TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 W186 2215208-1

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Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z1
BFA-VG §34 Abs3 Z3
BFA-VG §40 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §46a Abs1 Z2
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W186 2215208-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerden von XXXX , geb. XXXX , StA. Ungarn, vertreten durch RA Mag. Cedric Müller, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Festnahme am 20.02.2019, der daran anschließenden Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft von 20.02.2019, 11:00 Uhr, bis 21.02.2019, 10:09 Uhr, sowie der Abschiebung am 21.02.2019 zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird stattgegeben und die erfolgte Festnahme und Anhaltung gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat der Bund (Bundesminister für Inneres) der Beschwerdeführerin zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters die Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Die Beschwerde gegen die am 21.02.2019 erfolgte Abschiebung der BF nach Ungarn wird gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführerin (in Folge: BF) ist ungarische Staatsangehörige und weist seit 04.09.2013 eine Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet auf.

Ihr wurde am 15.01.2016 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG (Arbeitnehmer) ausgestellt.

Mit Mitteilung gemäß § 55 Abs. 3 NAG der MA 35 am 06.11.2017 stellte die Behörde fest, dass die BF am 29.07.2014 einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Zweck „Arbeitnehmerin“ eingebracht habe. Die Anmeldebescheinigung wurde der BF rechtswirksam zugestellt, da die BF das Dokument nicht rechtzeitig abgeholt habe, sei es an die Behörde retourniert worden. Die BF habe persönlich am 10.10.2017 vorgesprochen um ihre Anmeldebescheinigung abzuholen. Hierbei habe die Behörde festgestellt, dass die BF seit 31.03.2017 einer Erwerbstätigkeit mehr nachgehe. Zwar erhalte sie laufend Notstandshilfe, doch sei sie weniger als ein Jahr durchgehend im Bundesgebiet erwerbstätig, weshalb die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 2 NAG zur Aufrechterhaltung der Erwerbstätigeneigenschaft nicht vorliegen würden. Die Erteilungsvoraussetzungen nach § 51 NAG seien demnach weggefallen. Der BF sei zur Kenntnis gebracht worden, dass dieser Umstand dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) hinsichtlich einer möglichen Aufenthaltsbeendigung mitgeteilt werde.

Mit Bescheid vom 10.11.2017, Zl. 1026969308 + 171336390 erließ das Bundesamt gegen die BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet (Spruchpunkt 1.) und erteilte ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt 2.)

Am 30.11.2017 teilte das Bundesamt der BF mittels Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme mit, dass gegen sie eine Ausweisung gemäß § 66 Abs. 1 FPG erlassen worden sei und sie hierzu binnen 14 Tagen ab Zustellung eine Stellungnahme abgeben könne. Es wurde insbesondere angeführt, dass ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung eingeleitet werden und wurden der BF hierfür Fragen zum Zweck ihres Aufenthaltes im Bundesgebiet, ihrer Beschäftigungsverhältnisse und ihrer finanziellen Situation gestellt. Die Verständigung wurde der BF am 07.12.2017 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit Schreiben vom 16.03.2018 teilte das Bundesamt der BF die Information über die Verpflichtung zur freiwilligen Ausreise mit, wonach sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet befinde und Österreich unverzüglich zu verlassen habe.

Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 erteilte das Bundesamt ein Erhebungsersuchen, wonach die BF an ihrer melderechtlich bekannt gegebenen Wohnadresse aufgrund des Verdachtes des illegalen Aufenthaltes ausfindig gemacht werden soll.

Mit Bericht vom 23.08.2018 teilte die LPD Wien mit, dass mehrmals an der behördlich gemeldeten Wohnadresse der BF im Bundesgebiet Nachschau gehalten worden sei, diese jedoch negativ verlaufen seien.

Das Bundesamt erließ am 06.12.2018 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG, wonach gegen die BF ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll und gegen die BF eine mit 23.04.2018 rechtskräftige Ausweisung bestehe. Der Durchsetzungsaufschub sei am 23.05.2018 verstrichen.

Die BF rief am 24.09.2018 die Magistratsabteilung 62 an, und gab bekannt, nach wie vor an der melderechtlich erfassten Wohnanschrift im Bundesgebiet zu wohnen, wobei sie am 24.09.2019 hierzu eine schriftliche Stellungnahme sowie Beweismittel (Zahlungsbeleg, Mietvertrag) übermittelte. Dies wurde auch durch die Eigentümerin der Wohnung bestätigt.

Das Bundesamt erließ mit Schreiben vom 04.02.2019 erneut ein Erhebungsersuchen, wonach die BF an der amtlich gemeldeten Meldeadresse ausfindig gemacht werden soll, da ein Festnahmeauftrag gegen den BF bestehe.

Mit Schreiben vom 20.02.2019 wurde die BF zum nächstmöglichen Sammeltransport Wien- Nickelsdorf angemeldet.

Mit Bericht der LPD Wien vom 20.02.2019 wurde bekannt gegeben, dass die BF am heutigen Tag gemäß dem Erhebungsersuchen des Bundesamtes an ihrer Wohnanschrift angetroffen werden konnte und der gegen die BF erlassene Festnahmeauftrag vollzogen wurde. Die BF wurde im Anschluss daran in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Die BF befand sich von 20.02.2019, 11:00 Uhr, bis 21.02.2019, 10:09 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft. Sie wurde am 21.02.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.

Mit Schriftsatz vom 27.02.2019 erhob die BF durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde gegen die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung der BF. Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung und dem Ersatz der Verfahrenskosten nach § 35 VwGVG wurde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge die Festnahme, Anhaltung und Abschiebung für rechtswidrig erklären. Begründend wurde zusammengefasst vorgebracht, dass sich die BF zum Zeitpunkt der Festnahme ausschließlich zum Zwecke des Studiums an einer österreichischen Fachhochschule in Österreich aufgehalten habe, in Ungarn erwerbstätig und sozialversichert sei und daher über ausreichend Existenzmittel und einem umfassenden Krankenversicherungsschutz verfüge, sodass sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet weder Sozialhilfeleistungen noch die Ausgleichszulage in Anspruch nehmen müsse. Zudem sei die BF melderechtlich im Bundesgebiet erfasst und daher selbst im Falle des Vorliegens der Voraussetzungen zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme für die Behörde jederzeit leicht erreichbar gewesen. Zudem seien der BF zu keinem Zeitpunkt die durchgeführten Amtshandlungen angedroht, angekündigt worden und somit gänzlich auf die gesetzlich geltende Verhältnismäßigkeit der durchzuführenden Eingriffe verzichtet worden. Die BF sei daher durch die inkriminierten Amtshandlungen sowohl in ihren verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten, als auch in ihren einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt worden. Der Beschwerde wurden ferner der Arbeitsvertrag der BF in Ungarn, eine Eingabe bezüglich des Berufspraktikums, ein Meldezettel, der Personalausweis, sowie ein fremdenpolizeiliches Informationsblatt beigelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Die BF, eine ungarische Staatsangehörige war seit 04.09.2013 bis zur erfolgten Festnahme durchgehend im Bundesgebiet Hauptwohnsitz gemeldet.

Ihr wurde am 15.01.2016 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger/-innen gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG (Arbeitnehmer) ausgestellt.

Die BF studierte zum Zeitpunkt der Festnahme an der FH WKW im 5. Semester und absolvierte seit 29.10.2018 ein Pflichtpraktikum im Rahmen des Studiums in Ungarn.

Mit Bescheid vom 10.11.2017, Zl. 1026969308 + 171336390 erließ das Bundesamt gegen die BF gemäß § 66 Abs. 1 FPG iVm § 55 Abs. 3 NAG eine Ausweisung aus dem Bundesgebiet (Spruchpunkt 1.) und erteilte ihr gemäß § 70 Abs. 3 FPG einen Durchsetzungsaufschub von einem Monat ab Durchsetzbarkeit der Entscheidung (Spruchpunkt 2.)

Mit Schriftsatz vom 13.07.2018 erteilte das Bundesamt ein Erhebungsersuchen, wonach die BF an ihrer melderechtlich bekannt gegebenen Wohnadresse aufgrund des Verdachtes des illegalen Aufenthaltes ausfindig gemacht werden soll. Die BF konnte in weitere Folge bei Erhebungsversuchen im Zeitraum 23.08.2018 nicht an ihrer Wohnadresse angetroffen werden.

Das Bundesamt erließ am 06.12.2018 einen Festnahmeauftrag gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG, wonach gegen die BF ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll und gegen die BF eine mit 23.04.2018 rechtskräftige Ausweisung bestehe. Der Durchsetzungsaufschub sei am 23.05.2018 verstrichen.

Das Bundesamt erließ mit Schreiben vom 04.02.2019 erneut ein Erhebungsersuchen, wonach die BF an der amtlich gemeldeten Meldeadresse ausfindig gemacht werden soll, da ein Festnahmeauftrag gegen den BF bestehe.

Die BF wurde am 20.02.2019 gemäß dem Erhebungsersuchen des Bundesamtes an ihrer Wohnanschrift angetroffen werden konnte und der gegen die BF erlassene Festnahmeauftrag vollzogen wurde. Die BF wurde im Anschluss daran in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Mit Schreiben vom 20.02.2019 wurde die BF zum nächstmöglichen Sammeltransport Wien- Nickelsdorf angemeldet.

Die BF befand sich von 20.02.2019, 11:00 Uhr, bis 21.02.2019, 10:09 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft. Diese wurde im PAZ Hernalser Gürtel vollzogen. Sie wurde am 21.02.2019 auf dem Landweg nach Ungarn abgeschoben.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes, einem gerichtsinternen Auszug aus dem ZMR und dem IZR.

Die Rechtsgrundlage der Festnahme ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Festnahmeauftrag.

Die Angaben zur Anhaltung der BF in Verwaltungsverwahrungshaft beruhen auf einem rezenten Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Die Feststellung zur Festnahme der BF an ihrer Wohnadresse ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Bericht der LPD Wien vom 20.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerden zuständig.

Zu Spruchteil A)

3.1. Zu Spruchpunkt I. – Stattgabe der Beschwerden gegen die Festnahme und Anhaltung:

3.1.1 Absatz 1 des mit „Festnahme“ betitelten § 40 BFA-VG idgF lautet:

„(1) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind nach § 40 Abs. 1 BFA-VG ermächtigt, einen Fremden zum Zweck der Vorführung vor das Bundesamt festzunehmen,

1.       gegen den ein Festnahmeauftrag (§ 34) besteht,

2.       wenn dieser Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt oder

3.       der sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.“

§ 5 Abs. 2 Sicherheitspolizeigesetz (SPG), BGBl. Nr. 566/1991 idgF, lautet:

„(2) Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind

1.       Angehörige des Wachkörpers Bundespolizei,

2.       Angehörige der Gemeindewachkörper,

3.       Angehörige des rechtskundigen Dienstes bei Sicherheitsbehörden, wenn diese Organe zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind, und

4.       sonstige Angehörige der Landespolizeidirektionen und des Bundesministeriums für Inneres, wenn diese Organe die Grundausbildung für den Exekutivdienst (Polizeigrundausbildung) absolviert haben und zur Ausübung unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt ermächtigt sind.“

Die Beschwerdeführerin wurden von Angehörigen des Wachkörpers Bundespolizei am 20.02.2019 um 11:00 Uhr gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG festgenommen.

Der mit „Festnahmeauftrag“ betitelte § 34 BFA-VG idgF lautet:

㤠34. (1) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden anordnen (Festnahmeauftrag), wenn dieser

1. Auflagen gemäß §§ 56 Abs. 2 oder 71 Abs. 2 FPG verletzt, oder

2. sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält und nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG fällt.

(2) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Fremden auch ohne Erlassung eines Schubhaftbescheides anordnen, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, dass die Voraussetzungen für die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme vorliegen und

1. der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, nicht Folge geleistet hat oder

2. der Aufenthalt des Fremden nicht festgestellt werden konnte.

(3) Ein Festnahmeauftrag kann gegen einen Fremden auch dann erlassen werden,

1. wenn die Voraussetzungen zur Verhängung der Schubhaft nach § 76 FPG oder zur Anordnung gelinderer Mittel gemäß § 77 Abs. 1 FPG vorliegen und nicht aus anderen Gründen die Vorführung vor das Bundesamt erfolgt;

2. wenn er seiner Verpflichtung zur Ausreise (§§ 52 Abs. 8 und 70 Abs. 1 FPG) nicht nachgekommen ist;

3. wenn gegen den Fremden ein Auftrag zur Abschiebung (§ 46 FPG) erlassen werden soll oder

4. wenn eine aufgrund eines Bescheides gemäß § 46 Abs. 2b FPG erlassene Vollstreckungsverfügung nicht vollzogen werden konnte oder der Fremde ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zu eigenen Handen zugestellten Ladung gemäß § 46 Abs. 2b FPG, in der dieses Zwangsmittel angedroht war, zur Befragung zur Klärung seiner Identität und Herkunft, insbesondere zum Zweck der Einholung einer Bewilligung gemäß § 46 Abs. 2a FPG bei der zuständigen ausländischen Behörde durch die Behörde, nicht Folge geleistet hat.

(4) Das Bundesamt kann die Festnahme eines Asylwerbers anordnen, wenn er sich dem Verfahren entzogen hat (§ 24 Abs. 1 AsylG 2005).

(5) Der Festnahmeauftrag ergeht in Ausübung verwaltungsbehördlicher Befehlsgewalt; er ist aktenkundig zu machen. Die Anhaltung auf Grund eines Festnahmeauftrages darf 72 Stunden nicht übersteigen und ist nach Durchführung der erforderlichen Verfahrenshandlungen zu beenden.

(6) In den Fällen der Abs. 1 bis 4 ist dem Beteiligten auf sein Verlangen sogleich oder binnen der nächsten 24 Stunden eine Durchschrift des Festnahmeauftrages zuzustellen.

(7) Die Anhaltung eines Fremden, gegen den ein Festnahmeauftrag erlassen wurde, ist dem Bundesamt unverzüglich anzuzeigen. Dieses hat mitzuteilen, ob der Fremde in eine Erstaufnahmestelle oder Regionaldirektion vorzuführen ist.

(8) Ein Festnahmeauftrag ist zu widerrufen, wenn

1. das Verfahren zur Zuerkennung des Status des Asylberechtigten eingestellt wurde und die Fortsetzung des Verfahrens nicht mehr zulässig ist (§ 24 Abs. 2 AsylG 2005) oder

2. der Asylwerber aus eigenem dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht seinen Aufenthaltsort bekannt gibt und nicht auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen ist, er werde sich wieder dem Verfahren entziehen.

(Anm.: Z 3 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 70/2015)

(9) Das Bundesamt hat die Erlassung und den Widerruf eines Festnahmeauftrags den Landespolizeidirektionen bekannt zu geben.“

§ 46 FPG idgF normiert:

„ (1) Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, sind von den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise zu verhalten (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. auf Grund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

(2) Ein zur Ausreise verpflichteter Fremder, der über kein Reisedokument verfügt und ohne ein solches seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen kann, hat – vorbehaltlich des Abs. 2a – bei der für ihn zuständigen ausländischen Behörde aus Eigenem ein Reisedokument einzuholen und gegenüber dieser Behörde sämtliche zu diesem Zweck erforderlichen Handlungen, insbesondere die Beantragung des Dokumentes, die wahrheitsgemäße Angabe seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft sowie die Abgabe allfälliger erkennungsdienstlicher Daten, zu setzen; es sei denn, dies wäre aus Gründen, die der Fremde nicht zu vertreten hat, nachweislich nicht möglich. Die Erfüllung dieser Verpflichtung hat der Fremde dem Bundesamt gegenüber nachzuweisen. Satz 1 und 2 gilt nicht, wenn der Aufenthalt des Fremden gemäß § 46a geduldet ist.

(2a) Das Bundesamt ist jederzeit ermächtigt, bei der für den Fremden zuständigen ausländischen Behörde die für die Abschiebung notwendigen Bewilligungen (insbesondere Heimreisezertifikat oder Ersatzreisedokument) einzuholen oder ein Reisedokument für die Rückführung von Drittstaatsangehörigen (§ 97 Abs. 1) auszustellen. Macht es davon Gebrauch, hat der Fremde an den Amtshandlungen des Bundesamtes, die der Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung oder der Ausstellung des Reisedokumentes gemäß § 97 Abs. 1 dienen, insbesondere an der Feststellung seiner Identität (§ 36 Abs. 2 BFA-VG) und seiner Herkunft, im erforderlichen Umfang mitzuwirken und vom Bundesamt zu diesem Zweck angekündigte Termine wahrzunehmen.

(2b) Die Verpflichtung gemäß Abs. 2 oder 2a Satz 2 kann dem Fremden mit Bescheid auferlegt werden. Für die Auferlegung der Verpflichtung gemäß Abs. 2a Satz 2 gilt § 19 Abs. 2 bis 4 iVm § 56 AVG sinngemäß mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Ladung die Auferlegung der Verpflichtung tritt; ein solcher Bescheid kann mit einer Ladung vor das Bundesamt oder zu einer Amtshandlung des Bundesamtes zur Erlangung der für die Abschiebung notwendigen Bewilligung bei der zuständigen ausländischen Behörde verbunden werden (§ 19 AVG). § 3 Abs. 3 BFA-VG gilt.

(3) Das Bundesamt hat alle zur Durchführung der Abschiebung erforderlichen Veranlassungen unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles (insbesondere Abs. 2 und 4) ehestmöglich zu treffen, insbesondere hat es allfällige Gebühren und Aufwandersatzleistungen an ausländische Behörden im Zusammenhang mit der Abschiebung zu entrichten und sich vor der Abschiebung eines unbegleiteten minderjährigen Fremden zu vergewissern, dass dieser einem Mitglied seiner Familie, einem offiziellen Vormund oder einer geeigneten Aufnahmeeinrichtung im Zielstaat übergeben werden kann. Amtshandlungen betreffend Fremde, deren faktischer Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben wurde, sind prioritär zu führen.

(4) Liegen bei Angehörigen (§ 72 StGB) die Voraussetzungen für die Abschiebung gleichzeitig vor, so hat das Bundesamt bei der Erteilung des Auftrages zur Abschiebung Maßnahmen anzuordnen, die im Rahmen der Durchführung sicherstellen, dass die Auswirkung auf das Familienleben dieser Fremden so gering wie möglich bleibt.

(5) Die Abschiebung ist im Reisedokument des Fremden ersichtlich zu machen, sofern dadurch die Abschiebung nicht unzulässig oder unmöglich gemacht wird. Diese Eintragung ist auf Antrag des Betroffenen zu streichen, sofern deren Rechtswidrigkeit durch das Bundesverwaltungsgericht festgestellt worden ist.

(6) Abschiebungen sind systematisch zu überwachen. Nähere Bestimmungen über die Durchführung der Überwachung hat der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festzulegen.

(7) Befindet sich der Fremde in einer Krankenanstalt (§§ 1 und 2 des Bundesgesetzes über Krankenanstalten und Kuranstalten – KAKuG, BGBl. Nr. 1/1957) und steht seine Abschiebung zeitnah bevor, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt auf Anfrage unverzüglich über den feststehenden oder voraussichtlichen Zeitpunkt der Entlassung aus der Anstaltspflege zu informieren. Ändert sich der nach Satz 1 mitgeteilte Zeitpunkt, so hat die Krankenanstalt das Bundesamt aus Eigenem zu informieren.“

3.2.2. Die gesonderte Anfechtung eines Festnahmeauftrages kommt jedenfalls nach vollzogener Festnahme schon zur Vermeidung von Doppelgleisigkeiten nicht in Betracht (VwGH 03.09.2015, Ro 2015/21/0025); bei der Überprüfung der Festnahme ist allerdings zu prüfen, ob die Festnahme rechtswidrig war, weil der zugrunde liegende Festnahmeauftrag nicht hätte ergehen dürfen oder weil er jedenfalls vor seinem Vollzug zu widerrufen gewesen wäre (VwGH 25.10.2012, 2010/21/0378).

Das Bundesamt erließ am 06.12.2018 einen Festnahmeauftrag gegen die BF gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG und stellte darin rechtmäßig fest, dass gegen die BF eine rechtskräftige Ausweisung bestehe und der Durchsetzungsaufschub verstrichen sei.
Zum Zeitpunkt der Festnahme bestand gegen die BF somit zwar eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme, jedoch erweist sich die Festnahme und die daran anschließende Anhaltung der BF als unverhältnismäßig:

Zwar missachtete die BF die gegen sie erlassen Ausweisung, sowie die Information zur bevorstehenden Abschiebung und die Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme, die ihr an ihre melderechtlich erfasste Wohnadresse im Bundesgebiet zugestellt wurden, doch ist anzunehmen dass dies nicht mit Absicht erfolgte. Es ist anzunehmen, dass die BF sich zu Ferienzeiten ihres Studiums in Wien nicht an ihrer Wohnadresse aufgehalten hat respektive seit Oktober 2018 in Ungarn ein Praktikum absolviert und aufgrund der längeren Abwesenheiten von ihrer Wohnadresse keine Kenntnis der ihr hinterlegten behördlichen Schriftstücke erhalten hat.

Dass das Erhebungsersuchen der belangten Behörde um den 23.08.2018 kein Antreffen der BF an ihrer Wohnadresse mit sich brachte, kann ebenso auf den Umstand gestützt werden, dass die BF zu diesem Zeitpunkt Sommerferien an ihrer FH hatte respektive sich auf ihr Praktikum in Ungarn vorbereitete.

Die BF meldete sich hingegen am 24.09.2018 telefonisch bei der Magistratsabteilung der Stadt Wien und bestätigte ihre aufrechte Hauptwohnsitzmeldung im Bundesgebiet. Dieser Umstand wurde dem Bundesamt mitgeteilt.

Da die BF beim erneuten Erhebungsersuchen des Bundesamtes vom 04.02.2019 an ihrer Wohnadresse angetroffen werden konnte, und sich aktuell in einem Studium einer FH in Wien befand hätte die belangte Behörde von der Vollziehung des Festnahmeauftrages Abstand nehmen müssen.

Es ist nämlich davon auszugehen, dass die BF zu diesem Zeitpunkt nicht in Kenntnis der gegen sie Erlassene Ausweisung war und sich somit bei Aufklärung seitens der belangten Behörde über den aktuellen Verfahrensstand dem Bundesamt zur Verfügung gehalten hätte respektive ohnedies freiwillig ausgereist wäre.

Dass das Bundesamt hingegen ohne die BF über den Verfahrensstand in Kenntnis zu stehen die Festnahme vollzog und die BF daraufhin knapp 24h in Verwaltungsverwahrungshaft verbringen musst, bevor ihre Abschiebung auf dem Landweg nach Nickelsdorf erfolgt, erweist sich somit als unverhältnismäßig.

Es ist vielmehr davon auszugehen, dass die BF in Unkenntnis ihres Aufenthaltsstatus die behördlich erlassene Ausweisung missachtete, und sie im Falle der Kenntnis der rechtskräftigen Ausweisung das Bundesgebiet freiwillig verlassen hätte.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der Beschwerde gegen die Festnahme und die Anhaltung gemäß § 22a Abs. 1 Z 1 und 2 iVm § 40 Abs. 1 Z 1 und § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG stattzugeben.

3.2. Zu Spruchpunkt II. – Beschwerde gegen die Abschiebung:

Gemäß § 46 Abs. 1 FPG idgF sind Fremde, gegen die eine Rückkehrentscheidung, eine Anordnung zur Außerlandesbringung, eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot durchsetzbar ist, von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes im Auftrag des Bundesamtes zur Ausreise verhalten werden (Abschiebung), wenn

1. die Überwachung ihrer Ausreise aus Gründen der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit notwendig scheint,

2. sie ihrer Verpflichtung zur Ausreise nicht zeitgerecht nachgekommen sind,

3. aufgrund bestimmter Tatsachen zu befürchten ist, sie würden ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkommen, oder

4. sie einem Einreiseverbot oder Aufenthaltsverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt sind.

Bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung ist auf den Zeitpunkt ihres Vollzugs abzustellen (VwGH 29.06.2017, Ra 2017/21/0089; vgl. VwGH 20.12.2013, 2012/21/0118).

Gegen die BF lag zum Zeitpunkt der Abschiebung eine rechtskräftige Ausweisung gemäß § 66 FPG vor.

Bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit einer Abschiebung kommt es nach § 46 Abs. 1 FPG nicht nur auf das Vorliegen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Entscheidung, sondern auch auf die Erfüllung einer der in den § 46 Abs. 1 Z 1 bis 4 FPG genannten Tatbestandsvoraussetzungen an (VwGH 20.10.2011, 2010/21/0056).

Im Falle der BF lagen die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 Z 2 FPG vor, da sie ihrer Ausreiseverpflichtung nicht zeitgerecht nachgekommen ist; dieser Tatbestand ist objektiv formuliert, stellt nicht auf das Vorliegen subjektiver (dh in der Person des Fremden gelegene) Merkmale ab und kann in seiner Anwendung einer Abwägung/Verhältnismäßigkeitsprüfung schon auf Grund seines Wortlautes nicht unterzogen werden.

Im Gegensatz zur Festnahme (§ 40 BFA-VG), bei der es im Ermessen der belangten Behörde liegt (Ermessensbestimmung), eine Festnahme zu vollziehen, ist die Abschiebung bei Vorliegen einer rechtskräftigen aufenthaltsbeendenden Maßnahme sowie dem Vorliegen der Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 FPG daher jedenfalls durchzuführen (arg. „sind“).

Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Zu Spruchpunkt III. – Kostenersatz:

3.3.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Der mit „Kosten“ betitelte § 35 VwGVG lautet:

„§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden.“

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

„1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro.“

3.3.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde gegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG Beschwerde erhoben. Lediglich die BF stellte einen Antrag auf Kostenersatz gemäß § 35 VwGVG. Es wurden sowohl die Festnahme, als auch die Anhaltung in Verwaltungsverwahrungshaft, sowie die Abschiebung in Beschwerde gezogen.

Haben ein oder mehrere Revisionswerber in einer Revision mehrere Erkenntnisse oder Beschlüsse angefochten (bzw. ein oder mehrere Beschwerdeführer mehrere Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt), ist gemäß dem auf Grund des § 35 Abs. 6 VwGVG anzuwendenden § 52 Abs. 1 VwGG die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen, wie wenn jedes der Erkenntnisse bzw. jeder der Beschlüsse (bzw. jede der angefochtenen Maßnahmen unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt) in einer gesonderten Revision angefochten worden wäre. Für Verhandlungen, die im Fall des Abs. 1 am selben Tag oder an unmittelbar aufeinander folgenden Tagen stattgefunden haben, sind einer Partei Fahrtkosten so zu ersetzen, wie wenn nur eine Verhandlung stattgefunden hätte. Aufenthaltskosten sind einer Partei für denselben Zeitraum nur einmal, der Verhandlungsaufwand ist einer Partei für jede mündliche Verhandlung zu ersetzen.

Bei der Ermittlung der Anzahl der Verwaltungsakte kann nicht allein darauf abgestellt werden, wie die zu Grunde liegende Beschwerde strukturiert ist und wie viele Einzelakte sie im Rahmen des bekämpften Amtshandelns zu erkennen vermeint. Wesentlich sind vielmehr die behördlichen Feststellungen über das angefochtene Verwaltungsgeschehen, anhand derer zu beurteilen ist, wie viele sachlich und zeitlich trenn- und unterscheidbare Akte, die einer isolierten Betrachtung zugänglich sind, vorliegen, wobei für diese Beurteilung auch der jeweils verfolgte Zweck der Amtshandlung(en) und die in Frage kommenden Rechtsverletzungen eine Rolle spielen. Diese Judikatur wurde auf den Anwendungsbereich des § 35 VwGVG übertragen (VwGH 31.08.2017, Ro 2016/21/0014; vgl. auch VwGH 04.05.2015, Ra 2015/02/0070; 16.03.2016, Ra 2015/05/0090).

Bei Festnahme und Anhaltung im Rahmen der Festnahme liegt auf Grund des Sachzusammenhangs ein Verwaltungsakt vor.

Da die BF mit ihrer Beschwerde gegen die Festnahme und Anhaltung vollständig obsiegte, steht ihr nach den Bestimmungen des § 35 VwGVG Kostenersatz zu. Die belangte Behörde stellte keinen Antrag auf Kostenersatz.

Es gebührt ihr gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG als vollständig obsiegende Partei daher Kostenersatz. Die belangte Behörde ist auf Grund der Beschwerdestattgabe (vollständig) unterlegene Partei. Sie hat daher der BF die im Spruch angeführten Kosten gemäß § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung zu ersetzen.

Die BF unterlag hingegen hinsichtlich ihrer Beschwerde gegen die Abschiebung, weshalb ihr hierfür kein Kostenersatz zusteht. Mangels Antrag auf Kostenersatz der belangten Behörde ist ihr gemäß § 35 Abs. 7 VwGVG auch kein Kostenersatz zuzusprechen.

3.4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Da im gegenständlichen Fall der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war, Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen und der Beschwerde vollinhaltlich stattgegeben wurde, konnte auf die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG verzichtet werden.

Zu Spruchteil B) – Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen. Dies ist im gegenständlichen Fall nicht gegeben.

Wie oben ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage zu den Verfahrenskosten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Anhaltung aufrechte Ausweisung Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Befehls- und Zwangsgewalt Festnahme Festnahmeauftrag Kostenersatz Maßnahmenbeschwerde Ortsabwesenheit Rechtswidrigkeit Verhältnismäßigkeit Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2215208.1.00

Im RIS seit

28.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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