TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/5 G314 2226493-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.05.2020
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Entscheidungsdatum

05.05.2020

Norm

AVG §13 Abs3
AVG §7 Abs1
B-VG Art133 Abs4
GEG §6 Abs1
GEG §6a Abs1
GGG Art1 §14
GGG Art1 §31
GGG Art1 §32 TP1
VwGVG §13 Abs1
VwGVG §17
VwGVG §33 Abs1

Spruch

G314 2226493-1/15E

G314 2226493-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde 1. der XXXX und 2. des XXXX, gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichts XXXX vom XXXX.10.2019, XXXX, wegen Gerichtsgebühren A) beschlossen und B) zu Recht erkannt:

A)

1. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom 25.03.2020 gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung wird als unzulässig zurückgewiesen.

2. Der Ablehnungsantrag vom 23.03.2020 wird als unzulässig zurückgewiesen.

3. Der Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wird als unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

C) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang und Sachverhalt:

Der Zweitbeschwerdeführer (BF2), ein Rechtsanwalt, brachte am 12.08.2019 als Vertreter der Erstbeschwerdeführerin (BF1) im Verfahren XXXX des Landesgerichts XXXX im elektronischen Rechtsverkehr eine auf die Zahlung von EUR 186.000 samt Anhang (Zinsen und Kosten) gerichtete Klage gegen eine beklagte Partei ein.

Nach einem erfolglosen Versuch, die Pauschalgebühr einzuziehen, wurden der BF1 mit dem Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 05.09.2019 die Pauschalgebühr nach TP 1 GGG von EUR 4.380, die Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs 1 GEG von EUR 8 sowie der Mehrbetrag gemäß § 31 GGG von EUR 22 (insgesamt daher EUR 4.410) zur Zahlung vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass der BF2 hinsichtlich des Mehrbetrags und der Einhebungsgebühr als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

Dagegen erhoben die BF eine Vorstellung an die Präsidentin des Landesgerichts Leoben. Daraufhin wurden der BF1 mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid folgende Gerichtsgebühren vorgeschrieben:

Pauschalgebühr TP 1 GGG (Bemessungsgrundlage: EUR 186.000) EUR 4.380

Einhebungsgebühr § 6a Abs 1 GEG EUR 8

Mehrbetrag § 31 GGG EUR 22

Summe EUR 4.410

Es wurde ausgesprochen, dass für den Mehrbetrag und die Einhebungsgebühr auch der BF2 als Bürge und Zahler zahlungspflichtig sei.

In der Begründung des Bescheids werden Grund und Höhe der zu entrichtenden Gebühren unter Angabe der gesetzlichen Grundlagen detailliert angeführt und dargelegt, dass gegen das System der Gerichtsgebühren keine (verfassungsrechtlichen) Bedenken bestünden.

Dagegen richtet sich die vom Rechtsanwalt XXXX eingebrachte gemeinsame Beschwerde der BF vom 05.11.2019, die nicht unterschrieben ist und von der nur 8 von 27 Seiten per Fax dem Landesgericht Leoben übermittelt wurden.

Die Präsidentin des Landesgerichts XXXX legte die (unvollständige) Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens iSd § 233 Geo dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor. Da XXXX am XXXX verstorben war, trug das BVwG mit dem Mängelbehebungsauftrag vom 04.03.2020 den beiden BF direkt auf, die Beschwerde innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des Auftrags vollständig sowie von der Geschäftsführerin der BF1 und dem BF2 unterschrieben vorzulegen; außerdem wurde den BF der Nachweis ihrer Identität und der Authentizität des Anbringens (etwa durch Vorlage von Reisepasskopien) aufgetragen. Der Mängelbehebungsauftrag wurde der BF1 am 16.03.2020 (durch Hinterlegung) und dem BF2 am 09.03.2020 (im ERV) zugestellt.

Mit Faxeingaben vom 16.03.2020 und vom 17.03.2020 beantragten die BF jeweils eine Erstreckung der Frist zur Mängelbehebung bis 01.07.2020, weil nach dem Ableben von XXXX zwar schon eine neue Rechtsvertretung gefunden worden, deren "Aktivierung" jedoch aufgrund des Corona-Virus unmöglich sei. Die Leiterin der Gerichtsabteilung G314 lehnte als zuständige Richterin des BVwG in einem Telefonat mit der Geschäftsführerin der BF1 die Erstreckung der Frist ab. Dies wurde von XXXX, die angab, für das XXXX tätig zu sein, in mehreren Eingaben an das BVwG kritisiert.

Mit Eingabe vom 23.03.2020 lehnte die BF1 die für das Beschwerdeverfahren zuständige Leiterin der Gerichtsabteilung G314 des BVwG wegen Zweifeln an ihrer Unbefangenheit ab. Dies wurde damit begründet, dass die Geschäftsführerin der BF1 schwanger und die Befolgung des Mängelbehebungsauftrags, für die sie das Haus verlassen müsse, für sie angesichts der sich ab 10.03.2020 bereits abzeichnenden COVID-19-Krise besonders gefährlich sei. Die Richterin habe sie durch die Ablehnung der Fristerstreckung unnötig einer schweren Gefahr ausgesetzt und sie bei dem Telefonat nicht nach ihrer Schutzbedürftigkeit gefragt, obwohl ihr die damals bereits geplanten gesetzlichen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie sicher bekannt gewesen seien.

Am 25.03.2020 wurde eine von der Geschäftsführerin der BF1 und dem BF2 unterfertigte vollständige Ausfertigung der Beschwerde beim BVwG überreicht. Darin beantragen die BF, den angefochtenen Bescheid wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben, gemäß Art 267 AEUV eine Vorabentscheidung einzuholen oder die Angelegenheit zur Durchführung eines Gesetzesprüfungsverfahrens gemäß Art 140 B-VG dem Verfassungsgerichtshof vorzulegen. Außerdem wird beantragt, der Beschwerde "bis zur rechtskräftigen Entscheidung in dieser Angelegenheit" die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Die BF begründen die Beschwerde zusammengefasst damit, dass die Gerichtsgebühren zu hoch seien. Das System der Gerichtsgebühren sei nicht verfassungskonform; es verletze Art 6 EMRK und Art 7 B-VG. Art 18 B-VG werde durch die überhöhten Gerichtsgebühren, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe, umgangen. Es würden nicht alle, die keine ausreichenden Mittel zur Finanzierung eines Rechtsstreits hätten, Verfahrenshilfe erhalten. Personen, denen die Verfahrenshilfe nicht bewilligt werde, könnten ihr Recht aus finanziellen Gründen weder aktiv noch passiv geltend machen. Gerechtigkeit könne nicht davon abhängig gemacht werden, ob sich eine Partei die Gerichtsgebühren leisten könne. Die Gebühren seien unabhängig vom Prozessaufwand und von der Verfahrensdauer bei der Einbringung zu entrichten; dies widerspräche dem Recht auf ein faires Verfahren. Es sei absurd, wenn jemand in einem Verfahren obsiege und trotzdem die Gerichtsgebühren tragen müsse, weil das Exekutionsverfahren gegen den Gegner erfolglos bleibe. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren am Beginn eines Verfahrens zu zahlen seien, obwohl mitunter Monate bis zur ersten Tagsatzung vergingen. 110 % der Justizkosten in Österreich würden durch Gebühren finanziert, die daher eine unzulässige Steuer seien. Es sei unverständlich, dass die Gerichtsgebühren vom Streitwert abhängig seien, zumal der Aufwand für das Gericht nicht mit dem Streitwert ansteige. Richter würden die Nichtzahlung von Gerichtsgebühren (zu Unrecht) als Missachtung des Gerichts ansehen. Für die Haftung des BF2 gebe es keine grundrechtskonforme Rechtfertigung. Der EGMR und der EuGH hätten bereits ausgesprochen, dass der Rechtsvertreter nicht zur Haftung für Gerichtsgebühren gezwungen werden dürfe. Dazu wurden mehrere Artikel vorgelegt, die u.a. die Höhe und das System der Gerichtsgebühren in Österreich kritisieren.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der entscheidungswesentliche Sachverhalt ergeben sich widerspruchsfrei aus den vorgelegten Akten.

In der Beschwerde, die den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen nicht konkret entgegentritt, wird im Wesentlichen nur die rechtliche Beurteilung der Vorschreibungsbehörde bekämpft.

Der relevante Sachverhalt steht anhand der Aktenlage und des Beschwerdevorbringens fest, sodass sich mangels widerstreitender Beweisergebnisse eine eingehendere Beweiswürdigung erübrigt.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A) 1.:

Gemäß § 33 Abs 1 VwGVG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist oder eine mündliche Verhandlung versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet, wobei ein Verschulden an der Versäumung die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht hindert, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ausgehend von der Zustellung des Mängelbehebungauftrags an die BF1 am 16.03.2020 hätte die zehntägige Verbesserungsfrist für sie am 26.03.2020 geendet. Gemäß § 1 Abs 1 iVm § 6 Abs 1 des am 22.03.2020 in Kraft getretenen Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes (Art. 16 des 2. COVID-19-Gesetzes BGBl I Nr. 16/2020) werden in anhängigen Verfahren der Verwaltungsgerichte Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Gesetzes fällt oder die bis zu dessen Inkrafttreten noch nicht abgelaufen sind, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen und beginnen mit 01.05.2020 neu zu laufen, wenn auf das jeweilige Verfahren zumindest auch das AVG anzuwenden ist. Letzteres ist hier der Fall, weil für die Einbringung von Gerichtsgebühren gemäß § 32 GGG die Bestimmungen des GEG gelten und § 6b Abs 1 GEG die subsidiäre Anwendung des AVG anordnet.

Da die verbesserte Beschwerde am 25.03.2020 überreicht wurde, hat die BF1 Frist für die Mängelbehebung nicht versäumt, sodass eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand insoweit nicht in Betracht kommt.

Auch in Bezug auf den BF2 ist dem Wiedereinsetzungsantrag nicht Folge zu geben, obwohl für ihn die Mängelbehebungsfrist bereits am 19.03.2020 (und damit vor Inkrafttreten des 2. COVID-19-Gesetzes) abgelaufen ist. Die nach § 13 Abs 3 AVG iVm § 17 VwGVG aufgetragene Mängelbehebung erfolgte zwar verspätet, aber vor Erlassung eines Zurückweisungsbeschlusses, sodass die ursprünglich fehlerhafte (weil unvollständige) Beschwerde mit der Behebung des Mangels und der Vorlage der vollständigen und unterfertigten Beschwerde als fehlerfrei eingebracht gilt (vgl. VwGH 23.05.2007, 2007/04/0045 und 14.10.2013, 2013/12/0079). Da der BF2 somit durch die Versäumung der Mängelbehebungsfrist keinen Rechtsnachteil erleidet, scheidet die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch für ihn aus.

Der Wiedereinsetzungsantrag ist daher zurückzuweisen, ohne dass auf die Gründe für die Fristversäumung eingegangen werden muss.

Zu Spruchteil A) 2.:

Gemäß § 6 VwGVG haben sich u.a. Mitglieder des Verwaltungsgerichts unter Anzeige an den Präsidenten der Ausübung ihres Amtes wegen Befangenheit von Amts wegen zu enthalten, wenn ein Befangenheitsgrund nach § 7 Abs 1 AVG vorliegt. Diesbezüglich fehlt ein Ablehnungsrecht der Parteien (siehe etwa VwGH 28.03.2018, Ra 2017/07/0312). Der Ablehnungsantrag der BF1 ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Die für dieses Verfahren zuständige Richterin des BVwG ist nicht befangen iSd § 7 Abs 1 AVG. Insbesondere liegen keine Gründe iSd § 7 Abs 1 Z 3 AVG vor, die geeignet wären, ihre volle Unbefangenheit in Zweifel zu ziehen. Dieser Befangenheitsgrund liegt vor, wenn aus konkreten Umständen der Mangel einer objektiven Einstellung des Entscheidungsträgers gefolgert werden kann (vgl. VwGH 17.02.2016, 2016/04/0001). Jeder Vorwurf einer Befangenheit hat konkrete Umstände aufzuzeigen, die die Objektivität des Entscheidungsträgers in Frage stellen oder zumindest den Anschein erwecken können, dass eine parteiische Entscheidung möglich ist. Nur eindeutige Hinweise, dass ein Entscheidungsträger seine vorgefasste Meinung nicht nach Maßgabe der Verfahrensergebnisse zu ändern bereit ist, können seine Unbefangenheit in Zweifel ziehen (siehe VwGH 21.06.2017, Ra 2017/03/0016).

Solche Hinweise liegen hier nicht vor. So hat die Richterin den BF Gelegenheit zur Verbesserung der Beschwerde gegeben und das Einlangen der verbesserten Beschwerde vor der Entscheidung abgewartet. Weder hat sie verlangt, dass die Geschäftsführerin der BF1 für die Mängelbehebung selbst das Haus verlässt, noch gehören Schwangere zu einer besonderen COVID-19-Risikogruppe (siehe https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus/Coronavirus---Haeufig-gestellte-Fragen/FAQ--Risikogruppen.html; Zugriff am 29.04.2020). Die BF hatten zwischen dem Ableben ihres früheren Rechtsvertreters im Dezember 2019 und der Erteilung des Mängelbehebungsauftrags im März 2020 ausreichend Zeit, sich um eine neue Vertretung zu kümmern (zumal der BF2 als Rechtsanwalt ohnehin rechtskundig und zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugt ist). Sie waren dazu aber nicht verpflichtet, zumal im Verfahren vor dem BVwG kein Anwaltszwang besteht.

Letztlich würde sogar eine unrichtige Ablehnung der Fristerstreckung nicht zu einer Besorgnis der Befangenheit (also der Hemmung einer unparteiischen Entscheidung durch unsachliche psychologische Motive) führen, zumal die Richtigkeit einer Entscheidung im Rechtsmittelverfahren zu überprüfen ist. Der Umstand, dass eine Partei eine Entscheidung für unzutreffend erachtet, ist keine hinreichende Grundlage für die Annahme einer Befangenheit (vgl. VwGH 16.12.2015, 2015/03/0005).

Zu Spruchteil A) 3.:

Gemäß § 13 Abs 1 VwGVG haben Bescheidbeschwerden grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Da diese hier nicht ausgeschlossen wurde, kann sie der Beschwerde auch nicht zuerkannt werden. Der darauf gerichtete Antrag der BF ist daher ebenfalls als unzulässig zurückzuweisen.

Zu Spruchteil B):

Der Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG unterliegen nach Anmerkung 1 zu TP 1 GGG alle mittels Klage einzuleitenden gerichtlichen Verfahren in bürgerlichen Rechtssachen, also auch die hier zu beurteilende Klage.

Bemessungsgrundlage für die Gerichtsgebühren ist gemäß § 14 GGG grundsätzlich der Wert des Streitgegenstands nach den §§ 54 bis 60 JN. Ausgehend vom Streitwert von EUR 186.000 beträgt die Pauschalgebühr für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz nach TP 1 Z I GGG hier EUR 4.380.

Gemäß § 2 Z 1 lit a iVm TP 1 GGG entsteht der Anspruch des Bundes auf die Pauschalgebühren für das zivilgerichtliche Verfahren erster Instanz mit der Überreichung der Klage. Zahlungspflichtig ist dabei gemäß § 7 Abs 1 Z 1 GGG der Kläger. Gemäß § 4 Abs 4 GGG sind jene Gebühren, bei denen der Anspruch des Bundes mit der Überreichung der Eingabe begründet wird, durch Abbuchung und Einziehung zu entrichten, wenn die Eingabe im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs eingebracht wird.

Gemäß § 31 Abs 1 GGG ist von den zur Zahlung verpflichteten Personen ein Mehrbetrag von EUR 22 zu erheben, wenn der Anspruch des Bundes auf eine Gebühr mit der Überreichung der Eingabe begründet und die Gebühr nicht (vollständig) beigebracht wurde oder die Einziehung von Gerichtsgebühren erfolglos blieb. Für diesen Mehrbetrag haften gemäß § 31 Abs 2 GGG die Bevollmächtigten und die gesetzlichen Vertreter, die den Schriftsatz, durch dessen Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wird, verfasst oder überreicht haben, als Bürge und Zahler mit den zur Zahlung der Gebühr verpflichteten Personen.

Gemäß § 32 GGG gelten für die Einbringung der Gerichtsgebühren die Bestimmungen des GEG. Gemäß § 1 Z 1 GEG sind Gerichtsgebühren von Amts wegen einzubringen. Werden Gerichtsgebühren nicht sogleich entrichtet oder ist die Einziehung erfolglos geblieben, so sind sie gemäß § 6a Abs 1 GEG durch Bescheid zu bestimmen (Zahlungsauftrag). Der Zahlungsauftrag hat eine Aufstellung der geschuldeten Beträge und die Aufforderung, diese binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu zahlen, zu enthalten. Gleichzeitig ist dem Zahlungspflichtigen eine Einhebungsgebühr von EUR 8 vorzuschreiben.

Ausgehend von diesen gesetzlichen Grundlagen ist der angefochtene Bescheid nicht zu beanstanden. In diesem Zusammenhang kann auf die ausführliche und zutreffende Begründung der Präsidentin des Landesgerichts Leoben als Vorschreibungsbehörde verwiesen werden.

Das BVwG teilt die in der Beschwerde geäußerten grundsätzlichen verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen das System der Gerichtsgebühren und gegen deren am Wert des Streitgegenstands orientierte Höhe - ausgehend von den bei Dokalik, Gerichtsgebühren13 bei § 1 GGG und bei TP 1 GGG E 1 ff angeführten höchstgerichtlichen Entscheidungen - nicht, sodass sowohl eine Antragstellung nach Art 140 B-VG als auch ein Vorabentscheidungsersuchen unterbleiben. Gerichtsgebühren sind nicht als Gegenleistungen für konkrete Leistungen konzipiert und unterliegen als solche keinem strengen (Kosten-) Äquivalenzprinzip, das die Erzielung fiskalischer Erträge für den Steuergläubiger ausschließt (siehe VfGH 18.06.2018, E 421/2018).

Vom EGMR wurde die Einrichtung eines Systems, das Gerichtsgebühren für geldwerte Klagen an den Streitwert knüpft, nicht beanstandet. Die Verpflichtung zur Zahlung von Gerichtsgebühren widerspricht dem Recht auf Zugang zu einem Gericht nicht (EGMR 19.06.2001, 28249/95 Kreuz gegen Polen), zumal das Tätigwerden der Gerichte nicht von der Zahlung der Gerichtsgebühren abhängt und Möglichkeiten der Gebührenbefreiung (zB Verfahrenshilfe) bestehen (EGMR 09.12.2010, 35123/05 Urbanek gegen Österreich). Eine exzessive Höhe der Gebühr liegt hier nicht vor.

Die Beschwerde zeigt nicht konkret auf, inwieweit der angefochtene Bescheid in Anwendung von Unionsrecht erging und warum er europarechtswidrig sein soll. Aus dem gemeinschaftsrechtlichen Sekundärrecht ergibt sich jedenfalls kein Anhaltspunkt dafür, dass Gerichtsgebühren den Handel oder den Kapital- und Zahlungsverkehr behindern könnten (VwGH 20.12.2007, 2004/16/0138).

Die Pauschalgebühr für die Klage wurde nicht entrichtet; der Einziehungsversuch blieb erfolglos. Der BF2 war Bevollmächtigter der BF1 und hat die Klage, durch deren Überreichung der Anspruch des Bundes auf die Gebühr begründet wurde, verfasst und überreicht. Damit trifft ihn nach § 31 Abs 2 GGG die Haftung für den Mehrbetrag als Bürge und Zahler neben der BF1. Für die Einhebungsgebühr gilt mangels einer entgegenstehenden Bestimmung dieselbe Form der Haftung wie für jene Beträge, zu deren Einbringung der Zahlungsauftrag erlassen wurde. Die Vorschreibung des Mehrbetrages samt Einhebungsgebühr auch an den BF2 als Bürgen und Zahler ist daher nicht zu beanstanden, zumal ihm als rechtskundigem Bevollmächtigten der BF1, für die er die Klage einbrachte, die Bestimmungen über die Gerichtsgebühren, insbesondere über das Entstehen des Gebührenanspruchs und der Haftungen, bekannt sind und ihm die Gestaltung der Rechtsbeziehungen zu seinen Klienten obliegt. Ihm daraus erwachsene Nachteile hat er selbst zu verantworten und zu tragen (siehe VwGH 30.06.2005, 2005/16/0082).

Im Ergebnis ist die Beschwerde somit als unbegründet abzuweisen.

Eine mündliche Beschwerdeverhandlung entfällt gemäß § 24 Abs 4 VwGVG, weil der maßgebliche Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt werden konnte und die mündliche Erörterung keine weitere Klärung der Rechtssache erwarten lässt.

Die Revision nach Art 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, weil das BVwG bei der vorliegenden Einzelfallentscheidung keine grundsätzlichen Rechtsfragen im Sinne dieser Gesetzesstelle zu lösen hatte und sich an der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung orientieren konnte.

Schlagworte

Ablehnungsantrag aufschiebende Wirkung Befangenheit Frist Fristablauf Fristenhemmung Gerichtsgebühren Gerichtsgebühren - Bemessungsgrundlage Gerichtsgebührenpflicht Mandatsbescheid Mängelbehebung mangelnde Beschwer Pandemie Pauschalgebühren Pauschalgebührenauferlegung Richter Risikogruppe Verbesserungsauftrag Wiedereinsetzungsantrag Zahlungsauftrag Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2226493.1.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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