TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/19 L516 2216360-3

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Veröffentlicht am 19.12.2019
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Entscheidungsdatum

19.12.2019

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §33
ZustG §17

Spruch

L516 2216360-3/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenvetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.10.2019, Zahl 1051113910-150119086 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I wird abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 iVm § 33 VwGVG stattgegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, 1051113910-150119086 wird bewilligt.

B)

Die ordentliche Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 25.02.2019 zunächst (I.) die "ordnungsgemäße" Zustellung des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 27.11.2018, 1051113910-150119086, mit welchem sein Antrag auf internationalen Schutz vom 01.02.2015 zur Gänze abgewiesen, ihm kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, ein Rückkehrentscheidung erlassen sowie die Abschiebung nach Pakistan zulässig erklärt wurde. Unter einem beantragte der Beschwerdeführer (II.) "in eventu" die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Beschwerdefrist sowie die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und er erhob gleichzeitig (III.) Beschwerde gegen jenen Bescheid des BFA vom 27.11.2018.

Das BFA wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 11.10.2019 (I.) der Antrag des Beschwerdeführers auf ordnungsgemäße Zustellung [des Bescheides des BFA vom 27.11.2018] abgewiesen wurde, (II.) der Antrag des Beschwerdeführers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25.02.2019 abgewiesen wurde und (III.) dem Antrag auf Wiedereinsetzung die aufschiebende Wirkung nicht zuerkannt wurde.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA]

1.1 Zustellung des Bescheides vom 27.11.2018

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 01.02.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das BFA wies diesen Antrag mit Bescheid vom 27.11.2018 zur Gänze ab und erließ gleichzeitig eine Rückkehrentscheidung (Bescheid, 27.11.2018).

Dieser Bescheid vom 27.11.2018 wurde von einem Postzusteller nach einem Zustellversuch an der Abgabestelle des Beschwerdeführers am 29.11.2018 beim Postamt 1025 Wien mit Beginn der Abholfrist 30.11.2018 hinterlegt und eine Verständigung über diese Hinterlegung wurde in der Abgabeeinrichtung des Beschwerdeführers eingelegt. (unnummerierter Verwaltungsverfahrensakt des BFA, Bescheid 27.11.2018, letzte Seite). Am 20.12.2018 langte die beim Postamt hinterlegte Bescheidausfertigung mit dem postalischen Vermerk "RETOUR NICHT BEHOBEN" beim BFA ein (unnummerierter Verwaltungsverfahrensakt des BFA). Mangels Erhebung einer Beschwerde innerhalb der Beschwerdefrist von vier Wochen erwuchs dieser Bescheid mit Ablauf des 28.12.2018 in Rechtskraft. (Zustellnachweis).

1.2 Den dem gegenständlichen Verfahren zugrundeliegenden Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begründete der Antragsteller in seinem Schriftsatz vom 03.09.2019 wie folgt:

Der Beschwerdeführer habe selbst keinen Schlüssel für den zu seinem Wohnsitz gehörenden Postkasten gehabt, sondern ausschließlich sein Mitbewohner. Der Mitbewohner habe regelmäßig kontrolliert, ob Post gekommen war, ein "gelber Zettel" [Hinterlegungsanzeige] habe sich nach dessen Angaben jedoch nie im Postkasten befunden; es bestehe auch die Möglichkeit, dass die Hinterlegungsanzeige mitsamt dem Werbematerial weggeworfen worden sei. Der Beschwerdeführer als auch sein Mitbewohner habe um die Wichtigkeit behördlicher Zustellungen gewusst. Den Ladungen im Verfahren durch das BFA habe er stets Folge geleistet bzw sei er diesen, wenn dann entschuldigt ferngeblieben. Über die Existenz des Bescheides des BFA vom 27.11.2018 habe er am 11.02.2019 erfahren (Antrag auf Zustellung 25.02.2019).

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA und den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen jeweils in Klammer angeführt.

2.1. Zur Zustellung des Bescheides vom 27.11.2018 (oben 1.1)

Das Bundesverwaltungsgericht wies mit rechtskräftigem Beschluss vom 02.10.2019, L516 2216360-1, die ursprüngliche Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.2018 als verspätet zurück und begründete dies damit, dass eine ordnungsgemäße Zustellung erfolgte und innerhalb der Beschwerdefrist keine Beschwerde erhoben wurde (zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf den bezeichneten Beschluss verwiesen).

2.2 Zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung (oben 1.2)

Die Feststellungen zur Begründung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beruhen auf dem vom Antragsteller beim BFA eingebrachten Schriftsatz vom 25.02.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Antrag auf Zustellung

3.1 Da der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, 1051113910-150119086 ordnungsgemäß zugestellt wurde, war der darauf gerichtete Antrag und damit auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt II des gegenständlich angefochtenen Bescheides des BFA vom 11.10.2019 abzuweisen.

Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, 1051113910-150119086 (§ 28 Abs 2 iVm § 33 VwGVG)

3.2 Bereits das BFA ging von der Rechtzeitigkeit des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Das BFA begründet die Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages zusammengefasst im Wesentlichen damit, dass eine ordnungsgemäße Zustellung durch Hinterlegung erfolgt sei, sowohl die Zustellung des Bescheides als auch die Verständigung der beratenden Organisation ordnungsgemäß erfolgt sei (Bescheid 11.10.2019, S 8).

3.3. Dazu ist jedoch auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen wonach es bei einer ordnungsgemäß durch Hinterlegung erfolgten Zustellung zwar nicht auf die Kenntnis des Empfängers von dieser Zustellung ankommt, jedoch die Unkenntnis, sofern sie nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad minderen Versehens übersteigt - zur Grundlage eines Wiedereinsetzungsantrages gemacht werden kann (VwGH 29.01.2004, 2001/20/0425).

3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt hatte der Beschwerdeführer selbst keinen Zugang zum Postkasten und sein Mitbewohner und er waren sich jedoch der Wichtigkeit behördlicher Zustellungen, insbesondere jenen des BFA, bewusst. Der Beschwerdeführer konnte glaubhaft machen, dass er von der Hinterlegung des Bescheides - trotz ordnungsgemäßer Zustellung - keine Kenntnis hatte, was ein unvorhersehbares bzw unabwendbares Ereignis darstellt. Dadurch, dass der Beschwerdeführer im Verfahren zuverlässig allen an ihn persönlich ergangenen Ladungen Folge geleistet hat, auch sonst seiner Mitwirkungspflicht entsprochen hat und auch hinsichtlich der Integrität seines Mitbewohners keine Zweifel hervorkamen, ergibt sich, dass der Beschwerdeführer die ihm gebotene Sorgfaltspflicht eingehalten hat. Weder er noch sein Mitbewohner haben auffallend sorglos gehandelt, noch haben sie in besonders nachlässiger Weise die ihnen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen. Das BFA hat auch nicht dargelegt, und sind auch sonst keine Hinweise darauf hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer begründete Zweifel an der Zuverlässigkeit seines Mitbewohners hätte hegen müssen. Von einem, einen minderen Grad des Versehens übersteigenden Verschulden des Beschwerdeführers ist daher nicht auszugehen.

3.5 Der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides wird daher gemäß § 28 Abs 2 iVm § 33 VwGVG stattgegeben und die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, 1051113910-150119086 wird bewilligt.

Das Verfahren über die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2018, 1051113910-150119086, ist damit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig und wird zu einem späteren Zeitpunkt entschieden. Dem Beschwerdeführer kommt bis auf Weiteres die Rechtsstellung eines Asylwerbers zu.

3.6 Mit der vorliegenden Entscheidung erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag aufschiebende Wirkung.

Entfall der mündlichen Verhandlung

3.7 Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte im gegenständlichen Fall gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG entfallen, da bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit der gegenständlichen Beschwerde angefochtene Bescheid vom 11.10.2019 aufzuheben war.

Zu B)

Revision

3.8 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.9 Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Bescheid Kenntnis minderer Grad eines Versehens Rechtzeitigkeit Sorgfaltspflicht unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis Wiedereinsetzung Wiedereinsetzungsantrag Zustellung Zustellung durch Hinterlegung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L516.2216360.3.00

Im RIS seit

09.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

09.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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