TE Lvwg Erkenntnis 2020/2/25 VGW-111/055/1887/2020, VGW-111/V/055/2434/2020

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 25.02.2020
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Entscheidungsdatum

25.02.2020

Index

L82009 Bauordnung Wien
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BauO Wr §126 Abs3
AVG §68

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Dr. Forster über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch Rechtsanwälte GmbH, vom 24. Jänner 2020 gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, vom 30. Dezember 2019, Zl. MA37/1-2019-1, mit welchem gemäß § 126 Abs. 3 BO die Duldungspflicht des Beschwerdeführers festgestellt (Spruchpunkt I.) und gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausgeschlossen wurde (Spruchpunkt II.),

zu Recht:

I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde Folge gegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

I. Verfahrensgang

1. Mit Schriftsatz vom 5. Juli 2019 stellte die C. AG, vertreten durch die Rechtsanwälte D. einen Antrag gemäß § 126 BO „auf Duldung der Benutzung des nachbarlichen Luftraums mit einem Turmdrehkran“. Begründend führte die C. AG hierzu aus, dass sie von der E. GmbH als Bauwerberin mit der Realisierung eines näher bezeichneten – mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. Februar 2017 bewilligten – Bauvorhabens auf der Liegenschaft EZ 2, Kat. Gem. F., beauftragt worden sei.

Für die Durchführung dieses Bauvorhabens sei die Montage und Benützung eines Turmdrehkranes auf der Bauliegenschaft erforderlich, der grundsätzlich neun Monate, witterungsbedingt aber unter Umständen auch länger, betrieben werden solle und den Luftraum der Nachbarliegenschaften in Anspruch nehmen müsse. Die genaue Positionierung des Kranes und dessen Schwenkbereich seien aus einem beigelegten Auszug des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes ersichtlich, in dem der vom Kranfundament samt Fundamentanker erfasste Bereich und der Schwenkradius markiert seien. Mit Rücksicht auf die Größe und Lage des zu errichtenden Gebäudes, kämen kein Absehen von der Verwendung des Turmdrehkranes und auch keine andere Situierung desselben in Betracht; insbesondere erweise sich die alternative Verwendung von Mobilkränen als unwirtschaftlich.

Sowohl im Zuge der Arbeiten mit dem Turmdrehkran als auch während einer Windfreistellung (durch diese Maßnahme werde der Kran während seiner Außerbetriebnahme im Wind frei drehbar gehalten, wodurch er selbständig eine Ausrichtung erreichen könne, in der der Luftwiderstand am geringsten sei) könne der Ausleger des Turmdrehkranes zeitweise auch über Teile der Nachbarliegenschaften schwenken. Die horizontale Länge des Hauptauslegers des Turmdrehkranes belaufe sich hierbei auf 50 m. Im Zuge der Kranarbeiten sei streng darauf zu achten, dass zu befördernde Lasten („Hublasten“) ausschließlich über die Bauliegenschaft bewegt würden und lediglich die Kranausleger im Luftraum der betroffenen Nachbarliegenschaften. Insofern seien auch keine nachteiligen Auswirkungen auf diese zu erwarten.

Die Antragstellerin habe die von den Kranarbeiten betroffenen (Mit-)Eigentümer der Nachbarliegenschaften mit separaten Schreiben um die Gestattung der Nutzung ersucht. Da einige der Eigentümer diese Zustimmung verweigert hätte, werde ein Antrag gemäß § 126 Abs. 3 BO gestellt. Der Wortlaut dieses Antrages lautet (auszugsweise) wie folgt:

„Die Magistratsabteilung 37 möge die Antragsgegner

[…]

A. B., geboren am […]

Als Eigentüme[r] der Liegenschaft EZ 3, KG F., bestehend aus dem Grundstück Nr. 4,

[…]

gemäß § 126 Abs 1 und 3 Bauordnung für Wien verpflichten, die Benützung des über ihren jeweiligen Liegenschaften befindlichen Luftraums zum Zwecke des Schwenkens der Kranausleger des Turmdrehkrans, der für die Realisierung des vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, Baupolizei – …, mit Bescheid vom 15.02.2017 zur Aktenzahl MA37/5-2016-1 bewilligten Bauvorhabens auf der Liegenschaft EZ 2, KG F., benötigt wird, gegen Ersatz des erlittenen Schadens, zu dulden. Über die Höhe des erlittenen Schadens entscheiden im Streitfalle die ordentlichen Gerichte.

Der Umfang der Duldungsverpflichtung wird festgelegt, wie folgt:

1.   Die Benützung des Luftraums der betroffenen Liegenschaften ist innerhalb des Schwenkbereichs des Turmdrehkrans gemäß dem Auszug aus dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan mit dem Druckdatum 20.05.2019 […] (der Schwenkbereich ist darin von einem grau eingezeichneten Kreis umfasst) zu gestatten. Der Auszug aus dem Flächenwidmungs- und Bebauungsplan mit dem Druckdatum 20.05.2019 […] ist ein integrierter Bestandteil dieses Bescheids.

2.   Im Rahmen der Kranarbeiten beförderte Lasten (Hublasten) sind ausschließlich über die Bauliegenschaft EZ 2, KG F., zu bewegen.

3.   Die Dauer der Duldung beträgt 9 Monat[e] ab der Montage des Turmdrehkrans im Zuge der gegenständlichen Bauführung.

4.   Die Kranarbeiten sind, von witterungsbedingten Unterbrechungen abgesehen, in einem Zug und ohne Unterbrechung durchzuführen.

5.   Für den Fall einer witterungsbedingten Unterbrechung wird die Dauer der Duldungsverpflichtung um den Unterbrechungszeitraum verlängert.

6.   Mit den Kranarbeiten darf erst nach Rechtskraft dieses Bescheides begonnen werden.“

Schließlich regte die Antragstellerin in dem genannten Antrag auch an, der Magistrat der Stadt Wien möge die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausschließen. Als Beilage zum Antrag finden sich diverse Grundbuchsauszüge der Bau- und Nachbarliegenschaften, der Baubewilligungsbescheid vom 15. Februar 2017, die Bekanntgabe der Bauführerin vom 25. Juni 2019, der Auszug des Flächenwidmungs- und Bebauungsplanes, ein Leistungsverzeichnis der Mehrkosten bei Verwendung mobiler Kräne und die bereits eingeholten Zustimmungserklärungen.

2. Mit Bescheid vom 20. Dezember 2019, Zl. MA37/1-2019-1, stellte der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, gemäß § 126 Abs. 1 und 3 BO fest, dass der Eigentümer der Liegenschaft Wien, G.-straße ONr. 7, EZ 3, Kat. Gem. F., verpflichtet ist, das lastenlose Überschwenken des Luftraumes mit dem Ausleger des Turmdrehkranes auf der Liegenschaft G.-straße ONr. 9, EZ 2, Kat. Gem. F., zum Zweck der Windfreistellung zu dulden (Spruchpunkt I.), und schloss gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aus (Spruchpunkt II.).

Hinsichtlich Spruchpunkt I. führte der Magistrat der Stadt Wien aus, dass dem Antrag vom 5. Juli 2019 zufolge für die Ausführung des mit rechtskräftigem Bescheid vom 15. Februar 2017 bewilligten Bauvorhabens auf der genannten Liegenschaft die Aufstellung eines Turmdrehkranes projektiert sei und die Nachbarliegenschaften für die Dauer von neun Monaten mit dem Ausleger dieses Kranes zum Zweck der Windfreistellung lastenlos überschwenkt werden sollten. Im Zuge des Ermittlungsverfahrens habe der Magistrat der Stadt Wien eine Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 eingeholt, welche am 22. Oktober 2019 erstattet worden sei.

In dieser Stellungnahme habe die Magistratsabteilung 25 die Notwendigkeit der Verwendung des Turmdrehkranes für die Durchführung der Bauführung festgestellt und ausgeführt, dass diese dem Stand der Technik sowie der Übung des Verkehrs entspreche. Da sich der Kran bei Starkwind frei drehen können müsse, um nicht zu starken Windlasten ausgesetzt zu sein, sei ein Schwenkbereich des Kranauslegers von 360 Grad erforderlich. Die händische Durchführung der Arbeiten sei nicht möglich, weil umfangreiche Stahlbetonarbeiten notwendig seien. Die Alternative in Form des Einsatzes von Mobilkränen erweise sich als unwirtschaftlich, da diese mit ganztägig laufendem Motor auf der Straße stehen müssten, wobei sie Verkehrsbehinderungen, beträchtliche Lärmbelästigungen und erhebliche Umweltbelastungen verursachten, und eine Verlängerung der Bauzeit mit sich brächten. Überdies reiche die Tragkraft eines Mobilkrans für die vorgesehenen Bauaufgaben nicht aus und könnten die in der Tiefe des Grundstückes gelegenen Einbauorte nicht von öffentlichem Gut aus erreicht werden. In diesem Sinn sei die Verwendung eines verhältnismäßig großen Auslegers erforderlich, weil nur so ausreichend Tragkraft und Reichweite zur Verfügung stehe. Da auf diese Weise das öffentliche Gut nicht mitbenützt werden müsse, sei ein Aufstellungsort auf eigenem Grund vorteilhaft. Dieser sei so gewählt worden, dass jeder Einbauort erreicht werden könne und der Kran nicht umgestellt werden müsse.

Im Hinblick auf dieses Gutachten und die Annahme, dass der Eingriff in den Luftraum des Beschwerdeführers – durch ein lastenloses Überschwenken bloß mit dem Kranausleger – kein erkennbares Interesse desselben berühre, sei die schon ex lege bestehende Duldungsverpflichtung festzustellen gewesen. Wie der Magistrat der Stadt Wien ausführt, wäre die Duldungsverpflichtung aber ohnehin auch im Hinblick auf die sachverständige Äußerung des Vertreters der Magistratsabteilung 25, mit welcher die wirtschaftliche Notwendigkeit der Maßnahme bestätigt worden sei, unter Abwägung der Verhältnismäßigkeit und wirtschaftlichen Zumutbarkeit auszusprechen gewesen. Für die Antragstellerin und Bauwerberin bestehe ein erhebliches rechtliches Interesse am Ausspruch über das Bestehen der Duldungsverpflichtung zur Verwendung im weiteren Rechtsverkehr, wie etwa in Verfahren vor ordentlichen Gerichten. Aufgrund der eindeutigen Sach- und Rechtslage sei die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen.

Im Hinblick auf den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung verwies die Behörde zunächst auf die im Rahmen der Duldungsverpflichtung gemäß § 126 BO erforderliche Interessenabwägung zwischen den Interessen der Bauwerberin und jenen der betroffenen Nachbarn. Bei dieser Interessenabwägung sei zu berücksichtigen, dass für das gegenständliche Bauvorhaben eine rechtskräftige Baubewilligung vorliege und das lastenlose Überschwenken der Nachbargrundstücke keine erkennbaren schützenswerten Interessen der Nachbarn berühre. Demgegenüber sei die Bauführung ohne Kran nicht bzw. nur mit unverhältnismäßigem Mehraufwand bzw. Mehrkosten möglich und wäre auch eine Verzögerung der bewilligten Bauführung bis zur nachfolgenden Aufstellung und Nutzung eines Krans mit unverhältnismäßigem Mehraufwand bzw. Mehrkosten verbunden. Es sei nicht hervorgekommen, dass der gegenständliche Luftraum und Aufstellungsbereich von den Nachbarn für eigene prioritäre Interessen benötigt würde, wie etwa zur eigenen Aufstellung eines Krans für eigene Bauführungen. Auf Grundlage der damit beschriebenen Interessenabwägung sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

Dieser Bescheid wurde der C. AG (zu Handen der Rechtsanwälte D.) am 20. Dezember 2019 und dem Beschwerdeführer (zu Handen der Rechtsanwälte GmbH) am 30. Dezember 2019 zugestellt.

3. In seiner gegen diesen Bescheid gerichteten Beschwerde vom 15. Jänner 2020 bringt der Beschwerdeführer vor, dass der bekämpfte Bescheid „offenbar willfährig und blitzartig nach einer missachteten Unterlassungsaufforderung des Beschwerdeführers vom 19.12.2019“ ergangen sei. Hinsichtlich der in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides enthaltenen Verfügung habe die belangte Behörde das Parteiengehör verletzt, zumal sie den Beschwerdeführer im gesamten Ermittlungsverfahren nicht beigezogen habe – dies obwohl der verfahrensgegenständliche Antrag bereits am 5. Juli 2019 gestellt worden sei. Überdies sei auch eine ordnungsgemäße Akteneinsicht nicht möglich gewesen; der Ermittlungsakt bestehe aus losen Zetteln, die Eingabe vom 5. Juli 2019 enthalte nicht einmal einen konkreten Antrag. Auch von der im Verfahren eingeholten Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 – welche sich im Übrigen als unschlüssig erweise – sei der Beschwerdeführer entgegen § 45 Abs. 3 AVG nicht verständigt worden. Schließlich habe die belangte Behörde auch fälschlicherweise von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen, weshalb sich der Beschwerdeführer nicht äußern habe können.

Weiterhin habe die belangte Behörde in wesentlichen Punkten Ermittlungen unterlassen und ihren Bescheid damit mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet. Insbesondere hätte sich die Behörde nicht mit der Annahme begnügen dürfen, dass beim lastenlosen Überschwenken der Nachbargrundstücke keine Interessen der Nachbarn berührt würden. Der von der Behörde zitierten vermeintlichen „Leitentscheidung“ des Verwaltungsgerichtshofes sei ein Gutachten eines Amtssachverständigen zugrunde gelegen, aus dem hervorgegangen sei, dass eine Gefährdung durch das Überheben ohne Hublast nicht zu erwarten sei. Aus diesem für das konkrete Ermittlungsverfahren geltenden Gutachten habe der Verwaltungsgerichtshof in der genannten Entscheidung für das damalige Verfahren die Schlussfolgerung gezogen, dass keine nachteiligen Auswirkungen zu erwarten seien. Eine pauschale Übertragung dieser Erwägungen auf den vorliegenden Fall, ohne genaue Erhebungen der möglichen Gefährdungen sei unzulässig. Um nur einige Beispiele zu nennen, könnten sich etwa aus der Bauart des Kranes, dem Aufstellungsort, dem Untergrund und der daraus resultierenden Standfestigkeit, Gefährdungen insbesondere für Leib und Leben ergeben. Auch sei zu berücksichtigen, dass auf dem Ausleger – die Behörde lasse nicht erkennen, was sie genau darunter verstehe – Betonblöcke befestigt seien, welche herabfallen könnten und demnach sachgemäß befestigt werden müssten. Auf diese Fragen werde aber weder im Antrag vom 5. Juli 2019 noch in der Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 eingegangen. In diesem Zusammenhang sei überdies darauf hinzuweisen, dass sich einschlägige Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nur auf das Überschwenken landwirtschaftlich genutzter Flächen bezögen, auf denen sich nicht regelmäßig Menschen aufhielten, wogegen es sich beim beschwerdegegenständlichen Grundstück um Wohngebiet handle.

Hinsichtlich des vom angefochtenen Bescheid angesprochenen lastenlosen Überschwenkens mit dem Ausleger zum Zweck der Windfreistellung handle es sich offenbar um eine Sicherungsmaßnahme. Die Frage, ob der Sicherungszweck auch durch andere Maßnahmen, wie etwa eine Fixierung, erreicht werden könne, sei von der belangten Behörde nicht geprüft worden – wobei es sich als selbstverständlich erweise, dass Drehkräne auch fixiert werden könnten. Ob dies im konkreten Fall möglich oder geboten sei, bleibe offen. Entsprechende Ermittlungen wären nach Auffassung des Beschwerdeführers zu dem Ergebnis gelangt, das mit für den Beschwerdeführer gelinderen Maßnahmen das Auslangen gefunden werden hätte können, ohne dass damit ein unverhältnismäßiger Mehraufwand verbunden sei.

Schließlich habe die Behörde den angefochtenen Bescheid auch mangelhaft begründet, zumal die Verwendung einer Liegenschaft gemäß § 126 Abs. 1 BO nur zulässig sei, wenn Alternativmaßnahmen einen unverhältnismäßigen Aufwand verursachten. Ob ein derartiger unverhältnismäßiger Mehraufwand vorliege – was anhand eines Vergleichs der Kosten bei Inanspruchnahme der fremden Liegenschaft mit den Kosten ohne Inanspruchnahme der fremden Liegenschaft zu ermitteln sei – hätten weder die Behörde noch die von dieser um Stellungnahme ersuchte Magistratsabteilung 25 ausgeführt. Es heiße lediglich lapidar, dass die Alternativvariante in Form der Verwendung eines Mobilkrans unwirtschaftlich sei; auf die Frage, welche Zusatzkosten aus einer Fixierung resultierten, werde dagegen gar nicht erst eingegangen.

Hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides, mit dem die aufschiebende Wirkung ausgeschlossen wurde, führt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde – zusammengefasst – Folgendes vor: Das Kernelement der Ermächtigung zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG liege in der Annahme von Gefahr im Verzug, was nur dann anzunehmen sei, wenn einer Partei oder dem öffentlichen Wohl ein gravierender und unverhältnismäßiger Nachteil drohe. Diese Gefahr müsse konkret bestehen; rein wirtschaftliche Nachteile, wie zB höhere Baukosten des Bauwerbers, könnten keine Gefahr im Verzug begründen.

Die Behörde habe sich in ihrem Bescheid dagegen auf eine bloße – im Übrigen unzureichende – Interessenabwägung beschränkt, ohne das Vorliegen von Gefahr im Verzug zu prüfen und die dafür erforderliche sachverhaltsbezogene fachliche Beurteilung vorzunehmen. Das Auslegungsergebnis der belangten Behörde verstoße damit gegen fundamentale Rechtsgrundsätze und verkehre das Rechtsschutzsystem im österreichischen Verwaltungsrecht in sein Gegenteil. Soweit die belangte Behörde auf die Kriterien für die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verweise, übersehe sie, dass § 30 Abs. 2 VwGG gänzlich andere Voraussetzungen festlege als § 13 Abs. 2 VwGVG. Insofern könne im gegebenen Zusammenhang auch nicht auf die Rechtsprechung zu § 30 Abs. 2 VwGG zurückgegriffen werden.

Unabhängig von der Notwendigkeit von Gefahr im Verzug, komme die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung auch deshalb nicht in Betracht, weil die Antragstellerin nicht konkret dargelegt habe, aus welchen tatsächlichen Umständen sich der behauptete unverhältnismäßige Nachteil ergebe, und erst die glaubhafte Konkretisierung die gebotenen Abwägung erlaube. Die von der Antragstellerin vorgelegten Leistungsverzeichnisse genügten diesen Anforderungen nicht, zumal sich daraus keine Nachteile ableiten ließen. Hierbei sei auch darauf hinzuweisen, dass es sich bei der Antragstellerin um eines der „größten“ Bauunternehmen Österreichs handle, weshalb ihr klar sein hätte müssen, dass die Inanspruchnahme fremden Grundes die Zustimmung der jeweils Berechtigten voraussetze. Folglich sei auch der ihr durch das Versagen der Zustimmung entstandene wirtschaftliche Nachteil vorhersehbar gewesen. Die Antragstellerin hätte sich schon vor Baubeginn um eine rechtzeitige Lösung bemühen können, den Umstand der Versagung einer Zustimmung in die Planungen einbeziehen müssen und entsprechende Anpassungen treffen können. Dieses Versäumnis werde durch den angefochtenen Bescheid nun auf den Beschwerdeführer „übergewälzt“.

Schließlich sei auch darauf hinzuweisen, dass mit den Arbeiten gemäß § 126 Abs. 3 BO erst nach Rechtskraft des Bescheides begonnen werden dürfe. Mit dieser Anordnung stelle § 126 Abs. 3 BO eine lex specialis gegenüber § 13 Abs. 2 VwGVG dar. Als Ergebnis einer system- und verfassungskonformen, das Rechtsschutzbedürfnis des Beschwerdeführers berücksichtigenden Gesetzesanwendung verbiete sich sohin der Erlass eines auf § 13 Abs. 2 VwGVG gestützten Bescheides.

4. Datiert mit 30. Dezember 2019 erließ der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, neuerlich einen Bescheid zur Zl. MA37/1-2019-1, in dem er gemäß § 126 Abs. 1 und 3 BO feststellte, dass der Eigentümer der Liegenschaft Wien, G.-straße ONr. 7, EZ 3, Kat. Gem. F., verpflichtet ist, das lastenlose Überschwenken des Luftraumes mit dem Ausleger des Turmdrehkranes auf der Liegenschaft G.-straße ONr. 9, EZ 2, Kat. Gem. F., zu dulden (Spruchpunkt I.), und gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG die aufschiebende Wirkung der Beschwerde ausschloss (Spruchpunkt II.). In Abweichung zu Spruchpunkt I. des Bescheides vom 20. Dezember 2019 entfiel in diesem (zweiten) Bescheid die Beifügung „zum Zweck der Windfreistellung“.

Die Begründung dieses Bescheides entspricht im Wesentlichen jener des Bescheides vom 20. Dezember 2019. Als einzige Abweichung führt der Magistrat der Stadt Wien im Bescheid vom 30. Dezember 2019 – am Beginn der Begründung, noch vor den Erwägungen zu Spruchpunkt I. – zusätzlich aus, dass im Rahmen der Kranarbeiten streng darauf geachtet werden muss, dass zu befördernde Lasten („Hublasten“) ausschließlich über die Bauliegenschaft bewegt werden und über Nachbarliegenschaften nur der Kranausleger; außerdem wird festgehalten: „Daneben sollen die Nachbarliegenschaften lastenlos zum Zweck der Windfreistellung überschwenkt werden.“

Dieser Bescheid wurde der C. AG (zu Handen der Rechtsanwälte D.) am 3. Jänner 2020 und dem Beschwerdeführer (zu Handen der Rechtsanwälte GmbH) am 7. Jänner 2020 zugestellt.

5. Mit Beschwerde vom 24. Jänner 2020 wandte sich der Beschwerdeführer auch gegen den Bescheid vom 30. Dezember 2019. Die Begründung dieser Beschwerde entspricht im Wesentlichen jener vom 15. Jänner 2020. Zusätzlich führt der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde vom 24. Jänner 2020 aus, dass der erste Bescheid vom 20. Dezember 2019 das lastenlose Überschwenken des Luftraumes mit dem Ausleger des Turmdrehkranes zu anderen Zwecken als der Windfreistellung nicht erfasst habe, woraufhin „die belangte Behörde versucht [habe], dies mit dem beschwerdegegenständlichen Bescheid vom 30.12.2019 zu sanieren.“ Die Behörde greife mit dem zweiten Bescheid, der gegenüber dem ersten ein „Mehr“ vorsehe, insofern unzulässig in die Rechtskraft des Erstbescheides ein und derogiere diesem, ohne dass der Erlass eines solchen Bescheides vorgesehen sei. Insbesondere sehe § 126 BO nicht vor, dass über einen einzigen Antrag mit mehreren, zeitlich gestaffelten und einander derogierenden Bescheiden zu entscheiden sei; gleichzeitig wäre auch ein neuerlicher Antrag der Antragstellerin wegen entschiedener Sache zurückzuweisen gewesen. Dass mit dem ersten Bescheid nicht über den vollen Umfang des Antrages abgesprochen wurde, hätte die Antragstellerin in einer Beschwerde an das Verwaltungsgericht geltend machen können.

Obgleich § 126 BO von der Notwendigkeit der zu duldenden Maßnahme ausgehe, habe sich die Behörde im zweiten Bescheid nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob ein Überschwenken der Liegenschaft des Beschwerdeführers mit dem Turmdrehkran, das nicht ausschließlich zu Zwecken der Windfreistellung erfolge, überhaupt erforderlich sei. Die eingeholte Stellungnahme der Magistratsabteilung 25 halte lediglich fest, dass ein Schwenkbereich des Kranauslegers von 360 Grad gewährleistet sein müsse, da sich der Kran bei Starkwind frei drehen können müsse, um nicht zu starken Windlasten ausgesetzt zu sein. Auch ergebe sich aus dem von der Antragstellerin mit ihrem (vermeintlichen) Antrag vorgelegten „Lageplan“, in dem ein Überschwenken in einem Radius von 50 m angegeben sei, dass für die Aufnahme von Lasten und das Absetzen auf dem Bauplatz ein Überschwenken der Liegenschaft des Beschwerdeführers mit dem langen Teil des Auslegers nicht notwendig sei. Ein Schwenkbereich von 360 Grad sei nur dann notwendig, wenn der kurze Teil des Auslegers dabei die Grundgrenze des Beschwerdeführers, und damit seinen Luftraum, überrage; dies sei aber insbesondere vom Standort des Turmdrehkranes und der Länge des kurzen Teils des Auslegers abhängig – wozu jegliche Ermittlungen fehlten.

Im Übrigen sei auch die Notwendigkeit im Hinblick auf das Überschwenken zu Zwecken der Windfreistellung nicht gegeben. Die Behörde habe hierzu nicht geprüft, ob der Sicherungszweck auch durch andere Maßnahmen, wie zB eine Fixierung, erreicht werden könne. Dabei sei es selbstverständlich, dass Drehkräne auch fixiert werden könnten bzw. müssten. Ob und wie dies im vorliegenden Fall möglich oder geboten sei, bleibe offen.

6. Die belangte Behörde traf keine Beschwerdevorentscheidung und legte dem Verwaltungsgericht Wien die Beschwerden sowie den Akt des Verwaltungsverfahrens (mitsamt den beiden genannten Bescheiden) vor. Die Beschwerden und der Verwaltungsakt langten am 27. Jänner 2020 beim Verwaltungsgericht Wien ein.

II. Rechtsgrundlagen

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 – AVG, BGBl. 51/1991 idF BGBl. I 33/2013 lauten:

„2. Abschnitt: Sonstige Abänderung von Bescheiden

Abänderung und Behebung von Amts wegen

§ 68. (1) Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, sind, wenn die Behörde nicht den Anlaß zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

(2) Von Amts wegen können Bescheide, aus denen niemandem ein Recht erwachsen ist, sowohl von der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, als auch in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde aufgehoben oder abgeändert werden.

(3) Andere Bescheide kann die Behörde, die den Bescheid in letzter Instanz erlassen hat, oder die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde im öffentlichen Interesse insoweit abändern, als dies zur Beseitigung von das Leben oder die Gesundheit von Menschen gefährdenden Mißständen oder zur Abwehr schwerer volkswirtschaftlicher Schädigungen notwendig und unvermeidlich ist. In allen Fällen hat die Behörde mit möglichster Schonung erworbener Rechte vorzugehen.

(4) Außerdem können Bescheide von Amts wegen in Ausübung des Aufsichtsrechtes von der sachlich in Betracht kommenden Oberbehörde als nichtig erklärt werden, wenn der Bescheid

1. von einer unzuständigen Behörde oder von einer nicht richtig zusammengesetzten Kollegialbehörde erlassen wurde,

2. einen strafgesetzwidrigen Erfolg herbeiführen würde,

3. tatsächlich undurchführbar ist oder

4. an einem durch gesetzliche Vorschrift ausdrücklich mit Nichtigkeit bedrohten Fehler leidet.

(5) Nach Ablauf von drei Jahren nach dem in § 63 Abs. 5 bezeichneten Zeitpunkt ist eine Nichtigerklärung aus den Gründen des Abs. 4 Z 1 nicht mehr zulässig.

(6) Die der Behörde in den Verwaltungsvorschriften eingeräumten Befugnisse zur Zurücknahme oder Einschränkung einer Berechtigung außerhalb eines Berufungsverfahrens bleiben unberührt.

(7) Auf die Ausübung des der Behörde gemäß den Abs. 2 bis 4 zustehenden Abänderungs- und Behebungsrechts steht niemandem ein Anspruch zu. Mutwillige Aufsichtsbeschwerden und Abänderungsanträge sind nach § 35 zu ahnden.“

III. Rechtliche Beurteilung

1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Unter Berücksichtigung der materiellen Rechtskraft des Bescheides wird dieser nicht nur unanfechtbar für die Parteien, sondern auch unwiderrufbar (unwiederholbar und unabänderlich) für die Behörde. Hierbei hat die materielle Rechtskraft im Allgemeinen die Unanfechtbarkeit (formelle Rechtskraft) in Bezug auf alle Verfahrensparteien zur Voraussetzung (VwSlg 14.861 A/1998), für die Behörde (erster Instanz) selbst treten die Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit des Bescheides allerdings schon mit dessen Erlassung ein (Hengstschläger/Leeb, AVG [2018] § 68, Rz 12 ff., 18, 21; VwSlg 18.668 A/2013). Der in erster Instanz zuständigen Behörde ist es sohin gemäß § 68 AVG auch verwehrt, während eines anhängigen Rechtsmittelverfahrens (aufgrund eines neuen verfahrenseinleitenden Antrags) neuerlich über die Sache zu entscheiden (VwGH 17.5.1991, 89/06/0087; 21.9.2005, 2003/12/0026; 21.10.2009, 2009/06/0165).

Gegenstand der aus der formellen Rechtskraft folgenden materiellen Rechtskraft ist nur der im Bescheid enthaltene Abspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, und zwar auf Grund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde gestützt hat (VwGH 26.5.2003, 2000/18/0197). Die Begründung des Bescheides erlangt im Hinblick auf die Rechtskraft zum einen in Zweifelsfällen als Auslegungsbehelf für den Spruch (VwGH 20.5.2009, 2007/07/0110; 13.11.2013, 2013/04/0122), zum anderen hinsichtlich der „Identität der Sache“ Relevanz, da sich aus ihr in Verbindung mit dem Spruch jener Sachverhalt ergibt, welcher von der Behörde als maßgeblich angenommen und der rechtlichen Beurteilung zugrunde gelegt wurde (VwGH 23.2.1994, 93/09/0127).

In diesem Sinn hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass für verwaltungsbehördliche Erledigungen im Sinne des § 18 AVG der aus dem Regelungsgefüge der Verwaltungsverfahrensvorschriften – insbesondere auch aus § 68 Abs. 1 AVG – abzuleitende Grundsatz der Einmaligkeit der behördlichen Entscheidungstätigkeit über ein und denselben Antrag gilt. Dieser Grundsatz steht der Wiederholung einer Entscheidung über ein und denselben Antrag rechtlich so lange hindernd entgegen, als eine über den Sachantrag getroffene Entscheidung noch dem Rechtsbestand angehört (VwGH 22.4.1999, 98/07/0107) – gleichgültig, ob der Antrag einmal oder mehrmals an die Behörde herangetragen wird (VwSlg 16.165 A/2003; VwGH 21.5.2008, 2004/10/0132; 29.2.2012, 2011/10/0137). Da die erste Entscheidung über den Antrag materielle Rechtskraft schafft, verstößt eine nochmalige Entscheidung, sofern nicht eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, gegen den Grundsatz ne bis in idem (VwGH 24.11.1970, 829/70 ua.).

Alle Parteien eines rechtskräftig abgeschlossenen Verfahrens haben einen Rechtsanspruch gegenüber der Behörde auf Beachtung der eingetretenen Rechtskraft. Setzt sich die Behörde über die materielle Rechtskraft des Bescheides hinweg und erlässt sie trotz Unwiderrufbarkeit bzw. Unabänderlichkeit und Unwiederholbarkeit in derselben bereits „entschiedenen Sache“ nochmals von Amts wegen oder auf Antrag eine Entscheidung, ohne dazu (zB gemäß § 68 Abs. 2 bis 4, §§ 69, 71 AVG oder durch spezielle Verwaltungsvorschriften) ermächtigt zu sein, ist der Bescheid zwar nicht absolut nichtig, allerdings inhaltlich rechtswidrig (VwGH 27.11.2014, 2012/08/0138). Auch im Fall, dass anstelle der Abänderung des ersten Bescheides in derselben Sache ein neuer (ergänzender) Bescheid ergeht, durch den sich die Rechtslage in Bezug auf die „entschiedene Sache“ für die Partei ändert, liegt eine Durchbrechung der materiellen Rechtskraft (Hengstschläger/Leeb, AVG [2018] § 68, Rz 16; B. Raschauer, Rechtskraftdurchbrechungen von Amts wegen im Verwaltungsverfahren, in Holoubek/Lang [Hrsg.], Rechtskraft im Verwaltungs? und Abgabenverfahren [2008] 279 [281 ff.]).

Die für die Annahme einer „entschiedenen Sache“ notwendige Identität liegt auch dann vor, wenn die Behörde die Rechtsfrage aufgrund eines mangelhaften Ermittlungsverfahrens oder einer unvollständigen oder unrichtigen rechtlichen Beurteilung entschieden hat (VwGH 31.7.2006, 2006/05/0158). Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens bilden (VwGH 28.8.2019, Ra 2019/14/0091; Hengstschläger/Leeb, AVG [2018] § 68, Rz 25).

Für die Bedeutung einer Aussage im Spruch eines Bescheides ist maßgebend, wie der Inhalt objektiv zu verstehen ist, und nicht, wie ihn die Behörde verstanden wissen wollte oder wie ihn der Empfänger verstanden hat (VwSlg 6954 F/1994). Enthält der Spruch des Bescheides keine ausdrückliche Abweisung eines Mehrbegehrens, so hat dies zur Folge, dass der Bescheidspruch – für sich betrachtet – in zwei Richtungen gedeutet werden kann: Zum einen dahingehend, dass das Mehrbegehren implizit abgewiesen wurde, zum anderen in der Weise, dass eine Entscheidung über das Mehrbegehren unterblieben ist, woraus folgt, dass insoweit Säumigkeit der Behörde eingetreten wäre. Ermangelt der Spruch für sich allein der gebotenen Deutlichkeit, so ist die Bescheidbegründung zur Auslegung heranzuziehen (VwGH 25.9.2002, 2000/12/0165; 8.6.2005, 2002/03/0009; 30.3.2011, 2007/12/0098).

Im vorliegenden Fall wurde der erste Bescheid gemäß § 126 Abs. 3 BO vom 20. Dezember 2019 ausweislich der Aktenlage am 20. Dezember 2019 durch Zustellung an die C. AG (zu Handen der Rechtsanwälte D.) erlassen und mit diesem Zeitpunkt auch materiell rechtskräftig. Für das Verwaltungsgericht Wien ist nicht ersichtlich, dass die Behörde mit diesem (ersten) Bescheid vom 20. Dezember 2019 bloß über einen Teil des Begehrens absprechen wollte und die Bescheide vom 20. und vom 30. Dezember 2019 im Ergebnis zwei sich ergänzende (komplementäre) Absprüche über einen teilbaren Antrag darstellen. Vielmehr ist mit Blick auf den Spruch und unter Berücksichtigung der Begründung des Bescheides vom 20. Dezember 2019 davon auszugehen, dass der Magistrat der Stadt Wien mit dieser Erledigung über das Mehrbegehren der Antragstellerin (hinsichtlich der weitergehenden Inanspruchnahme des Luftraumes über den Nachbargrundstücken) implizit abweisend entschieden hat: Zum einen beschränkt sich die Begründung des Bescheides vom 20. Dezember 2019 (inklusive der darin wiedergegebenen Stellungnahme der Magistratsabteilung 25) nicht auf eine Prüfung der Zumutbarkeit von Überschwenkbewegungen zum Zweck der Windfreistellung, zum anderen erging der Bescheid im Hinblick auf einen in dieser Hinsicht undifferenzierten Antrag, mit dem die Duldung des lastenlosen Überschwenkens insgesamt beantragt wurde.

Nach Auffassung des erkennenden Gerichtes ist hierbei auch zu berücksichtigen, dass die Zulässigkeit von getrennten Absprüchen vor dem Hintergrund des § 59 Abs. 1 AVG – wonach die Sache im Allgemeinen zur Gänze zur erledigen ist und eine Teilentscheidung nur bei trennbaren Punkten und im Fall, dass kein innerer Zusammenhang mit den jeweils anderen Punkten besteht, in Betracht kommt (vgl. VwSlg 11.357 A/1984) – höchst fraglich erscheint und der Spruch eines Bescheides im Zweifel so auszulegen ist, dass er sich in Einklang mit dem Gesetz befindet (ua. VwGH 10.10.2018, Ra 2018/03/0108).

Da keine gesetzliche Grundlage ersichtlich ist, welche die belangte Behörde ausnahmsweise zu einem derartigen Vorgehen ermächtigt, kann der negative Abspruch über das Mehrbegehren mit Bescheid vom 20. Dezember 2019 nicht mit einem Folgebescheid abgeändert werden, ohne dabei das Gebot ne bis in idem zu verletzen. Sofern die Antragstellerin der Meinung sein sollte, dass eine weitergehende Feststellung der Duldungspflicht auszusprechen gewesen wäre, hätte sie dies im Rechtsmittelweg gegen den Bescheid vom 20. Dezember 2019 geltend machen müssen.

Im Hinblick auf diese Erwägungen verstößt der Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 30. Dezember 2019 nach Auffassung des Verwaltungsgerichtes Wien gegen den Grundsatz ne bis in idem: Die genannte Entscheidung erging im Hinblick auf den identen Antrag wie schon der Bescheid vom 20. Dezember 2019 und sprach aufgrund einer unverändert gebliebenen Sach- und Rechtslage darüber ab, wobei er die im Bescheid vom 20. Dezember 2019 festgehaltenen Duldungsverpflichtungen erweiterte.

3. Da bereits auf Grund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist, konnte gemäß 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden (hierzu VwGH 20.11.2014, Ra 2014/07/0052).

4. Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die vorliegende Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes oder ist diese als uneinheitlich anzusehen. Es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Rechtskraft; res iudicata; ne bis in idem; Identität der Sache; Begehren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.111.055.1887.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Wien LVwg Wien, http://www.verwaltungsgericht.wien.gv.at
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