TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/5 97/03/0104

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Veröffentlicht am 05.11.1997
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §5 Abs1;
StVO 1960 §5 Abs2;
VStG §31 Abs1;
VStG §31 Abs2;
VStG §44a Z1;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Sauberer und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Gruber, über die Beschwerde des H in P, vertreten durch Dr. Robert Eiter, Rechtsanwalt in Landeck, Malserstraße 13/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 11. März 1997, Zl. 19/32-7/1996, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. April 1995 im Instanzenzug wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 5 StVO 1960 bestraft worden. Es wurde ihm zur Last gelegt, er habe am 21. Oktober 1994 um 22.10 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW auf einem näher bezeichneten Stück der B 315 Reschenbundesstraße gelenkt "und sich entgegen den Bestimmungen des § 99 Abs. 1 lit. b StVO in Verbindung mit § 5 Abs. 5 StVO auf dem Gendarmerieposten Ried am 21. 10. 1994 zwischen 22.10 Uhr und 22.40 Uhr mehrmals geweigert, sich zum Zweck der Feststellung des Grades der Beeinträchtigung durch Alkohol zu einem im öffentlichen Sanitätsdienst stehenden Arzt vorführen zu lassen, obwohl die Alkomatuntersuchung gemäß § 5 Abs. 2 StVO unter 0,4 mg/Liter Alkoholgehalt der Atemluft ergeben habe, aber trotzdem vermutet werden konnte, daß er sich bei zuvor durchgeführten Fahrt auf öffentlichen Straßen in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat."

Diesen Bescheid hob der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 11. Oktober 1995, Zl. 95/03/0174, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. In den Entscheidungsgründen wurde unter anderem folgendes ausgeführt:

"Im Beschwerdefall gelangte der erste Fall dieser Bestimmung (§ 5 Abs. 5 erster Satz StVO 1960) zur Anwendung. Für diesen Fall statuiert das Gesetz u.a., daß eine Untersuchung der Atemluft stattgefunden hat, die keinen 0,4 mg/l übersteigenden Alkoholgehalt ergeben hat. Da das Gesetz die Berechtigung der Straßenaufsichtsorgane, den Betroffenen zum Arzt zu bringen, somit an das Ergebnis der Atemluftuntersuchung knüpft, muß es sich hiebei um ein gültiges, nicht verfälschtes Meßergebnis handeln. Für das Zustandekommen eines solchen Meßergebnisses ist aber die Einhaltung der Betriebsanleitung des Meßgerätes erforderlich. Im Beschwerdefall wurde ein ALCOMAT der Bauart M 52052/A 15 der Firma Siemens verwendet. In der Betriebsanteilung für dieses Gerät (abgedruckt in Messiner, StVO9, 1399 ff) wird ausgeführt, es sei bekannt, daß durch verstärkte Atmung (Hyperventilation, Hechelatumung) die abgegebene Atemalkoholkonzentration für kurze Zeit reduziert werden könne. Dies könne nur bei Extremfällen vom ALCOMAT erkannt werden. Das Exekutivorgan müsse daher die Atmung des Probanden vor Probenabgabe überwachen (3.1. lit. c). Für die Durchführung der Atemalkoholbestimmung wird demgemäß - u.a. - vorgeschrieben, daß vor Beginn der Messung die Atmung des Probanden zu beobachten und Hyperventilation (Hechelatmung) zu unterbinden sei (4.1.3.).

Der als Zeuge vernommene Meldungsleger Rev.Insp. S., dessen Aussage die belangte Behörde bei Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes gefolgt ist, gab - wie es in der Begründung des angefochtenen Bescheides heißt - an, der Alkomat habe zwar ein verwertbares Meßergebnis ausgedruckt, der Beschwerdeführer habe aber unmittelbar vor den Blasvorgängen jeweils eine Hechelatmung angewandt und diese auch beim zweiten Blasvorgang fortgesetzt, obwohl ihm gesagt worden sei, er möge normal atmen. Daraus ergibt sich aber, daß bei Durchführung der Atemluftuntersuchung die oben angeführten Kriterien nicht eingehalten wurden. Das erzielte Meßergebnis kann daher nicht als gültig angesehen werden, weshalb § 5 Abs. 5 Z. 1 StVO 1960 nicht anwendbar ist."

Mit dem nunmehr angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 mit einer Geldstrafe von S 10.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 10 Tage) bestraft, weil er sich am 21. Oktober 1994 "am Gendarmerieposten Ried in der Zeit zwischen 22.26 Uhr und 22.27 Uhr durch sein Verhalten (er hat sowohl vor dem ersten Blasvorgang um 22.26 Uhr als auch vor dem zweiten um 22.27 Uhr eine auffällige Atmung angewandt, indem er wiederholt tief Luft holte und schnell ausstieß

- Hyperventilation, Hechelatmung), welches das Zustandekommen eines gültigen Meßergebnisses verhinderte," geweigert habe, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, obwohl vermutet habe werden können, daß er sich beim Lenken eines nach dem Kennzeichen betimmten Pkws am 21. Oktober 1994 um 22.10 Uhr auf einem näher bezeichneten Stück der B 315 Reschenbundesstraße in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, es sei unzutreffend, daß durch sein Verhalten das Zustandekommen eines gültigen Meßergebnisses bei der Atemluftuntersuchung verhindert worden sei. Der Alkomat habe ein Ergebnis von 0,22 mg/l bzw. 0,24 mg/l angezeigt; aus dem - vom Beschwerdeführer vorgelegten - Gutachten des Sachverständigen R ergebe sich, daß sich dieses Ergebnis mit der Trinkverantwortung des Beschwerdeführers decke und daß die Atemalkoholkonzentration beim Beschwerdeführer - selbst wenn eine Hyperventilation stattgefunden hätte - auf jeden Fall unter 0,4 mg/l gelegen sei.

Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer auf die oben wiedergegebenen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 11. Oktober 1995, Zl. 95/03/0174, zu verweisen, wonach das erzielte Meßergebnis dann, wenn bei Durchführung der Atemluftuntersuchung die in der Betriebsanleitung des Meßgerätes vorgeschriebenen Kriterien - hier Unterbindung von Hyperventilation (Hechelatmung) - nicht eingehalten worden seien, nicht als gültig angesehen werden könne. Ob sich die Trinkveranwortung des Probanden mit dem Meßergebnis deckt, ist dabei ebenso unerheblich wie die Frage, ob auch ohne Hyperventilation (Hechelatmung) ein Meßergebnis von unter 0,4 mg/l erzielt worden wäre.

Ferner meint der Beschwerdeführer, das ihm im Spruch des mit dem angefochtenen Bescheid übernommenen erstinstanzlichen Straferkenntnisses "bzw. auch davor" vorgeworfene Verhalten könne nicht als Hyperventilation oder Hechelatmung bezeichnet werden, weil nach dem Gutachten des Sachverständigen R neben der Vertiefung der einzelnen Atemzüge nur bei einer zusätzlichen Steigerung der Atemfrequenz mit einem Einfluß auf die Atemalkoholanalyse zu rechnen sei. Es liege daher auch keine dem Gesetz entsprechende, sich auf alle der Bestrafung zugrundegelegten Sachverhaltselemente beziehende Verfolgungshandlung vor.

Mit diesem Vorbringen verkennt der Beschwerdeführer, daß das eine Verweigerung der Vornahme der Atemluftuntersuchung darstellende Verhalten des Aufgeforderten weder gemäß § 44a Z. 1 VStG in den Spruch des Straferkenntnisses aufgenommen noch in der die Verfolgungsverjährung unterbrechenden Verfolgungshandlung umschrieben werden muß (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. September 1995, Zl. 95/02/0320).

Daß die vom Beschwerdeführer vor den jeweiligen Messungen angewendete Atmungsweise als Hyperventilation (Hechelatmung) anzusehen ist, geht klar aus der den Feststellungen der belangten Behörde zugrundegelegten Aussage des Meldungslegers in der Verhandlung vom 11. März 1997 hervor. Danach habe der Beschwerdeführer "mit einer erhöhten Atemfrequenz tief ein- und ausgeatmet, d.h. er hat wesentlich rascher ein- und ausgeatmet, als dies bei einer sogenannten "normalen" Atmung der Fall ist". Diese Aussage steht entgegen dem Vorbringen des Beschwerdeführers mit der Aussage des Zeugen in der Verhandlung vom 19. April 1995 nicht in Widerspruch, hat der Zeuge doch bereits damals ausgesagt, der Beschwerdeführer habe mehrmals "tief Luft ein- und ausgeatmet", und die Atmung des Beschwerdeführers als "Hecheln" bezeichnet, worunter nach dem Sprachgebrauch jedenfalls ein schnelleres Atmen zu verstehen ist. Ob diese Atmungsweise ca. eine Minute oder - geringfügig - länger gedauert hat, ist nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung.

Unerheblich ist es auch, ob der Beschwerdeführer und der Meldungsleger wußten, daß der Beschwerdeführer mit der von ihm angewendeten Atmungstechnik den Tatbestand der Verweigerung der Atemluftuntersuchung erfüllt. Nach den auf die als glaubwürdig gewertete Zeugenaussage des Meldungslegers in der Verhandlung vom 11. März 1997 gegründeten und daher entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht aktenwidrigen Feststellungen der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer vom Meldungsleger wiederholt ermahnt, "normal" zu atmen, er reagierte darauf jedoch nicht, sondern behielt die "Hechelatmung" bei. Bei diesem Sachverhalt kann sich der Beschwerdeführer, auch wenn er nicht darüber belehrt wurde, daß die "Hechelatmung" als Verweigerung der Atemluftuntersuchung gelte, nicht auf mangelndes Verschulden bzw. das Vorliegen eines entschuldbaren Tatbildirrtums berufen. Zum einen sind Straßenaufsichtsorgane nicht verpflichtet, im Zuge der von ihnen durchgeführten Amtshandlungen rechtliche Aufklärungen zu geben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1991, Zl. 90/03/0269), zum anderen genügt für die Verwirklichung der Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO 1960 die Schuldform der Fahrlässigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1991, Zl. 91/02/0024). Diese fällt dem Beschwerdeführer jedenfalls zur Last, weil in der Nichtbefolgung der Ermahnungen des Meldungslegers zumindest eine Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt zu erblicken ist.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, die in der Anzeige angegebenen "massiven" Alkolisierungsmerkmale könnten mit einer geringgradigen Alkoholisierung von weniger als 0,4 mg/l nicht in Einklang gebracht werden, geht insofern ins Leere, als die belangte Behörde als Alkoholisierungsmerkmal lediglich das Vorhandensein von Alkoholgeruch der Atemluft festgestellt hat. Diese Feststellung ist schon deshalb unbedenklich, weil der Beschwerdeführer in der Verhandlung am 30. Oktober 1996 angegeben hat, unmittelbar vor seiner Anhaltung "ein Bier" getrunken zu haben.

Die vom Beschwerdeführer weitwendig erörterte Frage, ob er - im Anschluß an die Atemluftuntersuchung - zur Vorführung zu einem Arzt oder zur Blutabnahme aufgefordert worden sei, ist für den vorliegenden Beschwerdefall bedeutungslos. Aus den dazu gemachten Angaben des Meldungslegers können keine Rückschlüsse auf die Verläßlichkeit seiner den hier entscheidungswesentlichen Sachverhalt betreffenden Aussagen gezogen werden.

Da aufgrund der der belangten Behörde vorliegenden Beweisergebnisse eindeutig beurteilt werden konnte, daß die vom Beschwerdeführer vor der Atemluftuntersuchung angewendete Atmungsweise das Zustandekommen eines gültigen Meßergebnisses verhindert hat, bestand für die belangte Behörde keine Veranlassung zu der vom Beschwerdeführer in der Verhandlung am 11. März 1997 beantragten Einvernahme des Sachverständigen Dr. U "zum Beweis dafür, daß die nach Angaben des Zeugen Siess vom Berufungswerber angewendete Atemtechnik nicht als "Hechelatmung" oder "Hyperventilation" zu bezeichnen ist und daß im Falle, daß dieser diese Atemtechnik tatsächlich angewendet hätte, ein gültiges Meßergebnis nicht zustandegekommen wäre. Weiters zum Beweis dafür, daß der vom Berufungswerber angeführte Alkoholkonsum mit dem Meßergebnis durchaus in Übereinstimmung steht."

Soweit der Beschwerdeführer die Nichtanwendung des § 20 VStG rügt, genügt es, auf § 100 Abs. 5 StVO 1960 zu verweisen. Danach findet diese Bestimmung bei einer Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 1 leg. cit. keine Anwendung.

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Mängel im SpruchAndere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten Straßenpolizei KraftfahrwesenAllgemeinFeststellung der Alkoholbeeinträchtigung AlkomatAlkotest StraßenaufsichtsorganVerfahrensrecht Verjährung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997030104.X00

Im RIS seit

12.06.2001

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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