TE Vwgh Beschluss 2020/9/2 Ra 2020/05/0133

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Veröffentlicht am 02.09.2020
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag Niederösterreich
L82000 Bauordnung
L82003 Bauordnung Niederösterreich
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

ABGB §294
ABGB §297
ABGB §435
AVG §14
AVG §14 Abs6
AVG §15
AVG §44 Abs1
BauO NÖ 2014 §35 Abs2 Z2
BauRallg
VwGVG 2014 §17

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Bayjones sowie die Hofrätinnen Mag. Rehak und Dr. Leonhartsberger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Wölfl, über die Revision des Ing. W T in W, vertreten durch Dr. Roland Neuhauser, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Brahmsplatz 7/7, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 5. Dezember 2019, LVwG-AV-1515/001-2017, betreffend einen baupolizeilichen Auftrag nach der NÖ Bauordnung 2014 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Marktgemeinde H; weitere Partei: Niederösterreichische Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Berufungsbescheid des Gemeindevorstands der Marktgemeinde H vom 5. Oktober 2017 wurde der Revisionswerber als Eigentümer eines Superädifikates (Badehaus und Nebengebäude) gemäß § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ Bauordnung 2014 (NÖ BO 2014) verpflichtet, das im nordwestlichen Bereich einer näher bezeichneten Liegenschaft errichtete Nebengebäude (Holzhütte mit raumbildender Überdachung) und näher bezeichnete Zubauten (Abstellraum, Schlafzimmer und Heizraum, Vorraum) zum Badehaus bis 28. Februar 2018 zu entfernen.

2        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 5. Dezember 2019 wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (im Folgenden: Verwaltungsgericht) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen vom Revisionswerber erhobene Beschwerde als unbegründet ab und setzte die Erfüllungsfrist mit 31. Mai 2020 neu fest. Weiters sprach es aus, dass die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nicht zulässig sei.

3        Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, am 23. Juli 1974 seien der Revisionswerber und seine Ehefrau mit den Eigentümern der betroffenen Liegenschaft ein Bestandverhältnis bis 31. Juli 2023 eingegangen. In weiterer Folge seien dem Revisionswerber Baubewilligungen für die Errichtung eines Badehauses und eines Badehauszubaus erteilt worden. Am 3. März 2014 sei ein Bauansuchen über die Erweiterung des Badehauses eingebracht worden. Bei einer am 10. März 2014 durchgeführten Bauverhandlung sei festgestellt worden, dass der im Jahr 1997 bewilligte Zubau nicht konsensgemäß ausgeführt worden sei. Eine baubehördliche Bewilligung für die Zubauten und das Nebengebäude liege bis dato nicht vor.

4        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, § 70 Abs. 10 NÖ BO 2014 bestimme, dass im Zeitpunkt des Inkrafttretens der Novelle LGBl. Nr. 50/2017 am 13. Juli 2017 bereits anhängige Verfahren nach den bisherigen Bestimmungen zu Ende zu führen seien. Es komme daher die NÖ BO 2014 in der Fassung vor dieser Novelle zur Anwendung. Für die Erlassung eines Abbruchauftrags nach § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014 sei nur zu prüfen, ob eine erforderliche Baubewilligung erteilt worden sei oder nicht. Die vom Abbruchauftrag erfassten Zubauten und das Nebengebäude seien gemäß § 14 Z 1 leg. cit. bewilligungspflichtig. Sie seien auch zum Zeitpunkt ihrer Errichtung (nach den Vorgängerbestimmungen des § 4 Z 1 NÖ BO 1996 sowie des § 92 Abs. 1 Z 1 NÖ BO 1976) bewilligungspflichtig gewesen, eine Bewilligung liege allerdings nach wie vor nicht vor. Der Abbruchauftrag sei ausreichend konkretisiert und nicht zu beanstanden.

5        Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Mit Beschluss vom 27. Februar 2020, E 162/2020-6, lehnte dieser die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

6        Daraufhin wurde die vorliegende außerordentliche Revision erhoben.

7        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       Der Revisionswerber bringt zur Zulässigkeit der Revision zunächst vor, aufgrund des Zeitpunktes des Schlusses der mündlichen Verhandlung am 30. August 2019 seien bei der rechtlichen Beurteilung die Änderungen in den Novellen LGBl. Nr. 12/2018 und LGBl. Nr. 53/2018 zu berücksichtigen gewesen. Unter Zugrundelegung der danach geltenden Rechtslage hätte die Behörde über die Eingabe des Beschwerdeführers vom 3. Juni 2015, welche als Bauansuchen zu würdigen sei, vor Erlassung des Abbruchauftrages entscheiden müssen.

11       Mit diesem Vorbringen kann schon deshalb keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufgezeigt werden, weil § 35 Abs. 2 Z 2 NÖ BO 2014, auf welchen sich der baupolizeiliche Auftrag stützt, durch die Novellen LGBl. Nr. 12/2018 und LGBl. Nr. 53/2018 keine Änderung erfahren hat. Im Übrigen gilt § 35 NÖ BO 2014 gemäß § 70 Abs. 1 leg. cit. auch für am Tag des Inkrafttretens (1. Februar 2015) anhängige Verfahren, sodass auch in diesen Fällen ein anhängiges Baubewilligungsverfahren die Erlassung eines Abbruchauftrages nicht hindert.

12       Weiters rügt der Revisionswerber, dass er dadurch, dass ein Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30. August 2019 nicht vorliege bzw. ihm dieses jedenfalls niemals zugegangen sei, in seinem Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei und dass die Beurteilung der Rechtsfrage, ob ein Bauwerk oder ein Gebäude im Sinne des § 4 NÖ BO 2014 vorliegt, nicht möglich sei, weil dazu keine Verfahrensergebnisse ins Protokoll Eingang gefunden hätten. Es ergebe sich ausgehend von den Verfahrensergebnissen, dass kein Bauwerk oder Gebäude, welches von § 35 NÖ BO 2014 erfasst sei, vorliege. Gleiches gelte auch in Hinblick auf die Beurteilung, ob das freistehende Nebengebäude und die Zubauten „ohne zerstörerische Maßnahmen“ entfernt bzw. rückgebaut werden könnten.

13       § 44 Abs. 1 AVG sieht vor, dass über jede mündliche Verhandlung eine Verhandlungsschrift nach den §§ 14 und 15 AVG aufzunehmen ist. Gemäß § 14 Abs. 6 AVG ist den beigezogenen Personen auf Verlangen eine Ausfertigung der Niederschrift auszufolgen oder zuzustellen. Dies gilt gemäß § 17 VwGVG auch für das Verfahren vor den Verwaltungsgerichten (vgl. VwGH 18.12.2014, Ra 2014/07/0095). Der Revisionswerber hat nach dem Akteninhalt keine solche Ausfertigung der - im Akt aufliegenden - Niederschrift vom 30. August 2019 verlangt. Gegenteiliges wird auch in der Revision nicht behauptet. Insofern stellt die Unterlassung der Übermittlung der Verhandlungsschrift keinen Verfahrensmangel dar.

14       Soweit der Revisionswerber die Beurteilung des Vorliegens eines Bauwerks oder Gebäudes, welches von § 35 NÖ BO 2014 erfasst sei, sowie der aus bautechnischer Sicht möglichen Entfernung des Nebengebäudes bzw. der Zubauten „ohne zerstörerische Maßnahmen am Hauptgebäude“ anspricht, handelt es sich dabei um einzelfallbezogene Beurteilungen des Verwaltungsgerichtes. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung läge in diesem Zusammenhang nur dann vor, wenn diese Beurteilung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre (vgl. VwGH 23.4.2020, Ra 2018/06/0099; 27.7.2016, Ra 2016/06/0084). Eine derartige Fehlbeurteilung wird in der abstrakt gehaltenen Zulässigkeitsbegründung, die nicht auf den konkreten Revisionsfall eingeht, nicht dargestellt.

15       In der Zulässigkeitsbegründung wird überdies releviert, dass gegen die Eigentümer des Grundstückes bereits ein rechtskräftiger Abbruchauftrag vorliege. Es bleibe kein Raum für einen weiteren, an den Mieter des Grundstückes gerichteten Abbruchauftrag. Die Frage, ob ein Superädifikat vorliege oder nicht, stelle sich daher nicht.

16       Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, dass die Verpflichtung zur Beseitigung eines vorschriftswidrigen Baues dessen jeweiligen Eigentümer trifft. Daher ist im Fall eines Superädifikates der Bauauftrag dem Eigentümer des Superädifikates zu erteilen. Die Erteilung dieses Auftrages sowohl an den Grundeigentümer als auch an den von diesem verschiedenen Eigentümer der Baulichkeit wäre somit rechtswidrig (vgl. VwGH 2.8.2018, Ra 2018/05/0158). Die Annahme, dass ein im Eigentum des Revisionswerbers stehendes Superädifikat vorliegt, wird in der Revision nicht bestritten. Eine Rechtsverletzung des Revisionswerbers, dem der Abbruchauftrag als Eigentümer des Superädifikates erteilt wurde, könnte durch den Umstand einer rechtswidrigen Verpflichtung (auch) der Grundeigentümer nicht bewirkt werden. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Revision daher keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf.

17       Abschließend führt der Revisionswerber pauschal aus, der Abbruchauftrag sei nicht ausreichend bestimmt. Diese auf den konkreten Inhalt des Abbruchauftrages nicht eingehende Behauptung ist als solche nicht geeignet, eine Abweichung des Verwaltungsgerichtes von dem in der Judikatur festgelegten Konkretisierungsgebot aufzuzeigen, weshalb sie eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht darzulegen vermag.

18       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 2. September 2020

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020050133.L00

Im RIS seit

02.11.2020

Zuletzt aktualisiert am

02.11.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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