TE Vwgh Erkenntnis 2020/10/6 Ra 2019/19/0401

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 06.10.2020
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs2 Z2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zens und den Hofrat Dr. Pürgy sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des A M R in W, vertreten durch Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Nikolsdorfergasse 7-11/15, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. April 2019, Zl. I416 2171440-1/15E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Ägyptens, stellte am 11. Juli 2013 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid vom 7. April 2014 wurde der Antrag vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Begründung zuerkannt, dass der Revisionswerber Brandverletzungen erlitten habe, deren Behandlung in Ägypten nicht mit den in Europa zur Verfügung stehenden Standards erfolgen könne. Es bestehe daher eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit, dass das Leben oder die Gesundheit des Revisionswerbers nachhaltig bedroht wären.

2        Die befristete Aufenthaltsberechtigung des Revisionswerbers wurde zweimal, zuletzt mit Bescheid vom 27. April 2017 bis zum 7. April 2019, verlängert.

3        Mit Urteil vom 1. Juni 2017 erfolgte eine Verurteilung des Revisionswerbers wegen der Vergehen des Diebstahls und der gefährlichen Drohung zu einer bedingten Freiheitsstrafe von drei Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren.

4        Am 4. August 2017 erfolgte eine Einvernahme des Revisionswerbers durch das BFA, in der er unter anderem angab, wegen seiner Brandverletzungen zuletzt 2016 in Behandlung gewesen zu sein. Seit 2014 stehe er außerdem wegen psychischer Probleme in Behandlung, wobei er zwischen 2014 und 2017 keine psychischen Probleme gehabt habe. Seit 2017 habe sich sein Zustand jedoch verschlechtert.

5        Mit Bescheid vom 25. August 2017 erkannte ihm das BFA den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, entzog ihm die befristete Aufenthaltsberechtigung, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass die Abschiebung nach Ägypten zulässig sei. Es wurde eine Frist von 14 Tagen für die freiwillige Ausreise festgelegt.

6        Begründend führte das BFA aus, dem Revisionswerber sei aufgrund der Behandlungsbedürftigkeit seiner Verbrennungen subsidiärer Schutz gewährt worden, eine solche liege nunmehr nicht mehr vor.

7        Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung ab. Begründend führte es aus, dass die seinerzeitigen Gründe für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen würden. Der Revisionswerber befände sich seit 2,5 Jahren nicht mehr wegen seiner Brandverletzung in ärztlicher Behandlung. Es sei zu einer Änderung der Umstände im Vergleich zum Zeitpunkt der Gewährung von subsidiärem Schutz gekommen. Weitere Gründe, die eine Aufrechterhaltung des Status des subsidiär Schutzberechtigten rechtfertigen würden, lägen nicht vor.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit unter anderem vorbringt, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Aberkennung von internationalem Schutz bei Wegfall der Umstände, die zur seinerzeitigen Schutzgewährung geführt haben, abgewichen. Das BFA habe den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuletzt mit Bescheid vom 27. April 2017 bis zum 7. April 2019 verlängert. Der Schutzstatus sei bereits am 25. August 2017 wieder aberkannt worden, ohne dass sich in diesen vier Monaten eine Änderung der Umstände ergeben hätte, die eine Aberkennung rechtfertigen würden. Nach näher bezeichneter Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkung von Bescheiden nicht zulässig, eine Aberkennung auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung (welche nur im Fall des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden dürfe) nicht geändert habe. Diese Judikatur sei auch auf Fälle der Aberkennung des subsidiären Schutzes nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 anzuwenden.

9        Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:

10       Die Revision ist zulässig und begründet.

11       Wie schon das BFA stützte das BVwG die Aberkennung im gegenständlichen Fall auf den Tatbestand des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, wonach einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen ist, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht mehr vorliegen.

12       Zur Begründung führte das BVwG aus, dass sich die Sachlage seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wesentlich geändert habe, weil die Gründe für die damalige Zuerkennung des Schutzstatus in der mangelnden Behandlungsmöglichkeit von Brandverletzungen gelegen seien, die nunmehr nicht mehr behandlungsbedürftig wären.

13       Dabei lässt das BVwG außer Acht, dass dem Revisionswerber nur vier Monate vor der Aberkennung des subsidiären Schutzstatus seitens des BFA eine Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 erteilt wurde. Nach dieser Gesetzesstelle kommt eine Verlängerung aber nur dann in Betracht, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung von subsidiärem Schutz im Zeitpunkt der Entscheidung über den Verlängerungsantrag weiter vorliegen. Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof bereits erkannt, dass es unter Berücksichtigung der Rechtskraftwirkungen von Bescheiden nicht zulässig ist, die Aberkennung (im dort entschiedenen Fall: gemäß § 9 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005) auszusprechen, obwohl sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) nicht geändert hat (VwGH 30.8.2017, Ra 2017/18/0155, Rn. 25).

14       Diese Überlegungen hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. Mai 2019, Ra 2019/14/0153, auch auf Fälle übertragen, in denen - wie im gegenständlichen Fall - die Aberkennung auf § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 gestützt wird. Durch die Entscheidung, die befristete Aufenthaltsberechtigung zu verlängern, bringe die Behörde vor dem Hintergrund der dafür nach dem Gesetz vorgesehenen Voraussetzungen zum Ausdruck, dass sie davon ausgehe, es seien im Zeitpunkt ihrer Entscheidung, mit der sie die Verlängerung bewilligt, weiterhin jene Umstände gegeben, die für die Zuerkennung von subsidiärem Schutz maßgeblich seien. Bei Hinzutreten neuer Umstände (nach der Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung) dürften im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung aber alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (vgl. VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN).

15       Das BVwG ist davon ausgegangen, dass für den Wegfall jener Umstände im Sinne des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005, die zur Schutzgewährung geführt haben, lediglich ein Vergleich zwischen dem Zeitpunkt der Zuerkennung und jenem der Aberkennung anzustellen sei. Die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 hat das BVwG nicht in seine Beurteilung einbezogen und damit die Rechtslage verkannt. Das BVwG hat weder festgestellt, dassnach der Verlängerung neue Umstände hinzugetreten wären, die im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtbeurteilung eine Aberkennung rechtfertigen würden noch, dass der Revisionswerber im Antrag zur Verlängerung falsche Angaben gemacht hätte oder dass ein Fall vorliege, in dem die Behörde im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung keine konkreten Hinweise dafür gehabt hätte, dassdie für dessen Bewilligung notwendigen Voraussetzungen nicht mehr bestehen könnten (vgl dazu VwGH 27.5.2019, Ra 2019/14/0153, Rn. 100).

16       Nach dem Gesagten hat das Bundesverwaltungsgericht das Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.

17       Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 6. Oktober 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019190401.L02

Im RIS seit

24.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

24.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten