund die Sendung tatsächlich zugekommen ist, dafür gibt es aus der Aktenlage keinen Hinweis, weshalb auch eine Heilung des Zustellmangels nicht erfolgen konnte.

Das Beschwerderecht gegen einen Bescheid des Bundesamtes setzt gem. § 7 VwGVG die rechtswirksame Erlassung bzw. Zustellung des Bescheides voraus. Da eine solche nicht vorliegt, war die Beschwerde als unzulässig gem. § 7 VwGVG zurückzuweisen.

Absehen von der Verhandlung:

Eine Verhandlung konnte gem. § 24 Abs 4 VwGVG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung, weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Empfänger rechtswirksame Zustellung tatsächliches Zukommen Vertretungsvollmacht Zurückweisung Zustellbevollmächtigter Zustellmangel Zustellung Zustellverfügung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L504.2232071.1.00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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