TE Lvwg Erkenntnis 2020/10/28 LVwG-S-1406/001-2020

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Veröffentlicht am 28.10.2020
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Entscheidungsdatum

28.10.2020

Norm

ZustG §26a
COVID-19 MaßnahmenG Betretungsverbot 2020 §3 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Marzi als Einzelrichter über die Beschwerde des A, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt *** vom 25. Juni 2020, Zl. ***, betreffend Zurückweisung eines Einspruchs i.A. Bestrafung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Feststellungen:

Mit Strafverfügung der belangten Behörde vom 09. Juni 2020, Zl. ***, wurde dem Beschwerdeführer eine näher umschriebene Übertretung der COVID-19-Lockerungsverordnung zur Last gelegt und über ihn gemäß § 3 Abs. 2 COVID-19-Maßnahmengesetz eine Geldstrafe in der Höhe von 600 Euro verhängt.

Diese Strafverfügung wurde an eine Abgabestelle des Beschwerdeführers versendet und vom Zustellorgan am 10. Juni 2020 in den dort angebrachten Postkasten eingelegt. Eine (zusätzliche) schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung von der Zustellung an den Beschwerdeführer oder eine sonstige Person erfolgte nicht.

Am 12. Juni 2020 hat der Beschwerdeführer die Strafverfügung in seinem Postkasten vorgefunden.

Mit E-Mail vom 25. Juni 2020, am selben Tag bei der belangten Behörde eingelangt, erhob der Beschwerdeführer einen näher begründeten Einspruch gegen die Strafverfügung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Einspruch – ohne vorheriges Parteiengehör – als verspätet zurück. Begründend wurde ausgeführt, dass die Strafverfügung „am 10.06.2020 durch persönliche Übernahme ordnungsgemäß zugestellt“ worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die näher begründete Beschwerde u.a. mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid ohne weiteres Verfahren aufzuheben.

2.   Beweiswürdigung:

Die Feststellungen gründen auf dem vorgelegten Verwaltungsstrafakt und der Beschwerde.

Hinsichtlich des Zustellvorgangs gründen die Feststellungen auf dem Rückschein, auf dem vermerkt wurde, dass die Strafverfügung am 10. Juni 2020 in die Abgabeeinrichtung eingelegt worden ist. Ein Hinweis, dass eine zusätzliche Mitteilung über diesen Umstand stattgefunden hat, ist weder auf dem Rückschein vermerkt noch sonst aus der Aktenlage ableitbar.

Weiters gibt es keine Anhaltspunkte, dass der Beschwerdeführer die Strafverfügung vor dem 12. Juni 2020 im Postkasten vorgefunden hat, weshalb dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers gefolgt wird.

3.   Rechtliche Erwägungen:

3.1.1.  § 26a Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982 in der von 15. Mai 2020 bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung BGBl. I Nr. 42/2020, lautete (auszugsweise):

„Zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19
§ 26a.

Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:

1.

Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.

2.

[…]

3.

Die Zustellung, die Form der Verständigung von der Zustellung sowie gegebenenfalls die Gründe, aus denen eine Verständigung niht möglich war, sind vom Zusteller auf dem Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) zu beurkunden. Der Zustellnachweis ist dem Absender unverzüglich zu übersenden; § 22 Abs. 2 ist nicht anzuwenden. […]“

Die Erläuterungen zum mit BGBl. I Nr. 16/2020 ins Zustellgesetz eingefügten § 26a Zustellgesetz lauten auszugsweise (vgl. BlgNR 397/A 27.GP, 40):

„Die vorgeschlagene Bestimmung enthält zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19.

[…]

Eine schriftliche Verständigung kann zB an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) angebracht werden. Eine mündliche Verständigung kann zB über eine allfällige Gegensprechanlage oder durch die Wohnungstüre erfolgen oder indem vom Zusteller ein entsprechender Abstand zur betreffenden Person eingehalten wird.

Die Regelung über die Verständigungspflicht stellt keine sanktionslose bloße Ordnungsvorschrift dar, sondern ist zwingendes Recht, das heißt ihre Nichteinhaltung durch den Zusteller begründet einen Zustellmangel (§ 7 ZustG).“

3.1.2.  Nach den Feststellungen erfolgte neben dem Einlegen der Strafverfügung in den Postkasten keine sonstige schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung des Zustellers über diesen Vorgang, weshalb die Zustellung mit einem Zustellmangel behaftet war.

Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung gemäß § 7 Zustellgesetz als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.

Tatsächlich zugekommen ist die Strafverfügung am 12. Juni 2020, dem Tag, an dem der Beschwerdeführer die Strafverfügung aus dem Postkasten entnahm.

Ausgehend von diesem Zeitpunkt erweist sich der am 25. Juni 2020 per E-Mail eingelangte Einspruch gemäß § 49 Abs. 1 VStG als rechtzeitig und hätte von der belangten Behörde daher nicht als verspätet zurückgewiesen werden dürfen.

In Fällen, in denen die Behörde einen Antrag (wie hier den Einspruch) zurückgewiesen hat, ist „Sache“ eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung. Dem Verwaltungsgericht ist es verwehrt – wie in der Beschwerde erkennbar gefordert –, über diesen Rahmen hinaus über die „Hauptsache“ zu entscheiden (vgl. VwGH vom 17. Dezember 2019, Ra 2017/04/0141, mwN).

Der angefochtene Bescheid ist daher – gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG unter Entfall der beantragten mündlichen Verhandlung – ersatzlos aufzuheben.

3.2.  Die Revision ist nicht zulässig, da sich die Entscheidung auf die zitierte und einheitliche Rechtsprechung bzw. – trotz Nichtvorliegens von Rechtsprechung zu § 26a Zustellgesetz – die klare und eindeutige Rechtslage stützt (zur Unzulässigkeit der Revision bei klarer Rechtslage zB VwGH vom 15. Mai 2019, Ro 2019/01/0006). Nicht revisibel sind im Regelfall auch die hier sonst vorliegenden Fragen der Beweiswürdigung (zB VwGH vom 14. März 2019, Ra 2019/18/0068).

Schlagworte

Gesundheitsrecht; Verwaltungsstrafe; COVID-19; Verfahrensrecht; Zustellung; zustellrechtliche Begleitmaßnahmen; Zustellmangel;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.S.1406.001.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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