TE Bvwg Beschluss 2020/6/17 I412 2186908-4

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Veröffentlicht am 17.06.2020
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Entscheidungsdatum

17.06.2020

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art2
EMRK Art3
EMRK Art8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I412 2186908-4/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER über

die die durch den mündlichen verkündeten Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle Ost (EASt-Ost) vom 10.06.2020, Zl. XXXX , erfolgten Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend

XXXX (alias XXXX ), geb. am 19.05.1999, StA. Nigeria

:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs. 2 iVm § 22 Abs. 10 AsylG 2005 rechtmäßig.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am 04.09.2016 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er mit der politischen Situation in Nigeria aufgrund der Biafra Bewegung begründete. Er sei in Nigeria von der Biafra Bewegung rekrutiert und in den Kampf für eine unabhängige Region Biafra geschickt worden sei.

2. Aufgrund von Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften wurde der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.02.2017, GZ XXXX , zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt.

2.1. Mit Beschluss des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 05.04.2017, GZ XXXX wurde über den Beschwerdeführer wegen Tatbegehungsgefahr die Untersuchungshaft verhängt, denn es bestehe der dringende Tatverdacht, er habe im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit einem weiteren unbekannten Täter vorschriftswidrig Suchtgift auf einer öffentlichen Verkehrsfläche einem anderen gegen Entgelt zu überlassen versucht. Am 27.05.2017 wurde der Beschwerdeführer aus der Untersuchungshaft entlassen.

2.3. Mit Straferkenntnis der LPD Wien vom 22.08.2017 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von Euro 266,67 wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht sowie wegen der Erregung ungebührlicher Weise störenden Lärms verhängt.

3. Nach einem Erhebungsauftrag konnte die neue Wohnadresse des Beschwerdeführers ermittelt, ihm neuerlich eine Ladung zugestellt und der Beschwerdeführer am 04.01.2018 abermals niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen werden. Befragt zu seinen Fluchtgründen gab er hierbei an, für die Biafra-Gruppe „Age Bogu“ als Kämpfer und Auftragsmörder gearbeitet zu haben. Bei einem Feuergefecht sei ein Freund getroffen worden, während er selbst von einem Soldaten verletzt worden sei. Man habe ihn anzünden und umbringen wollen. Seine Cousine sei getötet worden, sein Haus zerstört und auch in seinem Heimatdorf bei den Eltern habe seine Mutter Drohungen erhalten. Seine Mutter habe ihn verraten wollen, daher sei er ausgereist.

4. Mit Bescheid vom 17.01.2018, ZI. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 04.09.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde ihm nicht gewährt (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.). Ferner wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von sechs Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.). Darüber hinaus wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer das Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 06.02.2017 verloren hat (Spruchpunkt VII.).

4.1. Die gegen die Spruchpunkte I. bis V. und VII. des Bescheides vom 17.01.2018, ZI. XXXX , fristgerecht erhobene Beschwerde vom 20.02.2018 wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (in Folge: BVwG) vom 06.03.2018, Zl. I414 2186908-1/3E, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VI. wurde hingegen insoweit stattgegeben, als die Dauer des befristeten Einreiseverbotes auf drei Jahre herabgesetzt wurde. Die Entscheidung erwuchs in Rechtskraft.

5. Am 07.05.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag auf internationalen Schutz, wobei er vorbrachte, dass die Fluchtgründe aus seinem ersten Asylverfahren gleichgeblieben seien. Ein Asylantrag sei die einzige Möglichkeit für den Beschwerdeführer, hier zu bleiben. Wenn er zurückgeschickt werde, bedeute das seinen Tod; um das zu verhindern, beantrage er neuerlich Asyl. Er wolle jedenfalls hier in Österreich bleiben und könne sich nicht vorstellen, Österreich zu verlassen.

5.1. Im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am 20.05.2019 gab er, befragt zu den Gründen seiner neuerlichen Asylantragsstellung, an, in Nigeria nirgendwo hinzukönnen und dort niemanden zu haben. Seine Ausreisegründe seien dieselben wie im ersten Verfahren, doch habe er letztes Jahr etwas Furchtbares erlebt: Er habe einen Freund in Nigeria angerufen und habe dieser dem Beschwerdeführer gesagt, dass „all seine Leute“ in Nigeria getötet worden seien. Auf konkrete Nachfrage des Einvernahmeleiters, wen der Beschwerdeführer mit „all seine Leute“ meinen würde, gab dieser an, ein guter Freund, welcher gemeinsam mit dem Beschwerdeführer ausgereist sei, zwischenzeitlich jedoch wieder nach Nigeria zurückgekehrt wäre, sei dort getötet worden.

6. Mit Bescheid vom 24.05.2019, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den ersten Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 07.05.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück. Weiters wurde dem Beschwerdeführer aufgetragen, ab 07.05.2019 in folgendem Quartier Unterkunft zu nehmen: BS West AIBE Thalham 80, 4880 St. Georgen im Attergau (Spruchpunkt III.).

6.1. Eine gegen diesen Bescheid vom 24.05.2019, Zl. XXXX , fristgerecht erhobene Beschwerde vom 29.05.2019 wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2019, Zl. I411 2186908-2/5E, rechtskräftig als unbegründet abgewiesen.

7. Nur ein halbes Jahr später stellte der Beschwerdeführer am 20.11.2019 seinen zweiten Folgeantrag, sohin seinen insgesamt dritten Antrag auf internationalen Schutz. Begründend gab er hierbei an, ein psychologisches Problem zu haben. Er leide an Aggressionsschüben, welche er nicht kontrollieren könne und benötige psychiatrische Betreuung. In seinem Zustand könne er nicht in sein Heimatland zurückkehren.

7.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 21.11.2019, Zl. XXXX , wurde über den Beschwerdeführer zur Sicherung des Verfahrens über seinen zweiten Folgeantrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme die Schubhaft verhängt.

7.2. Am 26.11.2019 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich vor der belangten Behörde einvernommen. Hierbei gab er, befragt zu den Gründen seiner neuerlichen Asylantragsstellung, an, seit seiner Einreise nach Europa gesundheitliche Probleme „mit seinem Kopf“ zu haben, gegen welche er „gelegentlich Tabletten bekommen“ habe. Überdies habe er Probleme mit einer Person in Nigeria, der er Geld schulden würde, welches er nicht zurückzahlen könne. Auch sei seine Cousine in Nigeria, bei welcher er früher gelebt habe, zwischenzeitlich verstorben, sodass er in Nigeria keine Unterkunft mehr habe. Am Ende seiner Einvernahme gab der Beschwerdeführer hingegen ausdrücklich zu Protokoll, er könne wieder nach Nigeria zurückkehren, sobald Biafra unabhängig sei.

8. Mit dem Bescheid vom 29.11.2019, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 20.11.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG zurück. Eine Beschwerde dagegen wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 20.04.2020, GZ I411 2186908-3/6E, als unbegründet abgewiesen.

9. Nur 18 Tage später stellte der Beschwerdeführer seinen mittlerweile fünften Antrag auf internationalen Schutz. Dabei handelt es sich um den vierten Folgeantrag binnen zwei Jahren. Befragt nach den Fluchtgründen gab er an, seine bisherigen Gründe vollinhaltlich aufrecht zu halten. Er würde wegen dem Grundstückverkauf jemanden Geld schulden, wolle Bürger von Biafra sein und hätte Probleme mit einer Kultgemeinde.

9.1. Mit dem am 10.06.2020 mündlich verkündetem Bescheid hob die belangte Behörde gegenüber dem Beschwerdeführer den faktischen Abschiebeschutz auf und begründete das sinngemäß damit, dass der Beschwerdeführer keinen neuen glaubhaften Sachverhalt vorgebracht habe, der eine Asylrelevanz mit sich bringe. Die Rückkehrentscheidung sei aufrecht und würde keinen Eingriff in die durch Art. 2, 3 und 8 EMRK geschützten Rechte bedeuten. Da sich auch die Lage im Herkunftsstaat nicht wesentlich geändert oder sogar verbessert habe, sei der Folgeantrag voraussichtlich zurückzuweisen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Die Übermittlung des Akts gilt nach § 22 Abs. 10 AsylG 2005 als Beschwerde gegen die Aufhebung des Abschiebeschutzes, der Fremde somit als Beschwerdeführer im gerichtlichen Überprüfungsverfahren.

1. Feststellungen:

Die unter Punkt I getroffenen Ausführungen werden als Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Die letzte rechtskräftige Entscheidung erging am 20.04.2020 und sind bis zur neuerlichen Asylantragstellung am 08.05.2020 nur 18 Tage vergangen. Es konnte daher auf die getroffenen Feststellungen im Erkenntnis I411 2186908-3/6E zurückgegriffen werden. Darin wurde festgehalten:

„Der volljährige Beschwerdeführer ist ledig, kinderlos, Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Er gehört der Volksgruppe der I(g)bo an. Seine Identität steht nicht fest. Der Beschwerdeführer leidet an keiner lebensbedrohlichen oder dauerhaft behandlungsbedürftigen Gesundheitsbeeinträchtigung, die einer Rückführung in seinen Herkunftsstaat entgegenstünde. Er ist erwerbsfähig.

Der Beschwerdeführer reiste illegal ohne Reisedokument aus Nigeria über Libyen nach Italien aus und gelangte weiter nach Österreich. Er hält sich seit (mindestens) 04.09.2016 in Österreich auf, dies jedoch nicht durchgängig, da er das Bundesgebiet inzwischen verlassen hat und in Italien und Deutschland aufhältig war, ehe er wieder illegal nach Österreich eingereist ist.

Die Familie des Beschwerdeführers, insbesondere sein Vater sowie fünf Geschwister, lebt in Nigeria. Er steht weiterhin in Kontakt mit seiner Familie. In Österreich verfügt der Beschwerdeführer über keine Verwandten und über keine maßgeblichen privaten und familiären Beziehungen.

Der Beschwerdeführer besuchte sechs Jahre lang die Grundschule und arbeitete anschließend in einem Laden, wo er mit allerlei Gütern handelte; er war auch als Fliesenleger tätig. Aufgrund seiner Arbeitserfahrung in Nigeria hat er eine Chance auch hinkünftig am nigerianischen Arbeitsmarkt unterzukommen.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft. Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27.02.2017, GZ XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften in drei Fällen zu einer bedingten Freiheitsstrafe von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren verurteilt. Überdies wurde mit Straferkenntnis der LPD Wien vom 22.08.2017 über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von Euro 266,67 wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht sowie wegen der Erregung ungebührlicher Weise störenden Lärms verhängt.

Er ging in Österreich zu keinem Zeitpunkt einer legalen Beschäftigung nach und bezog Leistungen von der staatlichen Grundversorgung. Seit dem 20.01.2020 verfügt der Beschwerdeführer über keine aufrechte Wohnsitzmeldung mehr im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer weist in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in sprachlicher, beruflicher und kultureller Hinsicht auf.“

Lediglich zu seinen Familienangehörigen gab er abweichend an, dass sein Vater tot sei, er seine Eltern und Geschwister gar nicht kennt bzw. kannte und bei der Großmutter aufgewachsen sei. Festgehalten wird, dass der Beschwerdeführer in seinen bisherigen Verfahren bei allen Einvernahmen vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht divergierende Angaben zu seinen noch lebenden bzw. bereits verstorbenen Verwandten machte, die schon aufgrund der zeitlichen Abfolge nicht schlüssig und nachvollziehbar sind.

Weder hinsichtlich seiner Person, seiner Lebensumstände, seiner Fluchtvorbringen noch hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat sind seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung über einen Folgeantrag auf internationalen Schutz vor nicht einmal zwei Monaten am 20.04.2020 Änderungen eingetreten.

Im Erkenntnis I411 2186908-3/6E wurde festgestellt, dass über alle Fluchtgründe bereits rechtskräftig abgesprochen wurde, gegenständlich hält er seine bisherigen Motive aufrecht und bringt wiederum keine neuen Gründe vor. Auch wurde festgestellt, dass sich keine wesentliche Änderung des Sachverhalts und der individuellen Situation im Herkunftsstaat geändert hat und ist auch gegenständlich nicht erkennbar, inwiefern sich diesbezüglich eine gravierende Änderung binnen 18 Tagen bis zu neuerlichen Asylantragstellung ergeben haben soll.

Es liegt weiterhin eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach und befindet sich seit 18.05.2020 in Schubhaft.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung.

Der Folgeantrag wird voraussichtlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein.

2. Beweiswürdigung:

Der unter Punkt 1 angeführte Verfahrensgang und der festgestellte Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde sowie der vorliegenden Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes zu den Beschwerdeverfahren.

2.1. Die Feststellungen zur Person, der Herkunft sowie den Lebensumständen des Fremden gründen sich auf seine Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes und vor der belangten Behörde und auf das den letzten Asylantrag abschließende Erkenntnis I411 2186908-3/6E vom 20.04.2020.

Daraus und in Zusammenschau mit seinen früheren Angaben ergibt sich auch die Feststellung, dass der Beschwerdeführer bisher uneinheitlich seine Familienangehörigen in Nigeria aufzählte und auch die Beziehung zu ihnen immer wieder divergierend beschrieb.

Dass sich seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung keinerlei Änderungen in irgendeiner Hinsicht ergeben haben, folgt schon aus dem Umstand, dass zwischen der Entscheidung und der neuerlichen Folgeantragstellung nur 18 Tage lagen. Aus dem IZR ist die Schubhaft ab 18.05.2020 zu entnehmen und können somit auch seither keine wesentlichen persönlichen Änderungen eingetreten sein.

2.2. Zu den Fluchtmotiven des Fremden:

Das Fluchtvorbringen des Fremden wurde bereits im den letzten Asylantrag abschließenden Erkenntnissen behandelt und wurden alle seine vorigen Folgeanträge wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und Beschwerden dagegen rechtskräftig abgewiesen. Wenn der Beschwerdeführer nunmehr seine bisherigen Fluchtgründe weiterhin aufrecht hält, wird sich kein anderer Schluss ergeben, als dass der Antrag neuerlich nach § 68 AVG zurückgewiesen werden wird. Über die Vorbringen der Probleme wegen Biafra, Kultgemeinde und Geldschulden wurde bereits rechtskräftig abgesprochen und festgestellt, dass er nicht aufgrund eines Konventionsgrundes einer Verfolgung oder Bedrohung in Nigeria ausgesetzt war, ist oder sein wird.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Sachverhaltsfeststellungen zur Situation in Nigeria ergeben sich aus der Aktenlage. Dem Beschwerdeführer wurde auch Gelegenheit geboten, sich zu den Länderfeststellungen zu äußern, meinte dazu aber: „Ich möchte über Nigeria gar nichts wissen. Ich habe mit Nigeria abgeschlossen, deshalb bin ich hier. Ich möchte nicht wissen, was dort vor sich geht.“ (Einvernahmeprotokoll vom 10.06.2020). Die den Beschwerdeführer betreffenden individuellen Gegebenheiten im Herkunftsstaat wurde eingehend im rechtskräftig entschiedenen Verfahren erörtert und abgewogen und ist daher aufgrund der zeitlichen Nähe zum gegenständlichen Verfahren von ausreichender Aktualität auszugehen (weniger als zwei Monate). Eine neuerliche nähere Überprüfung konnte daher unterbleiben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Rechtmäßigkeit der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

Nach § 12a Abs. 2 AsylG 2005 kann das BFA unter anderem dann den faktischen Abschiebeschutz eines Fremden aufheben, der einen Folgeantrag gestellt hat, wenn dieser voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist (Z 2), und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde (Z 3).

Weiter ist vorausgesetzt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht (Z 1).

Die angeführte Rückkehrentscheidung ist seit 06.03.2018 rechtskräftig. Wie auch bereits dargetan, ist kein neues Vorbringen erstattet worden, von dem anzunehmen wäre, dass es beachtlich im Sinne einer materiellen Erledigung anstelle einer Zurückweisung wegen entschiedener Sache wäre.

Nach § 68 AVG hat die Behörde Anbringen von Beteiligten, die eine Abänderung eines der formell rechtskräftigen Bescheides begehren, grundsätzlich wegen entschiedener Sache zurückzuweisen. Ausnahmen dazu bilden die Fälle der Wiederaufnahme des Verfahrens und der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach §§ 69 und 71 AVG sowie die in § 68 Abs 2 bis 4 AVG vorgesehenen Arten von Abänderungen und Behebungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht.

Die vorgesehenen Ausnahmen kommen nach dem Inhalt der Akten im vorliegenden Fall nicht zum Tragen, insbesondere handelt es sich bei den vorgebrachten Tatsachenbehauptungen weder um glaubhafte nachträglich eingetretene Änderungen noch um nachträglich hervorgekommene Tatsachen oder Beweismittel, die geeignet wären, eine andere Entscheidung herbeizuführen.

Daher ist davon auszugehen, dass die in § 68 AVG grundsätzlich vorgesehene Zurückweisung als Erledigung des Bundesamtes zu erwarten ist.

Daraus ergibt sich, dass der Beschwerdeführer einen Folgeantrag im Sinne des § 2 Abs 1 Z 23 AsylG 2005 gestellt hat, und die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 Z 1 bis 3 AsylG 2005 vorliegen, weil dem Beschwerdeführer keine asylrelevante Verfolgung im Herkunftsstaat droht. Nach all dem wird der Folgeantrag des Beschwerdeführers voraussichtlich zurückzuweisen sein, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhaltes eingetreten ist.

Es gibt nämlich auch dafür, dass dem Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nach Nigeria die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen und die Schwelle des Art. 3 EMRK überschritten wäre, keine Anhaltspunkte, zumal der Beschwerdeführer für Arbeitstätigkeiten ausreichend gesund und daher erwerbsfähig ist.

Es ist daher kein Grund ersichtlich, warum der Beschwerdeführer seinen Lebensunterhalt nach seiner Rückkehr nicht bestreiten können sollte, selbst wenn ihn Angehörige nicht unterstützen, sei es mit der bereits ausgeübten oder einer anderen Tätigkeit. Zudem besteht ganz allgemein in Nigeria keine solch extreme Gefährdungslage, dass gleichsam jeder, der dorthin zurückkehrt, einer Gefährdung im Sinne des Art. 2 und 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK ausgesetzt wäre.

Im Verfahren sind auch keine Umstände bekannt geworden, die nahelegen würden, dass für den Beschwerdeführer ein "reales Risiko" einer gegen Art. 2 oder 3 EMRK verstoßenen Behandlung bzw. der Todesstrafe besteht. Der Beschwerdeführer führt in Österreich kein im Sinne des Art. 8 EMRK geschütztes Familienleben und hat kaum über die Aufenthaltszeit selbst hinausgehende - z. B. sprachlichen, kulturellen, beruflichen oder sozialen - privaten Integrationsmerkmale.

Somit sind die Voraussetzungen des § 12a Abs 2 AsylG 2005 gegeben, sodass die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes nicht rechtswidrig ist. Damit hatte das Gericht wie im Spruch zu entscheiden.

Die Entscheidung war mit Beschluss zu treffen, da § 22 Abs 10 AsylG 2005 dies so vorsieht. Nach § 22 Abs 1 BFA-VG hatte auch keine Verhandlung stattzufinden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung zum faktischen Abschiebeschutz und den Voraussetzungen seiner Aufhebung in Folgeverfahren oder zur Zurückweisung wegen entschiedener Sache.

Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung faktischer Abschiebeschutz faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung rechtmäßig Folgeantrag Identität der Sache Privat- und Familienleben real risk reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:I412.2186908.4.00

Im RIS seit

08.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

08.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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