TE Bvwg Erkenntnis 2020/7/7 W146 2207808-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.07.2020
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Entscheidungsdatum

07.07.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs2
AsylG 2005 §3 Abs5
AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W146 2207808-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Stefan HUBER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, GZ. 1094007206-151726240, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 leg. cit. wird festgestellt, dass XXXX damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer stellte am 08.11.2015 den dem gegenständlichen Beschwerdeverfahren zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz.

Anlässlich seiner Erstbefragung gab der Beschwerdeführer an, dass er vor 3 Jahren seine Religion gewechselt habe. Seine Familie sei dagegen gewesen und er habe Angst, dass er erwischt würde und ins Gefängnis komme.

Am 16.08.2018 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen. Dabei gab er im Wesentlichen an, dass er wegen seiner Religion verfolgt würde. Er habe im Iran einen Freund namens XXXX gehabt, der sonntags in Hauskirchen gegangen sei. Der Beschwerdeführer habe diesen wiederholt begleitet, bis er bemerkt habe, dass dieser Christ sei. Dann habe auch der Beschwerdeführer sein Interesse am Christentum entdeckt. Er habe dann ca. 2 Jahre Hauskirchen besucht. Dann sei seine Familie dahintergekommen. Seine Mutter habe ihn verflucht und ihm gesagt, er dürfe die Familie nicht mehr besuchen. Der Beschwerdeführer sei vom Militärdienst desertiert, da er die islamischen Rituale nicht mehr mitmachen habe wollen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihm gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG in den Iran zulässig ist (Spruchpunkt V.). Das BFA sprach aus, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe. Es habe nicht festgestellt werden können, dass der Beschwerdeführer im Iran einer asylrelevanten Verfolgung unterliege. Die Behörde gehe von keinem selbst erlebten Geschehen, sondern von einem Konstrukt aus, welches vom Beschwerdeführer als geeignet worden sei, um den von ihm gewünschten positiven Asylstatus zu erlangen. Betreffend seines Vorbringens, zum Christentum konvertiert zu sein, sei anzumerken, dass es dem Beschwerdeführer nicht möglich gewesen sei, die einfach gestellten Wissensfragen zum Christentum lückenlos zu beantworten.

Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der Beschwerdeführer in Österreich aus innerer Überzeugung nachhaltig zum christlichen Glauben übergetreten sei. Er besuche den Gottesdienst und sei mit den Gemeindemitgliedern im regelmäßigen Gespräch und Austausch über christliche Lehren. Das Christentum sei Teil seines Alltags und könne daraus nicht mehr weggedacht werden. Die Taufe des Beschwerdeführers habe am 13.11.2017 stattgefunden. Der Taufschein sei bereits im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgegeben worden. Sollte der Beschwerdeführer in den Iran zurückkehren müssen, drohe ihm aufgrund der Konversion mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der Tod. Seine Familie akzeptiere seinen Religionswechsel nicht, weshalb er auf keine Unterstützung ihrerseits hoffen dürfe. Der Beschwerdeführer könne seinen Glauben nicht vor der Öffentlichkeit verbergen. Sein Abfall vom Islam sei im Iran hinlänglich bekannt.

Mit Schriftsatz der Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers vom 16.06.2020 wurden dem Bundesverwaltungsgericht Konvolute an Dokumenten vorgelegt, darunter ein Schreiben des Pfarrers Mag. XXXX XXXX , Evangelisches Pfarramt AB XXXX , ein Schreiben des Kurators der Evangelischen Tochtergemeinde AB XXXX und Vizebürgermeisters XXXX XXXX , ein Schreiben des Beschwerdeführers über seine Beweggründe für den Glaubensübertritt, eine Auflistung der Glaubensaktivitäten des Beschwerdeführers seit seiner Einreise, ein Schreiben des Beschwerdeführers über seine Rückkehrbefürchtungen, ein Open Doors Länderprofil, Open Doors Nachrichten vom 14.02.2020, eine persönliche Stellungnahme des Beschwerdeführers, zwei Fotodokumentationen und vier Empfehlungsschreiben (auch von Mitgliedern der örtlichen Glaubensgemeinschaft).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Iran und führt den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens. Er nahm bereits im Iran an Treffen einer Hauskirche teil. Der Beschwerdeführer reiste Anfang Jänner 2015 in Österreich ein und fand unmittelbar danach Zugang zur Kirche eines Herrn XXXX , eines iranischen Pfarrers. Nach seinem Umzug nach XXXX Ende November 2015 fand der Beschwerdeführer die dortige evangelische Kirche. Seitdem besucht er wöchentlich die Gottesdienste, hilft bei kirchlichen Festen und gemeindlichen Feiern mit. Ab April 2017 nahm er bei einem Glaubenskurs der evangelischen Kirche in XXXX an 24 Terminen teil. Er nahm auch an Taufen iranischer Freunde in der katholischen Kirche in XXXX teil. Am 12.11.2017 wurde der Beschwerdeführer in der evangelischen Kirche XXXX auf den Namen „ XXXX “ getauft. Der Beschwerdeführer liest mehrmals pro Woche in der Bibel und betet mehrmals täglich. Repräsentanten und zahlreiche Mitglieder der Glaubensgemeinschaft bezeugen die aufrichtige Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum und seine Integration in der Glaubensgemeinschaft.

Es kann vor dem Hintergrund der nachangeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 2. Fall StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, verurteilt.

Zur Konversion im Iran enthält der angefochtene Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl folgende Ausführungen:

"Apostasie (d.h. Abtrünnigkeit vom Islam) ist im Iran verboten und mit langen Haftstrafen (bis hin zur Todesstrafe) bedroht. Im iranischen Strafgesetzbuch ist der Tatbestand zwar nicht definiert, die Verfassung sieht aber vor, dass die Gerichte in Abwesenheit einer definitiven Regelung entsprechend der islamischen Jurisprudenz zu entscheiden haben. Dabei folgen die Richter im Regelfall einer sehr strengen Auslegung auf Basis der Ansicht von konservativen Geistlichen wie Staatsgründer Ayatollah Khomenei, der für die Abkehr vom Islam die Todesstrafe verlangte. Konvertierte werden zumeist nicht wegen Apostasie bestraft, sondern aufgrund von "moharebeh" ("Waffenaufnahme gegen Gott"), "mofsid-fil-arz/fisad-al-arz" ("Verdorbenheit auf Erden"), oder "Handlungen gegen die nationale Sicherheit". In der Praxis sind Verurteilungen wegen Apostasie selten, bei keiner der 2015 bzw. für das erste Halbjahr 2016 dokumentierten Hinrichtungen gibt es Hinweise darauf, dass Apostasie einer bzw. der eigentliche Verurteilungsgrund war. Hingegen wurde von mindestens 20 Exekutionen im Jahr 2015 wegen "moharebeh" berichtet (ÖB Teheran 10.2016).

Im Iran Konvertierte nehmen von öffentlichen Bezeugungen ihrer Konversion naturgemäß Abstand, behalten ihren muslimischen Namen und treten in Schulen, Universitäten und am Arbeitsplatz als Muslime auf. Wer zum Islam zurückkehrt, tut dies ohne besondere religiöse Zeremonie, um Aufsehen zu vermeiden. Es genügt, wenn die betreffende Person glaubhaft versichert, weiterhin oder wieder dem islamischen Glauben zu folgen. Es gibt hier für den Rückkehrer bestimmte religiöse Formeln, die dem Beitritt zum Islam ähneln bzw. nahezu identisch sind. Kirchenvertreter sind angehalten, die Behörden zu informieren, bevor sie neue Mitglieder in ihre Glaubensgemeinschaft aufnehmen. Es kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass auch ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Es liegen keine Daten bzw. Details zu Rechtsprechung und Behördenpraxis im Zusammenhang mit "Konversion" vom Schiitentum zum Sunnitentum vor. Diese "Konversion" ist auch nicht als Apostasie zu werten; bislang wurde noch kein solcher Fall als Apostasie angesehen. Aufgrund von Diskriminierung von Sunniten im Iran könnten öffentlich "konvertierte" Sunniten jedoch Nachteile in Beruf und Privatleben erfahren. Im derzeitigen Parlament sind 22 Sunniten vertreten. Gewisse hohe politische Ämter sind jedoch de facto Schiiten vorbehalten. Keine besonderen Bestimmungen gibt es zur Konversion von einer nicht-islamischen zu einer anderen nicht-islamischen Religion, da diese nicht als Apostasie gilt (ÖB Teheran 10.2016, vgl. DIS 23.6.2014).

Laut iranischer Verfassung hat ein muslimischer Bürger nicht das Recht, seinen Glauben auszusuchen, zu wechseln oder aufzugeben. Die Regierung sieht das Kind eines muslimischen Mannes als Muslim an und erachtet eine Konversion vom Islam als Apostasie. Obwohl das iranische Strafrecht keine Regelung bezüglich Apostasie beinhaltet, können Richter aufgrund der Scharia Apostasie mit der Todesstrafe belegen. Nicht-Muslime dürfen ihre religiösen Ansichten und Überzeugungen nicht öffentlich ausdrücken, da dies als Missionierung gilt (Proselytismus) und ebenso mit der Todesstrafe bedroht ist. Christen, die vom Islam konvertiert sind, können von staatlichen Behörden bedroht sein, da sie als Apostaten gelten und dies eine Straftat ist (US DOS 10.8.2016, vgl. AA 8.12.2016, ACCORD 9.2015).

Die Regierung schränkt die Veröffentlichung von religiösem Material ein und christliche Bibeln werden häufig konfisziert. Verlage werden unter Druck gesetzt, Bibeln oder nicht genehmigtes nicht-muslimisches Material nicht zu drucken. Die Regierung vollzieht weiterhin das Verbot des Proselytismus. Die Behörden halten Muslime davon ab, kirchliche Grundstücke zu betreten. Kirchen wurden geschlossen und Konvertiten verhaftet. Evangelikale Gottesdienste bleiben auf Sonntag [Werktag] beschränkt. Christliche Gottesdienste auf Farsi sind verboten. Sicherheitspersonal, das vor den Kirchen postiert ist, führt weiterhin Identitätskontrollen der Gläubigen durch. Offizielle Berichte und die Medien charakterisierten die christlichen Hauskirchen weiterhin als "illegale Netzwerke" und "Zionistische Propagandainstitutionen" (US DOS 10.8.2016).

Im FFM Bericht des Danish Immigration Service wird von mehreren Quellen berichtet, dass sich Konvertiten in Bezug auf ihren Religionswechsel eher ruhig verhalten, um keine Aufmerksamkeit der Behörden auf sich zu lenken. Wenn aber ein Konvertit z.B. in Hauskirchen aktiv ist oder missioniert, können sich Probleme mit Behörden ergeben. Es wird weiter berichtet, dass sich an Arbeitsstätten Herasat Büros [Geheimdienst] mit Repräsentanten des Informationsministeriums und der Staatssicherheit befinden, die die Mitarbeiter überwachen. Diese Büros befinden sich auch bei Universitäten, staatlichen Organisationen und Schulen. Auch in privaten Firmen ab einer bestimmten Größe gibt es solche Büros. Wenn Herasat Informationen über eine Konversion einer Person erhält, kann es durchaus sein, dass diese Person gekündigt bzw. von der Universität ausgeschlossen wird. Auch Familienangehörige sind dadurch von einem etwaigen Jobverlust bzw. vom Zugang zu höherer Bildung ausgeschlossen. Seit 1990 gab es keinen Fall mehr, indem ein Konvertit wegen Apostasie exekutiert worden wäre. Der letzte Apostasie Fall war jener von Youssef Naderkhani, einem Pastor der Kirche von Iran, der international großes Medienecho hervorrief. Der FFM Bericht berichtet weiter, dass ab 2009-2010, als Naderkhanis Fall aufkam, Gerichte vom Regime unter Druck gesetzt wurden, Apostasieanklagen gegen Konvertiten zu verwenden. Die Gerichte wären aber eher zögerlich gewesen, da Apostasiefälle den religiösen Gerichtshöfen vorbehalten waren. Religiöse Gerichtshöfe waren die einzigen die Apostasiefälle verhandeln durften und demzufolge würde eine Anklage wegen Apostasie nur bei einem konvertierten Kleriker zur Anwendung kommen. Stattdessen würden Gerichte, die nicht den religiösen Gerichtshöfen zuzurechnen sind, Konversionsfälle eher mit Anklagen wegen Störung der öffentlichen Ordnung als Apostasie bearbeiten. Die einzige größere Änderung seit 2011, wie die Behörden Konvertiten zum Christentum behandeln, scheint darin zu bestehen, dass Apostasie nicht auf christliche Konvertiten anwendbar ist. Die iranischen Behörden gaben offiziell bekannt, dass Hauskirchen in direkter Verbindung mit ausländischen Bewegungen stehen, beispielsweise mit zionistischen Bewegungen oder Organisationen im Ausland, z.B. in den USA. Das Regime sieht die Anstrengungen der evangelikalen Bewegungen als Angriff gegen das iranische Regime an. Als Ergebnis werden evangelikale Kirchen und Hauskirchen als Bedrohung der nationalen Sicherheit gesehen. Diese Sichtweise erklärt auch, dass einige Fälle von Konversionen, im speziellen von Führern von Hauskirchen, ebenso Anklagen, die eher politischer Natur sind, beinhalten. In Bezug auf Naderkhani gibt Christian Solidarity Worldwide im FFM Bericht des Danish Immigration Service an, dass laut ihren Informationen Naderkhani weiterhin als Pastor in Rasht tätig ist. Seitdem Naderkhanis Anklage gekippt wurde, gab es keine Apostasieanklage gegen Christen im Iran. Heutzutage sind alle Anklagen gegen Konvertiten und Pastoren/Hauskirchenführer von politischer Natur, immer im Zusammenhang mit Bedrohung der nationalen Sicherheit oder Spionage, einschließlich Verbindungen zu ausländischen Organisationen und Feinden des Islam. Auch werden Konvertiten häufig mit sehr vagen und weit definierten Anklagen konfrontiert, wie z.B. "Bildung einer illegalen Gruppierung", "Handlungen gegen die nationale Sicherheit durch illegale Versammlungen" und anderen Anklagen, die ähnlich unpräzise und eine große Bandbreite an Aktivitäten umfassen können (DIS 23.6.2014).

Die Sicherheitsbehörden zielten weiterhin auf zum Christentum konvertierte Muslime und Mitgliedern von Hauskirchen ab (HRW 12.1.2017, vgl. FH 2017). Zahlreiche zum Christentum konvertierte Personen wurden bei Razzien in Hauskirchen festgenommen, in denen sie friedlich ihren Glauben praktiziert hatten (AI 22.2.2017, vgl. FCO 21.4.2016, FH 2017)."

2. Beweiswürdigung

Die Feststellungen zur Identität und Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers wurden bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl festgestellt.

Die Feststellungen zur Lage im Iran wurden bereits vom BFA im angefochtenen Bescheid getroffen.

Die asylrelevanten persönlichen Feststellungen waren aufgrund der folgenden Erwägungen zu treffen: Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich alleine mit der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien (vgl VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091). Die Feststellungen, dass sich der Beschwerdeführer bereits im Iran mit dem christlichen Glauben auseinandergesetzt hat und dies nach seiner Einreise in Österreich fortsetzte, er regelmäßig an Gottesdiensten seiner Gemeinde teilnimmt, Beziehungen zu Pfarrgemeindemitgliedern geknüpft hat, nach dem Taufvorbereitungskurs getauft wurde, und intensiv am religiösen Leben seiner örtlichen Pfarrgemeinde teilnimmt, ergeben sich aus dem von ihm vorgelegten Taufschein, den mit Lichtbildern dokumentierten Glaubensaktivitäten, sowie aus den schriftlichen Bezeugungen des Pfarrers Mag. XXXX XXXX , Evangelisches Pfarramt AB XXXX , des Kurators der Evangelischen Tochtergemeinde AB XXXX und Vizebürgermeisters XXXX XXXX , sowie zahlreicher weiterer Mitglieder der evangelischen Pfarrgemeinde, welcher der Beschwerdeführer angehört. Es besteht für das Bundesverwaltungsgericht keine Veranlassung am Zeugnis jener Repräsentanten der Glaubensgemeinschaft des Beschwerdeführers zu zweifeln, zumal diese kein Interesse daran haben, den Ruf ihrer Glaubensgemeinschaft für Personen zu schädigen, von deren ernsthaften Hinwendung zu ihrer Glaubensgemeinschaft sie nicht überzeugt wären. Während des laufenden Beschwerdeverfahrens trat eindeutig zu Tage, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich und nachhaltig aus innerer Überzeugung vom Islam abgewandt hat und zum Christentum konvertiert ist. Der Beschwerdeführer konnte sohin jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt A)

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG hat die Behörde einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist die "begründete Furcht vor Verfolgung". Die begründete Furcht vor Verfolgung liegt dann vor, wenn objektiver Weise eine Person in der individuellen Situation des Asylwerbers Grund hat, eine Verfolgung zu fürchten. Verlangt wird eine "Verfolgungsgefahr", wobei unter Verfolgung ein Eingriff von erheblicher Intensität in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen ist, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen haben und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatlandes bzw. des Landes ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein. Zurechenbarkeit bedeutet nicht nur ein Verursachen, sondern bezeichnet eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr. Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen muss. Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen stellen im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr dar, wobei hierfür dem Wesen nach einer Prognose zu erstellen ist. Besteht für den Asylwerber die Möglichkeit, in einem Gebiet seines Heimatstaates, in dem er keine Verfolgung zu befürchten hat, Aufenthalt zu nehmen, so liegt eine so genannte inländische Fluchtalternative vor, welche die Asylgewährung ausschließt (vgl. VwGH vom 24.03.1999, Zl. 98/01/0352).

Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Entscheidend ist demnach, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits - durch die Taufe - erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend (VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210).

Nach islamischem Verständnis im Iran bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen politischen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem und der Beschwerdeführer ist daher bei einer Rückkehr in den Iran dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt.

Daher ist für den Beschwerdeführer von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.

Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaates zu bedienen.

Zum Fehlen eines Asylausschlussgrundes:

Gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 ist ein Fremder von der Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten ausgeschlossen, wenn er von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden ist und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeutet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs müssen für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 kumulativ vier Voraussetzungen erfüllt sein, damit ein Flüchtling trotz drohender Verfolgung in den Herkunftsstaat verbracht werden darf: Er muss erstens ein besonders schweres Verbrechen verübt haben, dafür zweitens rechtskräftig verurteilt worden und drittens gemeingefährlich sein, und schließlich müssen die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung seine Interessen am Weiterbestehen des Schutzes durch den Zufluchtsstaat überwiegen (vgl. etwa VwGH 26.02.2019, Ra 2018/18/0493, mwN).

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, fallen unter den Begriff des "besonders schweren Verbrechens" iSd § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 nur Straftaten, die objektiv besonders wichtige Rechtsgüter verletzen. Typischerweise schwere Verbrechen sind gemäß der ständigen Rechtsprechung des VwGH etwa Tötungsdelikte, Vergewaltigung, Kindesmisshandlung, Brandstiftung, Drogenhandel, bewaffneter Raub und dergleichen (vgl. zuletzt VwGH 28.08.2019, Ra 2019/14/0289, mwN).

Der Beschwerdeführer wurde mit Urteil des LG XXXX vom XXXX wegen des Vergehens der falschen Beweisaussage nach § 288 Abs 1 und 4 StGB, des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 2. Fall StGB und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 8 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt, verurteilt.

Es genügt gemäß der weiteren Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht, wenn ein abstrakt als "schwer" einzustufendes Delikt verübt worden ist. Die Tat muss sich vielmehr im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen, wobei unter anderem auf Milderungsgründe Bedacht zu nehmen ist (vgl. VwGH 99/01/0288). Bei der Beurteilung, ob ein "besonders schweres Verbrechen" vorliegt, ist daher eine konkrete fallbezogene Prüfung vorzunehmen und sind insbesondere die Tatumstände zu berücksichtigen (VwGH 23.9.2009, 2006/01/0626). Lediglich in gravierenden Fällen schwerer Verbrechen erweist sich bereits ohne umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände eine eindeutige Wertung als schweres Verbrechen mit negativer Zukunftsprognose als zulässig (vgl. etwa in Zusammenhang mit der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren wegen des Verbrechens des versuchten Mordes: VwGH 14.2.2018, Ra 2017/18/0419, mwN) (vgl. zu dem Ganzen VwGH 29.08.2019, Ra 2018/19/0522). Das Vorliegen eines gravierenden Falles eines schweren Verbrechens kann gegenständlich verneint werden. Es war daher eine umfassende Prüfung der einzelnen Tatumstände geboten.

Das Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs 1 2. Fall StGB ist mit einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bedroht.

Die verhängte Freiheitsstrafe bewegt sich im untersten Bereich des möglichen Strafrahmens. Zudem wurde die Freiheitsstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren zur Gänze bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wurden mildernd die bisherige Unbescholtenheit, erschwerend hingegen das Zusammentreffen zweier Vergehen und eines Verbrechens berücksichtigt.

Bereits durch die Höhe der verhängten Strafe in ihrer Relation zur Strafdrohung kommt zum Ausdruck, dass sich das begangene Delikt objektiv und subjektiv nicht als besonders schwerwiegend erwiesen hat.

Überdies kann der Beschwerdeführer auch nicht als "gemeingefährlich" bezeichnet werden: Der Beschwerdeführer wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 8 Monaten verurteilt. Gemäß den schriftlichen Ausführungen seines Pfarrers und Mitgliedern seiner Pfarrgemeinde ist der Beschwerdeführer religiös, hilfsbereit und freundlich.

Mangels Vorliegen eines besonders schweren Verbrechens und des Fehlens einer Gefährdungsprognose bzw. negativen Zukunftsprognose ist daher im gegenständlichen Fall kein Asylausschlussgrund gegeben.

Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Einer darüber hinausgehenden Beurteilung des übrigen Vorbringens des Beschwerdeführers bedurfte es angesichts des Spruchinhaltes nicht mehr.

Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.

Zu Spruchpunkt B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Apostasie Asylausschlussgrund asylrechtlich relevante Verfolgung Gefährdungsprognose Konversion Nachfluchtgründe Religion staatliche Verfolgung strafrechtliche Verurteilung Verleumdung wohlbegründete Furcht Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W146.2207808.1.00

Im RIS seit

01.10.2020

Zuletzt aktualisiert am

01.10.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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