TE Bvwg Erkenntnis 2020/3/9 L508 2227020-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.03.2020
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Entscheidungsdatum

09.03.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §13 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §18 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3
FPG §55 Abs1a

Spruch

L508 2227020-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. staatenlos alias Libanon, vertreten durch Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.11.2019, XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 6 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 13 Abs. 2, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 und § 18 Abs. 1 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46, § 53 Abs. 1 und 3 sowie § 55 Abs. 1a FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Der staatenlose Beschwerdeführer (nachfolgend: BF), ein Angehöriger der palästinensisch-arabischen Volksgruppe sowie der sunnitischen Religionsgemeinschaft, stellte nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet am 13.10.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz (Aktenseite des Verwaltungsverfahrensaktes [im Folgenden: AS] 1, 31).

2. Im Rahmen der Erstbefragung am 09.11.2015 (AS 7 - 17) gab der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen zu Protokoll, dass er den Libanon verlassen habe, weil er als Palästinenser weder arbeiten dürfe, noch Unterstützung erhalten würde. Er sei nicht einmal krankenversichert und könne deshalb dort nicht mehr leben. Zudem könne er in seiner Heimat wegen des Krieges nicht leben. Bei einer Rückkehr in den Libanon fürchte er in Armut leben zu müssen.

3. Mit Bescheid des BFA vom 27.07.2016 (OZ 4) wurde dem Antrag auf internationalen Schutz des Bruders des BF XXXX gem. § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG stattgegeben und dem Bruder des BF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG wurde des Weiteren festgestellt, dass dem Bruder des BF kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

4. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (nachfolgend: BFA) vom 22.12.2017 (AS 41 - 43), persönlich zugestellt am 02.01.2018, wurde dem BF gem. § 13 Abs. 2 AsylG der Verlust seines Aufenthaltsrechtes im Bundegebiet wegen Anklage beim Landesgericht für Strafsachen Wien (wegen § 27 Abs. 2a SMG) mitgeteilt.

5. Im Rahmen einer Einvernahme im Asylverfahren vor dem BFA am 10.04.2018 (AS 49 - 59) gab der BF - zu seinen Ausreisegründen befragt - zu Protokoll, dass er in einem Flüchtlingslager gelebt habe, welches von der Hisbollah kontrolliert worden sei. Man habe ihn für den Kampf in Syrien rekrutieren wollen. Mit den Schiiten hätte er keine Probleme gehabt, sondern nur mit der Organisation Hisbollah. Auch mit den Christen und anderen Religionen habe er keine Probleme gehabt.

Nachgefragt zu Details legte der BF insbesondere dar, dass er in der südlichen Vorstadt Beiruts geboren und dort aufgewachsen sei. Einige seiner Freunde seien jetzt Mitglied der Hisbollah und einige Freunde hätten auch in Syrien für die Hisbollah gekämpft. Als sie etwa zehn Jahre alt gewesen seien, habe die Hisbollah Camps für sie organisiert. Er sehe dies als einen frühen Rekrutierungsversuch an. Nach Ausbruch des Krieges in Syrien habe ihn ein Freund, der bei der Hisbollah sei, aufgesucht und ihn zu einem ihm unbekannten Ort gebracht. Dieser sei ein schiitischer Geistlicher gewesen und habe ihn überzeugen wollen, dass es seine religiöse Pflicht sei, sich dem „islamischen Widerstand“ anzuschließen und - so wie seine Freunde - zum Kampf nach Syrien zu gehen. Er habe gesagt, dass er sich bei ihm melden werde und ungefähr einen Monat später sei er dann ausgereist. Diese Person sei dann noch zweimal zu ihm nach Hause gekommen, seine Mutter habe ihn aber abwimmeln können.

Im Übrigen brachte der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem belangten Bundesamt eine UNRWA-Registrierung in Kopie und medizinische Unterlagen (AS 65 – 77) in Vorlage.

6. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 25.05.2018, rechtskräftig mit 25.05.2018 (AS 91 ff), wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, zweiter Fall, Abs. 2 und Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

7. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl richtete zwei Anfragen bezüglich der UNRWA-Registrierung des BF und der Tätigkeit der UNRWA im Libanon an die Staatendokumentation der belangten Behörde. Die Ergebnisse der Ermitlungen wurden jeweils mit Anfragebeantwortung vom 05.09.2019 an die belangte Behörde übermittelt. Basierend auf einer Information der UNRWA ergibt sich, dass der BF bei der UNRWA als Flüchtling registriert ist (AS 111 - 121).

8. Mit Note des BFA vom 09.10.2019 (AS 131 bis 134) wurde dem BF zur Wahrung des Parteiengehöres ein Fragenkatalog zur Integration und zum aktuellen Gesundheitszustand übermittelt. Mit einem in englischer Sprache verfassten Schreiben vom 15.10.2019 erstattete der Beschwerdeführer eine Stellungnahme (AS 149 f).

9. Mit Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 31.10.2019, rechtskräftig mit 31.10.2019 (AS 257 ff), wurde der BF wegen des versuchten Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a, zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

10. Mit dem angefochtenen Bescheid des BFA vom 08.11.2019 (AS 161 ff) wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 und § 6 Abs. 1 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Libanon abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Z 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wurde gegen den BF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Ferner wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 AsylG ab dem 16.08.2017 verloren habe. Des Weiteren sprach das BFA aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde.

Dem Fluchtvorbringen wurde die Glaubwürdigkeit versagt und wurde ferner ausgeführt, dass ein Asylausschlussgrund gegeben sei, da der BF aufgrund der UNRWA Registrierung den Schutz der UNRWA wieder in Anspruch nehmen könne. Des Weiteren wurde in der rechtlichen Beurteilung begründend dargelegt, warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung in den Libanon gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb der BF sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß § 13 Abs. 2 AsylG ab dem 16.08.2017 verloren habe, weshalb das BFA ausgesprochen habe, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde, weshalb gemäß § 55 Absatz 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und weshalb gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein befristetes Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen werde.

11. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2019 (AS 237 ff) wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und dieser ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass er verpflichtet sei, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

12. Gegen den oa. Bescheid des BFA erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit Schriftsatz

vom 10.12.2019 in vollem Umfang wegen mangelhafter bzw. unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

12.1. Zunächst wird beantragt,

- die hier angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem Antrag auf internationalen Schutz Folge gegeben und dem BF der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werde;

- hilfsweise die hier angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, dass dem BF der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt werde;

- hilfsweise dem BF einen Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK zu erteilen;

- hilfsweise den angefochtenen Bescheid ersatzlos zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen.

- den Spruchpunkt VII. der hier angefochtenen Entscheidung aufzuheben;

- hilfsweise den Spruchpunkt VII. der hier angefochtenen Entscheidung dahingehend abzuändern, dass die Dauer des Einreiseverbotes reduziert werde;

- eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und

- die gegen den BF ausgesprochene Rückkehrentscheidung und den Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung in den Libanon aufzuheben.

12.2. In der Folge wird das bisherige Vorbringen kurz wiederholt und im Rahmen umfangreicher rechtlicher Ausführungen dargelegt, dass der BF im Verfahren eine UNRWA-Registrierungskarte vorgelegt und während der Einvernahme angegeben habe, dass er Leistungen von dieser Organisation bezogen habe, indem er eine Schule von UNRWA besucht habe. Somit sei unbestritten, dass er nachgewiesen habe, dass er die Hilfe von UNRWA tatsächlich in Anspruch genommen habe. Anschließend wird moniert, dass das BFA zu Unrecht davon ausgehe, dass der BF im Falle einer Rückkehr weiterhin den Beistand der UNRWA in Anspruch nehmen könnte. Ferner wird bezüglich der Situation palästinensischer Flüchtlinge im Libanon auszusgweise auf die vom BFA herangezogenen Länderfeststellungen und allgemein auf den World Report 2019 - Lebanon, von Human Rights Watch vom 17.10.2019 und auf Assessing the Development Displacement Nexus in Lebanon, Working Paper, des International Centre for Migration Policy Development vom November 2018 verwiesen.

12.3. Was das Einreiseverbot beitrifft, so werde im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose nur auf die gesetzlichen Bestimmungen verwiesen, ohne auf das Vorbringen des BF einzugehen oder weitere Beweise aufzunehmen. Der BF bereue seine Taten und wolle sich bessern. Es sei daher nicht zu befürchten, dass er in Zukunft solch eine Gefährdung darstelle, die ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren rechtfertigen würde. Dieses wäre vielmehr ein unverhältnismäßiger Eingriff in Art. 8 EMRK. In Anbetracht der konkreten Umstände seines Falles hätte das BFA bei richtiger rechtlicher Beurteilung somit zu dem Ergebnis kommen müssen, dass dem BF internationaler Schutz zu gewähren und die Verhängung eines Einreiseverbotes in der Höhe von fünf Jahren nicht geboten sei.

12.4. Mit diesem Rechtsmittel wurde jedoch kein hinreichend substantiiertes Vorbringen erstattet, welches geeignet wäre, zu einer anderslautenden Entscheidung zu gelangen.

13. Beweis wurde erhoben durch die Einsichtnahme in den Verwaltungsakt des BFA unter zentraler Zugrundelegung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des Bescheidinhaltes sowie des Inhaltes der gegen den Bescheid des BFA erhobenen Beschwerde.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in den gegenständlichen Verfahrensakt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben des Beschwerdeführers, des bekämpften Bescheides sowie des Beschwerdeschriftsatzes. Ferner durch Einsichtnahme in die in Vorlage gebrachte UNRWA-Registrierungsbestätigung, die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 05.09.2019 und die wesentlichen Aktenbestandteile des Verfahrensaktes der belangten Behörde zum Verfahren des Bruders XXXX .

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und dessen Fluchtgründen:

Der Beschwerdeführer ist staatenloser Palästinenser aus dem Libanon, gehört der arabischen Volksgruppe an und ist sunnitischen Glaubens.

Die Identität des Beschwerdeführers steht fest. Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und ist an dem angegebenen Datum geboren.

Der Beschwerdeführer lebte bis zum Verlassen des Herkunftsstaates im Lager XXXX im Süden von Beirut. Er lebte dort mit seinen Eltern und seinem nun in Österreich lebenden Bruder.

Der BF besuchte in der Region Beirut elf Jahre die Schule (davon neun Jahre Einrichtungen der UNRWA) und anschließend drei Jahre ein IT-College. Anschließend arbeitete er zweitweise in Beirut als Installateur, wobei er mit dieser beruflichen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten konnte. Zudem wurde er von seinem Vater unterstützt.

Zwei Onkel väterlicherseits leben weiterhin im Lager XXXX im Süden von Beirut und zwei Tanten mütterlicherseits in der Stadt Sidon im Süden des Libanon.

Seine Eltern befinden sich in Abu Dhabi in den Vereinigten Arabischen Emiraten.

Der Bruder des BF lebt mit dessen Ehegattin und zwei Kindern seit Herbst 2015 in Österreich. Dessen Antrag auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 27.07.2016 stattgegeben und dem Bruder des BF im Rahmen eines Familienverfahrens der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Des Weiteren halten sich eine Cousine und ein Cousin des BF im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer reiste Mitte Oktober 2015 illegal in das Bundesgebiet ein und lebt seither in Österreich.

Der Beschwerdeführer ist im Herkunftsgebiet bei der UN-Hilfsorganisation für palästinensische Flüchtlinge UNRWA im Libanon registriert. Er verfügt ferner über einen libanesischen Personalausweis für palästinensische Flüchtlinge.

Der vom der BF vorgebrachte Fluchtgrund (Verfolgung und Bedrohung durch die Hisbollah) wird mangels Glaubwürdigkeit des diesbezüglichen Vorbringens nicht festgestellt. Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. dessen Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr in den Libanon mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es war nicht feststellbar, dass der BF vor seiner Ausreise einer individuellen Verfolgung aus in seiner Person gelegenen Gründen durch Organe der Hisbollah ausgesetzt war oder stichhaltige Gründe für die Annahme vorliegen, dass er bei einer Rückkehr in den Libanon einer solchen ausgesetzt wäre.

Es war sohin auch nicht feststellbar, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in den Libanon als staatenloser palästinensischer Flüchtling nicht den Beistand der UNRWA vor Ort in Anspruch nehmen könnte, sofern er diesen in Anspruch nehmen wollte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer Gefahr liefe, im Libanon einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Libanon in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würde. Nicht feststellbar war, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr in seine Heimat keine Existenzgrundlage zur Befriedigung seiner elementaren Lebensbedürfnisse hätte.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsland festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer leidet seit seinem 25. Lebensjahr an Epilepsie. Der BF wird medikamentös behandelt. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung in Österreich erforderlich erscheinen lassen, hat der Beschwerdeführer nicht in Vorlage gebracht.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung leidet, die im Libanon nicht behandelbar ist.

Die medizinische Versorgung ist im Libanon gewährleistet und wurde auch nicht substantiiert behauptet, dass die medizinische Versorgung im Libanon nicht gewährleistet wäre.

Der Beschwerdeführer verfügt zum Entscheidungszeitpunkt über keine relevanten Bindungen zu Österreich.

Der Beschwerdeführer verfügt über keine Deutschkenntnisse und hat weder einen entsprechenden Kurs noch eine Deutschprüfung erfolgreich absolviert.

Er verfügt über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis im Inland. Er knüpfte normale soziale Kontakte. Unterstützungserklärungen brachte er nicht in Vorlage.

Der Beschwerdeführer bezog seit der Antragstellung von 01.02.2016 bis 25.11.2016, von 29.11.2016 bis 31.05.2017 und von 09.06.2017 bis 13.09.2019 Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber. Der BF war bzw. ist nicht legal erwerbstätig. Es konnte nicht festgestellt werden, dass der BF in Österreich selbsterhaltungsfähig ist.

Er ist als erwerbsfähig anzusehen, etwaige wesentliche gesundheitliche Einschränkungen des Beschwerdeführers sind - abgesehen von Epilepsie - nicht aktenkundig. Er leistet keine offizielle ehrenamtliche Tätigkeit und ist kein Mitglied in einem Verein.

Mit am 25.05.2018 in Rechtskraft erwachsenen Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 25.05.2018 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z 1, zweiter Fall, Abs. 2 und Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Mit am 31.10.2019 in Rechtskraft erwachsenen Urteil eines österreichischen Landesgerichtes vom 31.10.2019 wurde der BF wegen des versuchten Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 2a, zweiter Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten, davon sieben Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, verurteilt.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration des BF in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Er hat mit Ausnahme seines nunmehrigen Aufenthaltes in Europa sein Leben zum überwiegenden Teil im Libanon verbracht, wo er sozialisiert wurde und und wo sich nach wie vor Verwandte aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr bei seiner Familie - etwa bei seinen Onkeln oder Tanten - wohnen wird können. Davon abgesehen ist der Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen. Der Beschwerdeführer spricht Arabisch und etwas Englisch sowie Französisch.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbotes geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung des BF in den Libanon festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Libanon war insbesondere festzustellen:

Zur aktuellen Lage im Libanon werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitieren und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

Politische Lage

Libanon ist eine parlamentarische Demokratie nach konfessionellem Proporzsystem. Politische Parteien sind zugelassen; sie sind jedoch in der Praxis meist Zweckbündnisse, die vor allem auf der Zugehörigkeit zu einer religiösen Gruppe basieren. Die Verfassung des Landes schreibt eine Trennung der Gewalten vor. Parlamentswahlen sollen alle vier Jahre abgehalten werden; der Staatspräsident wird von den Abgeordneten für sechs Jahre gewählt. Das libanesische System wird von der Zusammenarbeit der verschiedenen religiösen Gruppen getragen; daneben spielen Familien- und regionale Interessen eine große Rolle (AA 1.3.2018).

Das politische System basiert auf der Verfassung von 1926, dem ungeschriebenen Nationalpakt von 1943 und dem im Gefolge der Taif-Verhandlungen am 30. September 1989 verabschiedeten „Dokument der Nationalen Versöhnung“ (AA 1.3.2018). In diesem sogenannten Taif-Abkommen wurde festgelegt, dass die drei wichtigsten Ämter im Land auf die drei größten Konfessionen verteilt werden:

• Das Staatsoberhaupt muss maronitischer Christ sein

• Der Parlamentspräsident muss schiitischer Muslim sein

• Der Regierungschef muss sunnitischer Muslim sein

Dieser Proporz bestimmt die gesamte Verwaltung und macht auch vor der Legislative nicht halt. Das Parlament mit seinen 128 Mitgliedern setzt sich nach dem Grundsatz der konfessionellen Parität wie folgt zusammen:

34 Maroniten, 27 Schiiten, 27 Sunniten, 14 griechisch-orthodoxe Christen, 8 Drusen, 8 melikitische/griechisch-katholische Christen, 5orthodoxe Armeniern, 2 Alewiten, 1 armenischer Katholik, 1 Protestant und 1 weitere Minderheit (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Bei der im Abkommen von Taif vorgesehenen allmählichen Entkonfessionalisierung des politischen Systems gibt es bisher keine Fortschritte (AA 1.3.2018).

Das Parlament des Libanon ist konfessionsübergreifend in zwei politische Blöcke gespalten, die einander im Libanon unversöhnlich gegenüberstehen:

?        die von der schiitisch geprägten und vom Iran beeinflussten Hisbollah angeführte 8.März-Koalition und

?        die eher westlich orientierte, sunnitisch geprägte und von Saad Hariri (Future Movement; arab.: (al-)Mustaqbal) angeführte 14. März-Bewegung (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Die traditionelle Feindschaft zwischen diesen beiden Blöcken wurde durch den Konflikt im benachbarten Syrien zusätzlich vertieft, als schiitische Hisbollah-Kämpfer sich auf die Seite der syrischen Regierung stellten, während die 14. März-Bewegung die syrischen Rebellen unterstützte (BBC 4.11.2014; vgl. GIZ 6/2018).

Diese Polarisierung lähmt das Land politisch und ökonomisch, verstärkt konfessionelle Spannungen zwischen Schiiten und Sunniten und erschwert bzw. verhindert außerdem die Erarbeitung notwendiger Lösungen für die ökonomischen, sozialen und politischen Herausforderungen (GIZ 6/2018).

Aufgrund schwer erzielbarer Mehrheiten war es auch jahrelang nicht möglich, ein Wahlgesetz zu verabschieden. Dies führte dazu, dass die Parlamentswahl 2013 ausgesetzt und das Mandat der Abgeordneten mehrfach verlängert wurde (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 20.4.2018).

Am 31. Oktober 2016 wurde nach zweieinhalb Jahren und 45 gescheiterten Versuchen ein neuer Präsident gewählt. Mit der Wahl des maronitischen Christen Michel Aoun kam Bewegung in die stark polarisierte libanesische Politik. Da Aoun als Kandidat der schiitischen Hisbollah für das Amt des Präsidenten galt, wurde er zunächst von Premierminister Saad Hariri abgelehnt. Seine Wahl wurde schließlich erst durch eine überraschende Kehrtwende Hariris ermöglicht. Im Gegenzug beauftragte Aoun Hariri, eine neue Regierung der nationalen Einheit zu bilden. Zwei Monate nach der Präsidentschaftswahl wurde am 19. Dezember 2016 eine neue Regierung vereidigt (GIZ 6/2018).

Im Juni 2017 konnte sich das politische Establishment schließlich auf ein neues Wahlrecht einigen. Dieses sieht unter anderem vor, das Mehrheitswahlrecht durch das Verhältniswahlrecht abzulösen. Hierdurch sollten kleinere Parteien und Wählergruppen gestärkt werden, doch das von den Regierungsparteien außerhalb des Parlaments verhandelte Wahlgesetz enthält zahlreiche Einschränkungen der Verhältniswahl wie beispielsweise eine sehr hohe Einzugshürde bei zehn Prozent.

Positiv ist jedoch, dass die Parteien faktisch gezwungen werden, konfessionsübergreifende Listen zu bilden. Wenn es in einem Wahlkreis die Festlegung gibt, dass hier zwei Sitze für Christen und drei Sitze für Muslime vergeben werden, müssen hier die Parteien eine gemeinsame Liste bilden, um antreten zu dürfen.

Im neuen Wahlgesetz werden Jugendliche unter 21 ausgeschlossen. Auch wurde keine Quote für weibliche Parlamentsabgeordnete eingeführt, obwohl der Libanon eines der Länder mit der niedrigsten Zahl an weiblichen Abgeordneten ist. Der christlich-muslimische Proporz des Parlaments wird durch das Gesetz nicht berührt (GIZ 6/2018).

Am 6. Mai 2018 fanden nach jahrelanger Pattstellung schließlich erstmals seit 2009 erneut Parlamentswahlen statt.

77 Listen mit insgesamt 597 Kandidaten waren für die Wahl um 128 Parlamentssitze in 26 Distrikten registriert. Die Anzahl der weiblichen Kandidaten nahm gegenüber der letzten Wahl auf 86 zu und betrug somit nun 14,4 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag insgesamt bei 49,2 Prozent, nach 53,37 Prozent im Jahr 2009. Die offiziellen Ergebnisse weisen die Sitze wie folgt zu: Future Movement [Anm.: arab. - (al-)Mustaqbal], 21; Free Patriotic Movement, 20; Amal, 17; Libanese Forces, 15; Hisbollah, 12; Progressive Socialist Party, 8; die "Determination (Azem)" Bewegung des ehemaligen Premierministers Mikati, 4; Marada, die Syrian Social Nationalist Party, Kataeb und Tashnaq, jeweils 3 Sitze. Zum ersten Mal gewann ein Kandidat der Zivilgesellschaft einen Sitz durch die Wahlliste "Koulouna Watani" in Beirut. Die Zahl der gewählten Frauen im Parlament stieg von vier auf sechs (UN 13.7.2018; vgl. USDOS 29.5.2018).

Die Hisbollah und ihre politischen Verbündeten (darunter auch das Free Patriotic Movement FPM, eine christliche Partei unter der Führung von Präsident Michel Aoun, die wie 2009 knapp zwanzig Sitze erringen konnte), gewannen somit mit 65 knapp die Hälfte der 128 Sitze im Parlament, während der vom Westen unterstützte sunnitische Premierminister Saad al-Hariri zwar mehr als ein Drittel seiner Sitze verlor, aber mit 21 Parlamentsmitgliedern immer noch Führer des größten politischen Blocks ist. Zu diesem Block gehört auch die christliche, gegen die Hisbollah auftretende anti-syrische Partei "Libanese Forces", die als zweiter großer Sieger bei dieser Wahl ihre Mandate gegenüber der Wahl 2009 beinahe verdoppelte.

Insgesamt betrachtet haben somit die vom Iran unterstützte Hisbollah und ihre politischen Verbündeten bei den Parlamentswahlen etwas an Einfluss gewonnen (RFE 7.5.2018, vgl. ICG 9.6.2018), wenngleich sich an der grundsätzlichen Machtstruktur nichts geändert hat. Der bisherige Premier Hariri wurde trotz der Wahlverluste neuerlich damit beauftragt, eine Regierung zu bilden (GIZ 6/2018, vgl. USDOS 29.5.2018).

Im Libanon leben schätzungsweise zwischen 4,5 und 6,2 Millionen Menschen, je nachdem, inwieweit die große Zahl von Flüchtlingen mitberücksichtigt wird oder nicht (CIA 14.8.2018, vgl. GIZ 6/2018). Neben etwa 450.000 [Anm.: bei der UNRWA registrierten] palästinensischen Flüchtlingen – die Zahl der derzeit tatsächlich im Libanon aufhältigen palästinensischen Flüchtlinge beläuft sich laut einer aktuellen Volkszählung auf 174.422 Personen (Daily Star 21.12.2017) - sind im Libanon laut UNHCR etwa eine Million syrische Flüchtlinge registriert, was mehr als 25% der Wohnbevölkerung des Landes entspricht. Der Libanon beherbergt somit mehr syrische Flüchtlinge als jedes andere Land der Region. Der Krieg in Syrien hat nicht nur durch die große Flüchtlingswelle enorme Auswirkungen auf den Libanon, vielmehr droht der Konflikt das sensible Gefüge der libanesischen Gesellschaft zu zerreißen. Während die Hisbollah und ihre Anhänger den syrischen Präsidenten Baschar al-Assad unterstützen, sympathisieren die Anhänger des Lagers 14. März mit den syrischen Rebellen, die Assad bekämpfen. Seit Beginn des militärischen Engagements der Hisbollah in Syrien zugunsten des Assad-Regimes hat sich die politische Spaltung des Libanon vertieft und führt zunehmend zu einem gewalttätigen konfessionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten. Gleichzeitig – und obwohl die Hisbollah das Hariri-Bündnis beschuldigt, die radikalen Sunniten zu decken und im Gegenzug das Hariri-Bündnis wiederum die Hisbollah beschuldigt, den Libanon in den Krieg in Syrien hineinzuziehen - bilden beide Kontrahenten derzeit mit anderen politischen Kräften eine zwar konfliktreiche, aber durchaus funktionierende Regierung der nationalen Einheit, die es tatsächlich geschafft hat, ein Überschwappen des Bürgerkrieges aus Syrien zu verhindern (GIZ 6/2018, vgl. AA 1.3.2018).

Geschwächt durch die sich vertiefenden Gräben zwischen und innerhalb der Gemeinschaften [Anm.: Konfessionen] hat der libanesische Staat schrittweise seine Hauptaufgabe der Regierung und als Manager repräsentativer Politik aufgegeben und stützt sich vermehrt auf Sicherheitsmaßnahmen zur Aufrechterhaltung der Stabilität und des Status Quo (ICG 23.2.2016).

Der Libanon ist kein funktionierender Staat, deshalb haben sich die Menschen im Libanon immer mehr auf Klientelismus, anstatt auf den Staat verlassen. Politiker benutzen Geld, Ressourcen und Dienstleistungen, um sich eine Basis in der Bevölkerung zu schaffen. Diese Entwicklung in Kombination mit den konfessionellen Spannungen sowie den Auswirkungen von der Syrienkrise steht ernstzunehmenden Entwicklungsprozessen entgegen (Daily Star 30.12.2014).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (1.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2017, Berlin

-        BBC-News (4.11.2014): Lebanon Profile, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14648681, Zugriff 24.8.2018

-        CIA (14.8.2018): The World Factbook, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/le.html, Zugriff 17,8,2018

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3/2018): Libanon – Gesellschaft, https://www.liportal.de/libanon/gesellschaft/; Zugriff 8.8.2018

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6/2018): Libanon – Überblick: https://www.liportal.de/libanon/ueberblick/, Zugriff 8.8.2018

-        ICG - International Crisis Group (23.2.2016): Arsal in the Crosshairs: The Predicament of a Small Lebanese Border Town: http://www.ecoi.net/file_upload/1002_1456410095_b046-arsal-in-the-crosshairs-the-predicament-of-a-small-lebanese-border-town.pdf; Zugriff am 24.8.2018

-        ICG – International Crisis Group (9.6.2018): In Lebanon’s Elections, More of the Same is Mostly Good News,
https://www.ecoi.net/de/dokument/1432128.html, Zugriff 24.8.2018

-        RFE/RL – Radio Free Europe/Radio Liberty (7.5.2018): Iran-Backed Hizballah And Allies Make Big Gains In Lebanese Election, https://www.ecoi.net/de/dokument/1431871.html Zugriff 30.8.2018

-        The Daily Star (21.12.2017): Census finds 174,422 Palestinian refugees in Lebanon, https://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2017/Dec-21/431109-census-finds-174422-palestinian-refugees-in-lebanon.ashx, Zugriff 10.9.2018

-        The Daily Star (30.12.2014): Understanding the drive to extremism, http://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2014/Dec-30/282595-understanding-the-drive-to-extremism.ashx, Zugriff 24.8.2018

-        UN Security Council (13.7.2018): Implementation of Security Council resolution 1701 (2006); Report of the Secretary-General; Reporting period from 1 March 2018 to 20 June 2018 [S/2018/703], https://www.ecoi.net/en/file/local/1439147/1226_1532506886_n1822402.pdf Zugriff 7.8.2018)

-        USDOS – US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Lebanon, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436862.html, Zugriff 22.8.2018

-        USDOS – US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights Practices 2017 - Lebanon, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430165.html, Zugriff 7.8 2018

Sicherheitslage

Im folgenden Abschnitt finden sich allgemeine Informationen zur Sicherheitslage. Es wird ausdrücklich festgehalten, dass diese auch kurzfristig Änderungen unterworfen sein kann. Der besseren Übersichtlichkeit wegen ist die Darstellung der Sicherheitslage in den palästinensischen Flüchtlingslagern im Abschnitt über palästinensische Flüchtlinge zu finden.

Die wichtigsten religiösen Hauptgruppen im Libanon sind Schiiten, Sunniten, Christen und Drusen. Die sich daraus ergebenden Spannungen sind die Ursache für die meisten der internen Konflikte im Libanon, und andere Staaten der Region haben diese internen Konflikte regelmäßig als Vorwand genutzt, um in dem Land einzugreifen. Darüber hinaus hat insbesondere die Präsenz der palästinensischen und syrischen Flüchtlinge immer wieder zu Konflikten Anlass gegeben. Von 1975 bis 1990 herrschte im Libanon Bürgerkrieg, in dem die regionalen Mächte, insbesondere Israel, Syrien und die Palästinensische Befreiungsorganisation (PLO) das Land als Schlachtfeld für ihre eigenen Konflikte benutzten (BBC 4.11.2014).

Anschließend kam es von 1992 bis 2004 zu einer Phase der Entspannung. Im Februar 2005 fiel der damalige Premierminister Rafik Hariri einem Attentat zum Opfer. Als Folge brach die sogenannte Zedernrevolution aus, die als Hauptforderung den Abzug der syrischen Truppen aus dem Libanon postulierte. Die sogenannte 14. März-Bewegung machte Syrien direkt für die Ermordung Hariris verantwortlich, zumal dieser zuvor die Stationierung syrischer Truppen im Libanon kritisiert und die Umsetzung der UN-Resolution 1559 gefordert hatte. Diese sieht den Rückzug aller ausländischen Truppen aus dem Libanon und die Entwaffnung und Auflösung der im Libanon aktiven Milizen vor, womit insbesondere die Hisbollah gemeint ist. Tatsächlich zog Syrien noch im April 2005 seine Truppen aus dem Libanon ab.

Die zivilen Behörden übten zwar weiterhin die Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitskräfte aus, gleichzeitig operierten aber palästinensische Sicherheits- und Milizkräfte, die Hisbollah und andere extremistische Elemente außerhalb der Leitung oder Kontrolle der Regierung (USDOS 20.4.2018). Im Jahr 2013 hatte die EU die Hisbollah auf die Terrorliste gesetzt; im Gegensatz zu den USA allerdings nur deren militärischen Arm und nicht den im Parlament vertretenen politischen Arm (SpiegelOnline 22.7.2013).

Trotz aller Spannungen konnte ein Übergreifen des Syrienkonflikts, in dem sich die libanesische Hisbollah-Miliz seit Frühjahr 2013 auf Seiten des syrischen Regimes beteiligt, auf libanesisches Territorium in den vergangenen Jahren weitgehend verhindert werden. Allerdings befanden sich bis August 2017 in der Gegend um den Grenzort Arsal aus Syrien eingedrungene Kämpfer auf libanesischem Staatsgebiet. Nach länger andauernden Kämpfen, in die auf libanesischer Seite neben den Streitkräften auch die Hisbollah-Miliz verwickelt war, verließen die eingekesselten IS-Kämpfer mit ihren Familien im Rahmen einer Waffenstillstandsvereinbarung mit Bussen die umkämpfte Gegend (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018). Bei einem Antiterroreinsatz der libanesischen Armee in der Gegend von Arsal am 30.06.2017 wurden 350 Personen vorübergehend festgenommen, mindestens vier starben im Gewahrsam der Armee, nach Armeeangaben in Folge bereits bestehender gesundheitlicher Probleme. Menschenrechtsgruppen fordern eine unabhängige Untersuchung der Vorgänge. Der Fall soll militärgerichtlich aufgearbeitet werden (AA 1.3.2018; vgl. AI 23.5.2018).

Grundsätzlich ist es im Libanon so, dass die staatlichen Institutionen in Teilen des Landes keinen uneingeschränkten Zugriff haben. Dies gilt insbesondere für die meisten palästinensischen Flüchtlingslager. Die Sicherheitslage dort blieb im Allgemeinen stabil. Im Lager Ein El Helweh bei Sidon kam es allerdings zu einigen gewalttätigen Zwischenfällen und Schießereien. Bei Zusammenstößen im März und April 2018 zwischen extremistischen Gruppen und palästinensischen Streitkräften wurden vier Menschen getötet und elf verletzt (UN 13.7.2018). Detaillierte Informationen zur Lage in den Palästinenserlagern finden sich in Abschnitt 19.

Weiters sind die Zugriffsmöglichkeiten der libanesischen Staatsorgane insbesondere auch in den südlichen Vororten Beiruts und in den schiitischen Siedlungsgebieten im Süden des Landes eingeschränkt (AA 1.3.2018, vgl. USDOS 29.5.2018). Diese werden weitgehend von der Hisbollah kontrolliert, die der Bevölkerung auch grundlegende Dienstleistungen in den Bereichen Gesundheitsvorsorge, Bildung, Lebensmittelhilfe, innere Sicherheit und Erhaltung der Infrastruktur zur Verfügung stellt (USDOS 29.5.2018).

Bei der von der UN geforderten Abrüstung aller bewaffneten Gruppen einschließlich der palästinensischen Milizen und dem militärischen Flügel der Hisbollah konnten bislang keine Fortschritte erzielt werden. Die Hisbollah bestätigte weiterhin öffentlich, über entsprechende militärische Kapazitäten zu verfügen. Somit ist die libanesische Regierung weiterhin nicht in der Lage, die volle Souveränität und Autorität über ihr Territorium auszuüben (UN 13.7.2018).

Am 5. und 23. April 2018 inhaftierten die libanesischen Streitkräfte 15 der Zugehörigkeit zu einer terroristischen Gruppe verdächtigte syrische Staatsangehörige, und beschlagnahmten während einer Razzia in einer informellen syrischen Flüchtlingssiedlung in Arsal Waffen und Munition. Am 14. Mai verhaftete die libanesische General Security in Al-Hirmil zwei syrische Staatsangehörige wegen ihrer Zugehörigkeit zu terroristischen Vereinigungen. Am 17. Mai 2018 wurde ein angeblicher Waffenhändler in Akkar im Nordlibanon von den Streitkräften der Internen Sicherheit verhaftet (UN 13.7.2018).

Das österreichische Außenministerium hat für das gesamte syrische Grenzgebiet, die Bekaa-Ebene nördlich von Baalbek und für die Palästinenserlager und deren Umgebung, insbesondere Ein Al-Hilweh und Mieh Mieh bei Saida (Sidon) und Nahr al Bared und Beddawi bei Tripoli Reisewarnungen ausgesprochen. Ein hohes Sicherheitsrisiko wird allgemein für die Provinzen Tripoli und Akkar, die südlichen Vororte Beiruts (Dahiye), die südlichen Stadtränder von Sidon/Saida (Ein El-Hilweh), das israelische Grenzgebiet und die restliche Bekaa-Ebene, einschließlich Baalbek ausgewiesen (BMeiA 11.7.2018).

Das Schweizer Außenministerium warnt vor zahlreichen nicht explodierten Bomben und Minen in der Bekaa-Ebene. Es sind bewaffnete Gruppierungen aktiv, und Grenzüberschreitungen durch Kämpfer sind häufig. In und um die Stadt Arsal (Anmerkung: auch Ersal, Irsal, Aarsal geschrieben) sowie um Ras Baalbek und Qaa kommt es regelmäßig zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen der Armee und militanten Gruppierungen. Spannungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen, aber auch innerhalb einzelner Gemeinschaften, können sich in bewaffnete Konfrontationen oder Anschlägen entladen. Im Juni 2016 forderten Selbstmordanschläge in Qaa mehrere Todesopfer und Verletzte. Im März 2011 wurde in der Nähe von Zahlé in der südlichen Bekaa-Ebene eine Gruppe ausländischer Touristen entführt und mehrere Monate lang festgehalten. Seither sind mehrere Entführungen bekannt geworden. Besonders die Zahl von Entführungen mit hohen Lösegeldforderungen hat zugenommen (EDA 5.12.2017).

Die Spannungen in den Flüchtlingslagern sind groß und können sich auch aus geringen Anlässen in Gewalttaten entladen. In Saïda (Sidon) kommt es vereinzelt zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Bevölkerungsgruppen. Im Südlibanon finden laufend Truppenverschiebungen statt. Insbesondere im libanesisch-israelischen Grenzgebiet und nochmal verstärkt südlich des Litani-Flusses bis zur israelischen Grenze sind die Spannungen sehr hoch (EDA 5.12.2017). Auch das Britische Außenministerium betont die permanente Gefahr von Terroranschlägen (gov.uk o.D.).

Ende März 2018 verabschiedete das libanesische Kabinett eine nationale Strategie zur Verhinderung von gewalttätigem Extremismus - eine Initiative, die der inzwischen geschäftsführende Ministerpräsident Saad Hariri im Rahmen eines globalen Aktionsplans der Vereinten Nationen vorangetrieben hat. Es wird geschätzt, dass der Prozess weitere acht Monate [Anm: bis Anfang 2019] dauern wird, bis die Bürger ihn in ihren Gemeinden umsetzen werden. Neben Tunesien und Marokko ist der Libanon einer der Pioniere in der Region, der eine solche Strategie umsetzt (Daily Star 27.6.2018).

Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (1.3.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libanon, Stand: Dezember 2017, Berlin

-        AI – Amesty International (23.5.2018): Libanon 2017/2018, https://www.amnesty.de/jahresbericht/2018/libanon, Zugriff 10.9.2018

-        BBC-News (4.11.2014): Lebanon Profile, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-14648681, Zugriff 30.1.2015

-        BMeiA – Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (Stand 3.9.2018, unverändert gültig seit: 11.07.2018): Reiseinformation Libanon, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/libanon/, Zugriff 3.9.2018

-        Daily Star (27.6.2018): Strategizing prevention of violent extremism, https://www.dailystar.com.lb/News/Lebanon-News/2018/Jun-27/454477-strategizing-prevention-of-violent-extremism.ashx, Zugriff 5.9.2018

-        Spiegel Online (22.7.2013): EU setzt Hisbollah-Miliz auf Terrorliste, http://www.spiegel.de/politik/ausland/eu-setzt-hisbollah-miliz-auf-die-eu-terrorliste-a-912397.html, Zugriff 10.9.2018

-        EDA – Eidgenössisches Department für auswärtige Angelegenheiten (5.12.2017): Reisehinweise für den Libanon Spezifische regionale Risiken, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/libanon/reisehinweise-libanon.html, Zugriff 29.8.2018

-        GIZ – Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (6/2018): Libanon – Überblick: https://www.liportal.de/libanon/ueberblick/; Zugriff 8.8.2018

-        Gov.uk (o.D.): Foreign Travel Advice; Lebanon; Safety and Security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/lebanon/safety-and-security, Zugriff 29.8.2018

-        UN Security Council (13.7.2018): Bericht des UNO-Generalsekretärs zu Entwicklungen vom 1. März bis 20. Juni 2018 (Sicherheitslage; Entwaffnung bewaffneter Gruppen; politische Stabilität; weitere Themen) https://www.ecoi.net/en/file/local/1439147/1226_1532506886_n1822402.pdf, Zugriff 21.8.2018)

-        USDOS – US Department of State (29.5.2018): 2017 Report on International Religious Freedom - Lebanon, https://www.ecoi.net/de/dokument/1436862.html, Zugriff 22.8.2018

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Verfassungsinstitutionen, insbesondere Parlament, Regierung und Justizwesen, funktionieren im Prinzip nach rechtsstaatlichen Grundsätzen, sind aber in ihrer tatsächlichen Arbeit politischen Einflussnahmen ausgesetzt. Die Gewaltenteilung ist in der Verfassung zwar festgeschrieben, wird in der Praxis aber nur eingeschränkt respektiert; insbesondere in politisch brisanten Ermittlungsverfahren kommt es zu Versuchen der Einflussnahme auf die Justiz, z.B. bei der Ernennung von Staatsanwälten und Ermittlungsrichtern oder zum Schutz politischer Parteigänger vor Strafverfolgung. Personen, die an zivil- und strafrechtlichen Routineverfahren beteiligt waren, baten manchmal um die Unterstützung prominenter Personen, um den Ausgang ihrer Verfahren zu beeinflussen. Die Einhaltung der in der Verfassung garantierten richterlichen Unabhängigkeit ist in der praktischen Durchführung durch verbreitete Korruption, chronischen Mangel an qualifizierten Richtern und zum Teil auch politische Einflussnahme eingeschränkt (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Angeklagte gelten als unschuldig, bis ihre Schuld bewiesen ist. Gerichtsverhandlungen sind in der Regel öffentlich, die Richter können aber geschlossene Gerichtsverhandlungen anordnen. Angeklagte haben das Recht, bei der Verhandlung anwesend zu sein, sich rechtzeitig mit einem Anwalt zu beraten, Zeugen zu befragen, Beweise vorzulegen und in Berufung zu gehen (USDOS 20.4.2018).

Eine Strafverfolgungs- und Strafbemessungspraxis, die nach Merkmalen wie ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder Nationalität diskriminiert, ist im Libanon nicht gegeben. Allgemeine kriminelle Delikte werden im Rahmen feststehender straf- bzw. strafprozessrechtlicher Vorschriften nach insgesamt weitgehend rechtsstaatlichen Prinzipien verfolgt und geahndet. Die Strafprozessordnung stattet die Ermittlungsbehörden mit weitreichenden Vollmachten aus, schreibt aber auch Rechte des Beschuldigten fest, z. B. das Recht auf unverzügliche Kontaktaufnahme zu Rechtsanwälten, Ärzten und Familienangehörigen. Angeklagte haben weiters das Recht auf rechtlichen Beistand; allerdings existiert kein staatlich finanziertes System der Pflichtverteidigung. Die Anwaltskammer stellt bei Bedarf Pflichtverteidiger zur Verfügung. Dolmetscher müssen in der Regel durch den Angeklagten selbst gestellt werden (AA 1.3.2018).

Neben den in mehrere Instanzen gegliederten Zivilgerichten existieren im Libanon konfessionelle Gerichtsbarkeiten, in deren Zuständigkeit die familien- und erbrechtlichen Verfahren fallen (USDOS 20.4.2018; vgl.: AA 1.3.2018). Der Libanon verfügt über 15 separate Personenstandsgesetze für seine offiziell anerkannten Religionen, es gibt jedoch kein bürgerliches Gesetzbuch, das Themen wie Scheidung, Eigentumsrecht oder Kindersorgerecht behandelt. Darüber hinaus werden die religiösen Gerichte kaum vom Staat kontrolliert; die Rechte von Frauen sind in den genannten Personenstandsgesetzen oftmals stark eingeschränkt (Daily Star 19.1.2015, vgl. HRW 18.1.2018. Nähere Ausführungen hierzu sind dem Abschnitt 17, Kapitel "Frauen" zu entnehmen).

Das Rechtssystem unterscheidet im Strafrecht zwischen Zivil- und dem Verteidigungsministerium unterstellten Militärgerichten. Letztere haben die Rechtsprechung inne über Fälle, die das Militär betreffen, bzw. in welchen Militärs oder Zivilisten der Spionage, des Hochverrats, des Waffenbesitzes, der Wehrdienstverweigerung und Delikten gegen die Staatssicherheit, gegen das Militär oder deren Angehörige bezichtigt werden. Dabei werden die Zuständigkeiten der Militärgerichtsbarkeit vor allem beim Vorwurf des Terrorismus bzw. bei terroristischen Delikten mit islamistischem Hintergrund oftmals sehr extensiv ausgelegt. Militärgerichte verhandeln sicherheitsrelevante Straftaten auch dann, wenn sie von Zivilisten begangen wurden, oftmals in Schnellverfahren und ohne ausreichenden Rechtsbeistand (AA 1.3.2018; vgl. USDOS 20.4.2018).

Menschenrechtsorganisationen zeigten sich besorgt über die Praxis, Zivilisten vor Militärgerichten anzuklagen, über das Maß an Prozessrechten für Angeklagte sowie die fehlende Überprüfung der Urteilssprüche durch reguläre Gerichte (USDOS 20.4.2018).

Seit Jahren wird - wenn bislang auch ohne greifbare Fortschritte - erwogen, alle Militärverfahren ordentlichen Gerichten zu übertragen (AA 1.3.2018).

In den palästinensischen Flüchtlingslagern betreiben palästinensische Gruppen nach eigenem Ermessen eine autonome Rechtsprechung abseits der Kontrolle des Staates (USDOS 20.4.2018).


Quellen:

-        AA – Auswärtiges Amt (1.3.2018): Beric

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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