TE Vwgh Erkenntnis 1997/11/18 97/08/0577

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Veröffentlicht am 18.11.1997
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

ABGB §1165;
ABGB §1166;
AlVG 1977 §1 Abs1 lita;
ASVG §4 Abs1 Z1;
ASVG §4 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der Sabine L in Böhlerwerk, vertreten durch Dr. Bruno Bernreitner, Rechtsanwalt in 3340 Waidhofen/Ybbs, Oberer Stadtplatz 20, gegen den Bescheid des Bundesministers für Arbeit, Gesundheit und Soziales vom 10. Juni 1997, Zl. 120.741/3-7/96, betreffend Versicherungspflicht nach ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Leopold R, 2. Barbara R, 3. Niederösterreichische Gebietskrankenkasse, Dr. Karl-Renner-Promenade 14-16, 3100 St. Pölten, 4. Pensionsversicherungsanstalt der Arbeiter, Roßauer Lände 3, 1090 Wien, 5. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, Adalbert Stifter-Straße 65, 1201 Wien, 6. Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Niederösterreich, Hohenstaufengasse 2, 1013 Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde - in Stattgebung einer Berufung der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien gegen den Einspruchsbescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 6. März 1996 - festgestellt, daß die Beschwerdeführerin (Sabine L.) aufgrund ihrer Tätigkeit als Pferdeausbildnerin für die erst- und zweitmitbeteiligten Parteien vom 30. April 1994 bis 5. Juni 1994 und vom 25. Juni 1994 bis 30. Juni 1994 nicht der Voll-(Kranken-, Unfall-, Pensions-) und Arbeitslosensversicherung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei.

Nach einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens stellte die belangte Behörde folgenden Sachverhalt fest und stellte nachstehende rechtliche Erwägungen an:

"Das Ehepaar R betreibt seit einigen Jahren nebenberuflich eine Landwirtschaft und hält auch Pferde (drei Haflinger). Anläßlich eines Pferdekutschenfahrkurses in Kematen/Ybbs lernte Herr R Frau Sabine L, eine ausgebildete Facharbeiterin für Pferdewirtschaft, kennen und bat sie, die Ausbildung seiner Pferde zu übernehmen. Diese Ausbildung sollte das Reiten sowie das Trainieren der Pferde im Umgang mit Kutschen umfassen (wobei ursprünglich noch keine Kutsche zur Verfügung stand).

Ziel der Ausbildung war es, daß sich die Pferde problemlos im Gelände und im Straßenverkehr bewegen konnten und über eine solide dressurmäßige Grundausbildung verfügten. Zwischen Familie R und Frau L wurde vereinbart, daß letztere die Pferde nach deren Möglichkeiten und Fähigkeiten einerseits und ihren (Frau L) Kenntnissen andererseits ausbilden und weiterentwickeln sollte.

Da Frau L beabsichtigte, ein Pferd auch für ein Gespannfahrturnier, welches im Juni stattfinden sollte, auszubilden und da die Familie R damit einverstanden war, traten Frau L und Herr R gemeinsam an Herrn Christian S heran, um sich von diesem eine Kutsche (Marathonwagen) auszuleihen. Weiters kaufte Herr R ein geeignetes Pferdegeschirr für den Wagen.

Frau L nahm am 30.4.1994 das Training mit den Pferden auf.

Der Arbeitsort war grundsätzlich der landwirtschaftliche Betrieb der Familie R. Allerdings wurde das Pferd "Arabesk" zu Trainingszwecken für das Turnier zweimal je mehrere Tage am Hof der Familie S in Kematen eingestellt und dort von Sabine L trainiert. Die anderen zwei Pferde der Familie R trainierte sie an diesen Tagen nicht.

Frau L war an sechs Tagen in der Woche ungefähr drei Stunden täglich tätig. Es war eine persönliche Arbeitsleistungspflicht vereinbart. Frau L hätte sich nicht aus eigenem vertreten lassen können. Während der Zeit vom 6.6.1994 bis 24.6.1994, in der sich Frau L in Tschechien aufhielt, wurde auch keine Vertretung für sie aufgenommen.

Die Arbeitszeiteinteilung richtete sich ausschließlich nach den Wünschen von Frau L. Die Bestimmung der Art und Weise des Trainings mit den Pferden oblag ebenfalls nur Frau L (die ja über eine entsprechende Ausbildung verfügte).

Die Tätigkeit von Frau L wurde durch Herrn R weder in Form einer Überwachung kontrolliert noch erteilte er ihr Anweisungen. Allerdings informierten sich Herr und Frau R gesprächsweise fast jeden Tag im Rahmen des Trainings über den Fortgang der Entwicklung der Pferde.

Hinsichtlich der Entlohnung wurde bei Vereinbarung der Tätigkeit kein bestimmter Betrag festgelegt. Herr R überließ es Frau L, die Höhe des Entgeltes festzulegen. Diese verlangte nach Einziehung von Erkundigungen bei anderen Ausbildnern für die Zeit vom 30.4.1994 bis ca. Ende Juli 1994 (unter Berücksichtigung einer Unterbrechung der Tätigkeit vom 6.6.1994 bis 24.6.1994) einen Pauschalbetrag von S 7.000,-- und Herr R akzeptierte diese Entlohnung.

Am 30.6.1994 kam es im Rahmen des Pferdetrainings für das Turnier in Kematen zu einem Unfall, bei dem Frau L schwer verletzt wurde.

Da Frau L aufgrund ihrer Verletzung die Ausbildung der Pferde nicht fortsetzen konnte und "das vereinbarte Ausbildungsziel nicht ganz erreicht hatte", wie sie es ausdrückte, wurde ihre Entlohnung auf ihren eigenen Wunsch hin auf S 6.000,-- reduziert.

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus den im wesentlichen übereinstimmenden Niederschriften mit Herrn und Frau Leopold und Barbara R sowie Frau Sabine L vom 15.12.1994, mit Herrn Christian S vom 15.2.1995 sowie mit Frau Sabine L vom 28.4.1995, alle aufgenommen bei der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse, Bezirksstelle Amstetten.

In rechtlicher Sicht beurteilte die belangte Behörde diesen Sachverhalt dahin, daß ein freies Dienstverhältnis vorgelegen und daher die Vollversicherungspflicht zu verneinen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde, in der lediglich folgendes ausgeführt wird:

"Wenn die belangte Behörde ausführt, daß bei der Beschwerdeführerin kein persönliches Abhängigkeitsverhältnis zur Familie R vorlag, da es ihr persönlich überlassen war, wie und wann sie die ihr übergebenen Pferde ausbildet, so ist dies nicht richtig.

Zwischen der Beschwerdeführerin und der Familie R war einerseits exakt und eindeutig festgelegt, wieviele Stunden sie für die Ausbildung der Pferde aufzuwenden hatte und was sie dafür als Honorar erhält. Die Ehegatten R haben dies eindeutig in der Niederschrift bei der Bezirksstelle der NÖGBKK Amstetten klar und deutlich kundgetan, wenn dort über Stundenanzahl, Ausbildungsziel und Honorierung die Rede ist.

Es ist daher für die Beschwerdeführerin sehr wohl klar gewesen, daß diese neben einem Arbeitsort, einer Arbeitszeit und einer arbeitsbezogenen Entlohnung auch den Weisungs- und Kontrollrechten der Familie R unterstellt war. Es gelten daher für die Beschwerdeführerin die Normen des ABGB betreffend Dienstvertrag und bestand demgemäß für die Familie R auch eine Versicherungspflicht in der Voll- und Arbeitslosenversicherung gem. § 4 Abs. 1 Zif. 1 iVm Abs. 2 ASVG und § 1 Abs. 1 lit. a AlVG."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem oben wiedergegebenen Beschwerdevorbringen bekämpft die Beschwerdeführerin ersichtlich nicht die eingangs wiedergegebenen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde; sie vertritt lediglich die Auffassung, daß die Vereinbarung über Stundenanzahl, Ausbildungsziel und Honorierung (in Verbindung mit dem vorgegebenen Arbeitsort) ein Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit Abs. 2 ASVG begründet hätte.

Dies ist aus folgenden Gründen nicht der Fall:

Nach den Feststellungen der belangten Behörde sollte die Beschwerdeführerin die Pferde der erst- und zweitmitbeteiligten Parteien mit dem Ziel ausbilden, daß sich die Pferde problemlos im Gelände- und im Straßenverkehr bewegen konnten und über eine "solide dressurmäßige Grundausbildung verfügten". Es war vereinbart, daß die Beschwerdeführerin die Pferde "nach deren Möglichkeiten und Fähigkeiten einerseits und ihren Kenntnissen andererseits ausbilden und weiterentwickeln" sollte.

Damit schuldete die Beschwerdeführerin aber nicht bloß Dienste, sondern darüber hinaus auch einen bestimmten Erfolg, nämlich die als Ziel der Ausbildung angegebenen Kenntnisse und Fähigkeiten der Pferde. Wenn auch der Maßstab dessen, nach dem sich dieser vereinbarte Erfolg bestimmen sollte, durch die "Möglichkeiten und Fähigkeiten" der Pferde und die Kenntnisse der Beschwerdeführerin relativiert wurde, so ändert dies nichts am vereinbarten Ziel. Die Erst- und Zweitmitbeteiligten durften daher keinen weiterreichenden Erfolg hinsichtlich der Kenntnisse der Pferde von der Beschwerdeführerin fordern, als deren eigenem Kenntnisstand und den Möglichkeiten und Fähigkeiten der Pferde entsprach. Innerhalb dieser Bandbreite schuldete die Beschwerdeführerin jedoch den bedungenen Erfolg, nämlich das problemlose Bewegen der Pferde im Gelände und im Straßenverkehr sowie eine solide dressurmäßige Grundausbildung.

Der zwischen der Beschwerdeführerin und den erst- und zweitmitbeteiligten Parteien geschlossene Vertrag ist daher als Werkvertrag und nicht als Dienstvertrag zu beurteilen (zur Maßgeblichkeit des geschuldeten Erfolges beim Werkvertrag in Abgrenzung zum Dienstvertrag vgl. etwa Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht5, 134).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die vertragliche Vereinbarung für die Beurteilung der Versicherungspflicht im Sinne des § 4 Abs. 1 Z. 1 in Verbindung mit § 4 Abs. 2 ASVG insoweit von Bedeutung, als sie die Konturen des Vertragsverhältnisses (also das, wozu sich die Parteien verbindlich verpflichten wollten) deutlich werden läßt (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 11. Dezember 1990, Zl. 88/08/0269, vom 17. September 1991, Zlen. 90/08/0131, 0146, und vom 27. April 1993, Zl. 92/08/0221). Umstände, die darauf hindeuten, daß die getroffene Vereinbarung auf eine andere Weise durchgeführt worden wäre (zur Maßgeblichkeit der tatsächlichen Gegebenheiten in einem solchen Fall vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 10. November 1988, Zl. 86/08/0052), hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Es ist der belangten Behörde - welche die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Beschäftigungsverhältnis in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit zutreffend wiedergegeben hat - auch darin recht zu geben, daß die Verpflichtung der Beschwerdeführerin zur persönlichen Erbringung der Tätigkeit auch mit dem Vorliegen eines Werkvertrages vereinbar ist (vgl. nur § 1165 ABGB sowie Krejci in: Rummel I2, Rz 72 zu §§ 1165, 1166 ABGB).

Da somit bereits die vorliegende Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war sie ohne weiteres Verfahren gemäß § 35 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Schlagworte

Besondere Rechtsprobleme Verhältnis zu anderen Normen Materien Sozialversicherung Zivilrecht Vertragsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997080577.X00

Im RIS seit

18.10.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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