TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/16 G303 2221845-1

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Veröffentlicht am 16.06.2020
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Entscheidungsdatum

16.06.2020

Norm

BEinstG §9
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G303 2221845-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Simone KALBITZER als Vorsitzende und die fachkundigen Laienrichter Mag. Corina ERKINGER und Mag. Anja KLUG als Beisitzerinnen über die Beschwerde der XXXX, vertreten durch den XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, vom 03.07.2019, OB: XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Wien, (im Folgenden: belangte Behörde) vom 17.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) für das Kalenderjahr 2018 gemäß § 9 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in der Höhe von EUR 6.168,00 vorgeschrieben.

In der Begründung führte die belangte Behörde die maßgeblichen rechtlichen Bestimmungen des BEinstG an. Des Weiteren wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, dass die für die Berechnung maßgebende Zahl der Dienstnehmer (mit Stichtag Erster eines jeden Kalendermonates) auf den von den Trägern der Sozialversicherung gespeicherten Daten über Dienstgeber und Versicherte (§ 22 Abs. 2 BEinstG) bzw. auf den gemachten Angaben im Verzeichnis und sonstigen vom Sozialministeriumservice durchgeführten Ermittlungen beruhe.

Zur Nachvollziehbarkeit der Anzahl der beschäftigten Personen und der Berechnung der Ausgleichstaxe wurde dem Bescheid ein Berechnungsbeleg beigelegt, welcher zum Bestandteil der Bescheidbegründung erklärt wurde. Im Rahmen der Rechtsmittelbelehrung wurde ausgeführt, dass gemäß § 19a Abs. 1 BEinstG das Recht bestehe, gegen diesen Bescheid innerhalb von zwei Wochen nach seiner Zustellung bei der belangten Behörde schriftlich Vorstellung zu erheben.

2. Dagegen erhob die BF mit E-Mail vom 04.06.2019 fristgerecht Vorstellung an die belangte Behörde und führte darin im Wesentlichen zusammengefasst aus, dass die XXXX und die XXXX zur XXXX fusioniert hätten. Daraus ergebe sich, dass der begünstigte Behinderte XXXX, VNr. XXXX, Ausweis-Nr. XXXX, mit einem Grad der Behinderung von 80 % und einem Alter von über 50 Jahren doppelt angerechnet werden müsse. Demnach müsse die Ausgleichstaxe um die Hälfte reduziert werden, somit bei 83 Mitarbeitern auf EUR 3.084,00 (Stand 31.12.2018).

3. Mit Parteiengehör vom 12.06.2019 teilte die belangte Behörde der BF nach Prüfung der Sach- und Rechtslage das Ergebnis der Ermittlungen mit, wonach aufgrund der beim Firmenbuch sowie beim Hauptverband der österreichischen Sozialversicherungsträger durchgeführten Ermittlungen die XXXX mit Beschluss vom 20.06.2018 mit der XXXX (nunmehr XXXX) verschmolzen worden sei. Die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung der Dienstnehmer sei jedoch erst mit 31.12.2018 erfolgt und die Mitarbeiter seien somit bis zu diesem Zeitpunkt als bei der XXXX beschäftigte Dienstnehmer angemeldet gewesen. Demzufolge seien die von der XXXX übernommenen Dienstnehmer ab Jänner 2019 bei der Berechnung der Ausgleichstaxe bzw. Feststellung der Pflichtzahl bei der BF berücksichtigt worden. Gemäß § 45 AVG wurde der BF Gelegenheit gegeben, zum vorstehenden Sachverhalt binnen zwei Wochen nach Zustellung eine Stellungnahme abzugeben.

4. In der Stellungnahme vom 24.06.2019 führte der bevollmächtigte Vertreter der BF aus, dass aufgrund des Verschmelzungsvertrages die XXXX als übergebende XXXX mit der XXXX als übernehmende Raiffeisenbank mit Verschmelzungsstichtag 31.12.2017 verschmolzen worden sei. Der neue Firmenwortlaut laute XXXX. Diese Verschmelzung sei im Firmenbuch unter der Firmenbuchnummer FN XXXX rückwirkend mit 31.12.2017 per 14.09.2018 eingetragen worden. Aufgrund einer mündlichen Vereinbarung mit der XXXX Gebietskrankenkasse seien die Dienstnehmer der übergebenden XXXX erst mit 01.01.2019 umgemeldet worden. Dies um für das Kalenderjahr 2018 nicht zwei Beitragsgrundlagennachweise abgeben zu müssen. Arbeitsrechtlich und gesellschaftsrechtlich sei das Unternehmen aber per 31.12.2017 als ein Unternehmen anzusehen. Das würde heißen, dass für die Beschäftigungspflicht nach dem Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG) für 2018 von einem Unternehmen auszugehen sei. Der begünstigt Behinderte XXXX, VNr. XXXX, sei bei der Ausgleichstaxenberechnung 2018, mit dem zweifachen Ausmaß für die Berechnung 2018 zu berücksichtigen, da er das 50. Lebensjahr bereits beendet habe und der Grad der Behinderung 80 % betrage.

5. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 03.07.2019 wurde der BF gemäß § 9 BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe in Höhe von EUR 6.168,00 für das Kalenderjahr 2018 vorgeschrieben. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die im Rahmen des Parteiengehörs eingebrachte Stellungnahme nicht geeignet gewesen sei, eine anderslautende Entscheidung herbeizuführen. Laut Verschmelzungsvertrag vom 06.06.2018 bzw. Generalversammlungsbeschluss vom 20.06.2018 sei die XXXX zwar mit der XXXX zur XXXX verschmolzen worden, die Mitarbeiter seien jedoch bis 31.12.2018 als Dienstnehmer der XXXX angemeldet gewesen. Es seien demnach die bis 31.12.2018 gemeldeten Dienstnehmer und somit auch der begünstigte Behinderte XXXX für die Ausgleichstaxenberechnung für das Jahr 2018 bei der Raiffeisenbank XXXX herangezogen bzw. berücksichtigt worden.

In der rechtlichen Begründung des angefochtenen Bescheides wurden die maßgeblichen Bestimmungen des Behinderteneinstellungsgesetzes zitiert. Der Berechnungsbeleg, der die beschäftigten Personen sowie die Berechnung der Ausgleichstaxe wiedergibt, wurde zum Bestandteil der Bescheidbegründung erklärt.

6. Mit Schreiben vom 24.07.2019 erhob die BF durch ihren bevollmächtigten Rechtsvertreter fristgerecht Beschwerde gegen den oben angeführten Bescheid. In der Begründung führte die BF abermals aus, dass die XXXX mit der XXXX per 31.12.2017 verschmolzen worden sei. Dies sei per 14.09.2018 im Firmenbuch eingetragen worden. Gemäß § 5 Abs. 1 Genossenschaftsverschmelzungsgesetz sei die Verschmelzung damit wirksam. Das heiße, die XXXX sei ab diesem Zeitpunkt zivilrechtlich Gesamtrechtsnachfolger der XXXX. Da für die Berechnung der Invaliden-Ausgleichstaxe der Erste eines jeden Kalendermonats als Stichtag herangezogen werde, sei ab Oktober 2018 die Dienstnehmeranzahl von beiden Genossenschaften heranzuziehen. Der Hinweis auf § 22 Abs. 2 BEinstG treffe nicht den gegenständlichen Sachverhalt, da in diesem Paragraph nur auf die Mitwirkungspflicht der Sozialversicherungen hingewiesen werde. Aus Vereinfachungsgründen sei mit der XXXX Gebietskrankenkasse vereinbart worden, dass die Dienstnehmer erst mit 01.01.2019 umgemeldet werden würden. Dies deshalb, um unnötigen Verwaltungsaufwand (zwei Jahreslohnzettel jedes Dienstnehmers) zu vermeiden. Es wird ersucht, die Invaliden-Ausgleichstaxe 2018 abzuändern und den begünstigten Behinderten ab Oktober 2018 bei der XXXX zu berücksichtigen.

7. Die belangte Behörde legte die gegenständliche Beschwerde samt Verwaltungsakt am 30.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die XXXX (FN XXXX) wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 06.06.2018 als übertragende Genossenschaft mit der XXXX (FN XXXX) als übernehmende Genossenschaft zur XXXX (FN XXXX; beschwerdeführende Partei) verschmolzen. Dies wurde per XXXX.09.2018 im Firmenbuch eingetragen.

Die BF ist im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (Oktober bis Dezember 2018) Dienstgeberin auch der ehemals bei der XXXX beschäftigten Dienstnehmer.

Die BF beschäftigte im Oktober und November 2018 insgesamt 90 Dienstnehmer und im Dezember 2018 insgesamt 91 Dienstnehmer (jeweils zum Stichtag 01.01.). Davon zählt der Dienstnehmer XXXX, Sozialversicherungsnummer: XXXX, geboren am 19.01.1967, zum Personenkreis der begünstigten Behinderten.

2. Beweiswürdigung:

Der unter I. angeführte Verfahrensgang und die unbestrittenen Feststellungen ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten der belangten Behörde, aus der Beschwerde sowie nunmehr aus dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Aus dem Firmenbuch geht hervor, dass aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 06.06.2018 sowie des Generalversammlungsbeschlusses vom 20.06.2018 die XXXX mit der XXXX zur XXXX verschmolzen ist. Daraus ergibt sich auch die Dienstgebereigenschaft der BF, wie in der rechtlichen Beurteilung näher ausgeführt wird. Auch das Eintragungsdatum der Verschmelzung ergibt sich aus einem Auszug des Firmenbuches.

Der Beschäftigtenstand der BF im verfahrensgegenständlichen Zeitraum ergibt sich aus der Summe der bei der XXXX beschäftigten Dienstnehmer laut Auskunft der XXXX Gebietskrankenkasse sowie aus dem Berechnungsbeleg, der dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde angeschlossen war.

Die Feststellung, dass der Dienstnehmer XXXX zum Personenkreis der begünstigten Behinderten zählt, beruht auf den vorliegenden unbestrittenen und unbedenklichen Akteninhalt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 19b Abs. 1 Behinderteneinstellungsgesetz (BEinstG), BGBl. I Nr. 22/1970, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht in Verfahren über Beschwerden in Rechtssachen in den Angelegenheiten der §§ 8, 9, 9a und 14 Abs. 2 leg.cit. durch den Senat. Im § 9 BEinstG sind die Regelungen zur Ausgleichstaxe normiert.

Gemäß § 19b Abs. 4 BEinstG haben bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß §§ 9 und 9a je eine Vertreterin oder ein Vertreter der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer als fachkundige Laienrichterinnen und Laienrichter mitzuwirken. Gegenständlich liegt somit eine Senatszuständigkeit vor.

Die Vertreterin oder der Vertreter der Arbeitgeber ist bei Senatsentscheidungen nach Abs. 4 von der Wirtschaftskammer Österreich und die Vertreterin oder der Vertreter der Arbeitnehmer von der Bundesarbeitskammer gemäß § 19b Abs. 5 BEinstG zu entsenden. Für jede Vertreterin und jeden Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) in Verfahren nach Abs. 2, 4 und 6 haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozial- und Arbeitsrechts) gemäß § 19b Abs. 7 BEinstG aufzuweisen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 geregelt (§ 1 leg.cit.).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z. 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu Spruchteil A):

Gemäß § 1 Abs. 1 BEinstG sind alle Dienstgeber, die im Bundesgebiet 25 oder mehr Dienstnehmer (§ 4 Abs. 1) beschäftigen, verpflichtet, auf je 25 Dienstnehmer mindestens einen begünstigten Behinderten (§ 2) einzustellen.

Gemäß § 4 Abs. 1 BEinstG sind Dienstnehmer im Sinne der Berechnung der Pflichtzahl:

a) Personen, die in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt werden (ausgenommen Lehrlinge);

b) Personen, die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, eine abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluss dieser Hochschulbildung beschäftigt sind;

c) Heimarbeiter.

Gemäß § 4 Abs. 2 BEinstG sind für die Feststellung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, alle Dienstnehmer zusammenzufassen, die ein Dienstgeber im Bundesgebiet beschäftigt.

Gemäß § 4 Abs. 3 BEinstG sind für die Berechnung der Pflichtzahl von der gemäß Abs. 2 festgestellten Gesamtzahl der Dienstnehmer die beschäftigten begünstigten Behinderten (§ 2) und Inhaber von Amtsbescheinigungen oder von Opferausweisen (§ 5 Abs. 3) nicht einzurechnen.

Vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ist gemäß § 9 Abs. 1 BEinstG die Entrichtung einer Ausgleichstaxe alljährlich für das jeweils abgelaufene Kalenderjahr mittels Bescheid vorzuschreiben, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

Die Höhe der nach § 9 Abs. 2 BEinstG zu entrichtenden Ausgleichstaxe beträgt gemäß der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Feststellung der Ausgleichtaxe nach dem Bundesbehinderteneinstellungsgesetz für das Kalenderjahr 2018 für jede einzelne Person, die zu beschäftigen wäre, für Dienstgeber mit 25 bis 99 Dienstnehmern monatlich EUR 257,00 Euro, für Dienstgeber mit 100 bis 399 Dienstnehmern monatlich EUR 361,00 und für Dienstgeber mit 400 oder mehr Dienstnehmern monatlich EUR 383,00.

Die Definition des Dienstnehmerbegriffes ist dem § 4 Abs. 1 ASVG nachgebildet. (Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz, 8. Aufl., Erl. 1 zu § 4).

Für die Dienstnehmereigenschaft ist die Höhe des Entgeltes nicht wesentlich. Auch geringfügig beschäftigte Personen im Sinne des § 5 Abs. 2 ASVG sind in die Gesamtzahl der Dienstnehmer einzubeziehen. (Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungs-gesetz, 8. Aufl., Erl. 3 zu § 4).

Bei schwankendem Beschäftigungsstand eines Arbeitgebers ist die für die Behindertenbeschäftigung maßgebende Arbeitnehmerzahl (Pflichtzahl) am jeweiligen Stichtag (dem Monatsersten) maßgeblich, auch wenn an diesem Tag atypisch viele Arbeitnehmer beschäftigt werden (VwGH 28.11.1991, Zl. 91/09/0025).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Im gegenständlichen Fall ist strittig, ob der BF ab dem Zeitpunkt der rechtswirksamen Verschmelzung mit der XXXX auch die Dienstgebereigenschaft für die in dieser übertragenden Genossenschaft beschäftigten Dienstnehmer zukommt.

Die belangte Behörde hat dies im Ergebnis verneint, und damit begründet, dass die BF zwar mit der XXXX verschmolzen sei, jedoch sei die sozialversicherungsrechtliche Abmeldung der Dienstnehmer erst mit 31.12.2018 erfolgt. Demzufolge würden die von der XXXX übernommenen Dienstnehmer erst ab Jänner 2019 bei der Berechnung der Ausgleichstaxe bzw. Feststellung der Pflichtzahl bei der BF berücksichtigt werden.

Dem ist entgegenzuhalten, dass das Arbeitsverhältnis ein privatrechtliches, durch den Arbeits(Dienst)vertrag begründetes Rechtsverhältnis ist und dieses für die Beurteilung maßgebend ist, wem die Eigenschaft des ausgleichstaxpflichtigen Dienstgebers nach dem BEinstG zukommt (vgl. VwGH 05.04.1990, Zl. 89/09/0133 und vom 25.04.1990, Zl. 89/09/0144).

Die sozialversicherungsrechtliche Behandlung als Dienstgeber kann dabei bestenfalls eine gewisse Indizwirkung entfalten, vermag aber für sich allein die Stellung als Dienstgeber nicht zu begründen. (Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz, 8. Aufl., Erl. 13 zu § 1).

Dienstgeber ist jeder, für dessen Rechnung die Tätigkeit des Dienstnehmers erfolgt bzw. der Betrieb geführt wird, und zwar auch dann, wenn der Dienstnehmer durch Mittelspersonen in Dienst genommen wurde oder ganz oder teilweise auf Leistungen Dritter an Stelle des Entgeltes verwiesen wird. Es kommt Unternehmer- und somit Arbeitgebereigenschaft demjenigen zu, der in eigener Betriebsstätte, die mit eigenen Betriebsmitteln ausgestattet ist, die oberste Geschäfts- und Betriebsleitung innehat (Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz, 8. Aufl., Erl. 9 zu § 1, mwN).

Dienstgeber im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes ist jeder, der im Rahmen eines Arbeitsvertrages über die Arbeitskraft eines anderen verfügen kann. Grundsätzlich ist es der Geschäftsinhaber, der für das gesamte Unternehmen die Verantwortung trägt und der mit dem Dienstnehmer durch den Arbeitsvertrag verbunden ist. (Widy/Auer-Mayer/Schrattbauer, Behinderteneinstellungsgesetz, 8. Aufl., Erl. 11 zu § 1, mwN).

Mit der Eintragung der Verschmelzung in das Firmenbuch des Sitzes der übertragenden Genossenschaft geht gemäß § 5 Genossenschaftsverschmelzungsgesetz das Vermögen dieser Genossenschaft einschließlich der Schulden auf die übernehmende Genossenschaft über und erlischt die übertragende Genossenschaft. Einer besonderen Löschung bedarf es nicht.

Geht ein Unternehmen, Betrieb oder Betriebsteil auf einen anderen Inhaber über (Betriebsübergang), so tritt dieser gemäß § 3 Arbeitsvertragsrechts-Anpassungsgesetz (AVRAG) als Arbeitgeber mit allen Rechten und Pflichten in die im Zeitpunkt des Überganges bestehenden Arbeitsverhältnisse ein.

Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ist die BF, als übernehmende Genossenschaft, aufgrund des Verschmelzungsvertrages vom 06.06.2018 in die bestehenden Arbeitsverhältnisse der übertragenden XXXX eingetreten. Die Dienstgebereigenschaft der BF wurde somit bereits mit der Eintragung der Verschmelzung ins Firmenbuch am 14.09.2018 begründet und nicht erst – wie von der belangten Behörde behauptet – mit der sozialversicherungsrechtlichen Anmeldung der Dienstnehmer im Jänner 2019.

Die BF ist somit auch Dienstgeberin gemäß § 4 Abs. 2 BEinstG für die übernommenen Dienstnehmer, die ehemals bei der XXXX beschäftigt waren, und sind diese bei der Berechnung der Gesamtzahl der Dienstnehmer, von der die Pflichtzahl zu berechnen ist, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum (Oktober bis Dezember 2018) mit den Dienstnehmern der BF zusammenzufassen.

Aus den angeführten Gründen war der Bescheid daher aufzuheben und der Beschwerde stattzugeben.

Der Vollständigkeit halber ist abschließend darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde unter Beachtung der Rechtsansicht des Bundesverwaltungsgerichtes im vorliegenden Erkenntnis die Ausgleichstaxe für das Kalenderjahr 2018 neu zu berechnen und diese mittels Bescheid der beschwerdeführenden Partei neu vorzuschreiben haben wird, wenn die Beschäftigungspflicht nicht erfüllt ist.

Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit den Beschwerdegründen und dem Begehren geklärt erscheint, konnte eine mündliche Verhandlung gemäß § 24 VwGVG entfallen, zudem auch die Verfahrensparteien die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt haben.

Zudem liegt eine Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität vor (siehe auch VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.06.2012, B 155/12, wonach eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist).

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Ausgleichstaxe begünstigter Behinderter Dienstgebereigenschaft Pflichtzahl

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G303.2221845.1.00

Im RIS seit

05.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

05.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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