TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/29 I409 2231166-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.05.2020
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Entscheidungsdatum

29.05.2020

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §39 Abs2a
B-VG Art133 Abs4
FPG §88 Abs1
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

I409 2231166-1/2E

I409 2231167-1/2E

I409 2231169-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Florian Schiffkorn als Einzelrichter über die Beschwerden 1. der A XXXX S XXXX , geboren am XXXX , 2. der A XXXX S XXXX geboren am XXXX , und 3. des K XXXX S XXXX , geboren am XXXX , jeweils Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch die „Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH“ und durch die „Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH“ in 1170 Wien, Wattgasse 48/3. Stock, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 14. April 2020, 1. Zl. „ XXXX “, zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und die angefochtenen Bescheide werden behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer stellten bei der belangten Behörde am 7. Februar 2020 jeweils einen Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses.

Mit Schriftsatz vom 14. Februar 2020 erteilte die belangte Behörde den Beschwerdeführern einen auf § 13 Abs. 3 AVG gestützten Verbesserungsauftrag und führte darin Folgendes aus:

„Sie müssen für die Ausstellung eines Fremdenpasses eine Bestätigung Ihrer Botschaft vorlegen, dass Sie kein heimisches Reisedokument erhalten können.

Sollten Sie diese Bestätigung nicht vorlegen wird Ihr Antrag zurückgewiesen.

Die Frist für diesen Verbesserungsauftrag beträgt vier Wochen nach Erhalt.“

Die Verbesserungsfrist verstrich ungenützt.

Mit den angefochtenen Bescheiden jeweils vom 14. April 2020 wurden die Anträge vom 7. Februar 2020 auf Ausstellung eines Fremdenpasses gemäß „§ 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991 idgF“ zurückgewiesen.

Gegen diese Bescheide erhoben die Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 19. Mai 2020 jeweils das Rechtsmittel der Beschwerde. Darin führten sie begründend im Wesentlichen aus, dass sie seit dem Jahr 2015 eine Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte hätten. Sie hätten bereits früher in einem Vorverfahren Bestätigungen der Botschaft von Nigeria vorgelegt, dass es ihnen nicht möglich wäre, Reisepässe zu erhalten. Bereits damals sei ihnen aufgetragen worden, eine Bestätigung der Botschaft vorzulegen. Diesem Ersuchen sei die Erstbeschwerdeführerin damals nachgekommen, woraufhin ihnen Fremdenpässe ausgestellt worden seien. Sie hätten keinerlei Dokumente aus Nigeria, wie sie bereits im Asylverfahren vorbracht hätten. Die Zweitbeschwerdeführerin und der Drittbeschwerdeführer seien zudem in Italien geboren worden und sie seien nie in Nigeria gewesen. Alle Beschwerdeführer hätten keinerlei nigerianische Dokumente bzw. Urkunden. Da die Beschwerdeführer unvertreten seien und die Erstbeschwerdeführerin rechts- und sprachunkundig sei, sei es ihr nicht möglich gewesen, fristgerecht eine Stellungnahme dazu einzubringen. Ihnen seien die Rechtsfolgen nicht bewusst gewesen. Die Behörde hätte sie jedenfalls dazu mündlich belehren müssen. Wäre die Erstbeschwerdeführerin zu diesem Umstand befragt worden, hätte sie diesbezüglich Stellung nehmen können. Die Erstbeschwerdeführerin sei berufstätig und habe zwei kleine Kinder. Zudem habe sie Angst, im Fall einer Reise von Vorarlberg nach Wien an CoVid-19 zu erkranken, weshalb ihr eine Vorlage der geforderten Bestätigung nicht möglich bzw. zumutbar sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Entscheidung über die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid

A) 1. Feststellungen

Den Beschwerdeführern wurden zuletzt Fremdenpässe mit einer Gültigkeit von 16. März 2018 bis 6. Februar 2020 ausgestellt.

Es kann derzeit nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates Nigeria zu beschaffen.

A) 2. Beweiswürdigung

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz Beweis erhoben.

A) 3. Rechtliche Beurteilung

A) 3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

1. § 88 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 27/2020, lautet:

„Ausstellung von Fremdenpässen

§ 88. (1) Fremdenpässe können, sofern dies im Hinblick auf die Person des Betroffenen im Interesse der Republik gelegen ist, auf Antrag ausgestellt werden für

1.       Staatenlose oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen;

2.       ausländische Staatsangehörige, die über ein unbefristetes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügen und nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen;

3.       ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen und bei denen im Übrigen die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels „Daueraufenthalt – EU“ (§ 45 NAG) gegeben sind;

4.       ausländische Staatsangehörige, die nicht in der Lage sind, sich das für die Auswanderung aus dem Bundesgebiet erforderliche Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen oder

5.       ausländische Staatsangehörige, die seit mindestens vier Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz im Bundesgebiet haben, sofern der zuständige Bundesminister oder die Landesregierung bestätigt, dass die Ausstellung des Fremdenpasses wegen der vom Fremden erbrachten oder zu erwartenden Leistungen im Interesse des Bundes oder des Landes liegt.

(2) Fremdenpässe können auf Antrag weiters ausgestellt werden für Staatenlose, die sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten, oder Personen ungeklärter Staatsangehörigkeit, die kein gültiges Reisedokument besitzen und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.

(2a) Fremdenpässe sind Fremden, denen in Österreich der Status des subsidiär Schutzberechtigten zukommt und die nicht in der Lage sind, sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen, auf Antrag auszustellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.

(3) Die Gestaltung der Fremdenpässe wird entsprechend den für solche Reisedokumente international üblichen Anforderungen durch Verordnung des Bundesministers für Inneres bestimmt. Im Übrigen hat die Verordnung den für Reisepässe geltenden Regelungen des Paßgesetzes 1992, BGBl. Nr. 839, zu entsprechen.

(4) Hinsichtlich der weiteren Verfahrensbestimmungen über die Ausstellung eines Fremdenpasses, der Bestimmungen über die Verarbeitung und Löschung von personenbezogenen Daten und der weiteren Bestimmungen über den Dienstleister gelten die Bestimmungen des Paßgesetzes entsprechend.“

2. § 13 Abs. 3 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG), BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2018, lautet:

„Anbringen

§ 13. (1) …

(3) Mängel schriftlicher Anbringen ermächtigen die Behörde nicht zur Zurückweisung. Die Behörde hat vielmehr von Amts wegen unverzüglich deren Behebung zu veranlassen und kann dem Einschreiter die Behebung des Mangels innerhalb einer angemessenen Frist mit der Wirkung auftragen, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf dieser Frist zurückgewiesen wird. Wird der Mangel rechtzeitig behoben, so gilt das Anbringen als ursprünglich richtig eingebracht.

(4) …“.

A) 3.2. Zur Zurückweisung der verfahrenseinleitenden Anträge gemäß § 13 Abs. 3 AVG:

1.1. Bei den von § 13 Abs. 3 AVG erfassten – materiellen oder formellen – Mängeln handelt es sich nur um das Fehlen von für die Partei erkennbaren Anforderungen an ein vollständiges und fehlerfreies Anbringen. Davon sind sonstige Unzulänglichkeiten zu unterscheiden, welche nicht die Vollständigkeit des Anbringens betreffen, sondern im Lichte der anzuwendenden Vorschriften seine Erfolgsaussichten beeinträchtigen. Ob es sich bei einer im Gesetz umschriebenen Voraussetzung um einen (zur Zurückweisung des Antrags führenden) „Mangel“ iSd § 13 Abs. 3 AVG oder aber um das (zur Antragsabweisung führende) Fehlen einer Erfolgsvoraussetzung handelt, ist durch die Auslegung der jeweiligen Bestimmung des Materiengesetzes zu ermitteln. Die Behörde wird durch die Bestimmung des § 13 Abs. 3 AVG nicht verpflichtet, die Partei zu einer solchen „Verbesserung“ (in Wahrheit: Änderung) des Anbringens aufzufordern, welche eine stattgebende Entscheidung ermöglicht (vgl. dazu den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2016, Ra 2016/07/0016, mwN).

1.2. Vor diesem Hintergrund ist mit Blick auf § 88 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz 2005 davon auszugehen, dass das Unvermögen, „sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen,“ eine solche Erfolgsvoraussetzung darstellt und dass das Fehlen dieser Erfolgsvoraussetzung zur Abweisung eines Antrages auf Ausstellung eines Fremdenpasses als unbegründet führen muss (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Dezember 2015, Ra 2015/21/0124).

Wird einem Antrag auf Ausstellung eines Fremdenpasses ein Nachweis über das Unvermögen, „sich ein gültiges Reisedokument ihres Heimatstaates zu beschaffen,“ nicht angeschlossen, ist dies somit keine im Gesetz (oder in einer Verordnung) umschriebene Voraussetzung, die einen „Mangel“ iSd § 13 Abs. 3 AVG darstellen würde (vgl. hingegen dazu die Urkunden und Nachweise, die nach Maßgabe des § 8 Abs. 1 Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005, BGBl. II Nr. 448/2005, in der Fassung BGBl. II Nr. 40/2020 einem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels anzuschließen sind).

Auch wenn in diesem Fall die Erteilung eines auf § 13 Abs. 3 AVG gestützten Verbesserungsauftrages nicht zulässig ist, hat doch jede Partei nach Maßgabe des § 39 Abs. 2a AVG ihr Vorbringen so rechtzeitig und vollständig zu erstatten, dass das Verfahren möglichst rasch durchgeführt werden kann (Verfahrensförderungspflicht). Dazu kommt, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Partei immer dann eine (allenfalls auch erhöhte) Mitwirkungspflicht trifft, wenn es der Partei nicht möglich ist, von sich aus und ohne Mitwirkung der Partei tätig zu werden (vgl. zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Dezember 2001, 2000/20/0318).

1.3. Daraus folgt für den vorliegenden Beschwerdefall, dass der Verbesserungsauftrag vom 14. Februar 2020 nicht hätte ergehen dürfen und dass die auf § 13 Abs. 3 AVG gestützte Zurückweisung der Anträge auf Ausstellungen eines Fremdenpasses vom 7. Februar 2020 unzutreffend erfolgt ist.

Soweit in der Beschwerde vorgebracht wird, dass die Beschwerdeführer bereits im Vorverfahren Bestätigungen der Botschaft von Nigeria vorgelegt hätten, dass es ihnen nicht möglich wäre, Reisepässe zu erhalten, verfängt dieser Einwand nicht. Zwar hat eine Verwaltungsbehörde grundsätzlich auf ihr Amtswissen zurückzugreifen und auf Beweisergebnisse (etwa auf Gutachten) Rücksicht zu nehmen, die ihr aus einem anderen Verfahren bekannt sind (vgl. dazu zB das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. April 2009, 2008/12/0063, mwN); jedoch wurden den Beschwerdeführern zuletzt im Februar 2018 Fremdenpässe ausgestellt, sodass der belangten Behörde nicht entgegen getreten werden kann, wenn sie die Voraussetzungen für die Ausstellung von Fremdenpässen nach Ablauf von über zwei Jahren neuerlich prüfte und sich bei der Ermittlung des maßgebenden Sachverhaltes nicht auf Beweisergebnisse aus dem Vorverfahren zurückzog.

2. Aus dem Gesagten war den Beschwerden stattzugeben und die angefochtenen Bescheide waren zu beheben. Bei dieser Sachlage wird die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die Anträge auf Ausstellung eines Fremdenpasses vom 7. Februar 2020 als unbegründet abzuweisen haben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Fremdenpass Kassation Mängelbehebung mangelhafter Antrag Mangelhaftigkeit Mitwirkungspflicht Nachreichung von Unterlagen Reisedokument subsidiärer Schutz Verbesserungsauftrag Vorlagepflicht Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I409.2231166.1.00

Im RIS seit

13.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

13.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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