TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/2 W200 2228004-1

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Veröffentlicht am 02.07.2020
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Entscheidungsdatum

02.07.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
BPGG §4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W200 2228004-1/3E

I.

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid

des

Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland vom 19.12.2019, Zl. 33651989800147, betreffend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert“,

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“

zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

II.

B E S C H L U S S

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Scherz als Vorsitzende und durch den Richter Dr. Kuzminski sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Halbauer als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Burgenland vom 19.12.2019, Zl. 33651989800147, betreffend das Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen

„Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“,

zu Recht beschlossen:

A)       In Erledigung der Beschwerden wird der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG behoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Burgenland, zurückverwiesen.

B)       Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Erstverfahren:

Die beschwerdeführende Partei war im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 90%.

Ursächlich dafür war ein Aktengutachten einer Fachärztin für Augenheilkunde und Optometrie vom 25.01.2010 mit folgendem Ergebnis:

1. Stark reduziertes Sehvermögen infolge der angeborenen Spaltbildung in der Netzhaut und Aderhaut; Positionsnummer VI/c/637, Tab K6/Z7; GdB: 75% = 80%

2. Kein beidäugiges Sehen infolge Schielen und zu hohen Unterschieden der Brillenwerte zwischen beiden Augen; Positionsnummer VI/b/615; GdB: 10%. Das Leiden 2 erhöhe das Leiden 1 um eine Stufe.

Im Gutachten wurde von der Augenärztin „ist stark sehbehindert“ sowie die „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ vermerkt.

Von der vidierenden Amtsärztin erfolgte am 09.02.201 eine Korrektur dahingehend, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „bedarf einer Begleitperson“ auch vorlägen – dies wurde von der Augenfachärztin im Gutachten verneint.

Zweitverfahren:

Im Verfahren nach dem Behinderteneinstellungsgesetz aufgrund eines Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung holte das Sozialministeriumservice ein augenfachärztliches Aktengutachten von derselben Fachärztin, die das Gutachten im Erstverfahren erstattet hatte, ein. Das Gutachten gestaltet sich wie folgt:

„Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Gutachten von der PVA von 28.12.2018:

Anamnese: Schieloperation beidseits 1986, Operation des grauen Stares beidseits 2017

Befund von Dr. XXXX / Dr. XXXX von 13.06.2019:

Anamnese: Frau XXXX sieht am rechten Auge die Umrisse nicht klar

Sehvermögen:

rechts +1,5cyl/90°  0,16 mühsam

links         0,16 mühsam

Augendruck: rechts 17 mmHg links 19 mmHg

Vorderer Abschnitt: beidseits künstliche Linse mit Regenbogenhautblende, links beginnendes Nachstar

Augenhintergrund: beidseits Spalte der Aderhaut, rechts Netzhaut anliegend, links dazu keine Angaben

Augenstellung: Augenzittern beidseits

Diagnosen: Aderhautkolobom beidseits, Nystagmus beidseits, Z.n. Schieloperation beidseits

Zusammenfassung: Das Sehvermögen ist an beiden Augen durch angeborene Spalte der Aderhaut und Augenzittern stark vermindert.

Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel: derzeit keine

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Sehstörungen, Störung des zentralen Sehens (Sehschärfe mit Korrektur)

stark reduziertes Sehvermögen beidseits Z7/K7 fixer Rahmensatz, Zeile und Kolumne 7, da 0,16 nur mühsam erreicht wird

11.02.01

70

Gesamtgrad der Behinderung 70 v. H.

Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung: Alleiniges Leiden von Leiden 1 mit fixem Rahmensatz (…)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Bei dem Vorgutachten von 1/2010 war das Sehvermögen ähnlich, 0,1 und 0,16; als K6/Z7, das ergab 80%. Jetzt ist das Sehvermögen beidseits 0,16partim, K7/Z7; dies ergibt bei der neuen EVO jedoch nur 70%. Bei dem Vorgutachten konnte die Störung des Binokularsehens mit 10% bewertet werden, nun kann diese Störung bei der jetzigen Einstufung nicht mehr berücksichtigt werden, da keine Doppelbilder vorhanden sind.

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Oben ist ersichtlich, dass der Gesamtgrad der Behinderung nach der neuen EVO nicht 90 von Hundert, sondern 70 von Hundert ergibt.

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Die / Der Untersuchte

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)    ? Nein

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)  ?Nein

Bedarf einer Begleitperson       ? Nein

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel –

1.       Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

keine

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nicht bekannt (…)

Begründung:

Durch das reduzierte Sehvermögen an beiden Auge ergibt sich ein Behinderungsgrad von 70 von Hundert.“

Im Verfahren nach dem Bundesbehindertengesetz teilte das Sozialministeriumsservice der Beschwerdeführerin im Parteiengehör mit, dass der Grad der Behinderung nunmehr 70% betrage, die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“, „Bedarf einer Begleitperson“ und „hochgradig sehbehindert“ nicht mehr vorlägen.

In einer Stellungnahme führte die Beschwerdeführerin dazu aus, dass das Gutachten vom 03.09.2019 keine taugliche Grundlage für die zutreffende Entscheidung darlege, weil es Ausführungen jeglicher Art darüber vermissen lasse, aus welchen Gründen die ärztliche Sachverständige zu ihrer Beurteilung gelangt sei. Bei der Beschwerdeführerin liege ein komplexes augenfachärztliches Beschwerdebild vor, das sich seit der letzten Einstufung nicht wesentlich verändert hätte. Sie hätte enorme, nicht zumutbare Schwierigkeiten beim Navigieren im öffentlichen Verkehr bzw. bei der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel. Sie finde sich in unvertrauter Umgebung nicht zurecht, könne Gefahren nicht rechtzeitig erkennen und darauf reagieren. All dies hätte im Rahmen einer persönlichen Untersuchung und nicht durch die Einholung eines Aktengutachtens festgestellt werden müssen.

In weiterer Folge holte das Sozialministeriumservice nunmehr ein Gutachten vom 08.11.2019 basierend auf einer Untersuchung durch einen bisher nicht mit dem Fall befassten Facharzt für Augenheilkunde ein, das Folgendes ergab:

Anamnese:

Amblyopie bds seit Geburt, Aderhautkolobom bds, Nystagmus bde

Derzeitige Beschwerden: Die Klientin kann sich alleine im öffentlichen Raum kaum fortbewegen, hat früher die Notiz "Begleitperson benötigt" im Behindertenpass, gehabt, welche beim letzten Gutachten gestrichen wurde, weswegen sie Einspruch erhob

Behandlung(en) / Medikamente / Hilfsmittel:

Brille

Zusammenfassung relevanter Befunde (inkl. Datumsangabe):

Gutachten von der PVAvon28.12.2018: Anamnese: Schieloperationbeidseits1986, Operation des grauen Stares beidseits 2017

Befund von Dr. XXXX /Dr. XXXX von 13.06.2019: Anamnese: Frau XXXX sieht am rechten Auge die Umrisse nicht klar Sehvermögen: rechts cc 0,16 mühsam links cc 0,16 mühsam

Untersuchungsbefund:

(…) Klinischer Status - Fachstatus:

Visus :   Rechts -2,50 sph. +4,00 cyl. / 90° = 0,05

Links -1,25 sph. +1,25 cyl. / 100° = 0,1

Spaltlampe : Iriskolobom bds, HKL bds li nach oben disloziert Fundus : Kolobom bds bei 6h. NH atroph

Diagnose: strab. convergens altenans, Astigmatismus mixtus o.d., Astigmatismus myopicus o.s. (…)

Ergebnis der durchgeführten Begutachtung:

Lfd Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

Gdb %

1

Angeborene Sehschwäche

Fixer RSW lt Tab Z 8 Sp7

11.02.01

80

Gesamtgrad der Behinderung 80 v. H.

(…)

Stellungnahme zu gesundheitlichen Änderungen im Vergleich zum Vorgutachten:

Der GDB wurde an den aktuell erhobenen Visus angepasst

Begründung für die Änderung des Gesamtgrades der Behinderung:

Da sich der Visus der Patientin seit dem Letztgutachten verschlechtert hat, wurde der GDB angepasst.

Dauerzustand (…)

Aufgrund der vorliegenden funktionellen Einschränkungen liegen die medizinischen Voraussetzungen für die Vornahme nachstehender Zusatzeintragungen vor:

Ja

Nein

Nicht geprüft

Die / Der Untersuchte

 

X

 

ist blind (entsprechend Bundespflegegeldgesetz)

 

X

 

ist hochgradig sehbehindert (entspr. Bundespflegegeldgesetz)

 

X

 

Bedarf einer Begleitperson

1.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Trotz der von Geburt an bestehenden Fehlbildung besteht laut Richtlinien keine hochgradige Sehbehinderung bei einem Visus von 0,05 ind 0,1. Daher sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar.

2.       Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Liegt eine schwere Erkrankung des Immunsystems vor?

nicht geprüft“

In weiterer Folge übermittelte das Sozialministeriumservice der Beschwerdeführerin einen Behindertenpass mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 80%.

Mit Bescheid vom 19.12.2019 wurde wie folgt entschieden:

Die Voraussetzung für die Zusatzeintragungen

-„Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“,

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert“,

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“

liegen nicht mehr vor. Die Zusatzeintragung in Ihrem Behindertenpass ist daher zu entfernen. Der Behindertenpass ist unverzüglich dem Sozialministeriumservice vorzulegen.

Begründend wurde auf das angeschlossene Gutachten vom 08.11.2019 verwiesen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wurde moniert, dass auch das zweite eingeholte Gutachten keine schlüssige und auch keine taugliche Grundlage für die getroffene Entscheidung dargestellt hätte, weil es Ausführungen darüber vermissen lasse, aus welchen Gründen die ärztlichen Sachverständigen zu ihren Beurteilungen gelangt seien.

Bei der Beschwerdeführerin liege ein komplexes augenfachärztliches Beschwerdebild vor, das sich seit der letzten Einstufung nicht wesentlich verändert hätte. Es sei nicht nachvollziehbar, was sich im Hinblick auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sowie im Hinblick auf das Erfordernis einer Begleitperson geändert haben solle. Dies wäre in dem Gutachten der Sachverständigen nicht beantwortet. Darüber hinaus würden in beiden Gutachten Ausführungen dazu fehlen, wie sich die Funktionsbeeinträchtigungen der Beschwerdeführerin auf ihre konkrete Fähigkeit öffentlicher Verkehrsmittel zu benützen, auswirke. In weiterer Folge wurde das Vorbringen im Parteiengehör abgegebenen Stellungnahme wiederholt. Angeschlossen waren ein augenärztlicher Befund vom 13.06.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines Behindertenpasses mit einem Gesamtgrad der Behinderung von 80vH.

1.2. Die Beschwerdeführerin erfüllt nicht mehr die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragungen

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert.“

-„der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson.“

1.3.    Art und Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen:

beschwerderelevanter Status:

Klinischer Status - Fachstatus:

Visus :   Rechts -2,50 sph. +4,00 cyl. / 90° = 0,05

Links -1,25 sph. +1,25 cyl. / 100° = 0,1

Spaltlampe : Iriskolobom bds, HKL bds li nach oben disloziert Fundus : Kolobom bds bei 6h. NH atroph

Diagnose: strab. convergens altenans, Astigmatismus mixtus o.d., Astigmatismus myopicus o.s.

Funktionseinschränkungen: Angeborene Sehschwäche

2. Beweiswürdigung:

Wie dem Verfahrensgang zu entnehmen ist, wurde im Jahr 2010 ein aktenmäßiges Gutachten eingeholt, das einen Visus mit Korrektion rechts von 0,1 und links von 0,08 ergab.

Die Gutachterin selbst gab durch Ankreuzen auf dem Formular zur Gutachtenserstellung an, dass die Beschwerdeführerin sehbehindert ist (dies wurde in weiterer Folge korrigiert), dass die Beschwerdeführerin stark (hochgradig) sehbehindert ist und das die Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel bei der Beschwerdeführerin vorliegen.

Die Korrektur im Gutachten, dass die Beschwerdeführerin einer Begleitperson bedarf, erfolgte durch die Amtsärztin.

Diese Beurteilung erfolgte auf Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Arbeit und Sozialzes über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 38/1991, die keine näheren Details zu den jeweiligen Zusatzeintragungen enthielt.

Aufgrund des Antrages auf Neufestsetzung des Grades der Behinderung im Jahr 2019 holte das Sozialministeriumservice ein Gutachten eines Augenfacharztes nach erfolgter Untersuchung ein. In diesem Gutachten wird auf eine Operation des grauen Stares beidseits 2017 hingewiesen sowie auf einen augenfachärztlichen Befund vom 13.06.2019.

Dem Befund vom 13.06.2019 ist ein „visus sine correctione“ von 0,1 rechts und 1 von 0,16 links zu entnehmen. Der „visus cum correctione“ beträgt 0,16 mühsam auf beiden Augen.

Der Gutachter kam zu folgendem Ergebnis: Visus: Rechts -2,50 sph. +4,00 cyl. / 90° = 0,05, Links -1,25 sph. +1,25 cyl. / 100° = 0,1

Die Einstufung von 80% erfolgte unter Zugrundelegung der PosNr. 11.02.01: Visus 0,05 iVm 0,1.

Nunmehr hat die Beurteilung auf Grundlage der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBL. II Nr. 495/2013 zu erfolgen, die definitiv die Voraussetzungen für die Zusatzeintragungen regelt. (Vgl. dazu die rechtliche Beurteilung.)

3. Rechtliche Beurteilung zu den Zusatzeintragungen: „der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert“, -„der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“:

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Zu A)

Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen (§ 45 Abs. 1 BBG).

Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben oder der Pass eingezogen wird (§ 45 Abs. 2 BBG).

Zur Frage der Zusatzeintragungen -„der Inhaber/die Inhaberin des Passes ist hochgradig sehbehindert“, -„der Inhaber/die Inhaberin des Passes bedarf einer Begleitperson“:

Gemäß § 2 Abs. 4 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen ist Z. 1 auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls einzutragen die Art der Behinderung, etwa dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
b) blind oder hochgradig sehbehindert ist;

diese Eintragung ist vorzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine diagnosebezogene Mindesteinstufung im Sinne des § 4a Abs. 4 oder 5 BPGG vorliegen.

Z. 2.   die Feststellung, dass der Inhaber/die Inhaberin des Passes
a) einer Begleitperson bedarf;

diese Eintragung ist vorzunehmen bei
-         Passinhabern/Passinhaberinnen, die über eine Eintragung nach § 1 Abs. 2 Z 1 lit. b oder d verfügen;

§ 4a Abs. 4 BPGG besagt: Bei hochgradig sehbehinderten Personen ist mindestens ein Pflegebedarf entsprechend der Stufe 3 anzunehmen. Als hochgradig sehbehindert gilt, wer am besseren Auge mit optimaler Korrektur eine Sehleistung mit

-        einem Visus von kleiner oder gleich 0,05 (3/60) ohne Gesichtsfeldeinschränkung hat oder

-        einem Visus von kleiner oder gleich 0,1 (6/60) in Verbindung mit einer Quadrantenanopsie hat oder

-        einem Visus von kleiner oder gleich 0,3 (6/20) in Verbindung mit einer Hemianopsie hat oder

-        einem Visus von kleiner oder gleich 1,0 (6/6) in Verbindung mit einer röhrenförmigen Gesichtsfeldeinschränkung hat.

Die Beschwerdeführerin weist auf dem besseren Auge laut eingeholtem Gutachten mit optimaler Korrektur eine Sehleistung von 0,1 auf und hat keine der zusätzlich vom § 4a Abs. 4 BPGG geforderten Leiden.

Aus diesem Grund liegen die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „ist hochgradig sehbehindert“ nicht vor und in weiterer Folge auch nicht die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „bedarf einer Begleitperson“.

Die Beschwerde war hinsichtlich dieser beiden Spruchpunkte abzuweisen.

4. Zur Zusatzeintragung -„Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“,

Zu A)

Gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen, sofern die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhaltes unterlassen hat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat wiederholt hervorgehoben (vgl etwa das hg. Erkenntnis vom 10. September 2014, Ra 2014/08/0005), dass selbst Bescheide, die in der Begründung dürftig sind, keine Zurückverweisung der Sache rechtfertigen, wenn brauchbare Ermittlungsergebnisse vorliegen, die im Zusammenhalt mit einer allenfalls durchzuführenden Verhandlung (§ 24 VwGVG) zu vervollständigen sind.

In § 28 VwGVG 2014 ist ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte normiert, weswegen die in § 28 Abs 3 zweiter Satz leg cit vorgesehene Möglichkeit der Kassation eines verwaltungsbehördlichen Bescheides streng auf ihren gesetzlich zugewiesenen Raum zu beschränken ist (Hinweis E vom 17. Dezember 2014, Ro 2014/03/0066, mwN). Von der Möglichkeit der Zurückverweisung kann nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht werden (Hinweis E vom 27. Jänner 2015, Ra 2014/22/0087, mwN). Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher nur dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (Hinweis E vom 12. November 2014, Ra 2014/20/0029, mwN). (Ra 2015/01/0123 vom 06.07.2016)

Wie im Verfahrensgang ausgeführt, leidet die Beschwerdeführerin an einer angeborenen Sehschwäche. Sie war im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Im Gutachten vom 08.11.2019 wird zur Frage der Zumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel vom Gutachter festgehalten:

Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel - Welche der festgestellten Funktionsbeeinträchtigungen lassen das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen sowie den sicheren Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel nicht zu und warum?

Trotz der von Geburt an bestehenden Fehlbildung besteht laut Richtlinien keine hochgradige Sehbehinderung bei einem Visus von 0,05 ind 0,1. Daher sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar.

Wie in der Beschwerde zu recht moniert wurde, lässt dieses Gutachten jegliche Ausführungen darüber vermissen, aus welchen Gründen der ärztlichen Sachverständigen zu seiner Beurteilung gelangt ist. Der Sachverständige hält fest, dass laut Richtlinien keine hochgradige Sehbehinderung vorliege, weshalb öffentliche Verkehrsmittel zumutbar seien.

Es erschließt sich dem erkennenden Senat nicht, um welche Richtlinien es sich handelt, die der Gutachter seiner Beurteilung zu Grunde legt.

Die belangte Behörde hat es unterlassen durch den Gutachter die Auswirkungen der Sehschwäche auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel, konkret durch den Gutachter die Auswirkungen auf ihre konkrete Fähigkeit öffentliche Verkehrsmittel zu benützen klären zu lassen.

Die lapidaren Ausführungen „Trotz der von Geburt an bestehenden Fehlbildung besteht laut Richtlinien keine hochgradige Sehbehinderung bei einem Visus von 0,05 ind 0,1. Daher sind öffentliche Verkehrsmittel zumutbar.“ sind nicht geeignet, die Rechtsfrage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlciher Verkehrsmittel zu lösen.

Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgte die Entscheidung über die beantragte Zusatzeintragung ohne hinreichende Ermittlungstätigkeiten bzw. hat das SMS rudimentäre Ermittlungen getätigt.

Im weiteren Verfahren wird daher vom befassten Gutachter ein augenfachärztliches Gutachten zu folgenden Fragen einzuholen zu sein:

?        Es wird ersucht auszuführen, in welchem Ausmaß die bei der Beschwerdeführerin vorliegende angeborene Sehschwäche vorliegt und wie sich diese auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. (Benötigt die Beschwerdeführerin Hilfsmittel wie Blindenstock usw… zur Fortbewegung?)

Nach Gewährung des Parteiengehörs an den Vertreter der Beschwerdeführerin hat das SMS die Entscheidung zur Zusatzeintragung zu treffen.

Zu Spruchpunkt B):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Begleitperson Behindertenpass Ermittlungspflicht Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W200.2228004.1.00

Im RIS seit

29.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

29.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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