TE Bvwg Erkenntnis 2020/6/24 W118 2217768-1

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Veröffentlicht am 24.06.2020
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Entscheidungsdatum

24.06.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
Direktzahlungs-Verordnung §4
MOG 2007 §19 Abs3
MOG 2007 §6
VwGVG §24 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W118 2217768-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. ECKHARDT als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , BNr. XXXX , gegen den Bescheid der Agrarmarkt Austria (AMA) vom 09.01.2019, AZ II/4-DZ/18-11707377010, betreffend Direktzahlungen für das Antragsjahr 2018 zu Recht:

A)

I.       Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass der Antrag auf Gewährung von Direktzahlungen als fristgerecht gestellt gewertet wird.

II.      Gemäß § 19 Abs. 3 MOG 2007 wird der AMA aufgetragen, die entsprechenden Berechnungen durchzuführen und das Ergebnis dem Beschwerdeführer bescheidmäßig mitzuteilen.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

1.       Mit Datum vom 28.04.2018 gab der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) einen Mehrfachantrag-Flächen (MFA) für das Antragsjahr 2018 ab. Der BF spezifizierte zu diesem Zweck eine Reihe landwirtschaftlicher Nutzflächen, beantragte aber keine Maßnahmen.

2.       Mit Bescheid der AMA vom 09.01.2019, AZ II/4-DZ/18-11707377010, wurden dem BF für das Antragsjahr 2018 keine Direktzahlungen gewährt. Begründend wurde ausgeführt, es sei kein Antrag auf Direktzahlungen gestellt worden.

3. Mit E-Mail vom 17.01.2019 teilte der BF im Wesentlichen mit, es sei seinerseits leider einmalig vergessen worden, den Haken bei Direktzahlung zu setzen. Da dies einmalig passiert sei, ersuche er um Nachsicht und um Auszahlung der Förderung.

4. Im Rahmen der Beschwerdevorlage führte die AMA im Wesentlichen aus, es sei keine Korrektur des Mehrfachantrags-Flächen durch den Antragsteller erfolgt, weshalb kein "offensichtlicher Irrtum" anerkannt werden könne. Die Korrektur hätte bis Ende der Beschwerdefrist erfolgen können.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen: 

1. Feststellungen (Sachverhalt):

Mit Datum vom 28.04.2018 gab der BF einen Mehrfachantrag-Flächen (MFA) für das Antragsjahr 2018 ab. Der BF spezifizierte zu diesem Zweck eine Reihe landwirtschaftlicher Nutzflächen, beantragte aber keine Maßnahmen. Allerdings machte der BF folgende Angaben:
„Angaben zum aktiven Betriebsinhaber
Betreiber einer Einrichtung gem. Art. 9 (2) VO (EU) 1307/2013
Nein

Gesellschaftsrechtlich verbunden mit einem Unternehmen gem Art. 9 (2) VO (EU) Nr. 1307/2013
Nein“

2. Beweiswürdigung:

Die angeführten Feststellungen ergeben sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und erweisen sich als unstrittig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zur Zuständigkeit:

Gemäß Art. 131 Abs. 2 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes über Beschwerden in Rechtssachen in Angelegenheiten der Vollziehung des Bundes, die unmittelbar von Bundesbehörden besorgt werden. Gemäß § 1 AMA-Gesetz 1992, BGBl. 376/1992 idF BGBl. I Nr. 46/2014, iVm § 6 Marktordnungsgesetz 2007 (MOG 2007), BGBl. I Nr. 55/2007 idF BGBl. I Nr. 89/2015, erfolgt die Abwicklung der landwirtschaftlichen Direktzahlungen durch die AMA im Rahmen der unmittelbaren Bundesverwaltung.

3.2.    In der Sache:

a) Maßgebliche Rechtsgrundlagen in der für das betroffene Antragsjahr maßgeblichen Fassung:

Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates, ABl. L 347 vom 20.12.2013, S. 608, im Folgenden VO (EG) 1307/2013:

„Artikel 9

Aktiver Betriebsinhaber

(1) Natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen, deren landwirtschaftliche Flächen hauptsächlich Flächen sind, die auf natürliche Weise in einem für die Beweidung oder den Anbau geeigneten Zustand erhalten werden, und die auf diesen Flächen nicht die von den Mitgliedstaaten festgelegte Mindesttätigkeit gemäß Artikel 4 Absatz 2 Buchstabe b ausüben, werden keine Direktzahlungen gewährt.

(2) Natürlichen oder juristischen Personen oder Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen, die Flughäfen, Wasserwerke und dauerhafte Sport- und Freizeitflächen betreiben sowie Eisenbahnverkehrsleistungen oder Immobiliendienstleistungen erbringen, werden keine Direktzahlungen gewährt.

Die Mitgliedstaaten können beschließen, die in Unterabsatz 1 aufgezählten Unternehmen oder Tätigkeiten gegebenenfalls anhand objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien um weitere ähnliche nichtlandwirtschaftliche Unternehmen oder Tätigkeiten zu ergänzen, und können später beschließen, solche Ergänzungen auch wieder zurücknehmen.

Eine Person oder Vereinigung, die unter Unterabsatz 1 oder Unterabsatz 2 fällt, gilt jedoch als aktiver Betriebsinhaber, wenn sie anhand überprüfbarer Nachweise in der von dem jeweiligen Mitgliedstaat vorgeschriebenen Form belegt, dass eine der folgenden Voraussetzungen vorliegt:

a) der jährliche Betrag der Direktzahlungen beläuft sich auf mindestens 5 % ihrer Gesamteinkünfte aus nicht landwirtschaftlichen Tätigkeiten im jüngsten Steuerjahr, für das diese Nachweise vorliegen,

b) ihre landwirtschaftlichen Tätigkeiten sind nicht unwesentlich,

c) ihr Hauptgeschäfts- oder Unternehmenszwecke bestehen in der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit.

(3) Über die Absätze 1 und 2 hinaus können Mitgliedstaaten anhand objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien beschließen, dass keine Direktzahlungen gewährt werden dürfen, wenn es sich um natürliche oder juristische Personen oder Vereinigungen natürlicher oder juristischer Personen handelt,

a) deren landwirtschaftliche Tätigkeiten nur einen unwesentlichen Teil ihrer gesamten wirtschaftlichen Tätigkeiten ausmachen und/oder

b) deren Haupttätigkeit oder Geschäftszwecke nicht in der Ausübung einer landwirtschaftlichen Tätigkeit besteht.

(4) Die Absätze 2 und 3 gelten nicht für Betriebsinhaber, die für das Vorjahr lediglich Direktzahlungen erhielten, die einen bestimmten Betrag nicht überschritten. Dieser Betrag wird von den Mitgliedstaaten anhand objektiver Kriterien, wie den jeweiligen nationalen oder regionalen Merkmalen, festgelegt und darf 5 000 EUR nicht überschreiten.

[…].“

„Artikel 32

Aktivierung von Zahlungsansprüchen

(1) Eine Stützung im Rahmen der Basisprämienregelung wird den Betriebsinhabern bei Aktivierung eines Zahlungsanspruchs je beihilfefähige Hektarfläche mittels Anmeldung gemäß Artikel 33 Absatz 1 in dem Mitgliedstaat, in dem der Zahlungsanspruch zugewiesen wurde, gewährt. Bei aktivierten Zahlungsansprüchen besteht Anspruch auf die jährliche Zahlung der darin festgesetzten Beträge, unbeschadet der Anwendung von Haushaltsdisziplin, Kürzung von Zahlungen gemäß Artikel 11 sowie linearen Kürzungen gemäß Artikel 7, Artikel 51 Absatz 2 und Artikel 65 Absatz 2 Buchstabe c der vorliegenden Verordnung sowie der Anwendung von Artikel 63 der Verordnung (EU) Nr. 1306/2013.

(2) Im Sinne dieses Titels bezeichnet der Begriff "beihilfefähige Hektarfläche"

a) jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, […].“

Durchführungsverordnung (EU) Nr. 809/2014 der Kommission vom 17. Juli 2014 mit Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EU) Nr. 1306/2013, ABl. L 227 vom 31.7.2014, S. 69, im Folgenden VO (EU) 809/2014:

„Artikel 4

Berichtigung und Anpassung bei offensichtlichen Irrtümern

Vom Begünstigten vorgelegte Beihilfe-, Förder- und Zahlungsanträge sowie Belege können jederzeit nach ihrer Einreichung berichtigt und angepasst werden, wenn es sich um offensichtliche Irrtümer handelt, die von der zuständigen Behörde auf der Grundlage einer umfassenden Einzelfallbewertung anerkannt wurden, und wenn der Begünstigte in gutem Glauben gehandelt hat.

Die zuständige Behörde kann offensichtliche Irrtümer nur dann anerkennen, wenn sie durch eine einfache Prüfung der Angaben in den in Unterabsatz 1 genannten Unterlagen unmittelbar festgestellt werden können.“

„Artikel 14

Inhalt des Sammelantrags oder des Zahlungsantrags

(1) Der Sammelantrag oder Zahlungsantrag muss alle zur Feststellung der Beihilfe- und/oder Förderfähigkeit erforderlichen Informationen enthalten, insbesondere

a) die Identität des Begünstigten;

b) Einzelheiten zu den betreffenden Direktzahlungsregelungen und/oder Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums;

c) für die Zwecke der Basisprämienregelung die Bestimmung der Zahlungsansprüche entsprechend dem System zur Identifizierung und Registrierung gemäß Artikel 7 der Delegierten Verordnung (EU) Nr. 640/2014;

d) zweckdienliche Angaben zur eindeutigen Identifizierung aller landwirtschaftlichen Parzellen des Betriebs, ihre Fläche ausgedrückt in Hektar auf zwei Dezimalstellen genau, ihre Lage und, wenn gefordert, genauere Angaben zur Nutzung der landwirtschaftlichen Parzellen;

e) gegebenenfalls geeignete Angaben zur eindeutigen Identifizierung nichtlandwirtschaftlicher Flächen, für die Förderung im Rahmen der Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums beantragt wird;

f) gegebenenfalls die für die Überprüfung der Förderfähigkeit im Rahmen der betreffenden Regelung und/oder Maßnahme erforderlichen Belege;

g) eine Erklärung des Begünstigten, dass er von den für die betreffenden Direktzahlungsregelungen und/oder Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums geltenden Voraussetzungen Kenntnis genommen hat;

h) gegebenenfalls eine Erklärung des Begünstigten, dass er unter die Liste nichtlandwirtschaftlicher Unternehmen oder Tätigkeiten gemäß Artikel 9 Absatz 2 Unterabsätze 1 und 2 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 fällt.

[…].“

Verordnung des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft über Direktzahlungen im Rahmen der gemeinsamen Agrarpolitik (Direktzahlungs-Verordnung 2015), BGBl. II Nr. 368/2014:

„Nachweis des aktiven Betriebsinhabers

§ 4. Der Nachweis durch in Art. 9 Abs. 2 der Verordnung (EU) Nr. 1307/2013 genannte Personen, dass ihre landwirtschaftliche Tätigkeit nicht unwesentlich ist, ist anhand der im Steuerbescheid des letztverfügbaren Steuerjahres ausgewiesenen Einkünfte aus Landwirtschaft zu führen.“

b) Rechtliche Würdigung:

Der vorliegende Fall dreht sich um die Frage, ob seitens der AMA dem BF zu Recht keine Direktzahlungen gewährt wurden, zumal er im dafür vorgesehenen Mehrfachantrag-Flächen kein Kreuz bei der entsprechenden Rubrik setzte. Demgegenüber tätigte der BF verschiedene andere Angaben.

Unzweifelhaft erscheint in diesem Zusammenhang, dass die Gewährung von Direktzahlungen eines entsprechenden Antrags bedarf. Vor diesem Hintergrund erfolgte die seitens der AMA getroffene Entscheidung grundsätzlich zu Recht. Es wäre am BF gelegen, seinen Antrag von vorherein vollständig zu stellen. Allerdings kann gefragt werden, ob im vorliegenden Fall nicht vom Vorliegen eines offensichtlichen Irrtums ausgegangen werden kann.

Die Voraussetzungen für die Berichtigung von Anträgen aus dem Titel eines offensichtlichen Irrtums wurden seitens der Europäischen Kommission (EK) im Rahmen des Arbeitsdokuments Dok. AGR 49533/2002 zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Bestimmung des Art. 12 der Verordnung (EG) Nr. 2419/2001 näher beschrieben.

Nach Ansicht der Europäischen Kommission (EK) hängen Entscheidungen darüber, ob das Konzept des „offensichtlichen Irrtums“ anzuwenden ist, von der Gesamtheit der Fakten und Umstände jedes einzelnen Falles ab; die zuständige Behörde muss die offensichtliche Natur des betreffenden Irrtums erkennen. Folglich kann der Begriff offensichtlicher Irrtum nicht systematisch angewendet werden.

Im Allgemeinen hat die Ermittlung eines offensichtlichen Irrtums anhand der im Beihilfeantrag gemachten Angaben zu erfolgen, d.h. wo eine Verwaltungskontrolle zur Feststellung der Richtigkeit der Dokumente und der Angaben zur Stützung des Antrags (insbesondere Antragsformular, Belege, Erklärungen usw.) solche Irrtümer offen legt.

Wenn Mitgliedstaaten über EDV-gestützte Verfahren zur Kontrolle von Beihilfeanträgen verfügen, können auch Gegenkontrollen mit der/den bestehenden Datenbank/en eine Kohärenzkontrolle darstellen, falls die in dieser/en elektronischen Datenbank/en gespeicherten Daten das Beihilfeantragsverfahren ergänzen oder integraler Bestandteil derselben sind.

In diesem Fall kann der Begriff offensichtlicher Irrtum im Allgemeinen jedoch nur angewendet werden, wenn der Betriebsinhaber selbst die widersprüchlichen Informationen gegeben hat oder sie in seinem Namen übermittelt wurden.

Die EK führt als Kategorien von Unregelmäßigkeiten, die im Allgemeinen als offensichtliche Irrtümer qualifiziert werden können, an:

a)       Simple Schreibfehler, die bereits bei der grundlegenden Prüfung des Antrages ins Auge fallen:

-        nicht ausgefüllte Kästchen, fehlende Angaben;

-        falsche statistische Kennzahl, falsche Bankleitzahl.

b)       Irrtümer, die im Rahmen einer Kohärenzkontrolle ermittelt werden (widersprüchliche Angaben):

-        Rechenfehler;

-        widersprüchliche Angaben im selben Antragsformular (z.B. eine Parzelle bzw. ein Tier werden in einem Antrag zweimal angegeben);

-        Widersprüche zwischen Belegen zur Stützung des Beihilfeantrags und dem Antrag selbst (z.B. Landkarten oder Tierpässe, die nicht mit den Angaben im Antrag übereinstimmen);

-        Parzellen, die für zwei Nutzungsarten angegeben werden (z.B. Trockenfutter/Grünfutter, Ackerkulturflächen/Stilllegungsflächen/Futterflächen).

Im Rahmen von Gegenkontrollen mit unabhängigen Datenbanken (z.B. Grundbuch) ermittelte Fehler dürfen nicht automatisch oder systematisch als offensichtliche Irrtümer qualifiziert werden. Ein Fehler kann nicht aus dem Grund als offensichtlicher Irrtum behandelt werden, dass ein Mitgliedstaat ein effizientes System zum Aufspüren von Unregelmäßigkeiten errichtet hat.

Es ist jedoch auch dann nicht auszuschließen, dass ein Fehler tatsächlich einen offensichtlichen Irrtum darstellt, wenn die zum Aufspüren des Fehlers verwendete Informationsquelle nicht beim Betriebsinhaber selbst liegt. Außerdem können Irrtümer, die durch unrichtige Abschrift von Kennzeichnungsnummern oder Bezugsdaten entstanden sind und bei einer Gegenkontrolle des Antrags mit Datenbanken entdeckt wurden, üblicherweise als offensichtlicher Irrtum eingestuft werden. Zum Beispiel:

a)       umgedrehte Ziffernfolgen („Ziffernsturz“) (z.B. Parzelle oder Tier 169 statt 196);

b)       fehlerhafte Angabe des Grundbuchsblatts oder der Gemeindekennzahl;

c)       die Nummer einer benachbarten Parzelle als Ergebnis eines Lesefehlers.

Letztlich muss die zuständige Behörde davon überzeugt sein, dass es sich tatsächlich um einen Irrtum gehandelt hat, d.h. dass der Betriebsinhaber in gutem Glauben gehandelt hat. Betrug und Unredlichkeit soll kein Raum geboten werden; die Beweislast, dass es sich um einen offensichtlichen Irrtum handelt, liegt in erster Linie beim Betriebsinhaber. Unterläuft einem Betriebsinhaber mehr als einmal derselbe oder ein ähnlicher Fehler, so wird dieser nicht mehr so leicht als offensichtlicher Irrtum eingestuft werden können.

Die Definition des offensichtlichen Irrtums findet sich nunmehr in Art. 4 VO (EU) 809/2014. Im Verhältnis zu den Vorgänger-Verordnungen wurde die Definition des offensichtlichen Irrtums im Wesentlichen um das Kriterium der Gutgläubigkeit sowie den Passus „Die zuständige Behörde kann offensichtliche Irrtümer nur dann anerkennen, wenn sie durch eine einfache Prüfung der Angaben in den in Unterabsatz 1 genannten Unterlagen unmittelbar festgestellt werden können.“ erweitert. Dabei handelt es sich zweifellos lediglich um eine Klarstellung im Sinn des angeführten Arbeitsdokuments, ohne dass der Inhalt der Regelung im Wesentlichen verändert werden sollte; vgl. grundlegend zum offensichtlichen Irrtum nach alter und neuer Rechtslage BVwG 08.02.2017, W118 2144377-1.

Für den vorliegenden Fall ist weiters entscheidend, dass sich mit der jüngsten Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) die Förderungsvoraussetzungen geändert haben. Eine der wesentlichen Änderungen bestand darin, dass die Gewährung von Direktzahlungen nach Kritik des Europäischen Rechnungshofes (EuRH) mit dem Erfordernis des „aktiven Betriebsinhabers“ verknüpft wurde; vgl. dazu mwN BVwG 07.06.2018, W118 2194530-1.

Vor diesem Hintergrund legte der Unionsgesetzgeber in Art. 9 VO (EU) 1307/2013 Mindestkriterien fest, die ein Antragsteller erfüllen muss, um in den Genuss von Direktzahlungen zu gelangen. Zur Prüfung der Voraussetzungen sind die Antragsteller dazu angehalten, im Mehrfachantrag-Flächen entsprechende Angaben zu machen.

Solche Angaben hat der BF gemacht. Allerdings ist darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Gewährung von Direktzahlungen gemäß der VO (EU) 1307/2013 das Erfordernis des „aktiven Landwirts“ vorsieht, sondern dass auch eine Reihe von Maßnahmen nach der VO (EU) 1305/2013 über die Förderung der ländlichen Entwicklung den Status als „aktiver Landwirt“ voraussetzen (vgl. Art. 29 ff. für die Förderung der biologischen Wirtschaftsweise, der Tierschutzmaßnahme etc.). In Österreich wurde das Erfordernis in den Sonderrichtlinien ÖPUL 2015 sowie Ausgleichszulage (vgl. jeweils Pkt. 1.4.1) festgeschrieben, deren Maßnahmen ebenfalls im Rahmen des Mehrfachantrags-Flächen beantragt werden. Für sich genommen besitzen diese Angaben jedoch - soweit ersichtlich - keinerlei Erklärungswert. Sie sind nur erforderlich, wenn die Gewährung von Förderungen beantragt wird.

Somit zeigt sich bereits bei einfacher Prüfung des Antrags, dass dieser unvollständig ist. Da auf Basis der Antragsangaben der Betrieb des BF für eine Förderung im Rahmen der Sonderrichtlinien ÖPUL 2015 und Ausgleichszulage aufgrund Unterschreitung der Betriebsmindestgröße von 2 ha nicht infrage kommt (beantragte Fläche: 1,82 ha), während der BF für das Antragsjahr 2018 über Zahlungsansprüche im Rahmen der Basisprämie verfügte (die allerdings in Österreich im Rahmen des Mehrfachantrags-Flächen nicht angegeben zu werden brauchen), erweist es sich darüber hinaus als unzweifelhaft, dass die Angaben des BF auf die Gewährung von Direktzahlungen abzielten.

Zusätzlich ist allerdings fragen, ob der BF bei der Antragstellung gutgläubig gehandelt hat. Nach der Rechtsprechung der deutschen Gerichte zerstört zumindest grobe Fahrlässigkeit die Gutgläubigkeit des Antragstellers; BVerwG 3 B 9.12 OVG 10 LB 228/07. Dieser Einschätzung schließt sich das BVwG an.

Zwar kann und soll die Zahlstelle im Rahmen des INVEKOS nach der Rechtsprechung des EuGH davon ausgehen, dass die gestellten Anträge richtig und vollständig sind, um den Erfordernissen einer Massenabwicklung entsprechen zu können. Das bloße Unterlassen des Ankreuzens einer bestimmten Rubrik ist jedoch ein Fehler, der auch einem sorgfältigen Antragsteller unterlaufen kann.

Vor diesem Hintergrund erscheint es in der vorliegenden Fallkonstellation vertretbar, davon auszugehen, dass dem BF ein Versehen unterlaufen ist, das seinen guten Glauben an die Richtigkeit und Vollständigkeit der Antragstellung nicht zerstört hat. Dass die AMA den BF auf die offensichtliche Unvollständigkeit seines Antrages hingewiesen hätte oder dem BF in der Vergangenheit ähnliche Fehler unterlaufen wären, kann dem Akt nicht entnommen werden.

Aus den angeführten Gründen war spruchgemäß zu entscheiden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da eine weitere Klärung der Rechtssache nicht zu erwarten war und Art. 47 GRC dem nicht entgegenstand. Letztlich handelte es sich um die Beurteilung reiner Rechtsfragen, die auch nach der Rechtsprechung des EGMR keiner Erörterung im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bedürfen; vgl. dazu mwN Senft, Verhandlungspflicht der Verwaltungsgerichte aus grundrechtlicher Perspektive, ZVG 2014/6, 523 (534) sowie aktuell VwGH vom 21.12.2016, Ra 2016/04/0117-5.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zwar liegt für den konkreten Fall keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Allerdings hat sich – wie oben ausgeführt – keine maßgebliche Änderung der Rechtslage ergeben, weshalb ergänzend auf die Erkenntnisse des VwGH vom 24.01.2000, 96/17/0336, sowie vom 01.07.2005, 2001/17/0135, verwiesen werden kann. Darüber hinaus stellt die Beurteilung eines offensichtlichen Irrtums eine Einzelfallbeurteilung dar, die einer Revision grundsätzlich nicht zugänglich ist.

Schlagworte

Antragstellung beihilfefähige Fläche Beihilfefähigkeit Berechnung Bescheidabänderung Direktzahlung Einkünfte Frist grobe Fahrlässigkeit Gutgläubigkeit INVEKOS Irrtum Kontrolle Mehrfachantrag-Flächen Mitteilung offenkundige Unrichtigkeit Offensichtlichkeit Prämienfähigkeit Prämiengewährung Rechtzeitigkeit Sorgfaltspflicht Unvollständigkeit Versehen Widerspruch Zahlungsansprüche

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W118.2217768.1.00

Im RIS seit

28.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

28.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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