TE OGH 2020/7/29 9Ob28/20p

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Veröffentlicht am 29.07.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula in der Rechtssache der klagenden Partei M***** P*****, vertreten durch Dr. Christian Strobl, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagten Parteien 1. R***** OG, *****, und 2. T***** R*****, beide vertreten durch Dr. Manfred Rath, Rechtsanwalt in Graz, wegen 52.247,14 EUR sA, über die „außerordentliche“ Revision (Revisionsinteresse: 22.126,34 EUR sA) der beklagten Parteien gegen das Teilurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 24. Februar 2020, GZ 5 R 184/19v-69, mit dem der Berufung der beklagten Parteien gegen das Urteil des Bezirksgerichts Weiz vom 24. Juli 2019, GZ 51 C 28/15x-65, teilweise Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Akt wir dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung:

Die Klägerin begehrte mit der vorliegenden Klage 53.273,82 EUR sA an Zahlung offener Benützungsentgelte und Schadenersatz aufgrund der nicht ordnungsgemäßen Übergabe des Bestandobjekts nach Beendigung des zwischen den Parteien bestandenen Mietverhältnisses.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im zweiten Rechtsgang mit 25.516,72 EUR sA statt und wies das Mehrbegehren von 26.730,42 EUR sA ab.

Das Berufungsgericht gab der gegen den klagsstattgebenden Teil des Urteils erhobenen Berufung der Beklagten teilweise Folge. Mit Teilurteil verpflichtete es die Beklagten zur Zahlung von 22.126,34 EUR sA, das Mehrbegehren von 27.730,42 EUR sA wies es ab. Hinsichtlich eines weiteren Begehrens von 2.390,38 EUR sA hob es das Ersturteil auf und verwies die Rechtssache in diesem Umfang an das Erstgericht zur neuerlichen Entscheidung zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

Gegen das Teilurteil des Berufungsgerichts erhoben die Beklagten eine „außerordentliche“ Revision an den Obersten Gerichtshof. Es liege eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO vor. Die gegenständliche Streitigkeit unterfalle der Ausnahmeregelung des § 502 Abs 5 Z 2 ZPO iVm § 49 Abs 2 Z 5 JN. Das Rechtsmittel wurde vom Erstgericht dem Obersten Gerichtshof als „außerordentliche“ Revision unmittelbar vorgelegt.

Eine außerordentliche Revision ist im vorliegenden Fall aber unzulässig:

Rechtliche Beurteilung

Für die Zulässigkeit der Revision nach § 502 Abs 3 ZPO ist der Wert des Streitgegenstands maßgeblich, über den das Berufungsgericht entschieden hat, auch wenn es ein Teilurteil gefällt und bezüglich eines anderen Teils einen Aufhebungsbeschluss gefasst hat (RS0042821 [T6]).

Nach § 502 Abs 5 Z 2 ZPO gelten die Absätze 2 und 3 nicht für die unter § 49 Abs 2 Z 5 JN fallenden Streitigkeiten, wenn dabei über eine Kündigung, über eine Räumung oder über das Bestehen oder Nichtbestehen des Vertrags entschieden wird. Ein derartiger Ausnahmefall liegt bei der hier ausschließlich auf Zahlung gerichteten Klage ohne gleichzeitige Entscheidung über die Kündigung, Räumung oder das Bestehen oder Nichtbestehen des Bestandvertrags nicht vor (vgl RS0042922 [T5]; 9 Ob 43/18s). Der wesentliche Zweck der Ausnahmeregelung besteht darin, Entscheidungen in Fällen, in denen der Verlust des Bestandobjekts droht, unabhängig von der Bewertungsfrage bekämpfbar zu machen (RS0120190).

Die Zulässigkeit der Revision richtet sich daher nach § 502 Abs 3 ZPO, weil der berufungsgerichtliche Entscheidungsgegenstand (25.516,72 EUR = Ausmaß der Bekämpfung des Ersturteils durch die Berufung der Beklagten) zwar 5.000 EUR, nicht aber 30.000 EUR übersteigt und das Berufungsgericht die ordentliche Revision nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen ist auch ein außerordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Eine Partei kann in einem solchen Fall nur gemäß § 508 Abs 1 ZPO einen Antrag an das Berufungsgericht stellen, seinen Ausspruch dahingehend abzuändern, dass das ordentliche Rechtsmittel doch für zulässig erklärt werde. Mit demselben Schriftsatz ist das ordentliche Rechtsmittel auszuführen. Dieser Antrag, verbunden mit dem ordentlichen Rechtsmittel, ist beim Prozessgericht erster Instanz einzubringen und gemäß § 508 Abs 3 und 4 ZPO vom Rechtsmittelgericht zu behandeln. Erhebt in den dargestellten Fällen eine Partei ein Rechtsmittel, so ist dieses gemäß § 507b Abs 2 ZPO dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen. Das gilt auch dann, wenn das Rechtsmittel verfehlt als „außerordentliches“ Rechtsmittel bezeichnet wird und wenn es an den Obersten Gerichtshof gerichtet ist; auch dieser darf hierüber nur und erst dann entscheiden, wenn das Gericht zweiter Instanz gemäß § 508 Abs 3 ZPO ausgesprochen hat, dass ein ordentliches Rechtsmittel doch zulässig sei. Dies gilt ferner auch dann, wenn der Rechtsmittelwerber in dem Schriftsatz nicht iSd § 508 Abs 1 ZPO den Antrag auf Abänderung des Ausspruchs des Gerichts zweiter Instanz gestellt hat, weil dieser Mangel gemäß § 84 Abs 3 ZPO verbesserungsfähig ist (RS0109620).

Das Erstgericht wird somit das Rechtsmittel der Beklagten dem Berufungsgericht vorzulegen haben.

Der Akt ist daher ohne inhaltliche Prüfung dem Erstgericht zurückzustellen.

Textnummer

E129418

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0090OB00028.20P.0729.000

Im RIS seit

30.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

30.10.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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