TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/5 W117 2227983-7

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.08.2020
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Entscheidungsdatum

05.08.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z5
FPG §76 Abs3 Z8
FPG §76 Abs3 Z9
FPG §76 Abs6
VwG-AufwErsV §1 Z3
VwG-AufwErsV §1 Z4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1
VwGVG §35 Abs1
VwGVG §8a

Spruch

W117 2227983-7/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch den Verein LegalFocus, Wien, gegen die weitere Anhaltung seit 31.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, Z 5, Z 8 und Z 9 FPG idgF, §76 Abs. 6 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z 2 FPG idgF, § 76 Abs. 3 Z 1, Z 5, Z 8 und Z 9 FPG idgF, § 76 Abs. 6 FPG idgF wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF und § 1 Z 3, Z 4 VwG-AufwErsV idgF hat der Beschwerdeführer dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen (2) Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

V. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz/Befreiung (von) der Eingabengebühr wird zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF), ein nigerianischer Staatsangehöriger, reiste am 27.05.2013 illegal nach Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

Mit Bescheid vom 18.07.2014 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA, Bundesamt oder Behörde genannt) den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt I.) sowie gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Ziffer 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria ab (Spruchpunkt II.) und erteilte dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß den §§ 57 und 55 AsylG nicht, erließ gemäß § 10 Abs. 1 Ziffer 3 AsylG iVm. § 9 BFA-Verfahrensgesetz gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.) und setzte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG als Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest. Die Behörde begründete ihre Entscheidung im Wesentlichen dahingehend, dass es dem Beschwerdeführer nicht gelungen sei, eine asylrelevante Verfolgung glaubhaft zu machen.

Die dagegen erhobene Beschwerde vom 29.07.2014 wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 02.12.2015, mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.12.2015 als unbegründet abgewiesen.

Am 15.03.2016 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz und begründete dies mit psychischen Problemen.

Der Beschwerdeführer blieb unentschuldigt der Ladung für eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 20.04.2016 fern. Er wurde neuerlich geladen, nunmehr für eine Einvernahme am 10.05.2016. Der Beschwerdeführer erschien ebenfalls unentschuldigt nicht. Um 22:31 wurde nachträglich per Fax von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters erklärt, dass es dem Beschwerdeführer aufgrund seiner gesundheitlichen Probleme nicht möglich gewesen sei, der Ladung Folge zu leisten.

Einer Mitteilung der LPD vom 12.05.2016 ist zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls bis Ende April 2016 Zeitungen verkauft habe.

Der Beschwerdeführer wurde vom Bundesamt neuerlich geladen, nunmehr mit Ladungsbescheid, für eine Einvernahme am 18.05.2016. Wiederum erschien der Beschwerdeführer nicht, sondern wurde am nächsten Tag von Seiten der rechtsfreundlichen Vertretung erklärt, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner psychischen Erkrankung die Einvernahme nicht möglich gewesen sei.

Mit Ladungsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.06.2016 wurde der Beschwerdeführer für den 14.06.2016 geladen. Zugleich wurde die rechtsfreundliche Vertretung aufgefordert, den Aufenthaltsort des Beschwerdeführers bekanntzugeben und etwaige medizinische Unterlagen binnen einer Woche vorzulegen.

Am 12.06.2016 wurde von Seiten des rechtsfreundlichen Vertreters erklärt, dass die medizinischen Unterlagen nachgereicht würden. Zum Aufenthaltsort des Beschwerdeführers wurde nur ausgeführt, dass sich der Beschwerdeführer bemühen würde, außerhalb Klagenfurts medizinische Hilfe zu finden.

Am 13.06.2016 erhob der Beschwerdeführer Beschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 01.06.2016.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.08.2016 wurde die Beschwerde gegen den Ladungsbescheid vom 01.06.2016 als unbegründet abgewiesen und festgestellt, dass der Beschwerdeführer einen Hinderungsgrund für das Erscheinen zu der Einvernahme nicht glaubhaft dargelegt bzw. bescheinigt hat. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer seinen Mitwirkungswirkungspflichten im Asylverfahren nicht nachgekommen war.

Mit Bescheid des BFA vom 16.08.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 15.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gem. § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria abgewiesen (Spruchpunkt II). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FBG festgestellt, dass eine Abschiebung gem. § 46 FPG nach Nigeria zulässig sei (Spruchpunkt III). Unter Spruchpunkt IV wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für eine freiwillige Ausreise besteht. Der Beschwerde gegen den Bescheid wurde mit Spruchpunkt V gemäß § 18 Abs. 1 Ziffer 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.09.2017 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 16.08.2017 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die Dauer des Einreiseverbotes in Spruchpunkt VI mit zwölf Monaten befristet wurde.

Am 28.12.2017 wurde ein weiterer Folgeantrag gestellt, den der Beschwerdeführer damit begründete, dass er an einer psychischen Krankheit leide und dass sich sein Gesundheitszustand seit August 2017 verschlechtert habe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2018, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz vom 28.12.2017 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache zurück.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 02.05.2018 wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2018 als unbegründet abgewiesen.

Am 03.08.2019 wurde der BF als nigerianischer Staatsangehöriger durch die Botschaft identifiziert. Der BF wurde am 30.10.2019 durch ein Organ des BFA einvernommen.

Am 03.01.2020 wurde der BF im Rahmen von Suchtgiftermittlungen in seinem Wohnhaus nach Erlassung eines Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum überstellt.

Im Rahmen einer Einvernahme durch das BFA gab der BF im Wesentlichen an, er habe eine Wohnsitzauflage im Jahre 2018 nicht beachtet, da er seinen Arzt in Klagenfurt habe und nicht weggehen habe wollen. Er habe keine Dokumente und sei illegal im Lande. Er habe mentale Probleme sowie eine Erkältung und nehme das Medikament Trittico Retart 75 gegen seine Depressionen. Er wollte in Österreich bleiben und nicht nach Nigeria zurückgehen. Er habe hier eine Arbeit, er verkaufe Zeitungen. Aufgrund seiner Krankheit habe er bisher nicht in Erwägung gezogen, nach Nigeria zurückzukehren. In Nigeria habe er niemanden. Er wolle nicht nach Nigeria zurück, er werde in Österreich bleiben, was immer auch passiere. Er werde unter keinen Umständen nach Nigeria zurückgehen.

Sohin wurde über den BF die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der BF durch sein Vorverhalten die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG erfüllt habe und sohin Sicherungsbedarf bestehe. Da der BF nicht freiwillig ausreisen wolle und er eine Ausreisewilligkeit bisher nur vorgetäuscht habe, um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates zu verzögern, zeige sich ebenso, dass der BF zur Ausreise aus Österreich verhalten werde müsse.

Am 04.01.2020 begann der BF mit einem Hungerstreik und stellte einen weiteren Asylfolgeantrag (nunmehr vierter Asylantrag). Zu seinem Folgeantrag befragt gab der Beschwerdeführer an, er sei bedroht worden und habe man sein Geschäft zerstört. Er habe psychische Probleme und in seinem Herkunftsland niemanden, der sich um ihn kümmere. Er wolle in Österreich bleiben, da er hier jede Menge Freunde habe, die ihn unterstützen. Er habe Angst, umgebracht zu werden.

Am selben Tage wurde seitens des BFA ein Aktenvermerk zur Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG aufgenommen und umfassend begründet, dass davon auszugehen sei, dass der nunmehrige Folgeantrag mit Verzögerungsabsicht gestellt worden sei.

Mit Bescheid des BFA vom 17.01.2020 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 04.01.2020 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und auch sonst kein Aufenthaltstitel gewährt. Gegen den Beschwerdeführer wurde neuerlich eine Rückkehrentscheidung ausgesprochen und festgestellt, dass eine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung wurde keine Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht eingebracht.

Am 24.01.2020 brachte der Beschwerdeführer durch seine bevollmächtigte Vertreterin eine Beschwerde gegen die die Festnahme, Schubhaftnahme und Anhaltung in Schubhaft geführt ein, wobei er insbesondere auf seine psychischen Probleme verwies.

Mit Stellungnahme vom 24.01.2020 legte das BFA den Schubhaftakt vor, skizzierte den bisherigen Verfahrensverlauf und beantragte, die Beschwerden als unbegründet abzuweisen, eine Fortsetzung für rechtmäßig zu erklären und den BF zum Ersatz der Kosten zu verpflichten.

Auf Anordnung des Gerichtes wurde der BF am 28.01.2020 in Schubhaft befindlich einer psychiatrischen– als auch einer amtsärztlichen Untersuchung unterzogen. Dabei wurde aus psychiatrischer Sicht ausgeführt, dass der BF im geschwächten Zustand vorgeführt worden sei. Er sei bisher nicht in stationärer psychiatrischer Behandlung gewesen, sei jedoch von einem niedergelassenen Arzt medikamentös behandelt worden. Das Essen in der Schubhaft sei seiner Ansicht nach vergiftet, nähere Angaben, weshalb der BF dies meine, konnte dieser nicht angeben. Eine medikamentöse Unterstützung in der Schubhaft wolle der BF nicht weiter in Anspruch nehmen und wurde diese bereits auf Wunsch des BF abgesetzt. Er habe den Wunsch geäußert entlassen zu werden, damit er in Freiheit sein Essen und seine Medikamente wieder einnehmen können.

Aus psychiatrischer Sicht sei die Symptomatik am ehesten im Rahmen einer Belastungsreaktion zu sehen. Weiters erscheine der Patient aggravierend. Eine suizidale Einengung bestehe nicht, die Idee, dass Essen hier könne ihm schaden, erscheine nicht im Zusammenhang mit einer Warnstörung zu bestehen.

Aus amtsärztlicher Sicht sei es nicht nachvollziehbar, dass der BF die Nahrungsaufnahme psychisch bedingt verweigere. Er habe im PAZ die Möglichkeit aus ca. 40 verschiedene Essensvarianten zu wählen. Aus ärztlicher Sicht sei nicht möglich anzugeben, wann mit einem Eintritt der Haftunfähigkeit aufgrund des Hungerstreiks zu rechnen sei.

Eine allfällige Zwangsernährung werde im PAZ nicht durchgeführt und werde nur dann nach Durchlauf eines gewissen Prozederes und der Verlegung in ein Krankenhaus unter Umständen durchgeführt.

Aufgrund der Aktenlage und des vorliegenden Haftberichts vom 03.01.2020 könne von einer vollen Haft- Verhandlungs- und Einvernahmefähig am 03.01.2020 ausgegangen werden. Für eine Suizidgefährdung seien derzeit aus psychiatrischer Sicht und dem Verhalten des BF keine Hinweise gegeben. Der BF selbst habe eine derartige Frage mit „no“ beantwortet. Darüber hinaus benehme sich der BF unauffällig, nehme seine Termine beim Verein Dialog regelmäßig wahr und könne daher nicht festgestellt werden, dass die Haftsituation für den BF eine besonders belastende Situation darstelle. Der BF sei nach der heutigen persönlichen Untersuchung und der psychiatrischen Untersuchung als weiterhin haftfähig anzusehen.

Das Bundesverwaltungsgericht hat mit Erkenntnis vom 30.01.2020, W171 2227983-1/9E – nach amtsärztlicher Begutachtung des Beschwerdeführers –

„I. Die Beschwerden gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG und § 40 Abs. 1 Zi. 1 i.V.m. § 34 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.“

und

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.“

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.02.2020, W154 2227983-2/6E, vom 29.04.2020, W115 2227983-3/3E, vom 27.05.2020, W137 2227983-4/2E und vom 26.06.2020 W154 2227983-5 wurde jeweils die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft festgestellt.

Am 04.07.2020 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren – fünften - Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt stellte daraufhin dem Beschwerdeführer am 04.07.2020 einen ausführlich begründeten Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG zur Aufrechterhaltung der Schubhaft zu.

Am 20.07.2020 legte das Bundesamt ein weiteres Mal den Verwaltungsakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In einer Stellungnahme wurde darauf verwiesen, dass die Charterabschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria für den 25./26.06.2020 organisiert war jedoch der Charterflug aufgrund der momentanen Gegebenheiten in Zusammenhang mit der Covid-19 Situation storniert und verschoben werden musste. Ein neuerer Termin für einen Charterflug nach Nigeria sei gegenwärtig noch nicht bekannt, solche Flüge würden individuell organisiert. Seitens der nigerianischen Botschaft erfolgte bereits die mündliche Zusage, dass die HRZ Ausstellung erfolgen werde, sobald Flüge nach Nigeria wieder möglich sind.

Am 21.07.2020 langten die vom BVwG angeforderten medizinischen Unterlagen des Beschwerdeführers samt Befund und Gutachten vom 21.07.2020, sowie die Niederschrift der Erstbefragung zum Asylfolgeantrag vom 04.07.2020 ein.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgericht vom 23.07.2020, W278 2227983-6/7E, zugestellt am selben Tag, sprach der zuständige Einzelrichter aus, dass gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG „zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen, und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist“.

Das Bundesverwaltungsgericht führte begründend aus:

„Feststellungen:

Der angeführte Verfahrensgang und die Entscheidungsgründe der genannten Vorentscheidungen werden übernommen und zu Feststellungen in der gegenständlichen Entscheidung erhoben; ebenso die von der Verwaltungsbehörde in ihren Stellungnahmen anlässlich der Aktenvorlage getätigten Ausführungen zur Planung einer (zeitnahen) Abschiebung des Beschwerdeführers.

Seit der letzten Verhältnismäßigkeitsüberprüfung durch das Bundesverwaltungsgericht am 26.06.2020 werden folgende zusätzliche Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführer stellte am 04.07.2020, im Stande der Schubhaft seinen insgesamt 5. Asylfolgeantrag.

Das Bundesamt stellte mit einem ausführlich begründeten Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG fest, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde.

Die Asylantragstellung erfolgte einzig und alleine um den Vollzug der Rückkehrentscheidung zu verzögern.

Der Beschwerdeführer steht wegen einer Schlafstörung auf Basis einer posttraumatischen Belastungsstörung in ärztlicher Behandlung. Er ist in vollem Umfang haft- und verhandlungsfähig. Er zählt nicht zur COVID 19 Risikogruppe.

Mit der Erlangung eines Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers in wenigen Monaten, jedenfalls innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu rechnen. Es sind keine Umstände hervorgekommen, dass die weitere Inschubhaftnahme unverhältnismäßig wäre.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt der Behörde und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes, insbesondere der zitierten Vorentscheidungen.

Die Feststellung zur weiteren – fünften - Asylantragstellung zur Verzögerung des Vollzugs der Rückkehrentscheidung wurde anhand der im Akt einliegenden Erstbefragung getroffen. In dieser führte er aus, er habe Angst vor Corona. Dies Krankheit habe sich in Nigeria stark verbreitet, er würde sie dort nicht überleben. Auch der Österreichische Außenminister habe davor gewarnt nach Nigeria zu gehen. Zur Rückkehrbefürchtung führte er aus, er habe Angst durch Corona in Nigeria zu sterben. Der Beschwerdeführer brachte somit bei seinem 5. Asylfolgeantrag keine neuen asylrelevante Fluchtgründe vor. Es ist daher klar ersichtlich, dass eine Asylantragstellung ohne das Vorbringen neuer Fluchtgründe, im Stande der Schubhaft ausschließlich auf die Verzögerung der Durchführung der Abschiebung abzielt. Dies insbesondere auch in Zusammenschau mit dem Umstand, dass der BF bereits einmal – durch seine damals 4. Asylantragstellung – eine bereits für 23.01.2020 geplante Abschiebung erfolgreich verhindern konnte. Das Bundesamt begründete den Umstand mit Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG vom 04.07.2020 umfangreich und nachvollziehbar. Der Aktenvermerk liegt im Gerichtsakt ein.

Die Feststellung zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus den im Akt einliegenden medizinischen Unterlagen sowie insbesondere aus dem amtsärztlichen „Befund und Gutachten“ vom 21.07.2020. Anzeichen, dass der Beschwerdeführer zur COVID-19 Risikogruppe zählt sind im Verfahren nicht vorgekommen.

Die Feststellungen zur Erlangung des Heimreisezertifikates sowie einer zeitnahen Abschiebung des Beschwerdeführers ergeben sich darüber hinaus aus den ergänzenden Stellungnahmen des Bundesamtes vom 20.07.2020 und 21.07.2020. Das Bundesamt hat dargelegt, dass das Asylverfahren zügig geführt wird. Mit der Abschiebung des Beschwerdeführers ist – vorbehaltlich der wahrscheinlichen zurückweisenden oder abweisenden Entscheidung im Asylverfahren – in wenigen Monaten, jedenfalls aber innerhalb der zulässigen Schubhafthöchstdauer zu rechnen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A. – Fortsetzung der Schubhaft

(…)

3.2. Gemäß § 76 FPG können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Die Schubhaft darf nur dann angeordnet werden, wenn 1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder 3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen. Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit. n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird.

Hinsichtlich der Fluchtgefahrtatbestände des §76 Abs. 3 FPG hat sich in Hinblick auf die Vorerkenntnisse zur gegenständlich zu überprüfenden Schubhaft die Fluchtgefahr durch die - einzig und alleine um den Vollzug der Rückführungsentscheidung zu verzögern - erfolgte 5. Asylantragstellung - trotz durchsetzbarer aufenthaltsbeendender Maßnahme während der Anhaltung in Schubhaft - nun durch die abermalige Verwirklichung des Tatbestands der Z. 5 verstärkt. Die Schubhaft ist also weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers – siehe Darstellung im Rahmen des Verfahrensganges und der Feststellungen – mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt. Es besteht daher jedenfalls Fluchtgefahr im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 5, 8 und 9. Die Schubhaft wird seit 04.07.2020 auf die Rechtsgrundlage von § 76 Abs. 6 FPG gestützt.

(…)

Zur Dauer der Schubhaft:

Gemäß § 80 Abs. 4 FPG kann die Schubhaft wegen desselben Sachverhalts abweichend von Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 höchstens 18 Monate aufrechterhalten werden, wenn ein Fremder deshalb nicht abgeschoben werden kann, weil

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

1.

(…)

2.

(….)

3.

(…) oder

4.

die Abschiebung dadurch, dass der Fremde sich bereits einmal dem Verfahren entzogen
oder ein Abschiebungshindernis auf sonstige Weise zu vertreten hat, gefährdet erscheint.

Gegenständlich ist jedenfalls der Tatbestand der Z.4 durch das Vorverhalten des BF verwirklicht. Bereits vor den pandemiebedingten Flugeinschränkungen hat der Beschwerdeführer durch Stellung seines 4. unbegründeten Asylfolgeantrages im Stande der Schubhaft seine bereits mit einem Charterflug organisierte Abschiebung verhindert. Auch erfolgte die nunmehrige 5. Asylfolgeantragstellung ausschließlich zur Verzögerung der Durchführung seiner Abschiebung. Er hat sich bereits während seines 2. Asylverfahrens durch mehrmalige Nichtbefolgung von Ladungen und Nichtbekanntgabe seines Aufenthaltsortes dem Verfahren entzogen.

Vor diesem Hintergrund ist der Verweis im Aktenvermerk nach § 76 Abs. 6 FPG des BFA auf die im § 80 Abs. 5 FPG geregelte Frist nicht nachvollziehbar, da diese eine Sonderregelung für Anwendungsfälle des § 80 Abs. 2 FPG darstellt, hier jedoch – wie oben ausgeführt - ein Anwendungsfall des § 80 Abs. 4 FPG vorliegt.

Der Beschwerdeführer hatte keine berücksichtigungswürdigen Umstände dargetan, wonach die Schonung seiner Freiheit das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung überwiegen würde. Die Schubhaft ist vor dem Hintergrund, dass sich die Behörde zügig um die Führung des Verfahrens zu seinem 5. Asylfolgeantrag und zuvor um ein Heimreisezertifikat und die Abschiebung des Beschwerdeführers bemüht hat, auch verhältnismäßig. Der Flugverkehr kam zwar aufgrund der COVID-19-Krise im März 2020 beinahe gänzlich zum Erliegen. Zwar ist der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten keine Abschiebung des Beschwerdeführers möglich wäre, sind nicht gegeben. Weiters wird festgehalten, dass eine Abschiebung nicht die Wiederaufnahme des regulären, touristischen Flugbetriebes voraussetzt.

Das Verhalten des Beschwerdeführers in der Vergangenheit schließt auch weiterhin die Anordnung gelinderer Mittel aus. Die Fluchtgefahr wurde hingegen durch die zweimalige Asylfolgeantragstellung – zuletzt am 04.07.3030 - im Stande der Schubhaft erhöht. Es besteht ein grundsätzliches öffentliches Interesse am effizienten Vollzug des Fremdenrechts. In diesem Sinne hat die Behörde sichergestellt, dass das Abschiebeverfahren (immer noch) zeitnah und zweckmäßig durchgeführt wird. Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin, wie sich zweifelsfrei aus dem aktuellen amtsärztlichen Befund vom 21.07.2020 ergibt.

Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihren Zukunftsbezug keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen.“

Eine Woche später, also mit Schriftsatz vom 31.07.2020, erhob der Beschwerdeführer neuerlich Beschwerde und führte begründend aus:

I. Sachverhalt:

Der BF ist ein Staatsangehöriger Nigerias. Er ist unbescholten und lebt an einer privaten Adresse in Klagenfurt. Er wurde in seiner Unterkunft festgenommen und in Schubhaft genommen.

Er hat im Stande der Schubhaft einen Asylantrag gestellt. Die Rechtsmittelfrist nach einer zurückweisenden Entscheidung ist noch offen.

Er hat bereits Schubhaftbeschwerden eingebracht, und die Verhältnismäßigkeit wurde auch vom BVwG in periodischen Abständen überprüft.

Zuletzt wollte ihm die belBeh weiß machen, dass er am 25.06.2020 abgeschoben würde. So eine Abschiebung hat aber nie stattgefunden, ohne dass dem BF die Gründe mitgeteilt worden wären.

Der BF hat aufgrund der Corona Krise, die auch in Nigeria wütet, am 04.07.2020 einen neuen Asylantrag gestellt und eingebracht.

Das BFA hat eine Einvernahme durchgeführt.

Dazu wurden zweimal Stellungnahmen schriftlich eingebracht. Diese beiden Stellungnahmen, deren Inhalt zum Beschwerdevorbringen erhoben werden, sind nachfolgend wiedergegeben:

(Beweis:

Nachsicht im Akt, die beiden Stellungnahmen sind im Asylakt enthalten.)

Erste Stellungnahme vom 10.07.2020:

Am 08.07.2020 um 09:30 Uhr fand im PAZ Hernalser Gürtel eine Einvernahme, Parteiengehör, statt.

Das Protokoll enthält keine Geschäftszahlen. Das Protokoll besitzt auch keine Seitenzahlen.

Der ASt hat offenbar am letzten Wochenende einen nunmehr fünften Asylantrag gestellt.

Die früheren Asylanträge und der letzte, vorherige Asylantrag:

Der ASt ist seit Mai 2013 in Österreich. Mehrere Asylanträge wurde negativ abgeschlossen. Zuletzt war er nicht in der Lage, eine Einvernahme durchzuführen, probierte es aber, und Beamte im PAZ Hernalser Gürtel haben ihm mit einem Rollstuhl zu ADir XXXX gebracht. Diese wollte aber eine Einvernahme nicht durchführen und vermerkte, der ASt wolle dies so.

(Siehe Akt; Stellungnahme vom 16.01.2020 an EAST Ost, ADir XXXX .)

Psychische Verfassung des AW:

Dokumentiert sind mehrere psychische Störungen und Erkrankungen des AW.

Er wurde der Zeuge eines Brandanschlages auf das Flüchtlingsheim in dem er untergebracht war.

Dies dürfte eine Retraumatisierung ausgelöst haben.

Eine Traumakonfrontation im Sinne einer Traumatherapie ist notwendig, kann aber erst nach einer genügenden Stabilisierung begonnen werden.

Ärztliche bestätigt ist auch, dass er gegenwärtig nicht im Stande ist, seine Interessen „in Einvernahmesituationen“ ausreichend wahrzunehmen.

Es spricht einiges dafür, dass er seine Interessen im Asylverfahren nicht eigenständig wahren kann und mehr benötigt als nur das gesetzlich vorgesehene Rechtsberatungsgespräch.

(Siehe Beilage: Befundbericht vom 19.12.2019, Aspis, PH-Prof. MMag. Dr. XXXX .)

Der ASt gibt in der Einvernahme am 08.07.2020 erstmals an, dass er in Nigeria auch aufgrund von religiösen Gründen verfolgt wurde.

Er gibt an, dass er sich die meiste Zeit nicht an Dinge erinnern kann, über die er reden sollte.

(5. Seite im Protokoll, oben.)

Die Referentin bezeichnete es dem ASt gegenüber als nicht nachvollziehbar, warum er das nicht schon früher vorgebracht hatte.

Dabei verkennt die Referentin aber, dass der AW schon seit langer Zeit an psychischen Problemen leidet. Seit wann genau, wurde von der Behörde bislang noch nicht festgestellt. Es wurden keine Erhebungen diesbezüglich angestellt. Dies obwohl die Probleme schon im Vorverfahren offenkundig waren.

Auch der Befundbericht vom 19.12.2019 berichtet von einer Re-Traumatisierung in Österreich, was bedeutet, dass es bereits in der Heimat eine Traumatisierung gab.

(Siehe Beilage: Befundbericht vom 19.12.2019, Aspis, PH-Prof. MMag. Dr. XXXX .)

Alleine schon aufgrund der psychischen Probleme des ASt ist der Sachverhalt einer res iudicata – zumindest im Bereich der Frage des subsidiären Schutzes – nicht verwirklicht.

Da er ASt aktuell anführt, dass er sich die meiste Zeit nicht an Dinge erinnern kann, übe die er reden sollte bzw wollte, zeigt er damit deutlich seine – gegenwärtig jedenfalls andauernden - psychischen Probleme auf.

Die psychischen Probleme sind aktuell auch dadurch nachgewiesen, dass er auch in der Schubhaft in medizinischer (psychologischer) Behandlung ist und auch regelmäßig Medikamente nimmt.

(3. Seite, ganz oben, im Protokoll vom 08.07.2020.)

Das BFA wird sich daher im gegenständlichen Verfahren mit der psychischen Verfassung des BF und der daraus resultierenden Gefährdung im Falle der Rückkehr auseinanderzusetzen haben.

Zentrales Vorbringen des AW zum neuen Asylgesuch:

Der AST bringt vor, dass er Angst wegen der Corona Krise in Nigeria hegt. Der österreichische Außenminister habe vor Reisen nach Nigeria gewarnt und die Situation werde jede Woche schlimmer.

(5. und 6. Seite im Protokoll vom 08.07.2020.)

Damit bringt der ASt eine reale Gefährdung vor. Tatsächlich warnt das österreichische Außenministerium. Auf der offiziellen Webside ist zu lesen:

Stand 10.07.2020 (Unverändert gültig seit: 09.05.2020)

Für ganz Nigeria gilt die Sicherheitsstufe 6 (Reisewarnung). Vor allen Reisen nach Nigeria wird aufgrund der Ausbreitung des Coronavirus (COVID-19) gewarnt.

https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/

Zugriff am 10.07.2020

Das Außenministerium warnt somit mit höchster Sicherheitswarnung vor Reisen nach Nigeria. Begründet ist dies mit der Corona Krise.

Tatsächlich sind die Grenzen Nigerias am Landweg sowie auch alle Flughäfen gesperrt. Dies aufgrund der Ansteckungsgefahr mit dem Covid-19-Virus.

(…)

Der neue Asylantrag wird daher einer neuen inhaltlichen Überprüfung zuzuführen sein.

Zu überprüfen wird jedenfalls sein:

a.

Der psychische Zustand und darauf aufbauend die Zumutbarkeit der Rückführung nach Nigeria.

(…)

b.

Das Vorbringen, wonach der ASt in Nigeria als Christ, der zum Predigen auf die Straßen ging, verfolgt wurde.
(4. Seite, unten, und 5. Seite, im Protokoll vom 08.07.2020.)

Zum letzten Punkt ist insbesondere noch anzuführen:

Die Asylbehörde wird sich mit diesem Punkt zu beschäftigen haben, wenn auch die Verwirklichung dieser Ereignisse chronologisch in die Zeit vor der Rechtskraft des ersten Asylverfahrens fällt.

Diesbezüglich wird auf das Vorabentscheidungsersuchen des VwGH an den EuGH, Ra 2019/14/0006, mit Beschluss vom 18.12.2019 (EU 2019/0008) verwiesen.

Denn da der BF erst jetzt eine religiöse Verfolgung vorbringt, stellt sich die Frage, ob die inhaltliche Prüfung des gegenständlichen Folgeantrages abgelehnt werden kann, obwohl Österreich die Vorschriften des Art 40 Abs 2 und 3 Verfahrensrichtlinie nicht ordnungsgemäß umgesetzt hat.

(…)

Einholung einer konkreten schriftlichen Stellungnahme des Amtsarztes des PAZ zum Gesundheitszustand des AW.

Begründung: bislang wurde von der Behörde nur erhoben, dass der AW Tabletten nimmt und in Behandlung ist. Diesbezüglich ist eine genauere Erhebung notwendig.

Da das BFA eine gerichtsähnliche Spezialbehörde für Asylsachen ist, muss diese Stellungnahme des Amtsarztes dem Vertreter des AW vorgehalten werden.

(vgl. BVwG W161 2008897-1/6E vom 18.02.2015: Ohne nähere Begründung kann die Behörde – insbesondere bei aktenkundigen Erkrankungen – nicht davon ausgehen, dass der Asylwerber an keinen relevanten Erkrankungen leide.

(…)

Beilagen:

Zusammenstellung von Berichten zu Covid-19 in Nigeria

Befundbericht vom 19.12.2019, Aspis, PH-Prof. MMag. Dr. XXXX

Es folgt die Wiedergabe der zweiten Stellungnahme vom 20.07.2020:

(…)

Dazu wird nun ergänzt:

1.

Eine Entscheidung des BFA gibt es offenbar noch nicht.

Am 04.07.2020 wurde der neuerliche Asylantrag eingebracht.

Der AW hat konkret auf ein Vollmachtverhältnis hingewiesen.

(Siehe Protokoll der Erstbefragung: „Besteht ein aufrechtes Vertretungsverhältnis …

Ja, LegalFocus.“

Das BFA hat entsprechend dieser Angabe des AW der Vertretung auch die Ladung zur Einvernahme am 08.07.2020 zugestellt.

Eine Mitteilung dass eine Entscheidung gem § 68 AVG beabsichtigt sei, wurde der Vertretung nicht zugestellt.

Das Verfahren ist daher ex lege bereits durch Verfristung zugelassen.

Die gesetzlichen Bestimmungen sagen nicht, dass man auf eine Zustellung von Mitteilungen, Ladungen etc an die ausgewiesene Rechtsvertretung verzichten darf.

2.

Bezug nehmend auf die Stellungnahme vom 10.07.2020 wird ergänzt, dass die Lage in Nigeria bezüglich der Corona Krise seitens des österreichischen Außenministeriums unverändert dargestellt wird.

Es darf darauf hingewiesen werden, dass Herr Mag. XXXX vom BFA Klagenfurt bislang nicht imstande war, zu erklären, wie denn der Schubhäftling freiwillig ausreisen könnte, wie von diesem Referenten vorgeschlagen wurde.

(Siehe E-Mail vom 25.06.2020 von Mag. XXXX ;

Siehe ebenso E-Mail vom 25.06.2020 von LegalFocus an Mag. XXXX (Antwortmail).

3.

Aktuell spricht der VfGH im Beschuss vom 14.07.2020, GZ E2206/2020-5, davon, dass (sogar) eine negative Entscheidung im Asylverfahren „die Vollzugsbehörde nicht von ihrer Verpflichtung, bei der Durchführung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme Art. 3 EMRK (insbesondere im Hinblick auf die COVID—9-Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers)“ „entbindet“.

4.

Es wird gebeten, die Behörde BFA EAST Ost, ORat XXXX , möge – ggf unter Beratung mit BFA Klagenfurt, OR Mag. XXXX - bis spätestens Mittwoch Vormittag zu den Punkten 1 bis 3 Stellung zu nehmen.

Dazu kommt, dass mehrmals mittels E-Mail angefragt wurde, warum die weitere Anhaltung noch verhältnismäßig sein könnte.

Dabei wurde darauf hingewiesen, dass die Abschiebetermine nach Nigeria storniert wurden (ohne dem BF dies zu erklären) und dass die Grenzen Nigerias als Luftweg als auch am Landwege geschlossen sind.

Mag. XXXX hatte in einer E-Mail geantwortet, dass es dem BF ja jederzeit frei stünde, durch eine freiwillige Ausreise seine Schubhaft zu verkürzen. – Auf die Frage, wie eine freiwillige Ausreise denn momentan möglich sein sollte, wo die Grenzen zu Nigeria geschlossen sind, hat er dann nicht mehr geantwortet.

(Siehe Akt, E-Mail Verkehr zwischen LegalFocus und Mag. XXXX ,

ua 24.06.2020, 25.05.2020)

Das BFA Kärnten konnte auch aktuell nicht darlegen, warum die Schubhaft noch verhältnismäßig ist.

Auch das BFA EAST Ost, (OR XXXX ) konnten nicht darlegen, warum das Asylverfahren noch nicht zugelassen wurde (siehe oben wiedergegebene Stellungnahme, nachdem ex lege bereits eine Zulassung eingetreten ist) und konnte offensichtlich auch noch keine Gründe finden, um den Asylantrag abzuweisen oder zurückzuweisen.

II.

Beschwerdegründe:

Der BF befindet sich in einem offenen Asylverfahren.

Dieses hätte bereits zugelassen werden müssen. Bzw ist es ex lege zugelassen.

Dem BF kommt somit ein aufenthaltsrecht gem dem ASylG zu.

Dies wird von der Behörde nicht berücksichtigt.

Selbst wenn man diese Rechtsmeinung nicht teilen möchte, ist der BF immer noch mindestens in einem offenen Asylverfahren.

Und immer noch verlangt die Corona Krise aktuelle Feststellungen zu Nigeria, so wie dies auch in anderen Asylverfahren vom BVwG praktiziert wird.

So etwa im oben bereits zitierten Verfahren zu einem Nigerianer, GZ I421 2209996-3/13E;

Im Fall und Entscheidung I416 2208740-1/16e vom 23.07.2020 hat die Corona Krise im Zusammenhang mit einer gesundheitlichen Gewährung für sich allein genommen die Gewährung von subsidiären Schutz zur Folge gehabt.)

Es kann somit festgehalten werden, dass das BFA EAST Ost noch der Verpflichtung wird nachkommen müssen, aktuelle Feststellungen zur Nigeria und der Corona Krise ins Verfahren zu führen, zumal der BF u n b e s t r i t t e n an gesundheitlichen, psychischen Problemen leidet.

(Siehe Akt, Befunde die auch oben schon in den Stellungnahmen angegeben werden.)

III.

Die weitere Anhaltung in Schubhaft ist daher unverhältnismäßig.

Das Asylverfahren wird noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Es wird allenfalls an dem BVwG gelegen sein, das Verfahren entsprechend zu ergänzen und eine unabhängige Entscheidung über eine allfällige Beschwerde zu treffen.

III.a.

Wie sich aus der oben wiedergegebenen Stellungnahme ergibt, bedeutet die Vorlage des VwGH an den EuGH dass das Asylverfahren des BF noch umfangreich und inhaltlich zu überprüfen sein wird.

III.b.

Der BF war zuvor an einer privaten Unterkunft wohnhaft. Er wäre bereit allenfalls eine Meldeverpflichtung einzuhalten.

Die Behörde kann aktuell nicht darlegen, warum mit einem gelinderen Mittel nicht das Auslangen gefunden werden könnte. Die Behörde hat dazu seit geraumer Zeit nichs geantwortet.

IV.

Beantragt wird daher, nach mündlicher Verhandlung und Durchführung der beantragten Beweise

1.       die weitere Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären, sowie

2.       der belBeh aufzutragen, die Verfahrenskosten zu ersetzen,

Kosten:

Zum Antrag auf Ersatz des Aufwandes

Gem. § 35 Abs 1 und 4 Z 3 VwGVG stehen der obsiegenden Partei im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt der Ersatz der Aufwendungen gem VwG-Aufwandersatzverodnung (BGBL. II Nummer. 517/2013) zu. Daher beantragt der BF gem § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordung als Ersatz des Schriftsatzaufwandes des BF als obsiegende Partei iHv 737,60 Euro.

Beantragt wird auch der Behörde die Rückerstattung der Eingabegebühr von 30,- Euro aufzutragen.

Für den Fall der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird zusätzlich ein Ersatz des Verhandlungsaufwandes des BF als obsiegende Partei iHv 922,00 Euro beantragt.

Es wird beantragt, das BVwG möge der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gem VwG-Aufwandersatzverordnung auferlegen.

Die Verwaltungsbehörde legte am 03.08.2020 den Schubhaftakt vor und führte in einer Stellungnahme unter anderem aus:

Die letzte HRZ-Urgenz erfolgte am 18.05.2020, an diesem Datum wurde auch festgestellt, dass derzeit keine medizinisch relevanten Umstände bestehen, die die Haftfähigkeit bzw. eine Flugabschiebung in absehbarer Zeit ausschließen würden. Eine mündliche Zusage zur Ausstellung eines Heimreisezertifikates erfolgte und wurde am 25/26. Juli 2020 ein Charterflug nach Nigeria terminisiert. Der Flug wurde aufgrund der COVID 19 Krise storniert.

Auch wenn durch die COVID 19 Krise derzeit noch keine Abschiebung nach Nigeria möglich ist, so ist dennoch mit einer Abschiebung jedenfalls innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer zu rechnen.

Am 04.07.2020 stellte XXXX neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz. Ihm wurde in Folge ein Aktenvermerk gem § 76 Abs 6 Fremdenpolizeigesetz zugestellt.

Die Schubhaft ist weiterhin jedenfalls wegen erheblicher Fluchtgefahr aufrechtzuerhalten, weil aus dem vergangenen und aktuellen Verhalten des Beschwerdeführers mit Sicherheit geschlossen werden kann, dass der Beschwerdeführer seine Abschiebung mit allen Mitteln zu verhindern oder jedenfalls zu behindern beabsichtigt.

Zwar ist der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten keine Abschiebung des Beschwerdeführers möglich wäre, sind nicht gegeben.

Somit sieht das BFA, Kärnten, die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft über einen längeren Zeitraum als vier Monate als gegeben. Seitens des BFA wird bei der nigerianischen Botschaft betreffend der Ausstellung eines HRZ regelmäßig urgiert. Dass die nigerianischen Behörden HRZ ausstellen, ist amtsbekannt. Eine mündliche Zusage erfolgte bereits. Aktuell werden lediglich HRZ-Zustimmungen von der nig. Botschaft erteilt. HRZ-Ausstellungen werden, sobald Flüge nach Nigeria wieder möglich sind, erfolgen.

Daher ist mit einer zeitnahen Abschiebung – jedenfalls binnen der zulässigen Höchstgrenzen der Schubhaftdauer – zu rechnen.

Da nunmehr die rechtliche Vertretung kurz nach der letzten Entscheidung des BVwG vom 23.07.2020 neuerlich eine Schubhaftbeschwere eingebracht hat, wird auf das Erkenntnis vom 23.07.2020 unter W278 2227983-6/7E verwiesen, wobei sich seither keine wesentlichen Änderungen ergeben haben.

Es wird beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge

1.       die Beschwerde als unbegründet abweisen unzulässig zurückzuweisen,

2.       gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen,

den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.“

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Feststellungen:

Verfahrensgang und die vom Bundesverwaltungsgericht im oben angeführten Vorerkenntnis vom 23.07.2020 getroffenen und im Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Der Beschwerdeführer ist auch aktuell haftfähig und „subjektiv beschwerdefrei, medikamentös gut eingestellt (muskuläre Verspannung und Schlafstörungen)“.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich des dargestellten Verfahrensganges und der vom Vorerkenntnis übernommenen Feststellungen ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichtes im angeführten Vorerkenntnis vom 23.07.2020 zu verweisen, die Beschwerdeausführungen, die sich sämtlich auf einen Zeitraum vor Erlassung des Vorerkenntnisses beziehen, vermögen für den aktuellen ab 31.07.2020 verstrichenen Zeitraum keine neuen Umstände aufzeigen, die zu einer vom Vorerkenntnis abweichenden Beurteilung führen könnten.

Insbesondere ist auf die den aktuellen Gesundheitsbefund vom heutigen Tag hinzuweisen, wonach der Beschwerdeführer weiterhin haftfähig ist; der zuständige Amtsarzt attestierte dem Beschwerdeführer den im Rahmen der Feststellung zitierten beschwerdefreien Zustand.

Weder zeigt also die Beschwerde Mängel der seit Erlassung des Vorerkenntnisses währenden Anhaltung noch sind von Amts wegen irgendwelche Umstände eingetreten, welche, Fluchtgefahr, Haftfähigkeit und Durchführbarkeit der Abschiebung betreffend, für die Beendigung der Schubhaft sprechen würden.

In letzterem Zusammenhang ist den zutreffenden Ausführungen der Verwaltungsbehörde im Rahmen ihrer aktuellen Stellungnahme nichts hinzuzufügen:

„Zwar ist der Flugverkehr und die transnationale Bewegungsfreiheit weiterhin eingeschränkt. Anhaltspunkte, dass innerhalb der Schubhafthöchstdauer von 18 Monaten keine Abschiebung des Beschwerdeführers möglich wäre, sind nicht gegeben.

Somit sieht das BFA, Kärnten, die Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft über einen längeren Zeitraum als vier Monate als gegeben. Seitens des BFA wird bei der nigerianischen Botschaft betreffend der Ausstellung eines HRZ regelmäßig urgiert. Dass die nigerianischen Behörden HRZ ausstellen, ist amtsbekannt. Eine mündliche Zusage erfolgte bereits. Aktuell werden lediglich HRZ-Zustimmungen von der nig. Botschaft erteilt. HRZ-Ausstellungen werden, sobald Flüge nach Nigeria wieder möglich sind, erfolgen.

Daher ist mit einer zeitnahen Abschiebung – jedenfalls binnen der zulässigen Höchstgrenzen der Schubhaftdauer – zu rechnen.”

Da der Sachverhalt als geklärt anzusehen war, war von der Durchführung einer Verhandlung Abstand zu nehmen.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A I. – (Anhaltung in Schubhaft ab Beschwerdeerhebung)

Da die Beschwerde in ihrem Antrag die „Erklärung der weiteren Anhaltung für rechtswidrig“ – ohne jede Zeitangabe – begehrt, ergibt sich im Zusammenhalt mit der Eingabe der Beschwerde am 31.07.2020 ein Prüfrahmen ab dem 31.07.2020.

Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr.

100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1.       dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2.       dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3.       die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2.       ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3.       ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4.       ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5.       ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6.       ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a.       der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder

der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b.       der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7.       ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8.       ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9.       der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4)    

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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