TE Vwgh Beschluss 2020/10/2 Ra 2020/02/0208

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Veröffentlicht am 02.10.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §52 lita Z10a
StVO 1960 §99 Abs2e
VwGG §28 Abs1 Z4
VwGG §34 Abs1
VwGG §41

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des M in K, vertreten durch die Advokaten Keckeis Fiel Scheidbach OG in 6800 Feldkirch, Drevesstraße 2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Vorarlberg vom 29. Jänner 2020, LVwG-1-7/2019-R14, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Feldkirch), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Feldkirch vom 4. Dezember 2018 wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe am 19. Juli 2018 um 11:57 Uhr an einem näher bezeichneten Ort im Ortsgebiet die durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h um 66 km/h überschritten, wobei die in Betracht kommende Messtoleranz bereits abgezogen worden sei. Der Revisionswerber habe dadurch § 52 lit. a Z 10a StVO verletzt, weshalb über ihn gemäß § 99 Abs. 2e StVO eine Geldstrafe in der Höhe von € 700,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 308 Stunden) verhängt wurde.

2        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Vorarlberg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - als unbegründet ab und erklärte die Revision für nicht zulässig.

3        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, welcher mit Beschluss vom 8. Juni 2020, E 833/2020-5, deren Behandlung ablehnte und sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.

4        Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        Gemäß § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG hat die Revision (u.a.) die Bezeichnung der Rechte, in denen der Revisionswerber verletzt zu sein behauptet (Revisionspunkte), zu enthalten. Durch die vom Revisionswerber vorgenommene Bezeichnung der Revisionspunkte wird der Prozessgegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens festgelegt und der Rahmen abgesteckt, an den der Verwaltungsgerichtshof bei der Prüfung des angefochtenen Erkenntnisses oder des angefochtenen Beschlusses gemäß § 41 VwGG gebunden ist. Danach hat der Verwaltungsgerichtshof nicht zu prüfen, ob durch die angefochtene Entscheidung irgendein subjektives Recht des Revisionswerbers verletzt wurde, sondern nur zu prüfen, ob jenes Recht verletzt wurde, dessen Verletzung dieser behauptet. Der in § 28 Abs. 1 Z 4 VwGG geforderten Angabe der Revisionspunkte kommt für den Prozessgegenstand des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof insoweit entscheidende Bedeutung zu, als der Revisionswerber jenes subjektive Recht herauszuheben hat, dessen behauptete Verletzung die Legitimation zur Revisionserhebung erst begründet. Wird der Revisionspunkt unmissverständlich behauptet, so ist er einer Auslegung aus dem Gesamtzusammenhang der Revision nicht zugänglich (vgl. VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0128, mwN).

9        Der Revisionswerber erachtet sich durch das angefochtene Erkenntnis in seinen subjektiven Rechten „auf Durchführung eines umfassenden und nachvollziehbaren Beweisverfahrens“, „auf nachvollziehbare Würdigung der Beweisergebnisse“, „auf Aufnahme sämtlicher angebotenen Beweise“ sowie „auf Einholung eines Sachverständigengutachtens“ verletzt.

10       Damit macht der Revisionswerber als Revisionspunkte die Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend und es wird dadurch nicht dargetan, in welchen subjektiven Rechten er nach dem Inhalt des verwaltungsgerichtlichen Abspruches verletzt ist, sodass es sich dabei um Revisionsgründe, nicht aber um Revisionspunkte handelt, zumal diese nicht losgelöst von materiellen Rechten zu einer Verletzung subjektiver Rechte führen können (vgl. erneut VwGH 21.7.2020, Ra 2020/02/0128; VwGH 24.4.2018, Ra 2018/02/0125, jeweils mwN).

11       Die Revision erweist sich somit bereits aus diesem Grund als nicht zulässig.

12       Darüber hinaus gelingt es dem Revisionswerber zudem nicht, eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG aufzuzeigen:

13       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der gegenständlichen außerordentlichen Revision vor, das Beweisverfahren hätte Hinweise auf eine Fehlmessung ergeben, weshalb jedenfalls ein Sachverständigengutachten hätte eingeholt werden müssen. Das Verwaltungsgericht stütze seine Feststellungen auf bloße Vermutungen des als Zeugen einvernommenen Polizeibeamten O. Das Beweisverfahren sei vom Grundsatz „in dubio pro reo“ bestimmt. Auch insoweit sei das Verwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen.

14       Zum Vorbringen, wonach das Verwaltungsgericht zur Frage, ob eine korrekte Messung erfolgt sei, jedenfalls ein Sachverständigengutachten hätte einholen müssen, ist darauf hinzuweisen, dass die Beurteilung, ob eine Beweisaufnahme im Einzelfall notwendig ist, dem Verwaltungsgericht obliegt. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG läge diesbezüglich nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (vgl. VwGH 16.7.2020, Ra 2020/02/0006, mwN).

15       Das Verwaltungsgericht hat im gegenständlichen Fall nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in welcher der Revisionswerber, der Polizeibeamte O., der die gegenständliche Messung vorgenommen hat, sowie ein weiterer Zeuge einvernommen wurden, nachvollziehbar begründet, warum es von einer ordnungsgemäß durchgeführten Messung ausgegangen und eine Fehlmessung ausgeschlossen hat. Es stützte sich dabei einerseits auf die - vom Verwaltungsgericht als glaubwürdig erachtete - Zeugenaussage des Polizeibeamten O. zur korrekten Positionierung des Messfahrzeuges, zur Inbetriebnahme des Messgeräts und zur Übertragung des Messergebnisses ins Messprotokoll, sowie andererseits auf die aktenkundigen Radarfotos und die gültige Eichung des Messgeräts. Dem Revisionsvorbringen, wonach sich das Verwaltungsgericht lediglich auf Vermutungen gestützt hätte, kann somit nicht gefolgt werden. Da für das Verwaltungsgericht Zweifel an einer korrekten Radarmessung letztlich nicht vorlagen, hat es von der Beiziehung eines Sachverständigen abgesehen. Dass diese Einschätzung grob fehlerhaft erfolgt wäre, ist vor dem Hintergrund des durchgeführten Beweisverfahrens nicht ersichtlich.

16       Im Übrigen ist festzuhalten, dass der Verwaltungsgerichtshof (als Rechtsinstanz) zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Dass das Verwaltungsgericht seine Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte, wird vom Revisionswerber in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 6.8.2020, Ra 2020/02/0156, mwN).

17       Soweit der Revisionswerber schließlich vorbringt, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz „in dubio pro reo“ verstoßen, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Grundsatz nur für jene Fälle gilt, in denen nach Durchführung aller Beweise und eingehender Beweiswürdigung Zweifel an der Täterschaft des Beschuldigten verbleiben (vgl. erneut VwGH 6.8.2020, Ra 2020/02/0156, mwN). Dass im gegenständlichen Fall bei der erkennenden Richterin Zweifel am festgestellten Sachverhalt verblieben wären, die die Anwendung dieses Grundsatzes erfordert hätten, ist nicht erkennbar. Vielmehr kam das Verwaltungsgericht - wie bereits oben dargelegt - in einer schlüssigen Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass im gegenständlichen Fall gerade keine Zweifel an einem gültigen Messergebnis vorlägen.

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 2. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020020208.L00

Im RIS seit

09.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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