TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/23 I422 2232075-1

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Veröffentlicht am 23.06.2020
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Entscheidungsdatum

23.06.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs3
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §67
FPG §70 Abs3
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I422 2232075-1/4Z

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Thomas BURGSCHWAIGER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Kroatien, vertreten durch Rechtsanwalt Christian HIRSCH, Hauptplatz 28, 2700 Wiener Neustadt, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl 02.05.2020, Zl. 131936902/171082142, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids) wird Folge gegeben und dieser Spruchpunt ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer ist ein kroatischer Staatsangehöriger. Er wurde erstmalig am 22.06.1993 melderechtlich im Bundesgebiet erfasst und hält sich seither mit mehrfachen und mehrjährigen Unterbrechungen im Bundesgebiet auf. Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 19.01.2018 durchgehend im Bundesgebiet auf.

Der Beschwerdeführer weist im Bundesgebiet insgesamt vier strafgerichtliche Verurteilungen auf, wobei er zuletzt mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 24.07.2018, zu 072 Hv 83/18d wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 zweiter und dritter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG sowie des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 fünfter Fall und Abs. 4 Z 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt wurde. Seine Haftstrafe verbüßt der Beschwerdeführer derzeit in der Justizanstalt Stein.

Aufgrund seines strafrechtlich relevanten Verhaltens des Beschwerdeführers erließ die belangte Behörde über ihn gemäß § 67 Abs. 1 und 3 FPG ein befristetes Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren (Spruchpunkt I.), erteilte gemäß § 70 Abs. 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt II.) und erkannte einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt III.). Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung wurde mit der Notwendigkeit der sofortigen Durchsetzbarkeit und der sofortigen Ausreise des Beschwerdeführers begründet. Er habe sich nur kurz im Bundesgebiet aufgehalten und sei dabei von einem inländischen Gericht zu einer beträchtlichen Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Jahren verurteilt worden. Dabei habe er sich durch den Suchtgifthandel unrechtmäßig zu bereichern versucht. Er habe weder familiäre, berufliche noch soziale Bindungen, die gegen die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes sprechen würden. Er verfüge über keine aufrechte Unterkunft, die er aus eigenen Mitteln finanzieren könne. Zudem habe er im Bundesgebiet auch keine Aussicht auf eine legale und regelmäßige Arbeit. In einer Gesamtbetrachtung verletzte sein Verhalten massiv und nachhaltig das Grundinteresse der Gesellschaft und hätten sich im Zuge der Prüfung des Aufenthaltsverbotes keine Gründe ergeben, die gegen die sofortige Umsetzung des Aufenthaltsverbotes sprechen würden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen auf Behebung des Bescheides bzw. auf Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes, in eventu die Beschränkung des Einreiseverbotes auf die Dauer von zwei Jahren; in eventu die Erteilung eines Durchsetzungaufschubes; in eventu die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und in eventu die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung bei gleichzeitiger Ladung der Mutter und der Schwester des Beschwerdeführers als Zeugen. Der Beschwerdeführer bringt dazu zusammengefasst vor, dass im angefochtenen Bescheid nicht näher darauf eingegangen wird, weshalb vom Beschwerdeführer eine Gefährdung ausgehe. Mit den einzelnen Urteilsfeststellungen, den Motiven und den Erschwernis- und Milderungsgründen habe sich die belangte Behörde nicht auseinandergesetzt. Er sei vor mehr als 30 Jahren nach Österreich eingereist, sei hier aufgewachsen sei und habe in Österreich sein soziales Umfeld. Demgegenüber verfüge er in seinem Herkunftsstaat über keine sozialen und auch über keine beruflichen Anknüpfungspunkte. Bei einer ordnungsgemäßen Interessensabwägung hätte ein überwiegen der privaten und familiären Interessen festgestellt werden müssen. Abgesehen davon, dass das Aufenthaltsverbot in der Dauer von zehn Jahren somit dem Grunde nach nicht angebracht sei, sei es auch hinsichtlich der Dauer als weit überhöht anzusehen. Hinsichtlich der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verweist der Beschwerdeführer im Wesentlichen ergänzend, dass die kranke in Österreich lebende Mutter seiner Unterstützung bedürfe. Zudem sei auch er bis zur Beschäftigungsaufnahme finanziell von ihr abhängig.

Die belangte Behörde legte die Beschwerde dem Bundesverwaltungsgericht mit dem Antrag vor, sie als unbegründet abzuweisen.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der für die Frage der aufschiebenden Wirkung maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Akten des Verwaltungsverfahrens, dem Beschwerdevorbringen sowie aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Strafregister und dem Fremdenregister (IZR). Da die Beweisergebnisse keine entscheidungswesentlichen Widersprüche aufweisen, erübrigt sich eine eingehendere Beweiswürdigung.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Die Beschwerde richtet sich (unter anderem) gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids, mit dem die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Das Bundesverwaltungsgericht hat darüber gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu entscheiden.

Gemäß § 18 Abs. 3 BFA-VG kann die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen ein Aufenthaltsverbot aberkannt werden, wenn die sofortige Ausreise der betroffenen EWR-Bürger oder die sofortige Durchsetzbarkeit im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich ist. Die Aberkennung bedarf - insbesondere angesichts der weitreichenden damit verbundenen Konsequenzen - einer entsprechend sorgfältigen, einzelfallbezogenen Begründung. Sie darf nicht ausschließlich darauf gestützt werden, dass die Voraussetzungen für die Erlassung eines Aufenthaltsverbots erfüllt sind. Die Behörde muss vielmehr nachvollziehbar darlegen, warum darüber hinaus die sofortige Ausreise des BF geboten ist.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht einer Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, diese binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit stützt, genau zu bezeichnen.

Der Eintritt der Durchsetzbarkeit des Aufenthaltsverbots ist gemäß § 70 Abs. 1 letzter Satz FPG für die Dauer eines Freiheitsentzuges aufgeschoben, auf den wegen einer mit Strafe bedrohten Handlung erkannt wurde; dazu gehört auch der Maßnahmenvollzug gemäß § 21 Abs. 1 StGB. Eine Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßnahmenvollzug setzt wiederum voraus, dass das Vollzugsgericht zu dem Ergebnis kommt, dass die Gefährlichkeit, gegen die sich die Maßnahme richtet, nicht mehr besteht (§ 47 Abs. 2 StGB).

Da eine Entlassung des Beschwerdeführers aus dem Maßnahmenvollzug derzeit nicht absehbar ist, ist es nicht notwendig, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung abzuerkennen. Aufgrund seines sich aus der Aktenlage ergebenden langjährigen Aufenthaltes in Österreich und des Umstandes, dass nicht hinreichend geklärt ist, ob und in welcher Intensität er in Österreich über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt, besteht bei seiner Abschiebung nach Kroatien überdies die Gefahr einer Verletzung seiner nach Art 8 EMRK geschützten Rechte, worauf die Beschwerde zu Recht hinweist. Aus diesen Gründen ist Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheids zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Eine mündliche Verhandlung entfällt gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision nach Art 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig, weil es sich um eine Einzelfallentscheidung handelt und das Bundesverwaltungsgericht keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte.

Schlagworte

Aufenthaltsverbot aufschiebende Wirkung ersatzlose Teilbehebung Interessenabwägung Kassation Privat- und Familienleben private Interessen Provisorialverfahren Spruchpunktbehebung Straffälligkeit Suchtgifthandel Suchtmitteldelikt Verbrechen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I422.2232075.1.00

Im RIS seit

14.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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