TE Vwgh Erkenntnis 1997/10/28 97/04/0128

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Veröffentlicht am 28.10.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

GewO 1994 §353;
GewO 1994 §77;
GewO 1994 §81;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Griesmacher und die Hofräte DDr. Jakusch, Dr. Gruber, Dr. Stöberl und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Marihart, über die Beschwerde des Josef und der Anneliese V, beide in L, beide vertreten durch Dr. A und Dr. N, Rechtsanwälte in B, Kornmarktplatz 5, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23. Mai 1997, Zl. VIb-221/532-96, betreffend Verfahren gemäß § 81 GewO 1994 (mitbeteiligte Partei: "L" Cafe-Restaurant Gesellschaft m.b.H. in H, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.740,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Landeshauptmannes von Vorarlberg vom 23. Mai 1997 wurde der mitbeteiligten Partei gemäß den §§ 81, 77 und 353 ff GewO 1994 in Verbindung mit den §§ 93 und 99 ASchG auf Grundlage der vorgelegten Plan- und Beschreibungsunterlagen sowie der im Bescheidspruch enthaltenen ergänzenden Betriebsbeschreibung die gewerbebehördliche Genehmigung für diverse bauliche Änderungen sowie sonstige Umstellungen im betrieblichen Ablauf des näher bezeichneten Gastgewerbebetriebes unter Vorschreibung zahlreicher Auflagen erteilt. Gleichzeitig wurden Einwendungen von Nachbarn teils ab-, teils zurück-, teils auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Zur Begründung führte der Landeshauptmann nach Darstellung des sonstigen Verfahrensganges im wesentlichen aus, der medizinische Amtssachverständige habe zunächst, gestützt auf das Gutachten des gewerblichen Amtssachverständigen vom 26. November 1996, in seinem Gutachten u. a. ausgeführt, im Wohnbereich der Beschwerdeführer sei für die Zeit von 03.00 bis 04.00 Uhr morgens ein sehr niedriger Grundgeräuschpegel (24 dB) meßtechnisch erhoben worden. Die zu errichtende Schallschutzmauer könne diesen Nachbarn gegenüber eine Schirmwirkung gegenüber Lärmereignissen aus der gegenständlichen Betriebsanlage von ca. 10 dB bewirken. Dadurch werde die Gesamtschallimmission bei den Beschwerdeführern nicht erhöht. Was die Schallpegelspitzen betreffe, so dürfte bei ihnen in der Zeit zwischen 01.00 bis 03.00 Uhr ein Spitzenpegel von 50 dB nicht überschritten werden. Tatsächlich seien aber auch unter Berücksichtigung der Lärmschutzmauer für den angegebenen Zeitraum Schallpegelspitzen, hervorgerufen durch Gäste der Betriebsanlage im Freien von 42 bis 55 dB zu erwarten. Somit könne es bei den Beschwerdeführern trotz Errichtung der Lärmschutzmauer zu Übertretungen der zulässigen Schallpegelspitzen um bis zu 5 dB kommen. Da der Beurteilungspegel als Einzahlangabe - aus dem äquivalenten Dauerschallpegel abgeleitet - nicht mehr die Höhe, Anzahl und zeitliche Anordnung einzelner Schallpegelspitzen zeige, sei es insbesondere bei der Beurteilung von nächtlichen Lärmstörungen notwendig, auftretende Schallpegelspitzen bei der Beurteilung zusätzlich zu berücksichtigen. Wie die Beurteilung des gewerbetechnischen Amtssachverständigen ergeben habe, komme es bei den nächsten Wohnnachbarn zu mehr oder weniger deutlichen Überhöhungen der zulässigen Schallpegelspitzen, welche zu Schlafstörungen und bei Monate bis Jahre andauernder Einwirkung auch zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen könnten. Bei der gegenständlichen Betriebsanlage sei es bereits im Jahre 1994 zu erheblichen Lärmstörungen gekommen und es seien solche auch bei projektsgemäßer Ausführung in Zukunft zu erwarten. Die mitbeteiligte Partei habe in Erwiderung dieses Gutachtens ein Privatgutachten vorgelegt, aus dem sich ergebe, daß in Wahrheit die Grenze von 50 dB überschreitende Schallpegelspitzen nicht zu erwarten seien. Daraufhin habe die belangte Behörde unter Zuziehung des gewerbetechnischen und des medizinischen Amtssachverständigen eine Besprechung für den 11. April 1997 anberaumt. Im Zuge dieser Besprechung habe der gewerbetechnische Amtssachverständige ausgeführt, im seinerzeitigen Gutachten vom 1. Februar 1996 sei festgehalten worden, es würden beim Wohnhaus der Beschwerdeführer ohne Lärmschutzwand durch Gäste vor dem Lokal Schallpegelspitzen im Bereich von 52 bis 65 dB auftreten. Dazu sei festzuhalten, daß anläßlich der Kurzzeitmessung vom 26. Jänner 1996 diese Schallpegelspitzen meßtechnisch erfaßt worden seien. Die Schallpegelspitze mit 65 dB sei dabei um 00.30 Uhr ein einziges Mal während der Dauer von 5 Sekunden aufgetreten. Für die restlichen Schallpegelspitzen seien geringere Werte erfaßt worden, wobei der L1 (mittlerer Spitzenpegel) einen Betrag von 52 dB erreicht habe. Dieser Pegel sei charakterisiert als der in 1 % der Meßzeit überschrittene Schallpegel. Er kennzeichnet die wiederholt auftretenden mittleren Schallpegelspitzen. In der Zeit zwischen 23.46 bis 01.10 Uhr seien solche Schallpegelspitzen sechsmal wahrnehmbar aufgetreten, sodaß sie meßtechnisch gesondert hätten erfaßt werden können. Durch die Lärmschutzwand würden diese Schallpegelspitzen um 9 dB verringert, sodaß der L1 nunmehr einen Wert von 43 dB erreichen werde. Demgegenüber erreichten die Schallpegelspitzen durch Pkw-Vorbeifahrten beim Wohnhaus der Beschwerdeführer einen L1 von 62 dB. Bezüglich des Grundgeräuschpegels könne festgehalten werden, daß bei der Langzeitmessung vom 11. Jänner bis 16. Jänner 1996 in den Nächten von Sonntag auf Montag und von Montag auf Dienstag in der Zeit zwischen 01.00 bis 02.00 Uhr ein Grundgeräuschpegel von 25 dB habe meßtechnisch erfaßt werden können. In den restlichen Nächten habe der Grundgeräuschpegel einen Wert von 32 bzw. 35 dB erreicht. Die Abweichung sei durch die unterschiedliche Verkehrsbelastung zu erklären. Auf diesem ergänzten gewerbetechnischen Gutachten aufbauend habe der medizinische Amtssachverständige ausgeführt, beim Wohnhaus der Beschwerdeführer liege der durchschnittliche gemessene Grundgeräuschpegel bei ca. 30 dB und der L1 bei 52 dB. Auf Grund dieses Sachverhaltes sei unter Berücksichtigung der zu installierenden Lärmschutzwand für den nächsten Wohnnachbarn keine unzumutbare Belästigung zu erwarten. Die von der in Rede stehenden Gastgewerbebetriebsanlage hervorgerufenen Belästigungen, Beeinträchtigungen etc. seien für die Nachbarn somit aus medizinischer Sicht nicht als unzumutbar anzusehen, sofern bestimmte Auflagen (die in der Folge in den Spruch des angefochtenen Bescheides Eingang fanden) eingehalten würden. Von diesen Ermittlungsergebnissen ausgehend gelangte der Landeshauptmann zu dem Ergebnis, daß bei Einhaltung der Auflagen bei Betrieb der in Rede stehenden Betriebsanlage Gefährdungen im Sinne des § 74 Abs. 2 Z. 1 GewO 1994 nicht eintreten und diesbezügliche Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des § 74 Abs. 2 bis 5 leg. cit. auf ein zumutbares Maß beschränkt würden, weshalb die beantragte Genehmigung zu erteilen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachten sich die Beschwerdeführer nach ihrem gesamten Vorbringen aus den in der Gewerbeordnung erfließenden Nachbarrechten verletzt. In Ausführung des so zu verstehenden Beschwerdepunktes machen sie unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend, es begründe eine Verletzung ihrer Parteienrechte, daß sie zu der bei der belangten Behörde abgehaltenen Verhandlung vom 11. April 1997 nicht zugezogen worden seien. In dieser Verhandlung seien nicht nur neue Tatsachen und Beweismittel für das neue Verfahren erzielt worden, sondern es habe auch eine Erörterung der Berufungen stattgefunden, und zwar zwischen der "Berufungsgegenseite" und der entscheidenden Behörde. Dies führe dazu, daß "seitens der Berufungsbehörde die Berufungsgegenseite den Beschwerdeführern gegenüber die Präferenz vor ihnen gegeben wurde". Dies stehe nicht im Einklang mit den geltenden Verfahrensgesetzen. Die Beschwerdeführer hätten zu diesem Termin geladen werden müssen, damit sie ebenfalls die anwesenden Gutachter hätten befragen können. Mit der Übermittlung des Verhandlungsergebnisses sei jedenfalls dem Parteiengehör nicht Genüge getan. Unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit bringen sie vor, es sei festzuhalten, daß der medizinische Sachverständige sein Gutachten offensichtlich zu revidieren gewünscht habe und nunmehr jedoch tatsächlich von unrichtigen Voraussetzungen ausgehe. In der Beschwerde wird dazu folgendes wörtlich ausgeführt:

"In der niederschriftlichen Protokollierung der Verhandlung bei der BH Bregenz vom 1.2.1996 geht aus den tatsächlich gemessenen durchschnittlichen Werten ein Grundgeräuschpegel von nicht mehr als 30 dB hervor, sondern vielmehr 47 bis 52 dB im Zeitraum von 22.00 bis 04.00 Uhr. Dieser liegt weit über dem nachbarschaftlich zumutbaren Geräuschpegel unter Berücksichtigung der ortsüblichen Verhältnisse."

Jedenfalls vermöge das ergänzende Gutachten des gewerbetechnischen Sachverständigen nicht das Gutachten des medizinischen Sachverständigen umzustürzen. Die Gefährdung der Gesundheit der Beschwerdeführer sei auch bei Einhaltung der vorgeschriebenen Auflagen nach wie vor gegeben, da eine massive Einwirkung auf den menschlichen Organismus - auch bei Errichtung der Lärmschutzmauer - gegeben sei. Die Art und Nachhaltigkeit der Lärmimmission gehe über eine bloße Belästigung "im nachbarschaftlichen Sinne" weit hinaus und sei seitens der Beschwerdeführer keinesfalls zu dulden.

Mit dem die Vorgänge in der Verhandlung am 11. April 1997 betreffenden Vorbringen vermögen die Beschwerdeführer schon deshalb eine zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führende Rechtswidrigkeit nicht darzutun, weil gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG nicht jeder der belangten Behörde unterlaufene Verfahrensverstoß zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof zu führen hat, sondern nur ein solcher, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können. Ist letzteres nicht offenkundig, ist es Sache des Beschwerdeführers, diese Relevanz des Verfahrensverstoßes darzutun. Auf den konkreten Fall bezogen, wäre es daher Sache der Beschwerdeführer gewesen, darzulegen, welches Vorbringen sie erstattet bzw. welche Fragen sie an die Sachverständigen gestellt hätten oder zu welchen sonstigen anderen Feststellungen die belangte Behörde gekommen wäre, wären die Beschwerdeführer dieser Verhandlung beigezogen worden. Mangels eines derartigen Vorbringens vermag der Verwaltungsgerichtshof die Relevanz des geltend gemachten Verfahrensverstoßes nicht zu erkennen.

Das (fälschlicherweise) unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit gegen die Richtigkeit des von der belangten Behörde eingeholten medizinischen Sachverständigengutachtens erstattete Vorbringen ist für den Verwaltungsgerichtshof schlicht unverständlich. Den Beschwerdeführern ist hier offensichtlich eine Verwechslung von Grundgeräuschpegel und Beurteilungspegel unterlaufen. Der Verwaltungsgerichtshof vermag daher die behauptete Unschlüssigkeit dieses Gutachtens nicht zu erkennen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997040128.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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