TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/26 W214 2225145-2

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Veröffentlicht am 26.05.2020
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Entscheidungsdatum

26.05.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
GebAG §1 Abs1
GebAG §20
GebAG §4

Spruch

W214 2225145-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SOUHRADA-KIRCHMAYER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichterinnen und Laienrichter Dr. Johannes BAUER, Dr. Jutta ADLBRECHT, Dr. Gottfried ENDEL und Mag. Karin BRANDSTÄTTER, LL.M. als Beisitzerinnen und Beisitzer über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid der Landesschiedskommission für XXXX vom 30.10.2019, Zl. W-LSK 1/2015, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und der Spruch des angefochtenen Bescheides mit der Maßgabe bestätigt, dass es zu lauten hat:

"Der Antrag des Zeugen auf Zuspruch von Zeugengebühren für die Sitzung vom 22.12.2015 wird zurückgewiesen."

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. In einem Verfahren vor der Landesschiedskommission für XXXX (belangte Behörde vor dem Bundesverwaltungsgericht) zur Zl. W-LSK 1/2015 wurde XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer) mit Ladungsbescheid vom 19.10.2015 als Zeuge für eine Verhandlung am 24.11.2015 um 14:30 Uhr geladen.

Im Ladungsbescheid war neben Datum, Ort und Zeit der gegenständlichen Verhandlung die Notwendigkeit des persönlichen Erscheinens des Zeugen sowie der Hinweis auf eine erforderliche sofortige Bekanntgabe eines etwaigen Hinderungsgrundes, welcher die Teilnahme an der Verhandlung verunmöglicht, enthalten. Im Falle der Nichtbefolgung der Ladung ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes wurde in der Ladung die Verhängung einer Ordnungsstrafe angedroht und abschließend auf § 19 AVG verwiesen.

2. Mit E-Mail vom 20.11.2015 entschuldigte sich der Beschwerdeführer für die Verhandlung am 24.11.2015, da er seine Ehefrau (die antragstellende Partei, Anm.) auf deren Dienstreise mit dem PKW begleiten müsse.

3. Die Wiener Gebietskrankenkasse teilte daraufhin im Auftrag der belangten Behörde mit E-Mail vom 23.11.2015 dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers mit, dass zur Kenntnis genommen worden sei, dass sich der Beschwerdeführer für die Verhandlung am 24.11.2015 entschuldigt habe. Eine Reservierungs- bzw. Buchungsbestätigung des Hotels hinsichtlich des Beschwerdeführers sei bei der nächsten Verhandlung vorzulegen.

4. Mit Ladungsbescheid vom 30.11.2015 wurde der Beschwerdeführer für eine Verhandlung bei der belangten Behörde am 22.12.2015 um 14:30 Uhr als Zeuge geladen. Die Ladung wurde dem Beschwerdeführer durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist am 03.12.2015 zugestellt. Inhaltlich entsprach der Ladungsbescheid - mit Ausnahme des geänderten Datums - dem vom 19.10.2015.

5. Mit E-Mail vom 21.12.2015 gab der Beschwerdeführer der belangten Behörde bekannt, dass er nicht von seiner Dienstadresse in der XXXX , sondern von seinem Wohnsitz in XXXX , anreisen werde. "Zur Erleichterung der Zeugengebührenanspruchserledigung einschließlich des Kilometergeldes" übermittelte der Beschwerdeführer eine (für das Bundesverwaltungsgericht unleserliche) Kopie seines Behindertenausweises, in welchem nach den Angaben des Beschwerdeführers auch eine Bescheinigung der Unzumutbarkeit öffentlicher Verkehrsmittelnutzung enthalten ist.

6. Am 22.12.2015 fand eine weitere Verhandlung vor der belangten Behörde statt, bei welcher der Beschwerdeführer als Zeuge einvernommen wurde. Noch in der Verhandlung machte der Beschwerdeführer laut Protokoll Zeugengebühren geltend und verwies dabei auf seine E-Mail vom 21.12.2015.

7. Mit Bescheid vom 30.12.2015 des Vorsitzenden der Landesschiedskommission wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren für die Verhandlung vom 22.12.2015 abgewiesen.

8. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

9. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.07.2019 zu Zl. W214 2122148-1/10E wurde der Bescheid vom 30.12.2015 infolge Unzuständigkeit des Vorsitzenden der Landesschiedskommission für XXXX zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren ersatzlos behoben.

10. Mit Schreiben vom 23.08.2019 forderte der Vorsitzende der Landesschiedskommission für XXXX den Beschwerdeführer auf, innerhalb von drei Wochen eine lesbare Kopie seines Behindertenausweises zu übermitteln, aus der auch ersichtlich sei, dass öffentliche Verkehrsmittel nicht benützt werden könnten.

Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

11. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 30.10.2019 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren für die Sitzung vom 22.12.2015 "zurück- bzw. abgewiesen".

Begründend wurde (nach Wiederholung des Sachverhaltes) zunächst ausgeführt, dass nach herrschender Lehre im Verwaltungsverfahren nach dem AVG, das auf das Kündigungsverfahren der Ehegattin des Zeugen anzuwenden gewesen sei, Zeugen im Allgemeinen keinen Anspruch auf Gebühren hätten. Der Antrag sei daher zurückzuweisen gewesen. Weiters wurde ausgeführt, dass der Antrag aber auch inhaltlich nicht berechtigt sei, da der Zeuge erst mit E-Mail vom 21.12.2015 bekanntgegeben habe, nicht von der in der Ladung genannten Adresse, sondern von seinem Wohnsitz aus anzureisen. Ein Widerruf der Ladung sei angesichts der am 22.12.2015 anberaumten Verhandlung nicht mehr rechtzeitig möglich gewesen. Eine unmittelbare Vernehmung des Zeugen vor der belangten Behörde zur Aufklärung der Sache sei nie erforderlich gewesen, das Unterbleiben des Hinweises auf dem Ladungsbescheid, dass dieser Umstand durch Einholung einer Bestätigung dargetan hätte werden können, schade daher nicht. Der Zeuge hätte sich allenfalls unter Angabe der Zureise von seinem Wohnsitz zurecht entschuldigen könnten, zumal der Hinweis in der Ladung, dass er persönlich zu erscheinen habe, die Bestätigung nach § 4 Abs. 2 GebAG nicht ersetze.

Auch habe der Zeuge nach eigenen Angaben erst am 21.12.2015, nicht jedoch im Zeitpunkt der Zustellung des Ladungsbescheides am 03.12.2015 Kenntnis davon gehabt, dass er von seinem Wohnsitz aus anreisen werden, weshalb auch das Unterbleiben des Hinweises auf § 4 Abs. 2 GebAG, wonach dem Zeugen, wenn er von einem Ort, der weiter entfernt sei als der in der Ladung angebende Zustellort, anreise, nur dann ein Anspruch auf eine darauf gestützte höhere Gebühr zustehe, wenn er diesen Umstand dem Gericht unverzüglich nach Erhalt der Ladung angezeigt habe, nicht relevant sei.

12. Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid fristgerecht Beschwerde und führte zusammengefasst aus, sein Beschwerdevorbringen wie bisher aufrecht zu erhalten.

13. Die belangte Behörde machte von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung nicht Gebrauch und legte die Beschwerde samt den bezughabenden Verwaltungsakten dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der zu I. dargestellte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 347a ASVG kann gegen einen Bescheid der paritätischen Schiedskommissionen, der Landesschiedskommission und der Bundesschiedskommission und wegen Verletzung ihrer Entscheidungspflicht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben werden. Gemäß § 347b ASVG hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts in Angelegenheiten nach § 347a durch einen Senat zu erfolgen, der aus dem/der Senatsvorsitzenden und vier fachkundigen Laienrichtern/Laienrichterinnen besteht, wobei davon zwei Ärzte/Ärztinnen sind und zwei spezifische Kenntnisse auf dem Gebiet des Gesundheits- und des Sozialversicherungswesens haben müssen. Die Zusammensetzung der Laienrichter/Laienrichterinnen im Senat hat das paritätische Nominierungsrecht nach Abs. 2 abzubilden. Da der gegenständliche Bescheid von der Landesschiedskommission für XXXX erlassen wurde, liegt gegenständlich somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 idF BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

3.2. Zu A)

Die gegenständliche Beschwerde wurde fristgerecht erhoben.

Der gegenständliche Bescheid bringt zunächst zum Ausdruck, dass im Verwaltungsverfahren nach dem AVG, das auf das Kündigungsverfahren der Ehegattin des Zeugen anzuwenden gewesen sei, Zeugen im Allgemeinen keinen Anspruch auf Gebühren hätten, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers zurückzuweisen gewesen sei.

Dies erweist sich - im Ergebnis - als zutreffend:

Gemäß § 1 Abs 1 GebAG haben natürliche Personen, die unter anderem als Zeugen in gerichtlichen Verfahren und Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft (§ 103 Abs. 2 StPO) tätig sind, Anspruch auf Gebühren nach diesem Bundesgesetz.

Gemäß § 4 Abs. 1 GebAG steht der Anspruch auf die Gebühr dem Zeugen zu, der auf Grund einer Ladung vom Gericht vernommen worden ist. Er kommt aber auch dem Zeugen zu, der ohne Ladung gekommen und vernommen worden oder der auf Grund einer Ladung gekommen, dessen Vernehmung aber ohne sein Verschulden unterblieben ist; er hat jedoch im ersten Fall, wenn er sonst im Weg der Rechtshilfe hätte vernommen werden können, nur den Anspruch, der ihm bei einer Vernehmung vor dem Rechtshilfegericht zustände, sofern seine unmittelbare Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich gewesen ist; andernfalls hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, die Notwendigkeit der unmittelbaren Vernehmung zu bestätigen.

Ist der auf der Ladung angegebene Zustellort vom Ort der Vernehmung des Zeugen weniger weit entfernt als der Ort, von dem der Zeuge zureist, so steht dem Zeugen eine darauf gestützte höhere Gebühr nur zu, wenn er diesen Umstand dem Gericht unverzüglich nach Erhalt der Ladung angezeigt und das Gericht trotzdem die Ladung nicht rechtzeitig widerrufen hat oder wenn die unmittelbare Vernehmung des Zeugen vor diesem Gericht trotz Unterbleiben der Anzeige zur Aufklärung der Sache erforderlich gewesen ist; dies hat das Gericht (der Vorsitzende), vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, zu bestätigen. Auf die Anzeigepflicht ist der Zeuge in der Ladung aufmerksam zu machen (Abs. 2 leg. cit.).

Im vorliegenden Fall wurde der Beschwerdeführer als Zeuge in einem Kündigungsverfahren gemäß § 343 Abs. 4 ASVG einvernommen. Gemäß § 345 ASVG ist zur Entscheidung über die Wirksamkeit einer Kündigung gemäß § 343 Abs. 4 ASVG die Landesschiedskommission berufen. Es handelt sich bei dem dem Gebührenanspruch zugrundeliegenden Verfahren sohin um kein gerichtliches Verfahren und auch kein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft, sondern um ein (sonstiges) verwaltungsbehördliches Verfahren, auf welches die Bestimmungen des GebAG nicht anwendbar sind.

Auf das Verfahren der Schiedskommissionen ist das AVG im vollen Umfang anzuwenden (Frank in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 347 ASVG Rz 22 (Stand 1.1.2020, rdb.at) Art I Abs 2 Z 1 EGVG; zur Praxis der Handhabung des AVG durch die Schiedskommissionen Kletter in Sonntag, ASVG9 § 347 Rz 10 ff).

Gemäß § 74 Abs. 1 AVG hat jeder Beteiligte die ihm im Verwaltungsverfahren erwachsenden Kosten selbst zu bestreiten. Dieser Grundsatz gilt für sämtliche Parteienkosten, also etwa Anwaltskosten, Kosten für Privatgutachten etc. (VwSlg. 16.636 A/2005 mwN). Nach Abs. 2 leg. cit. bestimmen die Verwaltungsvorschriften, inwieweit einem Beteiligten ein Kostenersatzanspruch gegen einen anderen Beteiligten zusteht.

Ein wie vom Beschwerdeführer beantragter Zuspruch von Zeugengebühren käme daher nur in Betracht, wenn hierfür eine Rechtsgrundlage bestünde und die sachliche Zuständigkeit des erkennenden Gerichts darüber vorliegen würde, über einen solchen Antrag abzusprechen (Art. 18 Abs. 1 B-VG).

Gegenständlich besteht jedoch im AVG idgF kein Anspruch des Zeugen auf Gebühren. § 51a AVG idF BGBl. Nr. 51/1991 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 33/2013, sah für Zeugen, die im Verfahren vor den unabhängigen Verwaltungssenaten (UVS) zu Beweiszwecken vernommen wurden oder deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterblieb einen Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und den §§ 3 bis 18 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136 vor. § 51a AVG steht jedoch seit dem 01.01.2014, als die UVS in die Verwaltungsgerichte aufgingen, in dieser Fassung nicht mehr in Geltung.

Im Sinne einer Gleichbehandlung von Zeugen im Gerichtsverfahren und Verfahren bei den Verwaltungsbehörden könnte eine analoge Anwendung der Bestimmungen der Gebührenabgeltung nach dem GebAG auf Verfahren bei den Verwaltungsbehörden überlegt werden.

Eine solche kommt jedoch aus folgenden Gründen nicht in Betracht:

Zunächst ist festzuhalten, dass nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH ein Analogieschluss auch im öffentlichen Recht grundsätzlich zulässig ist. Voraussetzung hiefür ist das Bestehen einer echten (dh planwidrigen) Rechtslücke. Sie ist dort anzunehmen, wo das Gesetz, gemessen an seiner eigenen Absicht und immanenten Teleologie, unvollständig, also ergänzungsbedürftig, ist, und wo seine Ergänzung nicht etwa einer vom Gesetz gewollten Beschränkung widerspricht. Da das öffentliche Recht, im Besonderen das Verwaltungsrecht, schon von der Zielsetzung her nur einzelne Rechtsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses zu regeln bestimmt ist, muss eine auftretende Rechtslücke in diesem Rechtsbereich im Zweifel als beabsichtigt angesehen werden. (JusGuide 2012/47/3186 (VwGH); VwGH 17.10.2012, 2012/08/0050).

Unter Bedachtnahme auf diese Grundsätze scheidet eine analoge Anwendung der Bestimmungen des GebAG aus. Wie sich nämlich schon aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013 ergibt, wurde anstelle des früheren § 51a AVG die Bestimmung des § 26 Abs. 1 VwGVG geschaffen, die für Zeugen, die im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht zu Beweiszwecken vernommen werden oder deren Vernehmung ohne ihr Verschulden unterbleibt, einen Anspruch auf Gebühren nach § 2 Abs. 3 und den §§ 3 bis 18 des Gebührenanspruchsgesetzes 1975, BGBl. Nr. 136 vorsieht (s. 2009 der Beilagen XXIV. GP - Regierungsvorlage - Vorblatt und Erläuterungen, S 6).

Im Verfahren vor der Behörde sind derartige Gebühren nicht vorgesehen (Fister in Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 26 VwGVG (Stand 1.10.2018, rdb.at).

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber keinen allgemeinen Anspruch auf Gebühren für Zeugen in verwaltungsbehördlichen Verfahren vorsehen wollte. Dies ergibt sich auch ausdrücklich aus den Materialien zur AVG-Novelle Nr. 199/1982, wobei in der Regierungsvorlage allgemeine Zeugengebühren auch in der Verwaltung vorgesehen waren, diese Bestimmung aber dann vom Gesetzgeber bewusst nicht in das Gesetz aufgenommen wurde (siehe dazu das Stenographische Protokoll z. 110. Sitzung vom 01.04.1982, NR XV. GP, S 88 f., https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XV/NRSITZ/NRSITZ_00110/imfname_147079.pdf, abgerufen am 07.05.2020). Im Übrigen wird dies auch durch den Umstand bekräftigt, dass der Gesetzgeber in einzelnen Materiengesetzen einen Anspruch auf Zeugengebühren vorgesehen hat (vgl. etwa § 176 BAO), im vorliegenden Fall jedoch weder im ASVG noch im AVG ein solcher Anspruch geregelt ist, weshalb - im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung und dokumentierten Absicht des Gesetzgebers - diese "Rechtslücke" als beabsichtigt angesehen werden muss.

In der Nichtgewährung von Zeugengebühren in Verfahren vor der Behörde ist nach der Rechtsprechung des VfGH auch keine verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung zu erblicken. So hat der VfGH in seiner Entscheidung vom 27.11.2006, B 571/06 zum Anspruch auf Zeugengebühren vor der FMA ausgeführt, dass vor dem Hintergrund der im 6. Hauptstück des B-VG normativ zum Ausdruck kommenden verfassungsrechtlichen Sonderstellung der UVS (nunmehr Verwaltungsgerichte (VwG)) als Tribunale, die Entscheidung des Gesetzgebers, dem Zeugengebührenanspruch im AVG (nunmehr § 26 VwGVG) auf das Verfahren vor den UVS (VwG) zu beschränken, keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken begegnet.

Aus dem oben Gesagten folgt, dass dem Beschwerdeführer für die Anreise zu seiner zeugenschaftlichen Vernehmung vor der Landesschiedskommission für XXXX und für Zeitversäumnis keine Zeugengebühren im Sinne des § 4 Abs. 1 und 2 GebAG zustehen und er die ihm erwachsenden Kosten gemäß § 74 Abs. 1 AVG selbst zu bestreiten hat.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren war daher schon mangels Rechtsgrundlage zurückzuweisen, eine weitere meritorische Entscheidung war nicht zu treffen.

Der Vollständigkeit halber ist noch festzuhalten, dass die Ansicht des Beschwerdeführers in seiner Beschwerde, das Bundesverwaltungsgericht hätte ihm mit der bereits ergangenen "Teilentscheidung" (dem Erkenntnis vom 03.07.2019 zu Zl. W214 2122148-1/10E) "den Anspruch dem Grunde nach zuerkannt", unrichtig ist.

Wie in der Begründung des zitierten Erkenntnisses ausgeführt, war der Bescheid des Vorsitzenden der Landesschiedskommission für XXXX vom 30.12.2015 infolge Unzuständigkeit desselben zur Entscheidung über den Antrag des Beschwerdeführers auf Zuspruch von Zeugengebühren zu beheben. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedoch mit Erkenntnis vom 03.07.2019 nicht über das Bestehen oder Nichtbestehen des Zeugengebührenanspruches des Beschwerdeführers abgesprochen, vielmehr war die zuständigen Behörde gehalten, über den Antrag des Beschwerdeführers zu entscheiden. Dieser Pflicht ist sie durch Erlassung des Bescheides vom 30.10.2019 nachgekommen, weshalb auch die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich des "Neuerungsverbotes" ins Leere gehen, zumal im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten grundsätzlich Neuerungserlaubnis besteht (Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2 § 10 VwGVG Anm. 1 (Stand 1.10.2018, rdb.at).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

3.3 Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen. Im vorliegenden Fall lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich.

3.4. Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig, weil die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Soweit ersichtlich, fehlt es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur analogen Anwendung der Bestimmungen der §§ 1 und 4 GebAG hinsichtlich natürlicher Personen, die als Zeugen vor einer Behörde vernommen werden.

Schlagworte

Analogie Antragszurückweisung Gebührenantrag Gesetzesanalogie Gesetzeslücke Maßgabe Revision zulässig Zeugengebühr Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W214.2225145.2.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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