TE Lvwg Erkenntnis 2020/9/30 LVwG-2020/32/1536-3

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Veröffentlicht am 30.09.2020
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Entscheidungsdatum

30.09.2020

Index

50/01 Gewerbeordnung

Norm

GewO 1994 §19

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Ing. Mag. Peinstingl nach dem Erlassen der Beschwerdevorentscheidung vom 29.06.2020, ***, aufgrund des Antrages von AA, vertreten durch RA BB, Adresse 1, Z auf Vorlage der Beschwerde vom 23.06.2020 gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 20.05.2020, ***, betreffend eine Angelegenheit nach der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, nach der Durchführung einer öffentlich mündlichen Verhandlung

zu Recht:

1.       Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.       Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I.       Verfahrensgang:

Mit Eingabe vom 05.02.2020 hat die nunmehrige Beschwerdeführerin die Feststellung der individuellen Befähigung zur Ausübung des Gewerbes „Friseur und Perückenmacher (Stylist) (Handwerk)“ beantragt. Darin gab die Beschwerdeführerin zu ihrem bisherigen Bildungsgang wie folgt an:

„Lehre Friseurin und Perückenmacherin

Lehrlingswettbewerbe Gold und Silber

Haarverlängerung

Abendmatura

Unternehmerprüfung

Meisterprüfung Kosmetik

Fußpflegegewerbe

Naildesignerin

Lashstylistin

Dauerhafte Haarentfernung

Haarentfernung mit Zuckerpaste“

Mit E-Mail vom 14.02.2020 wurden von der Beschwerdeführerin nachstehende Unterlagen nachgereicht:

?    Versicherungsdatenauszug vom 11.12.2019

?    Urkunde über den Lehrlingswettbewerb der Wirtschaftskammer Tirol vom 25.04.2001 (Leistungsabzeichen Gold)

?    Urkunde über den Lehrlingswettbewerb der Wirtschaftskammer Tirol vom 17.11.1999 (Leistungsabzeichen Silber)

?    Teilnahmebestätigung des CC Tirol über die Veranstaltung Trendfrisuren mit Farbtechnik vom 25.02.2000 im Ausmaß von 21 Stunden

?    Teilnahmebestätigung des CC Tirol über die Veranstaltung Moderner Herrenservice

?    vom 20.06.2000 im Ausmaß von 21 Stunden

?    Urkunde über das Seminar cut&finish vom 09.10.2000, DD

?    Seminar-Diplom für das Föhnen & Kommunizieren Seminar vom 30.09.1999; EE Tirol

?    Dienstzeugnis für den Zeitraum der Friseurlehre vom 01.08.1998 bis 31.07.2001; Friseur FF GmbH

?    Lehrvertrag vom 26.08.1998

?    Lehrbrief der Wirtschaftskammer Tirol vom 20.06.2001

?    Teilnahmebestätigung betreffend HD Volumentechnik vom 21.-22.09.2017 im Ausmaß von 2 Tagen; GL Beauty, gezeichnet: GG

?    Zertifikat über die Schulung betreffend The Art of Browshaping vom 08.04.2017;

?    gezeichnet: JJ

?    Zertifikat über die Teilnahme am Fortbildungsseminar UV Gel Lichthärtung vom 10.04.2000; World of Nails, gezeichnet: KK

?    Zertifikat der SNS Nail Pro vom 27.01.2018

?    Bestätigung über die Teilnahme am Fachseminar Camouflage und Schablone vom 10.10.2014; alessandro; gezeichnet: LL

?    Bestätigung über den Workshop Solar Nail vom 26.03.2003; World of Nails; gezeichnet: KK

?    Unternehmerprüfungszeugnis der Wirtschaftskammer Tirol vom 10.12.2013

?    Zertifikat der Schulung Wimpern Lifting; gezeichnet: JJ

?    Ausbildungszertifikat Wimpernverlängerung vom 13.06.2015 im Ausmaß von 2 Tagen; gezeichnet: GG

?    Befähigungsprüfungszeugnis für Kosmetik (Schönheitspflege) der Wirtschaftskammer Tirol vom 23.10.2019

?    Bestätigung der Teilnahme am Workshop Nail Art vom 11.04.2003; World of Nails; gezeichnet: KK

?    Zertifikat über die Schulung Product Knowledge vom 07.01.2020; MM GmbH

?    Zertifikat über die Fortbildung „Lymphdrainage“ vom 01.09.2019 im Ausmaß von 30 LE; NN

Die belangte Behörde ersuchte die Wirtschaftskammer Tirol, Sparte Gewerbe und Handwerk, mit E-Mail vom 03.03.2020 um Stellungnahme, welche diese wiederum mit E-Mail vom 13.03.2020 abgab. Darin sprach sich die Wirtschaftskammer Tirol gegen die Feststellung der von der Beschwerdeführerin beantragten individuellen Befähigung aus.

Mit Schreiben vom 06.04.2020 wurde die Beschwerdeführerin über die beabsichtigte negative Erledigung des Feststellungsverfahrens in Kenntnis gesetzt und wurde ihr im Rahmen des Parteiengehörs die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Im Rahmen ihrer Stellungnahme mit E-Mail vom 13.05.2020 legte die Beschwerdeführerin eine Bestätigung der OO GmbH vom 13.05.2020, eine Aufstellung betreffend die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Firma PP in Z, Adresse 2, für das Jahr 2017, eine vorläufige Aufstellung betreffend die Einnahmen-Ausgaben-Rechnung der Firma PP in Z, Adresse 2, für das Jahr 2018 sowie einen GISA-Auszug (GISA-Zahl: ***) vom 11.12.2019 vor.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Z vom 20.05.2020, ***, wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die Ausübung des reglementierten Gewerbes „Friseur und Perückenmacher (Stylist)(Handwerk)“ im Sinne des § 94 Z 22 durch die Antragstellerin gemäß § 19 iVm § 18 Abs 1 GewO 1994 iVm BGBl II Nr 47/2003 idgF nicht vorliegen.

Gegen diesen Bescheid wurde von der Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 23.06.2020 fristgerecht Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Tirol erhoben und darin ausgeführt, dass sich ihr Begehren an eine individuelle Befähigung als Friseurin und Perückenmacherin richte. Zudem führte sie aus, dass die Beilagen nachgereicht werden würde, da das Anhängen nicht funktioniert habe.

In der Folge hat die belangte Behörde mit der Beschwerdevorentscheidung vom 20.06.2020 die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin, rechtfreundlich vertreten durch RA BB, hat schließlich mit Schriftsatz vom 09.07.2020 fristgerecht einen Vorlageantrag eingebracht, in welchem sie zunächst ausführt, dass eine zulässige Beschwerde eingebracht worden sei. Weiters wurde in der Beschwerde zusammengefasst dargelegt, dass nach der ständigen Rechtsprechung eine einschlägige Tätigkeit einen fachlichen Bezug zu den Tätigkeiten ausweisen müsse, die den Gegenstand des jeweiligen reglementierten Gewerbes bilden, d.h. die Mitarbeit müsse entsprechende fachliche Aufgaben beinhalten (zum Beispiel in Bezug auf die Planung, Vorbereitung, Überwachung der für das reglementierte Gewerbe einschlägigen Tätigkeiten), um berücksichtigt werden zu können.

Die Behörde würde übersehen, dass die Beschwerdeführerin derzeit die Gewerbe im Bereich der Kosmetik, Nageldesign, Fußpflege, Handel und Handelsagent am Standort in Z, Adresse 3 mit 21 Mitarbeitern ausübe. Es handle sich darüber hinaus beim Gewerbe der Kosmetik, des Nageldesigns und der Fußpflege um artverwandte Gewerbe, in welchen die Beschwerdeführerin bereits seit 2011 selbstständig tätig sei. Es sei daher jedenfalls davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin sehr wohl über adäquate Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen verfüge, um auch im beantragten Gewerbe der Friseurin und Perückenmacherin (Stylist) die entsprechende Befähigung zu besitzen.

Die Beschwerdeführerin verfüge nicht nur über die fachliche Befähigung (Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf „Friseur und Perückenmacher“), sondern auch über eine kaufmännische Befähigung das beantragte Gewerbe auszuüben, dies schon aufgrund ihrer über neun Jahre dauernden Tätigkeit im Gewerbe der Kosmetik, des Nageldesigns und der Fußpflege sowie im Gewerbe des Handels und des Handelsagenten.

Es wurde sohin der Antrag gestellt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen sowie der Beschwerde der Beschwerdeführerin Folge zu geben.

Zur Klärung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes wurde Beweis aufgenommen durch Einsichtnahme in den verwaltungsbehördlichen Akt *** sowie in den Akt des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, GZ 2020/32/1536. Am 09.09.2020 fand am Landesverwaltungsgericht Tirol eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin einvernommen wurde.

II.      Sachverhalt:

Die Beschwerdeführerin war in der Friseur FF GmbH in Y, Adresse 4, vom 01.08.1998 bis 24.06.2001 als Arbeiterlehrling und vom 25.06.2001 bis 31.07.2001 als Arbeiterin beschäftigt.

Während ihrer Lehrzeit nahm die Beschwerdeführerin am 30.09.1999 an dem Seminar „Föhnen & Kommunizieren“, vom 14.01.2000 bis 25.02.2000 an der Veranstaltung „Trendfrisuren mit Farbtechnik“ (Umfang: 21 Stunden), vom 09.05.2000 bis 20.06.2000 an der Veranstaltung „Moderner Herrenservice“ (Umfang: 21 Stunden) sowie am 09.10.2000 an dem Seminar „cut & finish“ teil.

Zudem hat die Beschwerdeführerin im Laufe ihrer Lehrzeit zweimal beim Lehrlingswettbewerb der Wirtschaftskammer Tirol teilgenommen. Zum einen im zweiten Lehrjahr, am 17.11.1999, in welchem sie das Leistungsabzeichen Silber erreichte, und zum anderen im dritten Lehrjahr, am 25.04.2001, in welchem sie das Leistungsabzeichen Gold erreichte.

Am 20.06.2001 unterzog sich die Beschwerdeführerin im Lehrberuf Friseurin und Perückenmacherin (Stylistin) der Lehrabschlussprüfung und hat diese bestanden.

Vom 23.07.2001 bis 10.08.2002 war die Beschwerdeführerin als Arbeiterin im Friseursalon von QQ in Z, Adresse 5, tätig.

Vom 01.04.2009 bis 09.05.2009 war sie als geringfügig beschäftigte Arbeiterin im Friseursalon von RR in Z, Adresse 6, tätig.

Seit dem 01.05.2011 ist die Beschwerdeführerin selbständig. Dem Gewerbeinformationssystem des Bundesministeriums für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort zufolge, hat die Beschwerdeführerin folgende Gewerbe inne (Stand: 14.08.2020):

?    Seit 11.12.2019 das reglementierte Gewerbe Kosmetik (Schönheitspflege) (GISA-Zahl ***)

?    Seit 01.06.2013 das reglementierte Gewerbe Fußpflege gemäß § 94 Z 23 GewO 1994 (GISA-Zahl ***), wobei als gewerberechtliche Geschäftsführerin SS mit Bestellung vom 01.06.2013 eingetragen ist

?    Seit 04.04.2018 das freie Gewerbe Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Handelsagent (GISA-Zahl ***)

?    Seit 01.05.2011 das freie Gewerbe Modellieren von Fingernägeln (Nagelstudio) gemäß § 1 Z 15 erste Teilgewerbe-Verordnung (GISA-Zahl ***)

Nachstehende Fortbildungen bzw Seminare, an denen die Beschwerdeführerin teilgenommen hat, werden dem Gewerbe Kosmetik (Schönheitspflege) bzw dem Gewerbe Fußpflege zugeordnet:

?    UV Gel Lichthärtung

?    SNS Nail Pro

?    Camouflage und Schablone

?    Solar Nail

?    Wimpernlifting

?    Wimpernverlängerung

?    Nail Art

Die Veranstaltung „Product Knowledge“, die die Beschwerdeführerin besuchte, steht im Zusammenhang mit dem Gewerbe Friseurin und Perückenmacherin (Stylistin).

Die von der Beschwerdeführerin besuchte Fortbildung „HD Volumentechnik“ sowie die Schulung „the art of browshaping“ sind sowohl dem Gewerbe Kosmetik (Schönheitspflege) als auch dem Gewerbe Friseurin und Perückenmacherin (Stylistin) zuzuordnen.

Am 10.12.2013 unterzog sich die Beschwerdeführerin vor der Prüfungsstelle der Wirtschaftskammer Tirol der Unternehmerprüfung und hat diese bestanden.

Weiters hat die Beschwerdeführerin die Befähigungsprüfung für das reglementierte Gewerbe Kosmetik (Schönheitspflege) am 28.10.2019 erfolgreich abgelegt.

III.     Beweiswürdigung:

Dieser Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei aus der dem Landesverwaltungsgericht Tirol vorliegenden Aktenlage und ist insoweit unstrittig.

IV.      Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der Gewerbeordnung 1994 – GewO 1994, BGBl I Nr 194/1994 idF BGBl I Nr 65/2020, lauten wie folgt:

„4. Besondere Voraussetzungen für die Ausübung von Gewerben

Befähigungsnachweis

Allgemeine Bestimmungen

§ 16

(1) Voraussetzung für die Ausübung von reglementierten Gewerben und von Teilgewerben ist ferner der Nachweis der Befähigung. Kann der Einschreiter diesen Nachweis nicht erbringen, so hat er einen Geschäftsführer (§ 39) zu bestellen. Dies gilt nicht für das Gewerbe der Rauchfangkehrer (§ 94 Z 55). § 9 Abs. 2 gilt in diesen Fällen mit der Maßgabe, dass die Bestellung des neues Geschäftsführers binnen einem Monat zu erfolgen hat.

(2) Unter Befähigungsnachweis ist der Nachweis zu verstehen, daß der Einschreiter die fachlichen einschließlich der kaufmännischen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen besitzt, um die dem betreffenden Gewerbe eigentümlichen Tätigkeiten selbständig ausführen zu können.

[…]

Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe

§ 18

(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, hinsichtlich der im § 94 Z 14, 32, 33, 41 und 46 genannten Gewerbe und hinsichtlich des im § 94 Z 42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege - für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander - die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Dabei hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu berücksichtigen, dass bei reglementierten Gewerben, bei denen der Qualifikation auf Grund der Richtlinie 92/51/EWG über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG oder der Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome Diplomniveau zukommt, dieses Diplomniveau gewahrt bleibt.

[…]

(4) Wenn es Gründe der Abwehr von besonderen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen erfordern, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung festzulegen, dass Zeugnisse im Sinne des Abs. 2 für ein Gewerbe nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn der Inhaber des Zeugnisses seit der Prüfung, dem Abschluss der Ausbildung oder seit der fachlichen Tätigkeit, die durch das betreffende Zeugnis bescheinigt wird, zehn Jahre nicht mehr die den Gegenstand des betreffenden Gewerbes bildenden Tätigkeiten ausgeübt hat.

[…]

Individueller Befähigungsnachweis

§ 19

Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.“

Die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das Handwerk der Friseure und Perückenmacher (Stylist) (Friseure- und Perückenmacher-Verordnung), BGBl II Nr 47/2003 idF BGBl II Nr 399/2008 lautet wie folgt:

„Auf Grund des § 18 Abs 1 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 111/2002, wird verordnet:

Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Friseure und Perückenmacher (§ 94 Z 22 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:

1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder

2. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

3. Zeugnisse über

a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Friseur und Perückenmacher (Stylist) und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

4. Zeugnisse über

a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und

b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder

5. Zeugnisse über

a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und

b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger.“

V.       Erwägungen:

Vorab ist festzuhalten, dass entgegen der Ansicht der belangten Behörde die Beschwerde zulässig ist. Die Beschwerdeführerin hat unter Verwendung eines von der belangten Behörde bereitgestellten Formulars für rechtswirksame Anbringen mit der Eingabe vom 23.06.2020 rechtzeitig ausdrücklich Beschwerde erhoben. Dieser Eingabe ist klar zu entnehmen, dass sich das Begehren auf die Feststellung der individuellen Befähigung. als Friseurin und Perückenmacherin bezieht. Wenn die Beschwerdeführerin ausführt, dass die Beilagen nachgereicht werden, da es mit dem Anhängen nicht funktioniert habe, kann darin keine bewusst rechtsmissbräuchliche Vorgehensweise gesehen werden (vgl VwGVG 27.02.2020, Ra 2019/11/0102). Insofern wäre ein Verbesserungsauftrag zu erteilen gewesen. In Ansehung dessen, wonach die zwischenzeitlich rechtsfreundlich vertretene Beschwerdeführerin einen Vorlageantrag gestellt hat, darin umfassend vorgebracht hat und ihr auch im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol ausreichend Gelegenheit gegeben wurde, ihre Beschwerdegründe darzulegen, konnte das Beschwerdeverfahren auch ohne ausdrücklichen Verbesserungsauftrag geführt werden.

Die zitierte Friseure- und Perückenmacher-Verordnung legt im Sinne des § 18 Abs 1 GewO 1994 die formellen Zugangsvoraussetzungen zur Ausübung des Friseur- und Perückenmachergewerbes fest.

Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin die formellen Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt und dementsprechend einen Antrag auf Feststellung der individuellen Befähigung bei der belangten Behörde gestellt hat.

Gemäß § 19 GewO 1994 hat die Behörde unter Bedachtnahme auf die Vorschriften gemäß § 18 Abs 4 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn der nach § 18 Abs 1 GewO 1994 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden kann und durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Kommt keiner der in einer Verordnung gemäß § 18 Abs 1 GewO 1994 vorgezeichneten Wege in Betracht, so kann die Befähigung auch dadurch nachgewiesen werden, dass der Bewerber durch entsprechende Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachweist (individueller Befähigungsnachweis). Grundsätzlich kann ein Antrag auf Feststellung der individuellen Befähigung auch ohne Anmeldung eines Gewerbes eingebracht werden.

Beim „individuellen Befähigungsnachweis“ im Sinne des § 19 GewO 1994 wird der gemäß § 18 Abs 1 leg cit vorgeschriebene Befähigungsnachweis durch sonstige Nachweise ersetzt, die jene Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegen, die für die Ausübung des angemeldeten Gewerbes erforderlich sind. Die Beurteilung, ob durch diese (sonstigen) Nachweise die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen belegt werden, hat daher am Maßstab der den Befähigungsnachweis im Sinne des § 18 Abs 1 GewO 1994 festlegenden Vorschriften (Zugangsvoraussetzungen) zu erfolgen. Aufgrund sonstiger Nachweise kann die erforderliche Befähigung somit nur insofern belegt werden, als die vom Antragsteller absolvierte Ausbildung (Bildungsgang, bisherige Tätigkeit) das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht, wie jene in den erwähnten Vorschriften (vgl etwa VwGH 18.05.2005, 2004/04/0188, VwGH 06.04.2005, 2004/04/0047 ua).

Vom Vorliegen der individuellen Befähigung im Sinne des § 19 GewO 1994 kann nur dann gesprochen werden, wenn aufgrund der vom Antragsteller beigebrachten Unterlagen bzw aufgrund des Ergebnisses des über sein Vorbringen bzw sonst durchgeführten Ermittlungsverfahrens die Annahme gerechtfertigt erscheint, dass er immerhin über so viele Kenntnisse und Erfahrungen verfügt, die als erforderlich erachtet werden, um Leistungen erbringen zu können, welche in der Regel von Inhabern des betreffenden Gewerbes verlangt werden. (vgl VwGH 09.10.2002, 2001/04/0108, VwGH 24.08.1995, 95/04/0017 ua). Den Entscheidungsmaßstab für die Beurteilung des Vorliegens der individuellen Befähigung bilden daher die Inhalte der oben zitierten Zugangsverordnung für das Gewerbe der Friseur- und Perückenmacher.

Die Beschwerdeführerin hat am 20.06.2001 ihre Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Friseurin und Perückenmacherin (Stylistin) erfolgreich abgelegt. Anschließend war sie von 23.07.2001 bis 10.08.2002 im Friseursalon von QQ als Friseurin tätig. Weiters war die Beschwerdeführerin von 01.04.2009 bis 09.05.2009 im Friseursalon von RR als Friseurin tätig, wobei sie dort lediglich geringfügig beschäftigt war. In Summe hat die Beschwerdeführerin sohin – nach Ablegung der Lehrabschlussprüfung – 1 Jahr und 58 Tage an Praxiszeit als Friseurin vorzuweisen.

Wenngleich das erkennende Gericht ganz grundsätzlich die Kenntnisse und Fähigkeiten der Beschwerdeführerin nicht in Zweifel zu ziehen beabsichtigt, so gilt es dennoch im Zuge der Feststellung ihrer individuellen Befähigung für die Tätigkeit des gegenständlichen Gewerbes zu beurteilen, ob die von ihr „auf andere Art“ absolvierte Ausbildung bzw Berufserfahrung, die sie im Verfahren durch die Vorlage von Nachweisen zu belegen versuchte, das Ausbildungsziel in gleicher Weise verwirklicht wie in den erwähnten Vorschriften, die den Maßstab der Beurteilung darstellen.

Die zur Vorlage gebrachten Unterlagen und Bestätigungen belegen zweifelsohne ein Maß an Kenntnissen und Fähigkeiten, welche das Niveau einer reinen Lehrabschlussprüfung übersteigen. Zu prüfen ist im gegenständlichen Fall jedoch die Frage, ob die Beschwerdeführerin ihre Kenntnisse und Fähigkeiten im reglementierten Gewerbe Friseur und Perückenmacher auf einem meisterlichen Niveau erbringt.

In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass in Anbetracht der Wortfolge „wenn … nachgewiesen werden“ in § 19 erster Satz GewO 1994 es Sache der Beschwerdeführerin ist, die für die jeweilige Ausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen initiativ nachzuweisen, sodass die Behörde in diesem Zusammenhang keine amtswegige Ermittlungspflicht trifft (zB VwGH 17.09.2010, 2008/04/0113).

Der Beschwerdeführerin wäre es jedenfalls unbenommen geblieben, selbst noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren eine Arbeitsprobe beizubringen.

In Ansehung der abgelegten Lehrabschlussprüfung für das hier gegenständliche Gewerbe ist insbesondere ein Vergleich im Hinblick auf Z 3 Friseure- und Perückenmacher-Verordnung geboten. Lit b leg cit sieht die einer erfolgreichen Lehrabschlussprüfung nachfolgende ununterbrochene, mindestens 3-jährige einschlägige Tätigkeit als Selbstständiger oder Betriebsleiter vor. Wie oben ausgeführt, kann die Beschwerdeführerin auf eine Tätigkeit als Friseurin zurückblicken, wobei diese jedoch lediglich 1 Jahr und 58 Tage lang ausgeübt wurde, zudem nicht ununterbrochen und auch nicht in Führungsverantwortung. Wenngleich die Beschwerdeführerin auf eine umfassende berufliche Erfahrung mit Führungsverantwortung zurückblicken kann und sowohl die Befähigungsprüfung für das Gewerbe Kosmetik (Schönheitspflege) als auch die Unternehmerprüfung erfolgreich abgelegt hat, so können ihre bisherigen Tätigkeiten Bereich des Friseurgewerbes auch dann nicht zur Feststellung ihrer individuellen Befähigung führen, wenn ihre zusätzlichen Ausbildungen in diesem Bereich in Anschlag gebracht werden. Alleine der Umstand, dass sie seit Jahren – offensichtlich erfolgreich - ein Unternehmen in den Gewerbereichen Kosmetik (Schönheitspflege), Fußpflege und Modellieren von Nägeln führt und auch das freie Handelsgewerbe ausübt, vermag in Anbetracht der relativ kurzen Laufbahn als Friseurin trotz einiger Weiterbildungsmaßnahmen nicht dazu führen, dass eine individuelle Befähigung vorliegt.

Zusammenfassend kommt das erkennende Gericht bei umfassender Gesamtbetrachtung sowie unter Heranziehung der gesetzlichen Bestimmungen und unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Ergebnis, dass durch die von der Beschwerdeführerin beigebrachten Beweismittel nicht belegt werden konnte, dass diese die für die Gewerbeausübung des reglementierten Gewerbes Friseur und Perückenmacher erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen in diesem Ausmaß nachzuweisen vermochte.

Insgesamt war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

VI.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.

Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.

Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.

Landesverwaltungsgericht Tirol

Ing. Mag. Peinstingl

(Richter)

Schlagworte

Individuelle Befähigung;
Friseur;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.32.1536.3

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Tirol LVwg Tirol, https://www.lvwg-tirol.gv.at
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