TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/5 L524 2139116-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.12.2019
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Entscheidungsdatum

05.12.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L524 2139116-1/27E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER LL.B. über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.10.2016, Zl. 1075967506/150775943, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG und dem FPG, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 25.09.2019, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am 02.07.2015 erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, er sei ledig und stamme aus XXXX in Bagdad. Er habe in Bagdad sechs Jahre die Grundschule besucht und zuletzt als Taxilenker gearbeitet. Seine Eltern und fünf Brüder würden noch im Irak leben. Ein weiterer Bruder sei schwedischer Staatsangehöriger und lebe in Schweden. Vor etwa eineinhalb Monaten habe er den Ausreiseentschluss gefasst und am 06.06.2015 sei er legal mit dem Flugzeug aus dem Irak ausgereist. Nach einem etwa zwölftägigen Aufenthalt in der Türkei sei er über Griechenland nach Österreich weitergereist, wo er am 30.06.2015 angekommen sei. Hinsichtlich seines Fluchtgrundes brachte er vor, dass er einen IS-Raketenangriff und mehrere Bombenangriffe knapp überlebt habe. Es seien auch PKWs mit Sprengstoff präpariert gewesen. Die Milizen hätten ihn mit dem Umbringen bedroht und er habe keine Möglichkeit gehabt, sich Bildung anzueignen.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) am 23.08.2016 gab der Beschwerdeführer an, dass er ledig, kinderlos, schiitischer Moslem und Araber sei. Seinen Lebensunterhalt habe er von 1993 bis 2015 als Automechaniker bestritten. Vor der Ausreise habe er mit seinen Eltern in XXXX in Bagdad gelebt. Auch ein Teil seiner Brüder lebe in Bagdad. Im Irak würden nach wie vor seine Eltern und vier Brüder leben. Er sei nie inhaftiert gewesen und habe nie mit der irakischen Polizei oder Behörden zu tun gehabt. Er habe Probleme mit den Milizen gehabt, weil er Schiit sei. Zu seinem Fluchtgrund befragt brachte der Beschwerdeführer vor, dass er in der Autowerkstatt, in der er gearbeitet habe, von Unbekannten bedroht worden sei; er solle keine Aufträge mehr auszuführen. Nachdem der Beschwerdeführer und sein Geschäftspartner der Forderung nicht nachgekommen seien, seien von den unbekannten Personen die Milizen zu ihnen geschickt worden. Die Miliz habe verlangt, dass sie deren Autos reparieren sollen oder Geld an die Jihadisten bezahlen sollen. Nach ihrer Weigerung hätten die Milizen ihre Häuser beschossen, das Auto des Beschwerdeführers angezündet und ihm einen Drohbrief geschickt. Den Drohbrief habe er 16 Tage vor seiner Ausreise erhalten. Er habe sich zunächst zu Hause versteckt und sein Vater habe Anzeige erstattet. Außerdem habe es 2009 einen Raketenangriff auf den Beschwerdeführer gegeben.

3. Mit Bescheid des BFA vom 14.10.2016, Zl. 1075967506/150775943, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Antrag hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen nicht glaubhaft sei. Es sei auch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention drohe. Eine Interessenabwägung ergebe, dass eine Rückkehrentscheidung zulässig sei.

4. Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde, in der nach Wiederholung der Fluchtgründe ausgeführt wurde, dass es die Behörde verabsäumt habe, sich mit der intellektuellen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers, die zu einer verminderten Einvernahmefähigkeit führe, auseinanderzusetzen. Beantragt wurde daher die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens.

5. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 05.06.2019 ZI. L524 2139116-1/14Z wurde ein nichtamtlicher Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie bestellt. Dieser erstellte am 04.07.2019 ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten, demzufolge der Beschwerdeführer nicht intellektuell beeinträchtigt und einvernahmefähig sei.

6. Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde am 25.09.2019 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, an der nur der Beschwerdeführer als Partei teilnahm. Das BFA ist der Verhandlung unentschuldigt ferngeblieben. Dem Beschwerdeführer wurde die Gelegenheit eingeräumt, sein Fluchtvorbringen zu schildern sowie zu dem mit der Ladung übermittelten neurologisch-psychiatrischen Gutachten und zu den ebenso übermittelten Berichten zur Lage im Irak Stellung zu nehmen.

II. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, gehört der Volksgruppe der Araber an und ist schiitischer Moslem. Er ist ledig und kinderlos. Der Beschwerdeführer lebte mit seinen Eltern und einem Bruder in einem Eigentumshaus in XXXX im Bezirk XXXX in Bagdad. In diesem Haus leben derzeit seine Eltern und ein Bruder. Der Beschwerdeführer hat sechs Brüder. Ein Bruder lebt in Schweden und ein weiterer Bruder in den USA. Die übrigen Brüder, fünf Onkel und eine Tante leben in Bagdad. Sein Vater ist Pensionist und seine Brüder sind berufstätig. Auch die Tante und die Onkel sind berufstätig, etwa als Ingenieure, Ärzte. Der Beschwerdeführer steht zu seinen Verwandten in Kontakt. Mit der Tante und den Onkeln telefoniert er etwa zu verschiedenen Anlässen. Etwa ein Mal pro Woche telefoniert er abwechselnd mit seinen Geschwistern.

Der Beschwerdeführer besuchte in Bagdad bis zur fünften Klasse die Grundschule. Im Alter von 14 Jahren begann er als Automechaniker zu arbeiten. Nicht festgestellt werden kann, dass der Beschwerdeführer bis zur Ausreise bei dem Unternehmen XXXX gearbeitet hat. In seiner Freizeit traf sich der Beschwerdeführer mit Freunden, ging mit diesen in anderen Bezirken Bagdads, zB Al-Karrada und Al-Mansour spazieren, spielte mit seinen Freunden Fußball, ging zu Veranstaltungen und ins Kino.

Der Beschwerdeführer verließ ca. am 06.06.2015 legal den Irak und reiste danach schlepperunterstützt nach Österreich, wo er am 01.07.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Fluchtgründe, wonach er von einer Miliz bedroht worden sei, einen Drohbrief erhalten habe, auf ihn bzw. sein Haus geschossen worden sei und sein Auto angezündet worden sei, können nicht festgestellt werden.

Dahingestellt blieben kann, ob der Beschwerdeführer bei einem Anschlag bzw. Raketenangriff im Jahr 2009 verletzt wurde (siehe dazu die rechtliche Beurteilung).

Der Beschwerdeführer lebt in Österreich mit einem Cousin zusammen in einem organisierten Quartier. Ein besonderes Abhängigkeitsverhältnis zu diesem Cousin besteht nicht. Andere familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich bestehen nicht. Der Beschwerdeführer hat österreichische Freunde und verfügt über zahlreiche Empfehlungsschreiben. Mit seinen Freunden geht er beispielsweise wandern, schwimmen, schifahren. Er besucht ein Fitnessstudio.

Der Beschwerdeführer hilft bei unterschiedlichen Tätigkeiten in den Sportstätten und städtischen Anlagen in XXXX . Er betätigt sich in einem Gemeinschaftsgarten. Er unterstützt eine Freundin bei der Pflege einer Angehörigen.

Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von Dezember 2015 bis August 2019 zahlreiche Deutschkurse besucht, bislang jedoch keine Deutschprüfung absolviert. Er hat im Februar 2019 an einem Werte- und Orientierungskurs teilgenommen. Er hat im September und Oktober 2016 bei einem städtischen Werkhof in der Friedhofspflege gearbeitet. Er nimmt an städtischen Flurreinigungsaktionen teil. Im Sommer 2018 hat er an einem Schwimmkurs teilgenommen. Der Beschwerdeführer leistet seit November 2015 Remunerantentätigkeiten. Seit dem Frühjahr 2019 ist er für das Projekt XXXX tätig.

Er bezieht Leistungen aus der Grundversorgung. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer ist nicht intellektuell beeinträchtigt ist. Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Reaktion. Zur Behandlung kommen alle gängigen Antidepressiva in Betracht. Eine begleitende Psychotherapie wird empfohlen. Es ist aber von keiner dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen. Die posttraumatische Belastungsstörung ist remittiert.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

Im Juni 2014 startete der sog. Islamische Staat Irak (IS) oder Da'esh, einen erfolgreichen Angriff auf Mossul, die zweitgrößte Stadt des Irak. Der IS übernahm daraufhin die Kontrolle über andere Gebiete des Irak, einschließlich großer Teile der Provinzen Anbar, Salah al-Din, Diyala und Kirkuk. Im Dezember 2017 erklärte Premierminister Haider al-Abadi den endgültigen Sieg über den IS, nachdem die irakischen Streitkräfte die letzten Gebiete, die noch immer an der Grenze zu Syrien unter ihrer Kontrolle standen, zurückerobert hatten. Der IS führt weiterhin kleine Angriffe vorwiegend auf Regierungstruppen und Sicherheitspersonal an Straßenkontrollpunkten aus.

Am 25. September 2017 hat die kurdische Regionalregierung (KRG) ein unverbindliches Referendum über die Unabhängigkeit der kurdischen Region im Irak sowie über umstrittene Gebiete, die unter Kontrolle der KRG stehen, abgehalten. Das Referendum wurde für verfassungswidrig erklärt.

Bei den nationalen Wahlen im Mai 2018 gewann keine Partei die Mehrheit, obwohl die meisten Stimmen und Sitze an die Partei des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr gingen, ein ehemaliger Anti-US-Milizenführer.

Genaue, aktuelle offizielle demographische Daten sind nicht verfügbar. Die letzte Volkszählung wurde 1987 durchgeführt. Das US-Außenministerium schätzt die Bevölkerung im Irak auf rund 39 Millionen. Araber (75 Prozent) und Kurden (15 Prozent) bilden die beiden wichtigsten ethnischen Gruppen. Andere Ethnien sind Turkmenen, Assyrer, Yazidis, Shabak, Beduinen, Roma und Palästinenser.

97 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Schiiten machen 55 bis 60 Prozent der Bevölkerung aus und umfassen Araber, Shabak und Faili-Kurden. Der Rest der Bevölkerung besteht hauptsächlich aus Sunniten, einschließlich der sunnitischen Araber, die schätzungsweise 24 Prozent der Gesamtbevölkerung des Irak ausmachen. Die meisten Kurden sind auch Sunniten und machen etwa 15 Prozent der nationalen Bevölkerung aus.

Die schiitischen Gemeinden leben in den meisten Gebieten des Irak, konzentrieren sich jedoch im Süden und Osten. Die Mehrheit der Bevölkerung von Bagdad sind Schiiten, insbesondere Vororte wie Sadr City, Abu Dashir und Al Dora. Sunniten leben hauptsächlich im Westen, Norden und im Zentralirak. Die Anzahl der in Bagdad als gemischt betrachteten Gebiete nimmt ab. In einigen Bezirken Bagdads gibt es immer noch bedeutende sunnitische Gemeinden, darunter Abu Ghraib. Die Bezirke A'adamia, Rusafa, Za'farania, Dora und Rasheed haben kleinere Gebiete sunnitischer Gemeinschaften. Gemischte sunnitische-schiitische Gemeinden leben in den Bezirken Rusafa und Karada, kleinere gemischte Gemeinden auch in den Bezirken Doura, Rasheed, Karkh, Mansour und Kadhimiya.

Der Konflikt mit dem IS hat die Wirtschaft des Irak erheblich geschwächt. Die irakische Wirtschaft ist weiterhin stark vom Öl abhängig und ihr wirtschaftliches Vermögen hängt eng mit den globalen Ölpreisen zusammen. Die Weltbank prognostiziert, dass sich die Wirtschaft durch den Wiederaufbau nach Konflikten und die Verbesserung der Sicherheitslage erholen wird.

Die Verfassung garantiert das Recht auf Gesundheitsfürsorge und es gibt ein staatliches Gesundheitswesen und Behandlungsmöglichkeiten sind vom Staat bereitzustellen. Der Irak verfügt über öffentliche und private Krankenhäuser. Die medizinische Grundversorgung erfolgt sowohl in privaten als auch in öffentlichen Kliniken. Die Gesundheitsinfrastruktur hat unter jahrzehntelangen Konflikten gelitten. Das Gesundheitswesen ist begrenzt, insbesondere in von Konflikten betroffenen Gebieten und in Gegenden mit einer großen Anzahl von Binnenvertriebenen.

Die Verfassung sieht eine obligatorische Grundschulausbildung vor. Für Kinder in der Region Kurdistan besteht die Schulpflicht bis zum Alter von 15 Jahren. Der Irak war einst regional führend in der Bildung, aber jahrelange Konflikte haben zu sinkenden Bildungsergebnissen geführt. Kinder, die sich derzeit in der Schule befinden, werden ca. 10,1 Jahre Schulunterricht erhalten. Die durchschnittliche Schulzeit der derzeit über 25-Jährigen lag bei 6,6 Jahren. Mädchen hatten mit 9,7 Jahren eine niedrigere erwartete Schulzeit, verglichen mit Knaben mit 11,5 Jahren. Rund 80 Prozent der Iraker im Alter von über 15 Jahren sind gebildet. Trotz Lehrermangels und der Zerstörung und Beschädigung von Bildungseinrichtungen werden Schulen, einschließlich Schulen und Universitäten, in von Konflikten betroffenen Gebieten, von den Gemeinschaften wieder aufgebaut.

Die irakische Verfassung garantiert grundlegende Menschenrechte einschließlich Rechtsstaatlichkeit, Gleichheit vor dem Gesetz, Chancengleichheit, Privatsphäre und Unabhängigkeit der Justiz. Die Verfassung verbietet Diskriminierung aufgrund des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Zugehörigkeit, der Nationalität, der Herkunft, der Hautfarbe, der Religion, der Meinung, des wirtschaftlichen oder sozialen Status.

Mehrere Faktoren beeinflussen die Sicherheitslage im Irak, einschließlich der Aktionen verbliebener IS-Kämpfer (oder anderer extremistischer Kämpfer, die seit der Niederlage des IS aufgetaucht sind) und anderer bewaffneter Gruppen (einschließlich der staatlich sanktionierten Popular Mobilization Forces) und historische Spannungen innerhalb der Schiiten und innerhalb der Sunniten. In der Region Kurdistan wird die Sicherheitslage durch Spannungen zwischen der Bundesregierung und der KRG, Spannungen zwischen verschiedenen kurdischen politischen Blöcken und Maßnahmen der Türkei und des Irans beeinflusst. Die verbleibenden IS- und andere extremistische Kämpfer sowie der zunehmende Einfluss der PMF sind die akutesten Probleme, die die gegenwärtige Sicherheitslage im gesamten Irak beeinflussen. Zu den zahlreichen schiitischen bewaffneten Gruppen im Irak gehören Saraya Al-Salam (SAS, auch Friedensbrigaden genannt, die zum Teil aus ehemaligen Mahdi-Armeekämpfern bestehen), Asaib Ahl al-Haq (AAH), Kataib Hizbullah (KH) und das Badr Corps. SAS und das Badr Corps sind die militärischen Waffen der politischen Bewegungen Sadrist und Badr.

Ethnische Minderheiten haben im Irak eine politische Vertretung und nehmen am öffentlichen Leben teil. Die Verfassung erkennt sowohl Arabisch als auch Kurdisch als Amtssprachen an und verankert das Recht des Einzelnen, seine Kinder in Minderheitensprachen wie turkmenisch, syrisch und armenisch zu erziehen. Personen sind aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit einem geringen Risiko einer offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Es besteht möglicherweise ein mäßiges Risiko gesellschaftlicher Diskriminierung ausgesetzt zu sein, wenn sie in einem Gebiet leben, in dem ihre ethnische Zugehörigkeit in der Minderheit ist.

Die Verfassung macht den Islam zur offiziellen Religion des Staates. Es garantiert die Glaubens- und Religionsfreiheit für alle Personen, einschließlich Christen, Yazidis und Sabäer-Mandäer. Als Mehrheitsbevölkerung im Irak mit einer dominierenden Rolle in der Regierung werden Schiiten kaum oder gar nicht diskriminiert. Die Schiiten haben traditionell im ganzen Irak gelebt. Durch die starke Zunahme sektiererischer Gewalt seit 2003 haben einige Schiiten sunnitische Gebiete verlassen. Der Aufstieg des IS im Jahr 2014 führte dazu, dass viele Turkmenen und Shabak in andere Gebiete umsiedelten. Die Gewalt gegen Schiiten hat sich im Jahr 2018 nach der Niederlage des IS verringert. Es kommt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen schiitischen Milizen, die häufiger in schiitischen Gebieten wie Bagdad und dem Südirak auftreten. Schiiten sind keiner offiziellen Diskriminierung ausgesetzt. Sie sind auch keiner gesellschaftlichen Diskriminierung ausgesetzt, obwohl sie bei bedeutenden schiitischen Festen und Pilgerfahrten einem mäßigen Gewaltrisiko ausgesetzt sind.

Bei der Einreise in den Irak über die internationalen Flughäfen, einschließlich der Region Kurdistan, werden Personen, die illegal ausgereist sind, nicht festgenommen. Es werden jene Iraker bei der Rückkehr festgenommen, die eine Straftat begangen haben und gegen die ein Haftbefehl erlassen worden war. Um den Irak zu verlassen, sind gültige Dokumente (in der Regel ein Pass) und eine entsprechende Genehmigung (z. B. ein Visum) für die Einreise in das vorgesehene Ziel erforderlich. Eine illegale Ausreise aus dem Irak ist rechtswidrig, jedoch sind keine Strafverfahren gegen Einzelpersonen wegen illegaler Ausreise bekannt. Iraker, die einen irakischen Pass verloren haben oder nicht haben, können mit einem laissez passer in den Irak einreisen. Die Einreise mit einem laissez passer-Dokument ist üblich und Personen, die damit einreisen werden weder gefragt, wie sie den Irak verlassen haben, noch werden sie gefragt, warum sie keine anderen Dokumente haben. Dem britischen Innenministerium zufolge können Grenzbeamte am Flughafen Bagdad ein Schreiben ausstellen, um die Verbringung an den Herkunftsort oder die Umsiedlung einer Person im Irak zu erleichtern. (Australian Government - Department of Foreign Affairs and Trade, Country Information Report Iraq, 09.10.2018)

Im Irak ging die Zahl der Sicherheitsvorfälle (zB Schießereien, IED's, Angriffe auf Checkpoints, Entführungen, Selbstmordattentate, Autobomben) von Jänner bis Dezember 2018 um etwa 60% zurück. Zu Beginn des Jahres waren es 224 Vorfälle. Im März gab es einen Anstieg der Vorfälle, die sich vor allem in Anbar, Diyala, Kirkuk und Salahaddin ereigneten. Im April sanken sie auf 139. Von Juni bis Oktober gab es Schwankungen, beginnend in Diyala und Kirkuk, danach in Ninewa und schließlich in Anbar, Bagdad, Kirkuk und Ninewa. Seit dem Rückzug des sog. Islamischen Staates gab es in den letzten beiden Monaten des Jahres die wenigsten Vorfälle, die jemals im Land verzeichnet wurden.

Im Jänner 2018 gab es insgesamt 13 "Mass Casualty Bombings", davon 7 Selbstmordattentate (ein Attentat in Bagdad) und 6 Autobomben. Im Verlauf des Jahres bewegten sich diese Vorfälle zwischen 1 und 8. Im Mai ereignete sich ein Selbstmordattentat in Bagdad. Weitere Vorfälle ereigneten sich in Ramadi, Kirkuk, Tikrit, Fallujah und Mossul.

In Anbar gab es 2018 durchschnittlich 12 Vorfälle pro Monat. Die meisten Attacken gab es im März. Die Gewalt nahm dann ab und erreichte nach einer Steigerung im September und Oktober mit 17 bzw. 16 Attacken ihren Tiefststand im November mit 6 Attacken. Es gab sehr wenige Konfrontationen mit den Sicherheitskräften oder Angriffe auf Checkpoints. Es gab insgesamt 10 Selbstmordattentate und Autobomben in der ganzen Provinz, das ist die dritthöchste Rate im Irak.

In Babil gab es im Jänner 2018 den Höchststand der Vorfälle, nämlich 10. Im restlichen Jahr bewegte sich die Anzahl er Vorfälle zwischen 1 und 5, nur im Juni gab es 8. Fast alle Angriffe erfolgten im Nordosten, entlang der Grenze zu Anbar. Es gab durchschnittlich 4 Angriffe in der Provinz Babil. Verglichen mit den anderen Provinzen ist dies der geringste Wert. Beispielsweise gab es in Diyala rund 38 Angriffe.

Auch Bagdad, das früher ein Hauptangriffsziel war, entwickelte sich zu einem Nebenschauplatz. Im Jänner gab es 71 Vorfälle. Diese Zahl sank kontinuierlich und lag bei 13 Vorfällen im Juni. Danach erfolgte wieder ein Anstieg und es gab im September 47 Vorfälle. Seither kam es wieder zu einem Rückgang und 13 Vorfällen im November 2018. Bei fast allen Angriffen handelte es sich um kleinere Vorfälle wie Schießereien und IED's. Die meisten Vorfälle ereigneten sich auch in Städten im äußern Norden. (Joel Wing, Musings on Iraq, 15.01.2019)

In der ersten Juliwoche 2019 wurden 20 Vorfälle registriert. In der Provinz Diyala passierten die meisten Vorfälle, nämlich acht. In der Provinz Ninewa gab es einen sicherheitsrelevanten Vorfall. In der Provinz Bagdad gab es zwei sicherheitsrelevante Vorfälle. (Musings on Iraq, 09.07.2019)

In der zweiten Juliwoche 2019 wurden 13 Vorfälle registriert. In Bagdad gab es vier Vorfälle, bei denen drei Personen getötet wurden. (Musings on Iraq, 17.07.2019)

Nach einer Zusammenstellung von ACCORD auf Basis von ACLED (Armed Conflict Location & Event Data Project) gehen im Berichtszeitraum September 2016 bis September 2018 die Konfliktvorfälle mit Todesopfern kontinuierlich zurück. In diesem Zeitraum ereigneten sich die meisten Vorfälle mit Todesopfern in Salah ad-Din, gefolgt von Diyala, At-Tamim (Kirkuk) und Al-Anbar. Die meisten Todesopfer gab es in Salah ad-Din und Al-Anbar, gefolgt von At-Tamim (Kirkuk) und Diyala. In Al-Anbar wurden 80 Vorfälle mit 308 Toten erfasst, in Al-Basrah 84 Vorfälle mit 42 Toten. In At-Ta'mim (Kirkuk) gab es 115 Vorfälle mit 251 Toten, in Baghdad wurden 58 Vorfälle mit 38 Toten erfasst. In Diyala wurden 136 Vorfälle mit 220 Toten, in Ninawa 65 Vorfälle mit 184 Toten und in Sala ad-Din 114 Vorfälle mit 308 Toten verzeichnet. (ACCORD Irak, 3. Quartal 2018: Kurzübersicht über Vorfälle aus dem Armed Conflict Location & Event Data Project (ACLED), aktualisierte 2. Version vom 20.12. 2018)

Die Zahl der Binnenvertriebenen (IDP's) wird seit April 2014 aufgezeichnet, jene der Rückkehrer seit April 2015. Seit Juni 2017 sinkt die Zahl der IDPs kontinuierlich. Zum 30.06.2019 wurden 1,6 Millionen IDPs (267.858 Familien), verteilt auf 18 Gouvernements und 106 Distrikte identifiziert. Die Zahl der IDPs sinkt kontinuierlich in einem stetig langsamen Tempo. Im Mai und Juni wurde ein Rückgang von 57.960 IDPs, mit den drei größten Gouvernements Ninewa (-22.674), Salah al-Din (-11.856) und Sulaymaniyah (-7.104), verzeichnet. Die Zahl der Rückkehrer liegt bei 4,3 Millionen (717.523 Familien) in 8 Gouvernements und 38 Distrikten. Im Mai und Juni 2019 kehrten die meisten nach Ninewa (17.502 Personen), Anbar (2.136) und Salah al-Din (14.778) zurück. Während der letzten sechs Monate wurde ein Rückgang an IDPs von 195.684 Personen verzeichnet. Die meisten davon in Ninewa (-97.392, -17%), Salah al-Din (-32.262, -23%) und Anbar (-11.598, -19%). Im selben Zeitraum wurde ein Anstieg von 139.818 Rückkehrern dokumentiert. Die größten Anstiege wurden in Ninewa (63.762, 4%), Salah al-Din (44.742, 8%) und Anbar (14.850, 1%) verzeichnet. Nahezu alle Familien (95%, 4.105.140 Personen) kehrten an ihren vor der Vertreibung gewöhnlichen Wohnsitz zurück, der sich in einem guten Zustand befand. Zwei Prozent (71.010) leben in anderen privaten Einrichtungen (gemietete Häuser, Hotels, Gastfamilien). Drei Prozent der Rückkehrer (128.988) leben in kritischen Unterkünften (informelle Siedlungen, religiöse Gebäude, Schulen, unfertige, aufgegebene oder zerstörte Gebäude). Von den zuletzt Genannten leben die meisten in den Distrikten Mossul (29.658), Tikrit (9.462) und Telafar (9.222). Seit Dezember 2018 wird ein Rückgang der in kritischen Unterkünften lebenden Rückkehrer (-3.786) in allen Gouvernements, außer Anbar und Kirkuk, verzeichnet. (Displacement Tracking Matrix, Round 110, Juli 2019)

Im Juni 2019 wurden die letzten Betonblöcke um die Grüne Zone in Bagdad, der Regierungsbezirk, abgebaut. Die Bevölkerung hat jetzt freien Zugang zu den gut zehn Quadratkilometern, die bis dahin No-Go-Zone war: Der "Hochsicherheitstrakt" im Zentrum von Bagdad ist Vergangenheit. Mit der Öffnung der Grünen Zone hat Iraks Premierminister Adel Abdul Mahdi sein Versprechen eingelöst, das er bei seinem Amtsantritt im Oktober letzten Jahres gegeben hat. Der Bezirk soll ein normales Stadtviertel von Bagdad werden. Seit November wurde Schritt für Schritt abgebaut: Checkpoints aufgelöst, Stacheldraht entfernt, Betonblöcke auf Tieflader geladen und abgefahren. Hundertausende sollen es gewesen sein. Allein in den letzten zwei Monaten hat Bagdads Stadtverwaltung 10.000 Mauerteile abfahren lassen, wie ein Angestellter berichtet. Die Betonblöcke wurden zum Militärflughafen Al-Muthana im Zentrum von Bagdad gefahren und dort abgekippt. Einige von ihnen finden Wiederverwertung in einem Ring, der derzeit um Bagdad gezogen wird, um Terroristen vor dem Eindringen zu hindern. Andere dienen dem Hochwasserschutz. Wieder andere werden als Baumaterial für Silos verwendet. (Mauerfall in Bagdad: Das Ende der Grünen Zone, Wiener Zeitung, 05.06.2019)

Die meisten der Schutzmauern, die in den letzten zehn Jahren errichtet wurden, um öffentliche und private Gebäude zu sichern, wurden abgerissen. Stattdessen finden sich dort jetzt Parks und Grünflächen. Im Zuge der Veränderungen wurde in Bagdad auch das erste Frauencafé eröffnet. Dort können sich Frauen ohne Begleitung von Männern treffen und ihre Kopftücher und die lange Abaya ablegen, die auf den Straßen so verbreitet sind. Im Café "La Femme" werden Wasserpfeifen angeboten und von einer Frau zubereitet. Es werden alkoholfreie Champagnercocktails, Softgetränke und Snacks serviert. Bisher haben sich noch keine Männer in dieses weibliche Heiligtum gewagt - obwohl sich das Café in einem Hochhaus zusammen mit anderen Restaurants, einer Sporthalle für Männer und nur einem Aufzug befindet. Der Kundenkreis von Adel-Abid umfasst vor allem Frauen aus der Mittel- und Oberschicht. Für ihre jungen Kundinnen organisiert sie reine Frauenfeste zu Geburtstagen, Verlobungen und Abschlussfeiern. Die ältere Generation trinkt lieber Kaffee und hört den alten irakischen Sängern zu, die auf der Musikanlage bevorzugt gespielt werden. Frauen können jetzt Unternehmen führen. Da der "Islamische Staat" verdrängt und die gegenwärtige politische Stabilität zu spüren ist, fordern irakische Frauen immer mehr ihren Anteil am öffentlichen Raum der Stadt. In Mansour, dem Stadtviertel, in dem sich "La Femme" befindet, sind die meisten Cafés und Restaurants heute gemischt, und auch Frauen rauchen dort Wasserpfeife. Der frische Wind des Wandels hat auch das Straßenbild verändert. Frauen kleiden sich wieder bunter, anstatt sich hinter schwarzen Schleiern zu verstecken. Die Entwicklung geht so weit, dass junge Frauen sich immer seltener ein Kopftuch umbinden. Ehen zwischen Sunniten und Schiiten erleben ein Comeback im Irak; unter den Jugendlichen in Bagdad sind sie sogar zum neuen Standard geworden. So wie bei Merry al-Khafaji, die kürzlich Mustafa al-Ani geheiratet hat. Gemeinsam sitzen die beiden Mittzwanziger bei einer Wasserpfeife in einem beliebten Bagdader Garten, sie trägt ihr dunkles Haar offen und ein grünes T-Shirt mit Jeans. Traditionell wählen Eltern die Partner ihrer Kinder, aber Merry al-Khafaji und Mustafa al-Ani lernten sich in dem Telekommunikationsunternehmen kennen, für das sie beide arbeiten. Mittlerweile entwickeln sich immer mehr Liebesbeziehungen bei der Arbeit, im Studium oder in Workshops. Auch soziale Medien haben eine starke Wirkung. Sie eröffnen jungen Menschen einen neuen Weg, neue Freunde in der konservativen irakischen Gesellschaft zu finden. (Die neuen Freiheiten von Bagdad, qantara.de 01.07.2019)

Im Juni 2019 wurde das neue deutsch-irakische Beratungszentrum für Jobs, Migration und Reintegration in Bagdad eröffnet. Es ist das zweite seiner Art im Irak neben dem Beratungszentrum in Erbil, das seine Arbeit bereits im April 2018 aufgenommen hatte. Im Mittelpunkt der Arbeit des Beratungszentrums steht die Schaffung attraktiver und langfristiger Bleibeperspektiven. Zu den angebotenen Leistungen gehören Bildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen sowie die Unterstützung bei Existenzgründungen. Das Zentrum steht Rückkehrenden ebenso offen wie Binnenvertriebenen und der lokalen Bevölkerung und fördert damit auch die Stärkung des irakischen Privatsektors. In den kommenden Jahren soll das Beratungszentrum schrittweise in die lokalen Strukturen überführt werden, um den langfristigen und nachhaltigen Betrieb zu sichern. (Neues deutsch-irakisches Beratungszentrum in Bagdad eröffnet, BMZ 13.06.2019)

Die Weltgesundheitsorganisation (World Health Organization, WHO) geht in ihrem 2018 veröffentlichten Mental Health Atlas (Berichtszeitraum: 2017) auf die im Irak verfügbaren Ressourcen zur Behandlung psychischer Erkrankungen ein. Im Irak befinden sich 610 Einrichtungen für die ambulante Behandlung psychiatrischer Patienten, davon sind 34 innerhalb eines Krankenhauses verortet und 575 gemeindebasierte ("community-based") Einrichtungen. Stationäre Behandlung von psychiatrischen Patienten ist in zwei psychiatrischen Kliniken sowie auf 22 Stationen allgemeiner Krankenhäuser verfügbar. Die Betreuung und Behandlung von Personen mit schwerwiegenden psychischen Störungen (Psychose, bipolare Störung, Depression) ist in den staatlichen Krankenkassen oder Erstattungssystemen nicht enthalten.

Eine Anfragebeantwortung der Internationalen Organisation für Migration (IOM) vom Jänner 2018 an die Zentralstelle für Informationsvermittlung zur Rückkehrförderung (ZIRF) des deutschen Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) befasst sich unter anderem mit der medizinischen Versorgung bei psychischen Erkrankungen in Bagdad. Es gibt ein Krankenhaus, in welchem eine Behandlung erfolgen kann: AlRashad mental hospital, Baghdad - AlSadr city. Zudem gibt es auch private Kliniken: Dr. Qasim AlAboodi in AlHarthiya - AlKindi St, Dr. Mahdi AlTa'an in AlMagrib St. Antidepressiva und Antipsychotika sind grundsätzlich verfügbar.

Die Hilfsorganisationen Ärzte ohne Grenzen (Médecins Sans Frontières, MSF), Première Urgence Internationale und SEED bieten eigenen Angaben zufolge psychologische Betreuung allen voran für Binnenvertriebene und Rückkehrer im Irak und der Autonomen Region Kurdistan an. (Accord Anfragebeantwortung, Behandlungsmöglichkeiten bei psychischen Erkrankungen, 12.02.2019).

III. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers sowie zu seinen familiären Lebensumständen im Irak, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zu seiner Schulbildung, seinen Freizeitaktivitäten im Irak, zu seinen familiären Lebensumständen in Österreich, zur illegalen Einreise nach Österreich und der Antragstellung zur Erlangung internationalen Schutzes ergeben sich aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers im gesamten Verfahren sowie aus den Verwaltungsakten. Es ist kein Grund ersichtlich, daran zu zweifeln.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer als Automechaniker im Irak gearbeitet hat, ergibt sich aus seinem Vorbringen im gesamten Verfahren. Es konnte jedoch nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bis zur Ausreise im Unternehmen XXXX gearbeitet hat. Der Beschwerdeführer legte ein Schreiben dieses Unternehmens vor, bei dem es sich den Angaben des Beschwerdeführers zufolge um eine Vollmacht handle, derzufolge der Beschwerdeführer der einzige Berechtigte sei, der in die Firma reingehen und dort reparieren dürfe (Seite 15 des Verhandlungsprotokolls). Aus der Übersetzung (OZ 8) ergibt sich jedoch, dass dieses Schreiben aus dem Jahr 2009 stammt und den Beschwerdeführer bloß für die Dauer von fünf Tagen berechtigte, ein Auto für dieses Unternehmen zu lenken (OZ 8). Dieses Schreiben ist daher nicht geeignet, eine Tätigkeit des Beschwerdeführers für dieses Unternehmen bis zur Ausreise 2015 zu belegen. Darüber hinaus äußerte sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung widersprüchlich. Zunächst erklärte er, dass er immer dieselbe Tätigkeit, aber bei verschiedenen Unternehmen ausgeübt habe. Danach behauptete er, er habe nur für das Unternehmen XXXX gearbeitet (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls). Wegen dieser unvereinbaren Angaben konnte nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer bis zur Ausreise aus dem Irak im Jahr 2015 bei dem Unternehmen XXXX gearbeitet hat, wenngleich er im Jahr 2009 für dieses Unternehmen gearbeitet hat.

Die Feststellungen zu seinen Familienangehörigen, deren Wohnorten und beruflichen Tätigkeiten im Irak ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung.

Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer strafrechtlich unbescholten ist und Leistungen aus der Grundversorgung bezieht, ergeben sich aus einem Strafregisterauszug und einem GVS-Auszug, jeweils vom 16.10.2019.

Die Feststellungen zu seinen Lebensumständen in Österreich, dass er Freunde hat, über Empfehlungsschreiben verfügt, ehrenamtliche Tätigkeiten nachgeht, den Besuch von Deutschkursen und anderen Kursen, ergeben sich aus den Angaben in der mündlichen Verhandlung und den vorgelegten Bestätigungen. Dem in der Beweismittelvorlage vom 23.09.2019 gestellten Antrag auf Einvernahme einer Bekannten des Beschwerdeführers als Zeugin "zur Integration des Beschwerdeführers" war nicht nachzukommen, da hiermit kein ausreichend konkretes und für die Rückkehrentscheidung relevantes Beweisthema geltend gemacht wurde (vgl. VwGH 05.06.2019, Ra 2019/18/0192).

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer mit einem Cousin in einem organisierten Quartier lebt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben und dem GVS-Auszug.

Der Beschwerdeführer schilderte vor dem BFA einen Raketenangriff im Jahr 2009, bei dem er verletzt worden sei. In der Beschwerde wird dazu vorgebracht, dass der Beschwerdeführer wegen der dabei erlittenen Verletzungen dauerhaft intellektuell beeinträchtigt sei. Weiters wird in der Beschwerde vorgebracht, es ergebe sich aus der gesamten Einvernahme, dass es dem Beschwerdeführer schwer falle, Fragen zusammenhängend zu beantworten. Außerdem sei der Deutschlehrerin des Beschwerdeführers eine Lernbehinderung und Merkfähigkeitsstörung des Beschwerdeführers aufgefallen, da er wesentlich langsamere Fortschritte mache als andere Teilnehmer des Deutschkurses. Aus diesen Gründen wurde die Einholung eins medizinischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür beantragt, dass der Beschwerdeführer intellektuell beeinträchtigt sei, eine Störung des schlussfolgernden Denkens vorliege und deshalb vermindert einvernahmefähig sei. Das vom Bundesverwaltungsgericht daraufhin eingeholte neurologisch-psychiatrische Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass der Beschwerdeführer nicht intellektuell beeinträchtigt ist. Er ist einvernahmefähig und in der Lage, schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu machen. Er ist zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass er in der Lage ist, seine Ausreisegründe lückenlos und schlüssig darzulegen. Der Beschwerdeführer leidet an einer Anpassungsstörung mit einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Reaktion. Zur Behandlung kommen alle gängigen Antidepressiva in Betracht. Eine begleitende Psychotherapie wird empfohlen. Es ist aber von keiner dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen.

Die Behörde hat - ebenso wie das Verwaltungsgericht unter Anwendung des § 17 VwGVG- ein Gutachten auf seine Schlüssigkeit dahingehend zu überprüfen, ob das Gutachten den Denkgesetzen entspricht. Fehler, die hier festzustellen sind, sind durch die Einholung ergänzender oder neuer sachverständiger Äußerungen zu beseitigen (vgl. VwGH 04.04.2019, Ra 2017/11/0227 unter Hinweis auf VwGH 31.01.2019, Ra 2018/16/0216, mwN). Die Aufgabe des (Amts-)Sachverständigen ist darin zu sehen, der entscheidenden Behörde auf Grund besonderer Fachkenntnisse die Entscheidungsgrundlage im Rahmen des maßgebenden Sachverhaltes zu liefern. Die Mitwirkung bei der Feststellung des entscheidungsrelevanten Sachverhaltes durch den Sachverständigen besteht darin, dass er Tatsachen erhebt (Befund) und aus diesen Tatsachen auf Grund besonderer Fachkunde Schlussfolgerungen zieht (Gutachten). Der Sachverständige hat somit Tatsachen klarzustellen und auf Grund seiner Sachkenntnisse deren allfällige Ursachen oder Wirkungen festzustellen; er muss aber immer im Bereich der Tatsachen bleiben und darf nicht Rechtsfragen lösen. Aufgabe des (Amts- wie auch des nichtamtlichen) Sachverständigen ist es, unparteiisch und objektiv eine vorgegebene Sachlage fachlich zu beurteilen. Ihm kommt dabei die Stellung eines Hilfsorgans des erkennenden VwG zu, das den Parteien - und damit im Verfahren vor dem VwG dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde - gegenübersteht (vgl. VwGH 20.09.2018, Ra 2018/11/0077 unter Hinweis auf VwGH 26.02.1996, 94/10/0147).

Zu dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten wird vorgebracht, dass dieses fehlerhaft sei, weil darin erwähnt würde, dass der Beschwerdeführer drei Kinder habe, was aber nicht der Fall sei. Es sei auch geschrieben, dass er gut schlafe, allerdings habe er das Gegenteil erzählt. Außerdem brachte der Vertreter des Beschwerdeführers vor, es werde eine berufliche Tätigkeit des Beschwerdeführers als Taxifahrer erwähnt, die aber nicht richtig sei (Seiten 4 und 14 des Verhandlungsprotokolls). Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verfahren vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht stets davon gesprochen, keine Kinder zu haben. Die Angabe im Gutachten, dass der Beschwerdeführer drei Kinder habe, ist daher nicht richtig. Dass der Beschwerdeführer Kinder hat, ist jedoch für die Erstattung des Gutachtens hinsichtlich einer Intelligenzminderung, der Einvernahmefähigkeit und des Vorliegens von psychischen Krankheiten nicht von Relevanz. Zu dem Vorbringen, dass im Gutachten von einer beruflichen Tätigkeit des Beschwerdeführers als Taxifahrer die Rede sei, dies aber nicht den Tatsachen entspreche, ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer schon in der Erstbefragung angab, als Taxifahrer gearbeitet zu haben (Seite 1 des Protokolls der Erstbefragung). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde der Beschwerdeführer auch gefragt, ob er im Irak als Taxifahrer gearbeitet habe, worauf er erklärte, dass er bloß vorgegeben habe, als Taxifahrer gearbeitet zu haben, diese Behauptung aber nicht richtig sei. Mit dem Vorbringen des Rechtsvertreters des Beschwerdeführers, dass im Gutachten von einer beruflichen Tätigkeit als Taxifahrer die Rede sei, welche nicht stimme, wird auf Grund der gegenteiligen Angaben des Beschwerdeführers in der Erstbefragung und in der mündlichen Verhandlung somit kein Fehler im Gutachten aufgezeigt. Darüber hinaus behauptete der Beschwerdeführer selbst gar nicht, dass es sich bei dem im Gutachten erwähnten Beruf als Taxifahrer um einen Fehler handle. Zu dem Vorbringen des Beschwerdeführers, dass er von Schlafstörungen gesprochen habe, im Gutachten aber erwähnt werde, er könne gut schlafen, ist auf den Wortlaut im Gutachten zu verweisen. Demnach schlafe der Beschwerdeführer normalerweise gut, mit Ausnahme, wenn er an Termine zu denken habe. Die Behauptung des Beschwerdeführers, dass im Gutachten die Schlafstörungen des Beschwerdeführers nicht zum Ausdruck kämen, ist daher nicht zutreffend. Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass die behaupteten Fehler im Gutachten nicht vorliegen. Lediglich die Anführung von Kindern im Gutachten ist nicht richtig, ist aber für die Erstellung des Gutachtens unerheblich. Die Schlüssigkeit des Gutachtens wird im Übrigen vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Es bestehen daher keine Zweifel an der Schlüssigkeit des Gutachtens.

Am Tag vor der Begutachtung durch den medizinischen Sachverständigen wurde der Beschwerdeführer von einer Bekannten zu einer Psychotherapie angemeldet. Er befindet sich seit 23.08.2019 in einer Psychotherapie. Vom 23.09.2019 stammt eine "psychologische Stellungnahme". Diese wurde von einer klinischen Psychologin und Gesundheitspsychologin, die sich in Ausbildung zur Psychotherapeutin befindet, erstellt. Dem neurologisch-psychiatrischen Gutachten eines Facharztes für Neurologie und allgemein beeideten und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen wird damit nicht auf fachlich gleicher Ebene entgegengetreten. In der Stellungnahme wird angeführt, dass Anzeichen für das Vorliegen einer kognitiven Teilleistungsschwäche vorlägen. Es sei auch offensichtlich geworden, dass der Beschwerdeführer überdurchschnittliche Mühe im Buchstabieren der eigenen Sprache habe und der Beschwerdeführer berichte, dass er schon in der Schulzeit größere Probleme mit dem Lesen und Schreiben gehabt habe und als Erwachsener andere gebeten habe, zu schreiben, was er ihnen mündlich diktiere. Dazu ist festzuhalten, dass in der Stellungnahme nicht angeführt wird, welche konkreten Anzeichen die Verfasserin der Stellungnahme darauf schließen ließen, dass beim Beschwerdeführer eine kognitive Teilleistungsschwäche vorliege. Es wird auch nicht konkretisiert, in welchem Bereich die kognitive Teilleistungsschwäche bestehe. Wie die Psychologin feststellen konnte, dass der Beschwerdeführer überdurchschnittliche Mühe beim Buchstabieren habe, wird nicht dargestellt. Insofern erweist sich die Stellungnahme als nicht nachvollziehbar. Im Ergebnis ergibt sich aus der Stellungnahme schließlich nur, dass der Beschwerdeführer Schwierigkeiten beim Buchstabieren (seiner Muttersprache) und beim Lesen und Schreiben habe. Letztere stellt die Psychologin aber bloß auf Grund der eigenen Angaben des Beschwerdeführers fest und führte diesbezüglich keine eigenen Untersuchungen durch. Bloße Schwierigkeiten beim Buchstabieren sowie beim Lesen und Schreiben lassen nicht den Schluss zu, dass beim Beschwerdeführer eine Intelligenzminderung vorläge. In der Stellungnahme wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in wichtigen Angelegenheiten andere für ihn das schreiben lassen, was er mündlich diktiere. Damit wird aber offenkundig, dass der Beschwerdeführer in der Lage ist, sich mündlich zu artikulieren, weshalb auch angenommen werden kann, dass er in der Lage ist, seine Ausreisegründe aus dem Irak darzustellen. Aus der Stellungnahme lässt sich somit weder eine Intelligenzminderung noch eine Einvernahmeunfähigkeit des Beschwerdeführers ableiten. Der Stellungnahme gelingt es jedenfalls nicht, dem Gutachten substantiiert entgegen zu treten. Der weiters vorgelegte Arztbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 17.09.2019 gibt bloß das Vorbringen wieder, welches der Beschwerdeführer hinsichtlich der behaupteten Fehler im Gutachten in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat. Auch damit wird dem schlüssigen Gutachten nicht entgegengetreten.

Dem gestellten Antrag auf Einvernahme einer Bekannten des Beschwerdeführers als Zeugin "zur physischen/psychischen Verfassung des Beschwerdeführers" war nicht nachzukommen, da ohnehin ein Sachverständigengutachten eingeholt, Arztberichte und eine Stellungnahme einer Psychologin vorgelegt wurden.

Zusammengefasst konnte daher dem neurologisch-psychiatrische Gutachten gefolgt werden, das zu dem Ergebnis kommt, dass der Beschwerdeführer nicht intellektuell beeinträchtigt ist und er einvernahmefähig sowie in der Lage ist, schlüssige und nachvollziehbare Angaben zu machen. Er ist zeitlich, örtlich, situativ und zur Person derart orientiert, dass er in der Lage ist, seine ausreisegründe lückenlos und schlüssig darzulegen. Der Beschwerdeführer leidet nach dem Gutachten an einer Anpassungsstörung mit einer leicht- bis mittelgradigen depressiven Reaktion. Zur Behandlung kommen alle gängigen Antidepressiva in Betracht. Eine begleitende Psychotherapie wird empfohlen. Es ist aber von keiner dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit auszugehen. Die posttraumatische Belastungsstörung ist remittiert.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zeigte sich dann auch, dass der Beschwerdeführer keinerlei Probleme hatte, über sein Leben im Irak und in Österreich und seinen Fluchtgrund ausführlich zu sprechen. Der Beschwerdeführer hat die an ihn gerichteten Fragen offenbar verstanden, da er sie entsprechend beantworten konnte. Auf Grund seines Aussageverhaltens in der mündlichen Verhandlung entstand daher nicht der Eindruck, dass der Beschwerdeführer intellektuell beeinträchtigt oder nicht einvernahmefähig wäre.

Der Beschwerdeführer hat in der Einvernahme vor dem BFA, als er aufgefordert wurde, seinen Fluchtgrund zu schildern, einen Zettel hervorgezogen und davon abgelesen (Seite 7 des Einvernahmeprotokolls). In der Beschwerde wird dazu die Einvernahme des Cousins des Beschwerdeführers, der den Zettel geschrieben habe, als Zeuge beantragt, zum Beweis für die intellektuelle Beeinträchtigung des Beschwerdeführers. Dazu ist auszuführen, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ein Schreiben seines Cousins vom 22.09.2019 vorlegte, welches in der mündlichen Verhandlung übersetzt wurde (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Demzufolge erinnere der Cousin den Beschwerdeführer an wichtige Termine, da der Beschwerdeführer wegen eines Angriffs im Jahr 2009 vergesslich geworden sei. Dem Antrag auf Einvernahme des Cousins als Zeugen war schon deshalb nicht nachzukommen, da hinsichtlich des Vorbringens der intellektuellen Beeinträchtigung ohnehin ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt wurde. Darüber hinaus ergibt sich aus dem aktuellen Schreiben des Cousins, dass dieser nur von einer Vergesslichkeit des Beschwerdeführers spricht, nicht jedoch von einer intellektuellen Beeinträchtigung des Beschwerdeführers. Die behauptete intellektuelle Beeinträchtigung könnte somit durch die Einvernahme des Cousins als Zeugen nicht bewiesen werden.

Der Cousin bringt in seinem Schreiben vom 22.09.2019 vor, dass er den Zettel mit den Daten der Vorfälle im Irak verfasst habe, von dem der Beschwerdeführer beim BFA abgelesen habe. Er habe dies getan, weil der Beschwerdeführer vergesslich sei und wichtige Termine vergesse. Weiters führt der Cousin aus, er habe diesen Zettel verfasst, weil der Beschwerdeführer selbst "nicht gut lesen und schreiben" könne. Diese Argumentation ist jedoch gänzlich unplausibel. Wenn der Beschwerdeführer nicht gut lesen und schreiben kann, macht es nämlich keinen Sinn, ihm etwas aufzuschreiben. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer nur deshalb einen Zettel mit den Daten benötigt habe, weil er vergesslich sei. Dies spricht vielmehr dafür, dass die behaupteten Ereignisse im Irak gar nicht stattgefunden haben.

Das gesamte Vorbringen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung war deutlich ausführlicher und detailreicher als noch vor dem BFA. Damit wird nun die bisherige Behauptung, dass der Beschwerdeführer intellektuell beeinträchtigt wäre, eine Störung des schlussfolgernden Denkens vorliege und der Beschwerdeführer deswegen nicht einvernahmefähig wäre, gänzlich konterkariert und trägt nicht zur Glaubwürdigkeit des Beschwerdeführers bei.

Dass der Beschwerdeführer nun in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht zu derart ausführlichen Schilderungen in der Lage ist, ist auch aus dem Grund nicht nachvollziehbar und seiner Glaubwürdigkeit abträglich, da der Beschwerdeführer Ereignisse schildert, die sich etwa viereinhalb Jahre vor der mündlichen Verhandlung ereignet haben. Die Einvernahme vor dem BFA war hingegen nicht ganz eineinhalb Jahre nach den behaupteten Ereignissen, weshalb die Schilderungen vor dem BFA ausführlicher hätten sein müssen, zumal sich die behauptete Intelligenzbeeinträchtigung nicht bewahrheitet hat.

Da die Erinnerung an Ereignisse mit der Zeit verblasst, ist es nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung ausführlichere und detailreichere Angaben machen kann als noch vor dem BFA. Der Beschwerdeführer brachte zwar in der mündlichen Verhandlung vor, dass er der Einvernahmeleiterin vor dem BFA gesagt hätte, dass er noch nicht fertig sei, da einiges fehle (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls), doch kann diesem Erklärungsversuch nicht gefolgt werden. Der Beschwerdeführer wurde nämlich in der Einvernahme vor dem BFA gefragt, ob ihm ausreichend Zeit eingeräumt worden sei, seine Probleme vollständig und so ausführlich zu schildern, wie er es gewollt habe und der Beschwerdeführer hat diese Frage bejaht (Seite 10 des Einvernahmeprotokolls). Gegen Ende der Einvernahme wurde der Beschwerdeführer noch einmal gefragt, ob er noch etwas vorbringen wolle, was ihm von Bedeutung erscheine. Diese Frage hat der Beschwerdeführer verneint (Seite 11 des Einvernahmeprotokolls). Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA nicht alles hätte schildern können.

Der Beschwerdeführer erklärte vor dem BFA auch, dass es während der Befragung keine Probleme gegeben habe und er den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe (Seite 12 des Einvernahmeprotokolls). Sofern der Beschwerdeführer daher vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptet, dass der Dolmetscher bei der Übersetzung nicht korrekt gewesen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls), kann dem angesichts der Ausführungen des Beschwerdeführers vor dem BFA, dass er den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe, nicht gefolgt werden.

Der Beschwerdeführer hat auch jede Seite des Protokolls unterschrieben und damit dessen Richtigkeit bestätigt. Zudem liefert gemäß § 15 AVG, soweit nicht Einwendungen erhoben wurden, eine gemäß § 14 AVG aufgenommene Niederschrift über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung vollen Beweis, wobei der Gegenbeweis der Unrichtigkeit des bezeugten Vorganges zulässig bleibt. Fallbezogen sind Einwendungen des Beschwerdeführers weder aktenkundig, noch wird behauptet, der Beschwerdeführer hätte Einwendungen im Sinn des § 14 Abs. 3 AVG erhoben. Der Beschwerdeführer zeigt somit keine konkreten Gründe zur Entkräftung der Beweiskraft der Niederschrift auf (vgl. VwGH 28.03.2019, Ra 2018/14/0381). Es ist daher weder glaubhaft, dass es zu Problemen mit dem Dolmetscher gekommen ist, wie der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete noch, dass er nicht alles habe schildern können. Schließlich ist in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass sich der Beschwerdeführer nach der Einvernahme etwa mit Hilfe seines Cousins schriftlich an das BFA hätte wenden können und darin vorbringen hätte können, was ihm in der Einvernahme (behauptetermaßen) nicht möglich gewesen wäre oder die behaupteten Probleme mit dem Dolmetscher schildern. Von einer solchen Möglichkeit hat der Beschwerdeführer jedoch nicht Gebrauch gemacht, obwohl ausreichend Zeit zwischen Einvernahme am 23.08.2016 und Bescheiderlassung am 14.10.2016 gewesen wäre. Schließlich hätte der Beschwerdeführer auch in der Beschwerde jenes Vorbringen erstatten können, wozu er in der Einvernahme vor dem BFA keine Möglichkeit gehabt hätte oder die angeblichen Probleme mit dem Dolmetscher schildern, doch auch dies hat der Beschwerdeführer nicht getan. Es ist daher nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer keine Möglichkeit gehabt hätte, in der Einvernahme vor dem BFA alles vorzubringen oder es zu Problemen mit dem Dolmetscher gekommen sei. Betrachtet man nun die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, so fällt auf, dass der Beschwerdeführer auch hier kein Vorbringen erstattet hat, welches über jenes vor dem BFA hinausgeht. Es ist daher insgesamt nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA nicht alles hätte vorbringen können.

Die fluchtauslösenden Ereignisse im Jahr 2015 konnte der Beschwerdeführer vor dem BFA und dem Bundesverwaltungsgericht nicht übereinstimmend schildern. Der Beschwerdeführer schilderte sowohl vor dem BFA als auch dem Bundesverwaltungsgericht einen Vorfall in der Werkstatt, in der er gearbeitet habe. Diesbezüglich gab er vor dem BFA an, dass er und sein Geschäftspartner von Firmen Aufträge zur Autoreparatur bekommen hätten. Von unbekannten Personen seien sie bedroht worden, die gewollt hätten, dass sie diese Aufträge nicht mehr ausführen sollten. Sie hätten diese Arbeit aber weitergemacht. Daraufhin hätten ihnen die unbekannten Personen Milizen geschickt, die von ihnen verlangt habe, dass sie die Autos reparieren oder Geld an die Jihadisten bezahlen (Seite 7 des Einvernahmeprotokolls). Von dieser Schilderung weichen nun die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung deutlich ab. Hier sprach er davon, dass er das Auto eines normalen Bürgers repariert habe, der gefragt habe, ob er zwei oder drei Tage später zahlen könne. Nach zwei Tagen sei eine unbekannte Gruppe gekommen und habe den Beschwerdeführer für sein Verständnis in Bezug auf diese Person gelobt. Danach hätten sie gesagt, dass er bereit sein müsse, auch deren Autos zu reparieren und er müsse auch Geld zahlen, quasi eine Spende für den Jihad. Er habe gesagt, wenn er die Autos repariere, verlange er auch die Kosten dafür (Seite 13 des Verhandlungsprotokolls). Während er also vor dem BFA von unbekannten Personen sprach, die gewollt hätten, dass sie die Aufträge zur Reparatur nicht mehr ausführen sollten und ihn bedroht hätten, sprach er vor dem Bundesverwaltungsgericht von einer einzelnen Person, deren Auto repariert worden sei und der gefragt habe, ob er mit der Bezahlung warten könne. Die noch vor dem BFA erwähnte Drohung [von den unbekannten Personen] erwähnte er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr. Auch hinsichtlich der Forderungen der Miliz machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben. Vor dem BFA behauptete er, sie hätten verlangt, dass sie die Autos reparieren oder Geld an die Jihadisten zahlen sollten. Vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er, sie hätten verlangt, dass sie die Autos reparieren und Geld an die Jihadisten zahlen sollten. Diese unterschiedlichen Ausführungen sprechen nicht dafür, dass das Behauptete tatsächlich passiert ist.

Auch den nachfolgenden Vorfall schilderte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht anders als noch vor dem BFA. Vor dem BFA konnte er nicht einmal annähernd angeben, wann sich dieser Vorfall im Jahr 2015 ereignet hätte (Seite 9 des Einvernahmeprotokolls). Dieses mangelnde Wissen versuchte der Beschwerdeführer in der Beschwerde damit zu erklären, dass er vergesslich sei. Mit dieser Behauptung nicht in Einklang zu bringen ist nun, dass der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht das konkrete Datum nennen konnte, wann sich dieser Vorfall ereignet hätte. Er sprach in der mündlichen Verhandlung davon, dass es konkret am 20.05.2015 gewesen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Wenn der Beschwerdeführer außerdem behauptet, er sei seit seinem Unfall 2009 vergesslich und könne sich keine Daten merken, dann ist es umso weniger nachvollziehbar, wenn er nun vor dem Bundesverwaltungsgericht ein konkretes Datum nennen kann, wann sich der fluchtauslösende Vorfall ereignet haben soll.

Auch den Vorfall selbst schilderte der Beschwerdeführer widersprüchlich. Vor dem BFA brachte er bloß vor, dass auf sein Haus geschossen worden sei, sein Auto angezündet worden sei und ihm ein Drohbrief geschickt worden sei (Seite 7 des Einvernahmeprotokolls). Auch in seiner Beschwerde schilderte der Beschwerdeführer nur, dass auf sein Haus geschossen worden sein, sein Auto zerstört worden sei und er einen Drohbrief erhalten habe (Seite 5 der Beschwerde). Von diesen Schilderungen in der Einvernahme vor dem BFA und in der Beschwerde weichen nun die Schilderungen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht eklatant ab. Hier brachte er zwar auch vor, dass sein Auto angezündet worden sei und erwähnte einen Drohbrief, doch behauptet er nun, dass auf ihn geschossen worden sei, als er aus dem Haus gegangen sei (Seite 10 des Verhandlungsprotokolls). Vor dem BFA war noch nicht die Rede davon, dass auf ihn geschossen worden wäre. Dort sprach er nur davon, dass auf das Haus geschossen worden sei, was er auch vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund dieser Steigerung des Vorbringens ist es nicht glaubhaft, dass sich das Behauptete tatsächlich ereignet hat.

Gegen die Glaubhaftigkeit dieses Angriffs spricht zudem, dass sich der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung insoweit selbst widersprach, als er angab, der angebliche Angriff durch die Miliz sei am 20.05.2015 um 7 Uhr morgens erfolgt, als er gerade zur Arbeit fahren habe wollen. Er habe sich dann im Haus versteckt und sei dann zum Onkel gebracht worden (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Damit unvereinbar ist jedoch sein zuvor erstattetes Vorbringen in der mündlichen Verhandlung, wonach der 20.05.2015 sein letzter Arbeitstag im Irak gewesen sei (Seite 8 des Verhandlungsprotokolls), da der Beschwerdeführer nicht vorgebracht hat, am 20.05.2015 nach dem Vorfall noch in der Arbeit gewesen zu sein.

Auch zu den nachfolgenden Ereignissen am Tag des Angriffs der Miliz machte der Beschwerdeführer unterschiedliche Angaben, die gegen eine Glaubhaftmachung des Vorbringens sprechen. Vor dem BFA gab er dazu an, dass um 8 Uhr in der Früh auf das Haus geschossen worden sei und er sich bis zum Abend im Haus versteckt habe (Seite 12 des Einvernahmeprotokolls). In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht behauptete er, dass sich der Vorfall um 7 Uhr morgens ereignet habe und er sich "mehr als drei Stunden" zu Hause aufgehalten habe und danach zum Onkel gebraucht worden sei (Seiten 10 und 11 des Verhandlungsprotokolls). Dass er bis zum Abend im Haus versteckt gewesen sei, behauptete er vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht.

Auffällig ist auch, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA nie eine konkrete Miliz benannt habe, von der er bedroht worden sei und die für den Vorfall verantwortlich sei. Hingegen sprach er vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich davon, dass es sich um die Miliz Asaib Ahl al-Haqq gehandelt habe (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Auch dies lässt das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht glaubhaft erscheinen.

Zum Schicksal seines Geschäftspartners machte der Beschwerdeführer ebenso widersprüchliche Angaben. Vor dem BFA wurde der Beschwerdeführer gefragt, wo sein Geschäftspartner aktuell lebe. Dazu erklärte der Beschwerdeführer, dass dieser in Bagdad lebe. Auf die Frage wieso dieser in Bagdad leben könne, meinte der Beschwerdeführer, sein Geschäftspartner zu ihm gesagt, dass sie auf ihn geschossen hätten (Seite 9 des Einvernahmeprotokolls). Auf Grund dieser Fragen und Antworten ergibt sich eindeutig, dass der Geschäftspartner des Beschwerdeführers noch lebt und der Beschwerdeführer überdies nach dem Vorfall mit seinem Geschäftspartner auch noch gesprochen hat. Dazu widersprüchlich wird in der Beschwerde behauptet, dass der Beschwerdeführer mitteilen hätte können, dass sein Geschäftspartner ermordet worden sei, wenn die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nachgekommen wäre und ihn dazu befragt hätte (Seite 10 der Beschwerde). Dazu ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer vor dem BFA konkret nach seinem Geschäftspartner gefragt wurde, wie oben aufgezeigt wurde. Es ist daher nicht richtig, dass die belangte Behörde ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen ist. Der Beschwerdeführer sprach vor dem BFA eindeutig davon, dass der Geschäftspartner noch lebt. In der mündlichen Verhandlung behauptete der Beschwerdeführer dann wie in seiner Beschwerde, dass sein Geschäftspartner ermordet worden sei. Hier behauptete auch, dass er dies telefonisch von seinem Bruder erfahren habe, als er schon in der Türkei gewesen sei (Seite 12 des Verhandlungsprotokolls). Nicht nur, dass sich der Beschwerdeführer widerspricht, ob der Geschäftspartner nun lebt oder ermordet wurde, ist seine Behauptung in der mündlichen Verhandlung, dass er von seinem Bruder vom Tod des Geschäftspartners erfahren habe, mit seinen Angaben in der Einvernahme vor dem BFA nicht vereinbar, wo er behauptet hat, mit seinem Geschäftspartner der nach dem Vorbringen vor dem BFA noch leben würde, selbst gesprochen zu haben ("..., das sagte er zu mir", Seite 9 des Einvernahmeprotokolls).

Widersprüchlich gestalteten sich auch die Angaben zum Erhalt des vom Beschwerdeführer vorgelegten Drohbriefes. Der Beschwerdeführer machte nicht nur in der Einvernahme vor dem BFA andere Angaben als vor dem Bundesverwaltungsgericht, er widersprach sich sogar in der mündlichen Verhandlung. Vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, dass er den Drohbrief 16 Tage vor seiner Ausreise erhalten habe ("Ich erhielt den Brief 16 Tage vor meiner Ausreise.", Seite 7 des Einvernahmeprotokolls). In der mündlichen Verhandlung gab er zunächst an, dass es zu einem Vorfall beim Haus des Beschwerdeführers gekommen sei. Dabei habe eine Person geschossen und während diese Person geschossen habe, habe sie den Drohzettel auf den Vorplatz geworfen (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Danach schilderte er aber, dass sein Bruder den Drohbrief gefunden und dem Vater gegeben habe. Davon habe der Beschwerdeführer aber erst im Nachhinein erfahren (Seite 11 des Verhandlungsprotokolls). Etwas später in der mündlichen Verhandlung erklärte er, erst in der Türkei vom Drohbrief erfahren zu haben (Seite 18 des Verhandlungsprotokolls). Auf Grund dieser widersprüchlichen Angaben des Beschwerdeführers zum Drohbrief ist es ihm nicht gelungen, den Erhalt eines Drohbriefes glaubhaft zu machen.

Auch der Inhalt des Drohbriefes lässt sich nicht mit der dargestellten Fluchtgeschichte des Beschwerdeführers in Einklang bringen

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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