TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/27 97/10/0119

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Veröffentlicht am 27.10.1997
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Index

80/02 Forstrecht;

Norm

ForstG 1975 §17 Abs1;
ForstG 1975 §17 Abs2;
ForstG 1975 §17 Abs3;
ForstG 1975 §170 Abs8;
ForstG 1975 §19 Abs11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Suda, über die Beschwerde des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, gegen den Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg

vom 4. April 1997, Zl. 1/01/46447/96/29, betreffend Rodungsbewilligung (mitbeteiligte Partei: M & Co in Salzburg, vertreten durch Dr. Jürgen Hinterwirth, Rechtsanwalt in Salzburg, Nonntaler Hauptstraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadt Salzburg vom 4. April 1997 wurde der mitbeteiligten Partei die befristete Bewilligung zur Rodung einer näher beschriebenen Fläche im Ausmaß von 1.650 m2 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt. Begründend wurde - nach Wiedergabe des Verfahrensablaufes - im wesentlichen ausgeführt, die mitbeteiligte Partei habe als öffentliches Interesse an der beantragten Rodung die betriebliche Erweiterung der Beschlägefabrik, insbesondere die Notwendigkeit der Errichtung von Pkw-Abstellplätzen und Lagerflächen geltend gemacht. Alle Bemühungen, auf Nichtwaldboden Parkraum zu schaffen oder anzumieten, seien erfolglos geblieben. Das von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte öffentliche Interesse am beantragten Rodungszweck werde durch die klare Stellungnahme der Stadt Salzburg bestätigt, die die Rodung befürwortet und dies mit der notwendigen Sicherung des Wirtschaftsstandortes Salzburg begründet habe. Diesem öffentlichen Interesse an der Schaffung von Mitarbeiterparkplätzen bzw. Lagerflächen stehe das öffentliche Interesse an der Walderhaltung entgegen. Die Amtssachverständige für die örtliche Raumplanung habe in ihrem die Rodung ablehnenden Gutachten auf den Wert der örtlichen Waldfläche mit ihrer Wohlfahrts- und Erholungsfunktion verwiesen, der in allen bisher gültigen Planungsgrundlagen und raumordnungspolitischen Beschlüssen stets dokumentiert worden sei. In diesem Sinne sei auch einer im Jahre 1994 von der mitbeteiligten Partei beantragten Ausweisung als Gewerbegebiet nicht entsprochen worden. Dem näher dargelegten - die Rodung ebenfalls ablehnenden - forsttechnischen Gutachten sei unter anderem zu entnehmen, daß die betrieblich notwendige Erweiterung der mitbeteiligten Partei, die aufgrund der räumlichen und besitzrechtlichen Gegebenheiten immer nur auf Waldboden habe erfolgen können, schon in den bisherigen Rodungsverfahren der Jahre 1977, 1979, 1980, 1987 und 1990 ein stetes inhaltliches Konfliktpotential und Anlaß für politische Interventionen gebildet hätte. Die bisherigen fachlichen Einschätzungen aus gutachterlicher Sicht (Forsttechnik, Raumplanung) und die Stellungnahmen der Stadtgemeinde Salzburg hätten in diesen Verfahren stets die hohe Wertigkeit der örtlichen Waldausstattung (soziale Waldfunktionen wie Wohlfahrts- und Erholungsfunktion) betont und trotz aller Akzeptanz der betrieblich-wirtschaftlichen Überlegungen der mitbeteiligten Partei bereits im Jahre 1980 eine weitere Inanspruchnahme von Waldflächen entschieden abgelehnt. Mit dem nunmehrigen Rodungsantrag solle jedoch genau der bereits im Jahre 1980 einvernehmlich zwischen dem Grundeigentümer und der Behörde vereinbarte Verzicht auf weitere Rodungsflächen revidiert und der bereits im Jahre 1977 angestrebte Endausbau der Betriebsliegenschaft abgeschlossen werden. Diese forstpolitische Problemstellung werde auch in dem von der mitbeteiligten Partei vorgelegten Privatgutachten anerkannt. Dessen ungeachtet würden diese gutachtlichen Überlegungen und die Argumente der Wirtschaftskammer Salzburg (die nach Auffassung der Behörde nur vordergründig zutreffend seien) empfehlen, dem Rodungsantrag zu entsprechen. Allerdings ergäben sich für die Behörde aus dem forsttechnischen Privatgutachten (zusammenfassend) keine zwingenden Argumente, die für eine Rodung und gegen die Erhaltung der örtlichen Waldausstattung sprächen. Auch die angebotene Ersatzaufforstungsfläche sei nur bedingt geeignet, die lokale Wohlfahrtsfunktion auszugleichen; die geschmälerte Erholungsfunktion bliebe gegeben. In ihren Stellungnahmen hätten die mitbeteiligte Partei und der Privatgutachter aber auf eine der Stadtgemeinde Salzburg im Jahre 1990 in unmittelbarer Nähe (ca. 700 m nördlich) erteilte Rodungsbewilligung für 14.000 m2 Waldboden zur Anlage eines Park & Ride Parkplatzes hingewiesen. Es sei zutreffend, daß für die Errichtung des Park & Ride Parkplatzes Salzburg-Süd zwei befristete Rodungsbewilligungen (insgesamt 17.820 m2) erteilt worden seien. Diese - im Sinne des städtischen Verkehrskonzepts getroffenen - Entscheidungen würden durch ein derzeit vor dem Abschluß stehendes Verfahren auf Erteilung einer unbefristeten Rodungsbewilligung zur Errichtung eines Parkplatzes (ohne spezielle Park & Ride Funktion) indirekt Bedeutung für den inhaltlich vergleichbaren, jedoch flächenmäßig unvergleichlich geringeren Rodungsantrag der mitbeteiligten Partei gewinnen. Da für die Umwandlung des Park & Ride Parkplatzes (mit Anbindung an das städtische Obusnetz) in einen reinen Park- und Abstellplatz (Reisebusse) trotz der positiven, aber nicht unkritischen (Raumplanung, Verkehr) und negativen (Forst-, Naturschutz) gutachtlichen Einschätzungen eine Weisung auf Erlassung eines Rodungsbescheides (bei Vorschreibung einer Ersatzaufforstungsfläche) vorliege, wäre aus der Sicht der Behörde eine Versagung des Rodungsantrages der mitbeteiligten Partei unverständlich und in Widerspruch zum Gleichheitsgrundsatz. Es wäre zudem völlig unlogisch und sachlich nicht nachvollziehbar, wenn die Forstbehörde ein Rodungsansuchen für 1.650 m2 negativ bescheiden wollte, das in unmittelbarer Nähe situierte Projekt der Stadtgemeinde Salzburg mit dem 11-fachen Waldflächenbedarf aber bewilligen. Die Forstbehörde sei daher - trotz der ausführlich dargelegten sachlichen Vorbehalte und grundsätzlichen Bedenken aus raumplanerischer und forsttechnischer Sicht - dem Rodungsantrag der mitbeteiligten Partei unter Berücksichtigung der vom Amtssachverständigen vorgeschlagenen Auflagen, insbesondere der Vorschreibung einer 2.000 m2 großen Ersatzaufforstungsfläche gefolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft gemäß § 170 Abs. 8 ForstG unter Anschluß der Verwaltungsakten erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.

Auch die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft beantragt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes, in eventu wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er bringt hiezu im wesentlichen vor, die mit dem angefochtenen Bescheid erteilte Rodungsbewilligung entbehre jeglicher, den Anforderungen des § 17 ForstG entsprechender Begründung. So sei aus der Feststellung, es sprächen keine zwingenden Argumente für eine Rodung bzw. gegen die Erhaltung der örtlichen Waldausstattung, zu schließen, daß das öffentliche Interesse an der Walderhaltung das öffentliche Interesse am beantragten Rodungszweck überwiege. Dazu stehe aber die spruchgemäße Erteilung der Rodungsbewilligung in Widerspruch. Zum anderen könne die nach Maßgabe des § 17 ForstG durchzuführende Interessenabwägung durch den Umstand, daß in einem anderen Rodungsverfahren von der belangten Behörde eine Rodungsbewilligung erteilt worden sei, nicht ersetzt werden; der Hinweis, die beantragte Rodungsbewilligung müsse in Entsprechung des Gleichheitsgrundsatzes erteilt werden, sei - abgesehen davon, daß sich der herangezogene Vergleichsfall schon nach dem Rodungszweck inhaltlich unterscheide - nicht nachvollziehbar.

Gemäß § 17 Abs. 1 ForstG ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur (Rodung) verboten. Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 1 kann die gemäß § 19 Abs. 1 ForstG zuständige Behörde eine Bewilligung zur Rodung gemäß § 17 Abs. 2 ForstG erteilen, wenn ein öffentliches Interesse an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche das öffentliche Interesse an der Erhaltung dieser Fläche als Wald überwiegt.

Öffentliche Interessen im Sinne des Abs. 2 sind gemäß § 17 Abs. 3 ForstG insbesondere in der umfassenden Landesverteidigung, im Eisenbahn-, Luft- und öffentlichen Straßenverkehr, im Post- und öffentlichen Fernmeldewesen, im Bergbau, im Wasserbau, in der Energiewirtschaft, in der Agrarstrukturverbesserung sowie im Siedlungswesen begründet.

Gemäß § 19 Abs. 11 ForstG sind Bescheide, mit denen eine Rodungsbewilligung erteilt wird, auch dann zu begründen, wenn dem Antrag vollinhaltlich Rechnung getragen wird.

Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung des Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.

Die Erteilung einer Rodungsbewilligung ist aufgrund dieser Bestimmungen nur dann gerechtfertigt, wenn an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche ein öffentliches Interesse besteht, das so beschaffen ist, daß es das öffentliche Interesse an der Walderhaltung überwiegt. Die Forstbehörde ist daher verpflichtet, gestützt auf entsprechende Ermittlungsergebnisse in einer der nachprüfenden Kontrolle zugänglichen Weise darzutun, ob und inwiefern am dargelegten Rodungszweck ein öffentliches Interesse besteht und gegebenenfalls, ob und aus welchen Gründen dieses öffentliche Interesse jenes an der Erhaltung der zur Rodung beantragten Fläche als Wald überwiegt (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 1997, Zl. 95/10/0217).

Demgegenüber wird im angefochtenen Bescheid nicht einmal behauptet, es sei die Tatbestandsvoraussetzung des überwiegenden öffentlichen Interesses an einer anderen Verwendung der zur Rodung beantragten Fläche erfüllt. Die belangte Behörde geht zwar unter Hinweis auf die Stellungnahme der Stadtgemeinde Salzburg davon aus, der von der mitbeteiligten Partei geltend gemachte Rodungszweck liege im öffentlichen Interesse. Dieser Stellungnahme zufolge entspräche die Entwicklung und das Unternehmensleitbild der mitbeteiligten Partei den Zielen des vom Gemeinderat beschlossenen räumlichen Entwicklungskonzeptes und des wirtschaftspolitischen Leitbildes vollinhaltlich und liege die Schaffung der von der mitbeteiligten Partei dringend benötigten Mitarbeiterparkplätze auf dem Betriebsgelände im öffentlichen Interesse, weil dadurch die stadteigenen Parkplätze am 900 m entfernt gelegenen Park & Ride Parkplatz Salzburg-Süd nicht mehr durch Arbeitnehmer der mitbeteiligten Partei belegt würden. Ob die beantragte Rodung - ungeachtet des Umstandes, daß die in Rede stehende Grundfläche dem Gutachten der Amtssachverständigen für Raumplanung zufolge im Flächenwidmungsplan der Stadt Salzburg als Grünland - ländliches Gebiet ausgewiesen ist - im öffentlichen Interesse an der Sicherung des Wirtschaftsstandortes Salzburg-Stadt liegt, kann mangels näherer - fachlich fundierter - Begründung nicht beurteilt werden. Der Umstand, daß ein stadteigener Parkplatz nicht mehr durch Fahrzeuge von Mitarbeitern der mitbeteiligten Partei belegt wird, reicht für sich jedenfalls nicht aus, um eindeutig ein öffentliches Interesse im Sinne des § 17 Abs. 3 ForstG erkennen zu können. Aber selbst wenn es gegeben wäre, fehlte es dem angefochtenen Bescheid an Darlegungen, daß und aus welchen Gründen dieses Interesse ein das Walderhaltungsinteresse überwiegendes wäre. Vielmehr begründet die belangte Behörde ihre Entscheidung, der mitbeteiligten Partei die beantragte Rodungsbewilligung zu erteilen, ausschließlich damit, eine Versagung der Bewilligung wäre wegen der (bevorstehenden) Erteilung der Rodungsbewilligung in einem anderen Rodungsverfahren "unverständlich und dem Gleichheitsgrundsatz widersprechend", "völlig unlogisch und sachlich unnachvollziehbar".

Indem sie daher vermeinte, die beantragte Rodungsbewilligung sei bereits aus diesem Grund und ohne Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 2 ForstG zu erteilen gewesen, hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, was gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG - ohne auf das übrige Beschwerdevorbringen einzugehen - zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997100119.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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