TE Vfgh Erkenntnis 1995/12/4 G276/94

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Veröffentlicht am 04.12.1995
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Index

20 Privatrecht allgemein
20/05 Wohn- und Mietrecht

Norm

B-VG Art11 Abs2
VStG §19
VStG §20
MietrechtsG §27 Abs4

Leitsatz

Kein Verstoß der vom VStG abweichenden Regelung der Bemessung von Strafen für verbotene Ablösen im MietrechtsG gegen die Bedarfskompetenz des Art11 Abs2 B-VG; Erforderlichkeit einer relativ strengen Strafe und der Verknüpfung der Strafhöhe mit der Höhe der Ablöse im Sinne der Generalprävention; kein Ausschluß der Anwendung der außerordentlichen Milderungsgründe bei der Strafbemessung

Spruch

Der Antrag wird abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Beim Verwaltungsgerichtshof ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien anhängig, mit dem dieser über den Vormieter einer Wohnung, der vom Nachmieter für die Aufgabe der Mietrechte Beträge ohne gleichwertige Gegenleistung entgegengenommen habe, eine Geldstrafe verhängt hat. Der Unabhängige Verwaltungssenat hatte angesichts der von ihm für erwiesen angenommenen Straftat der Annahme einer verbotenen Ablöse in Höhe von S 350.000,-- eine Verwaltungsstrafe von S 70.000,-- verhängt. Bei der Strafbemessung wurden neben der Höhe der als verboten qualifizierten Ablöse Umstände der Leistungsfähigkeit des Vormieters, dessen verwaltungsstrafrechtliche Unbescholtenheit, die Erstmaligkeit der angenommenen Verfehlung, der Unrechtsgehalt der Tat und das Verschulden des Täters berücksichtigt.

2. Aus Anlaß der Behandlung der Beschwerde stellte der Verwaltungsgerichtshof gemäß Art140 Abs1 iVm Art89 Abs2 B-VG an den Verfassungsgerichtshof den Antrag, "§27 Abs4 zweiter und dritter Satz MRG, BGBl. Nr. 520/1981, in der Fassung des zweiten Wohnrechtsänderungsgesetzes, BGBl. Nr. 68/1991, als verfassungswidrig aufzuheben". Dieser Absatz lautet (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

"(4) Wer für sich oder einen anderen Leistungen entgegennimmt oder sich versprechen läßt, die mit den Vorschriften des Abs1 im Widerspruch stehen, in den Fällen des Abs1 Z4 auch wer eine solche Leistung erbringt oder verspricht, begeht, sofern die Tat nicht nach anderen Bestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 200 000 S zu bestrafen. Die Geldstrafe ist unter Berücksichtigung der persönlichen Verhältnisse und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit so zu bemessen, daß sie den Wert der nach Abs1 unzulässig vereinbarten Leistung, ist aber der Täter bereits zweimal wegen einer solchen Verwaltungsübertretung bestraft worden, das Zweifache dieses Wertes übersteigt; reicht das gesetzliche Höchstmaß nicht aus, so kann dieses um die Hälfte überschritten werden. Würde eine so bemessene Geldstrafe zur Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Täters führen, so kann auch eine niederere Geldstrafe ausgesprochen werden, als es dem Wert oder zweifachen Wert der unzulässig vereinbarten Leistung entspräche. Die für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe darf sechs Wochen nicht übersteigen."

3. Der Verwaltungsgerichtshof führt aus, daß der Erfolg der Beschwerde im wesentlichen von der Interpretation der beiden inkriminierten Sätze abhänge, die er daher anzuwenden habe.

Seine Bedenken legt der antragstellende Gerichtshof folgendermaßen dar:

"§27 Abs4 zweiter und dritter Satz MRG enthalten Strafbemessungsvorschriften, die von jenen des §19 VStG in folgender Hinsicht abweichen:

a) Die Untergrenze der Geldstrafe ist zwar variabel, aber mit dem Einfachen (bzw. Zweifachen) des Wertes der 'nach Abs1 unzulässig vereinbarten Leistung' der Höhe nach fixiert.

b) Eine Unterschreitung dieser Untergrenzen ist nur dann zulässig, wenn ansonsten die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Beschuldigten droht,

c) die Obergrenze von S 200.000,-- kann um die Hälfte überschritten werden, wenn das gesetzliche Höchstmaß 'nicht ausreicht', um das Einfache (oder Zweifache) des Wertes des unzulässig Vereinbarten zu erreichen.

d) Zwischen der Untergrenze und der Obergrenze (welche allerdings in den Fällen der Hälfteüberschreitung gemäß §27 Abs4 zweiter Satz zweiter Halbsatz MRG mit der Untergrenze ident ist) entscheiden über die Strafbemessung 'die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit' des Beschuldigten (§27 Abs4 zweiter Satz erster Halbsatz MRG).

...

Beim Verwaltungsgerichtshof sind anläßlich der Beratung der Beschwerdesache gegen die Verfassungsmäßigkeit der genannten Bestimmungen allerdings folgende Bedenken entstanden:

... Die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes knüpfen zunächst an der Starrheit der Regelung an, die mit dem einfachen Wert des unzulässig Vereinbarten (über die zivilrechtliche Rückzahlungsverpflichtung des Täters hinaus) eine überaus drakonische Mindeststrafe vorsieht, die sich in den meisten Fällen in sechsstelliger Höhe bewegen wird, jedoch nicht danach differenziert, ob die Tat vorsätzlich oder (vgl. §5 Abs1 VStG) fahrlässig begangen wird.

... Der Verwaltungsgerichtshof hält es unter den gegebenen Umständen für unsachlich (Art7 Abs1 B-VG), nicht nach der Schuldform zu differenzieren, sondern eine Unterschreitung der Mindeststrafe lediglich bei 'wirtschaftlicher Existenzgefährdung' zuzulassen.

... Auch wird damit das rechtspolitische Anliegen des §19 VStG auf den Kopf gestellt, weil gemäß §19 Abs2 zweiter Satz VStG auf das Ausmaß des Verschuldens 'besonders Bedacht zu nehmen', hingegen die Einkommens-, Vermögens- und Familienverhältnisse des Beschuldigten bei der Bemessung von Geldstrafen (bloß) 'zu berücksichtigen' sind.

... Andere Strafbemessungsgründe des §19 Abs2 VStG, insbesondere die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, scheinen durch die Spezialvorschrift des §27 Abs4 MRG weitgehend verdrängt, jedenfalls aber insoweit beachtlich eingeschränkt zu sein, als sie sich nur in jenen Fällen (straferhöhend) auswirken können, in denen die verbotene Ablöse unter S 200.000,-- liegt, während bei einer S 200.000,-- übersteigenden Geldstrafe die Mindesthöhe gleichzeitig die höchstzulässige Geldstrafe darstellt, sich daher ausschließlich nach der Höhe der verbotenen Ablöse bestimmt, sodaß insoweit für andere Strafzumessungsgründe von vornherein kein Raum bleibt. Auch vermag der Verwaltungsgerichtshof keine sachlichen Gründe dafür zu finden, daß auch bei Überwiegen der Milderungs- über die Erschwerungsgründe eine Herabsetzung der Mindesstrafe bis zu ihrer Hälfte abweichend von §20 VStG ausgeschlossen ist.

... Der Verwaltungsgerichtshof verkennt nicht das §27 Abs4 MRG zugrundeliegende (rechtspolitische) Anliegen, das Risiko dessen, der eine verbotene Ablöse fordert, aus generalpräventiven Gründen insoweit zu erhöhen, als der Täter nicht nur die Rückforderung der erhaltenen Geldbeträge, sondern darüber hinaus einen nicht ganz unerheblichen wirtschaftlichen Nachteil in Form einer Verwaltungsstrafe zu fürchten haben soll.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag aber nicht zu erkennen, daß das Abweichen von den allgemeinen Strafbemessungsvorschriften der §§19 ff VStG in der hier skizzierten Weise im Sinne des Art11 Abs2 zweiter Halbsatz B-VG zur Regelung des Gegenstandes erforderlich wäre oder daß dafür (im Sinne der zu Art7 Abs1 B-VG ergangenen ständigen verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung) sachliche Gründe bestünden, insbesondere für die aufgezeigte Diskriminierung des Schuldelementes und aller in Betracht kommenden Milderungsgründe im Verhältnis zum Element der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (zur Bedenklichkeit der Einschränkung des §19 VStG durch §27 Abs4 MRG vgl. auch Würth in Rummel II2, RdZ 2 zu §27 MRG)."

4. Die Bundesregierung tritt den Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes entgegen. Sie verweist darauf, daß die angefochtenen Bestimmungen durch das 3. Wohnrechtsänderungsgesetz BGBl. 800/1993 neu gefaßt wurden und damit die angefochtenen Bestimmungen außer Kraft getreten seien (sodaß lediglich geprüft werden könne, ob die angefochtenen Bestimmungen verfassungswidrig waren). In der Sache beantragt die Bundesregierung mit folgenden Argumenten, den Antrag des Verwaltungsgerichtshofes abzuweisen:

"1. Zur behaupteten Verletzung des Gleichheitssatzes:

a) Zu den empirischen Annahmen:

Welcher Raum der individualisierenden Strafbemessung bleibt, hängt im Ergebnis davon ab, ob die entgegen §27 Abs1 MRG unzulässig vereinbarten Leistungen regelmäßig deutlich unter der Strafsatzobergrenze von 200.000 S (im Falle des qualifizierten Delikts von 300.000 S) bleiben oder aber diesen Strafsatz weitgehend ausschöpfen. Dies ist eine Tatsachenfrage, wobei der einfache Gesetzgeber seiner Beurteilung eine Durchschnittsbetrachtung zugrunde legen darf. Der Verwaltungsgerichtshof geht ausdrücklich von der Annahme aus, daß sich die Mindeststrafgrenze 'in den meisten Fällen in sechsstelliger Höhe bewegen' werde (Pkt. 5.1.). Unter 5.4. kommt der Verwaltungsgerichtshof schließlich resümierend zum Ergebnis, die Strafzumessungsgründe des §19 Abs2 VStG schienen 'insoweit beachtlich eingeschränkt zu sein, als sie sich nur in jenen Fällen (straferhöhend) auswirken können, in denen die verbotene Ablöse unter 200.000 S liegt, während bei einer 200.000 S übersteigenden Geldstrafe die Mindesthöhe gleichzeitig die höchstzulässige Geldstrafe darstellt, sich daher ausschließlich nach der Höhe der verbotenen Ablöse bestimmt, sodaß insoweit für andere Strafzumessungsgründe von vornherein kein Raum bleibt.'

Dabei geht der Verwaltungsgerichtshof von unzutreffenden empirischen Annahmen aus. Dazu sei auf folgendes hingewiesen:

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Im Jahre 1993 hat die durchschnittliche Ablösehöhe nach einer von der Mietervereinigung Österreichs in Auftrag gegebenen Erhebung 3.850 S/m2 betragen.

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Für 1985 wurden z.B. von Czasny/Hauptmann, Erfassung des Wohnungsangebotes, Wien 1985, 96, durchschnittliche Ablösehöhen von 53.000 S für Wohnungen der Ausstattungskategorie mit einer Nutzfläche von 40 m2 und bis 170.000 S für Wohnungen der Ausstattungskategorie mit einer Nutzfläche von 75 m2 ermittelt.

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In die angeführten Beträge sind sowohl zulässige als auch unzulässige Ablösen eingegangen.

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Die durchschnittliche Wohnungsgröße der vor 1945 erbauten Mietwohnungen in Wien beträgt 42 m2 für Wohnungen der Kategorien C und D und 77 m2 für Wohnungen der Kategorien A und B (Bauer/Kaufmann, Stand und Entwicklung der Wohnungskosten 1981-1985, Wien 1987).

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Hinzu kommt, daß unzulässige Ablösen am häufigsten bei kleinen, schlecht ausgestatteten Wohnungen, hingegen am seltensten und in einer relativ niedrigen Höhe bei größeren Wohnungen der Ausstattungskategorien A und B vorkommen.

In der wohnwirtschaftlichen Praxis sind deshalb nach §27 Abs1 MRG unzulässige Leistungen, deren Wert 200.000 S oder 300.000 S übersteigt, äußerst selten anzutreffen.

b) Zum Zusammenfallen von Ober- und Untergrenze der Strafdrohung:

Aus dem vorhin Gesagten ergibt sich, daß der Anlaßfall in hohem Maße untypisch ist, er liegt außerhalb jener Bandbreite, die bei einer generalisierenden Durchschnittsbetrachtung berücksichtigt werden muß. Demnach ist jedoch für die weit überwiegende Zahl der verbotenen Ablösezahlungen ein ausreichend großer Spielraum für eine individualisierende Strafbemessung nach den Grundsätzen des §19 Abs2 VStG gegeben: Es kann sowohl darauf Bedacht genommen werden, ob (bloß) ein Sorgfaltsverstoß oder Vorsatz vorliegt, als auch auf Erschwerungs- und Milderungsgründe eingegangen werden.

Anfechtbar ist überdies die Annahme des Verwaltungsgerichtshofes, daß bei einer 200.000 S übersteigenden Geldstrafe die Mindesthöhe gleichzeitig die höchstzulässige Geldstrafe darstelle und sich daher ausschließlich nach der Höhe der verbotenen Ablöse bestimme, sodaß insoweit für andere Strafzumessungsgründe von vornherein kein Raum bleibe. Die Regelung des §27 Abs4 zweiter Satz besagt nur, daß in Fällen, in denen das Höchstmaß von 200.000 S nicht ausreicht, eine Strafobergrenze von 300.000 S gelte. Daß die Grenze von 200.000 S nur in jenen Fällen überschritten werden darf, in denen der Wert der unrechtmäßig vereinbarten Ablöse - im Fall eines zweimaligen Rückfalls das Zweifache der unzulässig vereinbarten Leistung - 200.000 S übersteigt, und daß die Überschreitung dann nur um jenen Betrag erfolgen dürfe, der dem Äquivalent der unrechtmäßigen Ablöse entspricht, wird vom Verwaltungsgerichtshof - im übrigen auch unter Pkt. 4.2. litc) des Aufhebungsantrages - ohne nähere Begründung angenommen, obwohl dies nicht die einzige mögliche Interpretation ist. Im Lichte des Gebotes verfassungskonformer Interpretation kann die Bestimmung vielmehr auch dahin verstanden werden, daß von der Hebung der Obergrenze auf 300.000 S alle Fälle betroffen sind, in denen die Obergrenze von 200.000 S nicht ausreicht, um sämtlichen gesetzlichen Bemessungskriterien - einschließlich jener des §19 Abs2 VStG - Rechnung zu tragen. Die Überschreitung der Obergrenze von 200.000 S ist dann auch nicht an die Höhe der Ablöse gebunden.

Das vom Verwaltungsgerichtshof angesprochene Problem einer mangelnden Flexibilität ergibt sich dann im Sinne der obigen Ausführungen erst bei einem Ablösewert von 300.000 S (bzw. 150.000 S ab der dritten Tat).

Ein zusätzlicher Bemessungsspielraum ergibt sich daraus, daß die Strafbemessungsvorschriften des §27 Abs4 MRG eine Anwendung der Vorschrift des §20 VStG über die außerordentliche Strafmilderung nicht ausschließen. §27 Abs4 MRG kann, wie noch unten ausgeführt wird, ohne weiteres - verfassungskonform - in der Weise interpretiert werden, daß er die Regel des §20 VStG bestehen läßt.

Schließlich erscheint das in Ausnahmefällen eintretende Zusammenfallen von Mindest- und Höchststrafdrohung auch an sich nicht unsachlich, da es sich aus dem Zusammenwirken zweier Regelungselemente ergibt, die jedes für sich sachlich begründet sind, nämlich der Verbindung einer beweglichen Untergrenze mit einer im wesentlichen starren Obergrenze der Strafdrohung.

Der Gesetzgeber hat sich in verfassungsrechtlich grundsätzlich unbedenklicher Weise (vgl. VfSlg. 11373/1987 ua.; EGMR ÖJZ 1990/150) im Mietrechtsgesetz dafür entschieden, im Zusammenhang mit der Vermietung von Wohnungen und Geschäftsräumlichkeiten dem Gewinnstreben in verschiedener Weise, besonders durch die Begrenzung der zulässigen Mietzinse, durch Kündigungsbeschränkungen ua. Grenzen zu setzen. Im Zusammenhang mit der Marktunterlegenheit von - insbesondere finanzschwachen - Wohnungssuchenden kommt es - nicht bloß vereinzelt - zur Forderung und Zahlung von 'Ablösen', denen kein Gegenwert in Form getätigter Investitionen gegenübersteht. Der Gesetzgeber hat sich daher zur Festsetzung einer Verwaltungsstrafdrohung entschlossen, die, um das Verhalten der Normunterworfenen beeinflussen zu können, eine spürbare Höhe erhalten muß. Es erscheint dabei nicht unsachlich, wenn durch die Mindeststrafdrohung eine klare Beziehung zum Gegenstand des verpönten Verhaltens hergestellt wird. Diese Besonderheit der angefochtenen Bestimmungen hat somit in der Besonderheit der geregelten Materie ihre sachliche Rechtfertigung. Unrechtmäßige Vermögensverschiebungen zwischen Privaten sind kein typischer Regelungsgegenstand des Verwaltungsstrafrechts, weshalb eine Strafbemessungsvorschrift, die auf die Höhe der unrechtmäßigen Bereicherung abstellen würde, in vielen Fällen unanwendbar wäre. Hingegen kennen das Strafrecht und das Finanzstrafrecht bei Tatbeständen unrechtmäßiger Bereicherungen vergleichbare, auf die Höhe der Bereicherung abstellende Sanktionen; insbesondere ist auf die Wertersatzstrafe des §19 Finanzstrafgesetz und auf die Abschöpfung der Bereicherung nach §20a Strafgesetzbuch hinzuweisen. Offenbar ist es auch dem Gesetzgeber des Mietrechtsgesetzes gerade darauf angekommen, die mit der unzulässig geforderten Ablöse verbundene Vermögensverschiebung als sozial unerträglich zu ächten.

c) Zum Vorwurf der Verdrängung des Verschuldensprinzips:

Nach §27 Abs4 zweiter Satz MRG sind bei der Bemessung der Geldstrafe die persönlichen Verhältnisse und die wirtschaftliche Leistungfähigkeit des Täters zu berücksichtigen. Damit weicht diese Bestimmung geringfügig von §19 letzter Satz VStG ab und entspricht etwa §23 Abs3 des Finanzstrafgesetzes und §93 BDG. Aus der Anführung dieser Strafbemessungsgründe ist freilich nicht zwingend zu schließen, daß andere Strafbemessungsgründe im Sinne des §19 VStG nicht ebenfalls maßgeblich sein sollen. Jedenfalls ist den Gesetzesmaterialien nichts Derartiges zu entnehmen: In der Regierungsvorlage zum MRG (425 BlgNR XV. GP) wird im gegebenen Zusammenhang (S. 41) lediglich ausgeführt, daß - gegenüber den Regelungen des Mietengesetzes - die angedrohte Geldstrafe entscheidend angehoben und in eine Relation zur unzulässig vereinbarten Leistung gesetzt werde; die vom Verwaltungsgerichtshof kritisierte Hervorhebung bestimmter Strafbemessungsgründe wird somit lediglich in dem Sinne zu verstehen sein, daß wegen der vorgenommenen 'entscheidenden Anhebung' - zugunsten des Täters - besonders auch dessen Leistungsfähigkeit Bedacht zu nehmen ist. Auf demselben Gedanken beruht offensichtlich die Bestimmung des §27 Abs4 dritter Satz MRG über die außerordentliche Strafminderung wegen Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz des Täters.

d) Zum Vorwurf des Ausschlusses einer außerordentlichen Strafmilderung nach §20 VStG:

Der Verwaltungsgerichtshof nimmt an (und findet keine sachlichen Gründe dafür), daß auch bei Überwiegen der Milderungsüber die Erschwerungsgründe eine Herabsetzung der Mindeststrafe bis zu ihrer Hälfte abweichend von §20 VStG ausgeschlossen ist. Während bei der Hervorhebung bestimmter Strafbemessungsgründe notwendigerweise eine Zurücksetzung anderer stattfindet, besteht zwischen §27 Abs4 dritter Satz MRG und §20 VStG von vornherein kein solches Spannungsverhältnis. Das Verhältnis des §27 Abs4 dritter Satz MRG zu §20 VStG kann ohne weiteres so gesehen werden, daß jede dieser Normen anzuwenden ist, wenn ihre Voraussetzungen erfüllt sind, sodaß ein gemäß §27 Abs4 erster Satz MRG zu bestrafender Täter sowohl nach §20 VStG als auch nach §27 Abs4 dritter Satz MRG in den Genuß einer außerordentlichen Strafminderung kommen kann. Somit stellt die angegriffene Bestimmung lediglich einen zusätzlichen Milderungstatbestand dar, der im Sinn der Ausführungen unter c) als Ausgleich für die allenfalls erhebliche Höhe der Mindeststrafe zu sehen ist.

2. Zur Frage einer erforderlichen Abweichung im Sinne des Art11 Abs2 B-VG:

Wie im Vorigen ausgeführt worden ist, läßt §27 Abs4 zweiter Satz MRG den §19 VStG zumindest im wesentlichen, §27 Abs4 dritter Satz MRG den §20 VStG insofern unberührt, als er lediglich als zusätzlicher Tatbestand für eine außerordentliche Strafmilderung aufzufassen ist. Soweit somit überhaupt eine Abweichung von den allgemeinen Bestimmungen des Verwaltungsstrafrechtes vorliegt, erscheint die unter Umständen empfindliche Strafdrohung, im Sinne des Art11 Abs2 letzter Satz B-VG zur Regelung des Gegenstandes - nämlich zur Bekämpfung eines verbreiteten Mißstandes - erforderlich."

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Es ist nichts hervorgekommen, was daran zweifeln ließe, daß der Verwaltungsgerichtshof bei Erledigung der bei ihm anhängigen Beschwerde die angefochtenen Bestimmungen anzuwenden hätte. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen, ist der Antrag zulässig.

2. Zu den vom Verwaltungsgerichtshof vorgetragenen Bedenken - und nur diese können Gegenstand des verfassungsgerichtlichen Gesetzesprüfungsverfahrens sein (vgl. VfSlg. 5289/1966, 12947/1991 mwN) - hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:

a) Der Verwaltungsgerichtshof hegt gegen die Verfassungsmäßigkeit der angefochtenen Bestimmungen unter zwei Aspekten Bedenken: Er vermeint, daß das Abweichen von den Strafbemessungsvorschriften der §§19 ff. VStG im Sinne des Art11 Abs2 B-VG zur Regelung des Gegenstandes nicht erforderlich ist, und bezweifelt - unter Bezugnahme auf die verfassungsgerichtliche Judikatur zum Gleichheitsgrundsatz - die Sachlichkeit der angefochtenen Regelung. Diese Bedenken hat der Verwaltungsgerichtshof zum einen, weil die Regelung zu starr sei, was sich insbesondere darin zeige, daß die "überaus drakonische" Mindeststrafe mit dem einfachen Wert des unzulässig Vereinbarten festgelegt sei und was sich dann besonders auswirke, wenn die verbotene Ablöse über S 200.000,-- liege, da dann "die Mindesthöhe gleichzeitig die höchstzulässige Geldstrafe" darstelle. Zum anderen hält es der Verwaltungsgerichtshof für unsachlich, daß die in Rede stehende Strafbestimmung des MRG nicht nach der Schuldform differenziere und sowohl die Strafbemessungsgründe des §19 Abs2 VStG "weitgehend verdränge" als auch kein Platz für eine außerordentliche Milderung der Strafe im Sinne des §20 VStG bleibe.

b) Der Verfassungsgerichtshof teilt diese Bedenken nicht:

Er vermag dem Gesetzgeber nicht entgegenzutreten, wenn es dieser für erforderlich angesehen hat, die Annahme verbotener Ablösen (oder das Entgegennehmen der Versprechung zu deren Leistung) im Falle eines Mieterwechsels mit einer relativ strengen Strafe zu belegen und diese mit der Höhe der unzulässigen Einmalzahlung zu verknüpfen. Daß die (auch vom Verwaltungsgerichtshof selbst erwähnte) generalpräventive Wirkung der Strafe davon abhängig ist, daß der durch die Verwaltungsstrafe zu erwartende Vermögensnachteil mit dem erzielten Vorteil korreliert, versteht sich von selbst. Die Generalprävention ist aber gerade dort besonders wichtig, wo es darum geht, das mißbräuchliche Ausnützen geschützter Positionen bei einem solch sensiblen Gut wie dem Mietrecht hintanzuhalten und auf diese Weise Wohnungssuchende vor der ungerechtfertigten Ausnützung von Marktmacht zu schützen. Die vom Verwaltungsgerichtshof besonders kritisierte Konsequenz, daß bei verbotenen Ablösen in größerer Höhe die Mindeststrafe (sei sie nun S 200.000,--, wie der Verwaltungsgerichtshof meint, oder S 300.000,--, wie die Bundesregierung argumentiert) auch die Höchststrafe darstelle, ändert angesichts der Tatsache daran nichts, daß Ablösen in dieser Höhe - wie die Bundesregierung anhand statistischer Daten schlüssig darlegt (vgl. oben Pkt. 1.a) der in Pkt. I.4. der Entscheidungsgründe wiedergegebenen Darstellung) - nur äußerst selten vorkommen und der Regelfall, auf den der Gesetzgeber ersichtlich abstellt, die Zahlung der verbotenen Ablöse geringerer Höhe betrifft.

Daß im Bereich der Sanktion von verbotenen Ablösen andere Strafbemessungsgründe, wie sie in §19 Abs2 VStG für die dieser Bestimmung unterliegenden Fälle vorgesehen sind, - anders als der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. September 1986, Z84/01/0329, annahm - keine Rolle spielen, ist angesichts des dargestellten Regelungszweckes unbedenklich. Bedenklich wäre freilich, wenn die Regelung so zu verstehen wäre, daß auch die Anwendung des §20 VStG über außerordentliche Milderungsgründe bei der Strafbemessung ausgeschlossen wäre. Denn es kann nicht als erforderlich im Sinne des Art11 Abs2 B-VG angesehen werden, daß bei der Strafbemessung Erschwerungs- und Milderungsgründe überhaupt keine Rolle spielen dürfen.

Die Bundesregierung hat jedoch schlüssig dargetan, daß zwischen §27 Abs4 dritter Satz MRG und §20 VStG kein derartiges Spannungsverhältnis besteht, das eine Anwendung des §20 VStG neben der inkriminierten Regelung ausschlösse. Im übrigen zeigen der beim Verwaltungsgerichtshof anhängige Anlaßfall und auch der mit dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. September 1986 entschiedene Rechtsfall, daß ein solches Verständnis offenkundig auch der Verwaltungspraxis entspricht.

Angesichts dieser Möglichkeit einer verfassungskonformen Interpretation besteht auch das diesbezüglich vom Verwaltungsgerichtshof geltend gemachte Bedenken nicht.

3. Der Antrag war daher abzuweisen, was gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden konnte.

Schlagworte

Mietenrecht, Verwaltungsstrafrecht, Strafbemessung, Ablöse, Kompetenz Bund - Länder, Bedarfskompetenz, Auslegung verfassungskonforme

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1995:G276.1994

Dokumentnummer

JFT_10048796_94G00276_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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