TE Vwgh Erkenntnis 2020/9/2 Ro 2020/16/0030

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
14/02 Gerichtsorganisation
23/04 Exekutionsordnung
27/04 Sonstige Rechtspflege

Norm

B-VG Art94
EO §355
EO §39
GEG §6b Abs4
GEG §7
Geo §234 Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 25. März 2020, W176 2222729/2E, betreffend Einbringung einer Geldstrafe nach § 355 EO (mitbeteiligte Partei: B GmbH in W, vertreten durch die Lattenmayer, Luks & Enzinger Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Tuchlauben 13), in der Sache zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis dahin abgeändert, dass es wie folgt lautet:

Die Beschwerde gegen den Bescheid der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien vom 22. Juli 2019 wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1        Unbestritten ist, dass über die Mitbeteiligte, nachdem über diese wegen der Verletzung eines Offenlegungsgebotes bereits eine Beugestrafe in der Höhe von € 20.000,-- verhängt worden war, mit dem in Rechtskraft erwachsenen Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10. April 2017 eine weitere Beugestrafe von € 30.000,-- auferlegt wurde.

Mit Schriftsatz vom 30. April 2017 kam die Mitbeteiligte der sie treffenden Offenlegungspflicht nach.

Mit einem weiteren Schriftsatz vom 13. Juli 2018 stellte die Mitbeteiligte den Antrag, das gegen sie geführte Exekutionsverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 EO einzustellen sowie die verhängten Beugestrafen schuldangemessen herabzusetzen oder nachzusehen.

2        Mit Beschluss vom 16. Juli 2018 wies das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag auf Nachsicht oder Herabsetzung ab, weil eine Herabsetzung, Stundung oder Nachsicht von gemäß § 355 EO verhängten Geldstrafen im Exekutionsverfahren nicht in Betracht komme. Mit einem weiteren Beschluss vom 24. Juli 2018 bewilligte das Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Antrag der Mitbeteiligten vom 13. Juli 2018 auf Einstellung der Exekution.

Mit Beschluss vom 31. Dezember 2018 hob das Landesgericht für Zivilrechtsachen Wien als Rekursgericht den Beschluss vom 16. Juli d.J. aus Anlass eines Rekurses der Mitbeteiligten wegen Unzulässigkeit des Rechtsweges als nichtig auf: über Anträge auf Nachlass oder Stundung von gemäß § 355 Abs. 1 EO verhängten Geldstrafen sei im Justizverwaltungsverfahren durch Bescheid zu erkennen.

Mit Verfügung vom 19. Februar 2019 ordnete die zuständige Richterin des Bezirksgerichtes die Einhebung der Geldstrafe von € 30.000,-- an. Hierauf schrieb die Kostenbeamtin des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien für dessen Präsidentin der Mitbeteiligten mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 19. d.M. die Zahlung der Geldstrafe von € 30.000,-- sowie der Einhebungsgebühr nach § 6a Abs. 1 GEG von € 8,-- zur Zahlung vor.

3        Die Mitbeteiligte erhob hierauf mit Schriftsatz vom 8. März 2019 einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung eines Rekurses gegen den Beschluss vom 10. April 2017 unter Nachholung des Rechtsmittels und Vorstellung gegen den Zahlungsauftrag vom 19. Februar 2019, weil die Einhebung der Beugestrafe samt Einhebungsgebühr in Anbetracht der zwischenzeitig erfolgten Einstellung des Exekutionsverfahrens unzulässig sei.

4        Das Bezirksgericht wies mit Beschluss vom 8. März 2019 den Wiedereinsetzungsantrag ab, weil im Exekutionsverfahren eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht stattfinde.

5        Die Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien (die Revisionswerberin) schrieb mit Bescheid vom 22. Juli 2019 der Mitbeteiligten die Zahlung der Geldstrafe von € 30.000,-- sowie der Einhebungsgebühr nach § 6a GEG zur Zahlung vor, wogegen die Mitbeteiligte Beschwerde erhob: die Einstellung eines Exekutionsverfahrens habe die Unzulässigkeit jeglicher weiterer Vollzugsakte zur Folge; daher erweise sich auch die nunmehr beabsichtigte Einhebung des Betrages von € 30.008,-- als unzulässig. Darüber hinaus wandte sich die Mitbeteiligte in ihrer Beschwerde gegen die Höhe des zur Zahlung vorgeschriebenen Betrages: § 9 Abs. 5 GEG ermögliche nunmehr, im Exekutionsverfahren rechtskräftig verhängte Geldstrafen bei Vorliegen einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen nachzulassen. Selbst für den Fall, dass die Mitbeteiligte eine Verpflichtung zur Zahlung des vorgeschriebenen Betrages treffe, sei dieser nachzusehen bzw. herabzusetzen, weil die Mitbeteiligte im Exekutionsverfahren lediglich ein fahrlässiges Zuwiderhandeln zu vertreten habe und der nunmehr eingehobene Betrag in einem auffallenden Missverhältnis zum Streitwert des Titel- bzw. Exekutionsverfahrens stehe.

6        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht dieser Beschwerde gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG statt und hob den angefochtenen Bescheid - ersatzlos - auf; weiters sprach das Verwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig sei.

Unter Darstellung des Verfahrensganges des Exekutions- und des Verwaltungsverfahrens führte das Verwaltungsgericht nach Zitierung der angewendeten Rechtsvorschriften aus, die Beschwerde erweise sich als begründet:

„Die belangte Behörde geht zum einen davon aus, dass in Hinblick auf den Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 10.04.2017 eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung über die Zahlungspflicht der [Mitbeteiligten] vorliegt, und verweist zum anderen auf den Umstand, dass das gerichtliche Entscheidungsorgan die Einhebung der Beugestrafe nach § 234 Z 1 Geo angeordnet hat.

Zwar ist der genannte Beschluss tatsächlich in Rechtskraft erwachsen und wurde diese auch nicht im Wege der Wiedereinsetzung des Verfahrens samt Rekurs beseitigt. Jedoch kann der Beschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 24.07.2018, mit dem der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13.07.2018, das Exekutionsverfahren gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 EO einzustellen, bewilligt wurde, in Hinblick auf den klaren Wortlaut dieser Bestimmung nicht anders verstanden werden, als dass alle schon vollzogenen Exekutionsakte mit ex tunc-Wirkung aufgehoben werden und dadurch die Zahlungspflicht der [Mitbeteiligten] erlischt.

Was die von der belangten Behörde ins Treffen geführte Anordnung der Einhebung der Beugestrafe durch das gerichtliche Entscheidungsorgan nach § 234 Z 1 Geo. angeht, verkennt das Bundesverwaltungsgericht nicht, dass eine solche Verfügung nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Akt der Rechtsprechung ist, der im Justizverwaltungsweg nicht auf seine Richtigkeit überprüft werden kann (vgl. Erkenntnis vom 22.12.2010, Zl. 2010/06/0173 sowie das dort zitierte Erkenntnis vom 28.11.2006, Zl. 2006/06/0261).

Jedoch hat der Verwaltungsgerichtshof auch ausgesprochen, dass sich die Vorschreibungsbehörde mit dem Vorbringen, die der Vorschreibung zugrundeliegende gerichtliche Entscheidung sei nicht rechtskräftig (da sie nicht rechtswirksam zugestellt worden sei), auseinanderzusetzen habe (und nicht bloß auf das Vorhandensein eines Rechtskraftvermerks verweisen könne).

Dies legt vor dem Hintergrund, dass jedes Verfahren zur Einbringung einer Geldstrafe gemäß § 234 Z 1 Geo eine (schriftliche) Anordnung des gerichtlichen Entscheidungsorgans voraussetzt, nahe, dass eine solche Anordnung allein die Justizverwaltungsbehörde (jedenfalls bei entsprechendem Vorbringen) nicht von der Beurteilung der Frage entbinden kann, ob sich aus den gerichtlichen Entscheidungen im Grundverfahren tatsächlich eine Zahlungspflicht des Betreffenden ergibt. Auch erscheint eine Auslegung, der zufolge die - nicht bekämpfbare - Verfügung nach § 234 Z 1 Geo solche Konsequenzen hätte, in Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip als problematisch.

In diesem Zusammenhang ist überdies festzuhalten, dass weder in dem dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 2010/06/0173 zugrundeliegendem Fall noch jenem, zu dem dessen Erkenntnis Zl. 2006/06/0261 erging, vorgebracht wurde, dass sich aus den Entscheidungen im Grundverfahren keine Zahlungspflicht ergebe.

Aufgrund dieser Überlegungen in Zusammenhang mit dem Umstand, dass - wie oben dargelegt - den Entscheidungen des Gerichtes eine weiterhin bestehende Zahlungspflicht der [Mitbeteiligten] nicht zu entnehmen ist, kommt das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass ihr die verfahrensgegenständliche Beugestrafe im Einbringungsverfahren nicht vorgeschrieben werden kann.

Der Beschwerde war daher gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG stattzugeben und der angefochtene Bescheid (ersatzlos) aufzuheben.“

7        Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, es fehle an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob im Einbringungsverfahren in Fällen, in denen der Rechtsmittelwerber vorbringe, dass sich aus den Entscheidungen im Grundverfahren gar keine Zahlungspflicht ergebe, das Vorhandensein einer Anordnung gemäß § 234 Z 1 Geo., die Geldstrafe einzuheben, der Prüfung dieser Frage entgegenstehe.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die Revision der Präsidentin des Landesgerichtes für Zivilrechtsachen Wien mit dem Antrag, das angefochtene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes dahin abzuändern, dass die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen ihren Bescheid vom 22. Juli 2019 abgewiesen werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Amtsrevision teilt die Beurteilung des Verwaltungsgerichtes in der Revisibilität der verfahrensgegenständlichen Rechtsfragen und fügt dem hinzu, das Verwaltungsgericht weiche im angefochtenen Erkenntnis von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 355 EO, § 6b Abs. 4 GEG, § 234 Z 1 Geo. und Art. 94 B-VG ab und lege die Bestimmungen in denkunmöglicher Weise dahingehend aus, dass daraus eine Verletzung des Grundsatzes der Gewaltenteilung resultiere: der revisionsgegenständliche Sachverhalt sei mit jenem vergleichbar, der dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2006, 2006/06/0261 zugrunde gelegen sei. Die zwischenzeitig erfolgten gesetzlichen Änderungen dienten lediglich der weiteren Klarstellung der zwischen Gericht und Justizverwaltung auch bei der Einbringung von Gebühren geltenden Gewaltenteilung. Die Mitbeteiligte versuche, einen Akt der Rechtsprechung - die Anordnung der Einhebung der verhängten Strafe - im Justizverwaltungsweg auf seine Richtigkeit überprüfen zu lassen, was gegen Art. 94 B-VG verstoße. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei es Justizverwaltungsorganen verwehrt, das gerichtliche Verfahren, das zur rechtskräftig ausgesprochenen Zahlungsverpflichtung geführt habe, auf seine Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen, weshalb die Gesetzmäßigkeit der durch die gerichtliche Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht nicht im Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung aufgerollt werden dürfe. Dem Justizverwaltungsorgan dürfe auch nicht die in die gerichtliche Zuständigkeit fallende Befugnis zur Entscheidung über das weitere Schicksal verhängter Beugestrafen nach Einstellung zur Exekutionsverfahren auferlegt werden.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit sieht die Amtsrevision zusammengefasst darin, § 6b Abs. 4 GEG setze den Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung für den Bereich des Einbringungsverfahrens um und normiere, dass im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden könne. Im Allgemeinen könne gegen einen Zahlungsauftrag nur eingewendet werden, die Leistungsfrist sei unrichtig bestimmt worden oder der Zahlungsauftrag entspreche nicht der Entscheidung des Gerichtes. Die Anordnung zur Einhebung einer Geldstrafe nach § 234 Z 1 Geo. sei ein Akt der Rechtsprechung und als solcher einer weiteren Überprüfung im Justizverwaltungsweg entzogen. Die Vorschreibungsbehörde sei daher an die Anordnung nach § 234 Z 1 Geo. gebunden gewesen.

Dies werde durch die Gerichtsgebühren-Novelle 2014, BGBl. I Nr. 19/2015 bestätigt: in § 9 Abs. 5 GEG sei klargestellt worden, dass in konsequenter Trennung von Rechtsprechung und Justizverwaltung eine vom Gericht verhängte Geldstrafe (etwa nach der Exekutionsordnung) von der Justizverwaltung nicht gestundet oder nachgelassen werden könne. In solchen Fällen habe über Stundung, Nachlass oder Uneinbringlichkeit jenes Gericht oder jene Behörde zu entscheiden, das oder die die Strafe verhängt habe. Selbst die Tatsache, dass im Revisionsfall eine meritorische Entscheidung über Stundung und Nachlass vom Rekursgericht (wohl irrig) abgelehnt worden sei, führe nicht dazu, dass die Entscheidungskompetenz nun auf die Justizverwaltungsbehörde übergegangen sei.

Die Einstellung der Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 EO habe keine Auswirkung auf bereits verhängte Geldstrafen, eine Rückforderung oder Nichteinhebung nach Rechtskraft des Strafbeschlusses komme daher nicht mehr in Betracht, wie dies auch § 359 EO klar zum Ausdruck bringe. Die vom Verwaltungsgericht angenommene rückwirkende Beseitigung der rechtskräftig verhängten Geldstrafe erweise sich daher nicht nur wegen der fehlenden ex-tunc Wirkung der Einstellung einer an sich fehlerfreien Exekution gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 EO als unrichtig, sondern auch wegen des spezielleren Regimes des § 359 EO, der hier der Regelung des § 39 Satz 1 EO vorgehe.

9        Die Mitbeteiligte hat eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurück-, in eventu die Abweisung der Amtsrevision beantragt. Die von der Revisionswerberin aufgezeigte Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege nicht vor, die Vorschreibungsbehörde sei nicht an die Anordnung des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 19. Februar 2019, die Geldstrafe einzuheben, gebunden gewesen. Infolge der Einstellung des gegen die Mitbeteiligte geführten Exekutionsverfahrens sei die Einhebung (auch rechtskräftig) verhängter Geldstrafen unzulässig.

10       Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Amtsrevision erweist sich aus den nachstehenden Gründen als zulässig und auch als berechtigt:

11       Gemäß § 1 Z 2 GEG sind von Amts wegen u.a. Zwangs- und Beugestrafen, die von ordentlichen Gerichten verhängt worden sind, von Amts wegen einzubringen.

Gemäß § 6b Abs. 4 GEG in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits- Anpassungsgesetzes - Justiz, BGBl. I Nr. 190/2013, können im Verfahren zur Einbringung im Justizverwaltungsweg weder das Bestehen noch die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht überprüft werden.

Die ErläutRV, 2357 BlgNR XXIV. GP 8 f, führen hiezu aus:

„Der Grundsatz des bisherigen § 7 Abs. 1 letzter Satz GEG, nach dem gegen die Bestimmung von Beträgen, die in Durchführung einer rechtskräftigen Entscheidung des Gerichtes in den Zahlungsauftrag aufgenommen wurden, ein Rechtsmittel nur mit der Begründung erhoben werden kann, dass die Zahlungsfrist unrichtig bestimmt wurde oder der Zahlungsauftrag der von ihm zugrundeliegenden Entscheidung des Gerichtes nicht entspricht, ist allgemein Ausdruck der Trennung der Justiz von der Verwaltung. So hat der Verwaltungsgerichtshof (vgl. etwa VwGH 27.1.2009, 2008/06/0227) auch bei einem Oppositionsbegehren nach § 35 EO mehrfach ausgesprochen, dass die Gesetzmäßigkeit der durch die gerichtliche Entscheidung dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht nicht mehr auf dem Wege des Verwaltungsverfahrens zur Einbringung der Forderung neu aufgerollt werden darf. Dieser Grundsatz soll nun eindeutig im Gesetz normiert werden.“

12       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 7 Abs. 1 GEG idF vor dem Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz - Justiz entspricht es dem in § 94 B-VG normierten Grundsatz, dass im Verwaltungsverfahren nach § 7 GEG die Verwaltungsbehörden nicht berechtigt sein sollen, die Richtigkeit gerichtlicher Entscheidungen zu hinterfragen. Dem zufolge sind die Verwaltungsbehörden nicht dazu berufen, über Einwendungen gegen den Titel zu entscheiden oder die Frage zu beantworten, ob eine Zwangsstrafe nach § 283 HGB (bloß) eine Beugestrafe sei oder (auch) repressiven Charakter habe (VwGH 14.9.2004, 2004/06/0074).

Soweit der Beschwerdeführer im Berichtigungsverfahren nach § 7 GEG darauf abzielte, der mit den Geldstrafen verfolgte Zweck sei bereits erreicht worden, weshalb sie nicht mehr eingebracht werden dürften, weil es sich dabei um Beugestrafe und keine Strafe im engeren Sinn handle, wurde ihm entgegnet, dass den Behörden des Verwaltungsverfahrens keine Zuständigkeit zur Entscheidung über solche Fragen zukam (VwGH 29.11.2005, 2005/06/0340, und 28.11.2006, 2006/06/0261).

13       Diese Rechtsprechung ist auf § 6b Abs. 4 GEG in der Fassung des Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetzes - Justiz, der den Grundsatz der Trennung der Justiz von der Verwaltung verdeutlichen soll (vgl. die zit. ErläutRV 2357 BlgNR XXIV. GP 9), übertragbar.

14       Den Einbringungsbehörden (im weiteren Sinne, d.h. einschließlich des Verwaltungsgerichtes) ist es daher gemäß § 6b Abs. 4 GEG verwehrt, das Bestehen oder die Rechtmäßigkeit einer im Grundverfahren dem Grunde und der Höhe nach bereits rechtskräftig festgestellten Zahlungspflicht zu überprüfen.

15       Das Verwaltungsgericht zieht die Rechtskraft des Beschlusses vom 10. April 2017, mit dem die in Rede stehende Beugestrafe von € 30.000,-- verhängt worden war, nicht in Zweifel. Der Beschluss vom 13. Juli 2018 über die Einstellung des Exekutionsverfahrens gemäß § 39 Abs. 1 Z 6 EO sprach nicht die Aufhebung einer Geldstrafe aus; das Verwaltungsgericht misst dem Beschluss vom 13. Juli 2018 die Bedeutung zu, dass damit alle schon vollzogenen Exekutionsakte mit ex-tunc Wirkung aufgehoben würden und dadurch die Zahlungspflicht der Mitbeteiligten erloschen sei.

16       Die Mitbeteiligte hatte sich schon im Beschwerdeverfahren auf „ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes“ berufen, dass im Fall einer Einstellung eines Exekutionsverfahrens alle bis dahin vollzogenen Exekutionsakte rückwirkend aufzuheben seien und demnach nach der Einstellung der Exekution auch rechtskräftig verhängte Geldstrafen weder verhängt noch eingehoben werden dürften „(OGH 27.8.1992, 3 Ob 51/92)“. Das Verwaltungsgericht folgte dem im angefochtenen Erkenntnis im Ergebnis. Allerdings hielt der Oberste Gerichtshof schon in seinem Beschluss vom 16. Juni 1993, 3 Ob 12/93, die im Beschluss vom 27. August 1992 vertretene Auffassung explizit nicht mehr aufrecht und vertritt seitdem in ständiger Rechtsprechung, dass Strafen, die im Zuge einer Exekution zur Erwirkung von Duldungen und Unterlassungen verhängt wurden, trotz Einstellung der Exekution zu vollziehen sind, wenn die Einstellung nicht vom betreibenden Gläubiger beantragt wurde und der Einstellungsgrund nicht auf den Zeitpunkt des Zuwiderhandelns zurückwirkt (RIS Justiz RS0010058, OGH 16.6.1993, 3 Ob 12/93 = SZ 66/74, und OGH 25.11.1999, 6 Ob 215/99; vgl. Jakusch in Angst/Oberhammer, Kommentar zur Exekutionsordnung3, Rz. 92/1 zu § 39 EO, und Klicka in Angst/Oberhammer, aaO, Rz. 16 zu § 355 EO).

17       Vor dem referierten exekutionsrechtlichen Hintergrund kann dem Einstellungsbeschluss des Bezirksgerichtes vom 13. Juli 2018 keinesfalls die normative Bedeutung der impliziten Aufhebung bereits rechtskräftig auferlegter Beugestrafen zugemessen werden.

Ein anderweitiger Akt der Aufhebung der Geldstrafe durch ein (ordentliches) Gericht steht nicht im Raum.

18       § 234 Z 1 Geo. über die Einbringung (u.a.) von Geldstrafen, wonach die Erlassung des Zahlungsauftrages stets vom Richter „anzuordnen“ sei, entfaltet für die Frage der Bindung der Vorschreibungsbehörden an rechtskräftig auferlegte Zahlungspflichten der (ordentlichen) Gerichte keine eigenständige Bedeutung, weil dem im gegebenen Zusammenhang nur der Regelungsgehalt zukommt, dass die Einbringungsbehörde nur auf Anordnung des Richters tätig wird.

19       Die Einbringungsbehörden (und damit auch das Verwaltungsgericht) hatten daher vom Bestehen einer mit Beschluss vom 10. April 2017 rechtskräftig verhängten Beugestrafe von 30.000,-- € auszugehen.

20       Soweit die Mitbeteiligte auch in ihrer Revisionsbeantwortung daran festhält, dass § 9 Abs. 5 GEG nunmehr - entgegen bisheriger Judikatur - ermögliche, in Exekutionsverfahren rechtskräftig verhängte Geldstrafen bei Vorliegen einer besonderen Härte für den Zahlungspflichtigen nachzulassen, verkennt sie schon die Sache des vorliegenden Zahlungsauftrages und den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens, in dem nicht über einen Antrag auf Nachlass nach § 9 Abs. 1 GEG abgesprochen wurde, sodass sich schon deshalb weitergehende Überlegungen über eine Zuständigkeit nach § 9 Abs. 5 GEG erübrigen.

21       Nach dem Gesagten erweist sich der Revisionsfall als entscheidungsreif, weshalb gemäß § 42 Abs. 4 VwGG im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Ersparnis weiteren Verfahrensaufwandes in der Sache selbst zu entscheiden und das angefochtene Erkenntnis im Sinne einer Abweisung der Beschwerde gegen den Bescheid der Revisionswerberin vom 22. Juli 2019 abzuändern ist.

Wien, am 2. September 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020160030.J00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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