TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/11 L518 2129298-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 11.07.2019
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Entscheidungsdatum

11.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55 Abs2
AsylG 2005 §58 Abs10
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L518 2129295-2/13E

L518 2129298-2/13E

L518 2129292-2/9E

L518 2129290-2/9E

schriftliche ausfertigung des am 17.06.2019 mündlich verkündeten erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

4.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Dr. Markus STEININGER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch die Mutter XXXX , diese vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.08.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2019, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch kurz als bP1 - bP4 bezeichnet), sind Staatsangehörige Georgiens und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich am 29.12.2014 bei der belangten Behörde Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die männliche bP1 und die weibliche bP2 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen bP3 und bP4.

I.2. Die bP 1 und 2 wurden erstbefragt und mehrfach vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen.

Die bP 1 brachte erstbefragt zu den Fluchtgründen vor:

"Ich war Abteilungsleiter in der Firma " XXXX " von 2009-2013 tätig. Der Direktor lies mich in den Geschäftsunterlagen illegale Handlungen tätiigen. Die Behörden kamen darauf, es wurde untersucht und der Direktor und einige weitere Personen wurden festgenommen. Kriminalpolizisten wollten von mir, dass ich die Anderen zur Anzeige bringe. Ich fürchtete mich aber und deshalb entschied ich mich zu fliehen. Das ist der Hauptgrund, warum ich mit meiner Familie die Heimat verlassen habe. Detailliert kann ich das auch der zuständigen Behörde erzählen. Bei einer Rückkehr in meine Heimat werde ich wahrscheinlich festgenommen."

Zudem wurde im Verfahren vorgebracht, dass die bP 3 krank sei. Hierzu wurde im Verfahren angegeben:

LA: Welche Krankheit wurde im Heimatland festgestellt?

VP: In Georgien wurde zerebrale Lähmung diagnostiziert und in der Türkei wurde Enzephalopathie festgestellt. Mein Sohn wurde in Georgien therapiert. Es ging um Vojta-Therapie. Das war ähnlich wie Physiotherapie. Der Erfolg war sehr mäßig. Pastikum hat nachgelassen. Staatliche Programme haben uns nicht zugesagt und wir haben ihn privat behandeln lassen, solange wir gearbeitet haben. Wir mussten viel Geld dafür aufwenden. Nachdem ich nicht mehr gearbeitet habe, habe ich versucht, das Kind selbst zu therapieren. Die Behandlung ist schmerzhaft, das Kind weinte eineinhalb Stunden und ich brauchte immer eine Hilfsperson.

LA: Warum sind Sie dann wegen des Gesundheitszustandes Ihres Sohnes ausgereist. Was haben Sie sich hier erwartet?

VP: Ich bin nicht nur wegen des Gesundheitszustandes meines Kindes ausgereist. Die Probleme meines Mannes kamen hinzu. Ich habe gehofft, dass wir in Österreich geschützt sind und irgendwann einmal arbeiten können und dass hier mein Kind besser behandelt wird.

...

LA: Ihr krankes Kind benötigt Physiotherapie und laufende Kontrollen, die auch in Georgien gewährleistet sind. Daher würde aus medizinischer Sicht eine Rückkehr nichts entgegenstehen. Was sagen Sie dazu?

VP: Die Mikrocephalie wird in Georgien nicht behandelt. Diese Krankheit ist für georgische Ärzte was Neues und sie können nicht anordnen, welche Therapie für die Patienten richtig ist. Es gibt in Georgien einem Rehabilitationszentrum für kranke Kinder. Sie werden zwei Mal pro Jahr für 20 Tage dort behandelt, aber jedes Kind hat eine andere Krankheit, trotzdem hat man aus Unwissen die gleiche Therapie für alle gewählt. Ich kann mein Kind dort nicht therapieren lassen. Mein Kind wird dort falsch behandelt.

...

LA: Welche Behandlungen bekommt Ihr Sohn XXXX und welche sind zukünftig notwendig?

VP: Einmal in der Woche besuchen wir mit ihm ein Rehazentrum und alle zwei Wochen einen Schwimmkurs, aber das ist nicht ausreichend. Damit meine ich, er braucht intensive Behandlungskurse, wo täglich Therapiestunden stattfinden. Aber das wurde uns noch nicht finanziert bzw. genehmigt. Außerdem wird über eine Hüftenoperation nachgedacht, nächste Woche treffe ich mit einem Orthopäden. Es wurde auch eine Operation für die Entfernung der Polypen und der Mandeln empfohlen. Von den Medikamenten bekommt er nur Schlafmitteln, da er sonst nicht schlafen kann, sonst bekommt er keine Medikamente.

...

LA: Die notwendigen ärztlichen Behandlungen Ihres Sohnes XXXX sind im Heimatland gewährleistet, bzw. stehen die notwendigen Medikamente und Blutuntersuchungen zur Verfügung. Möchten Sie dazu Stellung beziehen?

VP: Nein, es gibt keine ausreichende Behandlungsmöglichkeit. Z.B. auch Schlafmittel für die Kinder haben wir dort nicht gegeben, weil sogar die Ärzte davon abgeraten haben, weil sie dort nicht der guten Qualität entsprechen und daher haben wir drei Jahre lang nicht geschlafen. Z.B. so ein Korsett gibt es dort gar nicht. Sie haben uns gesagt, wir sollen ohne Korsett probieren. So ein Kinderwagen, individuell angefertigt, das er hier bekommen hat, hätte man dort nicht anfertigen lassen können, auch wenn man genug Geld hat. Es gibt auch keine individuelle Behandlung.

...

LA: Welche Behandlungen bekommt XXXX derzeit und welche sind zukünftig notwendig?

VP: Er brauchte Intensiv-Therapie. Er hört auch schlecht, am rechten Ohr hört er gar nichts und am linken Ohr hört er nur 50 %. Es ist ein Termin schon vereinbart, wo wir Möglichkeit eines Implantats für die Ohren mit den Ärzten besprechen werden.

LA: Sind Sie und XXXX gesund?

VP: Ja, er besucht den Kindergarten. XXXX beginnt auch im September den Kindergarten zu besuchen.

..."

LA: Die notwendigen ärztlichen Behandlungen Ihres Sohnes XXXX sind im Heimatland gewährleistet, bzw. stehen die notwendigen Medikamente und Blutuntersuchungen zur Verfügung. Möchten Sie dazu Stellung beziehen?

VP: Wie auch im Bericht stand, gibt es auch orthopädische Einrichtungen für die Kinder, aber sie entsprechen nicht den Standarten und der Qualität, was notwendig wäre und sie sind auch sehr spärlich vorhanden. Hier hat XXXX auch ein Korsett bekommen und auch spezielle Schuhe, die es auch in Georgien nicht gibt und auch eine Halterung fürs Stehen, das hat er in Georgien gar nicht bekommen. Ich habe hier eine Anfrage an das georgische Rehabilitationszentrum "Children of the sun" Ich habe angefragt, z.B. welche Therapien in Georgien möglich sind. Therapien gibt es, aber sie diese Therapien bringen nicht den notwendigen Erfolg, weil es keine Hausbesuche gibt, so wie es auch in ihrem Bericht steht. Und es wird keine individuelle Therapie angeboten, sondern es gibt einen allgemeinen Therapieplan. Dann zweitens z.B. Schwimmtherapie gibt es gar nicht und diese Korsett und die Schuhe, die mein Kind bekommen hat, habe ich via Skype den dort behandelten Arzt gezeigt und er hat so was noch nie gesehen. Es gibt für alle nur eine Größe und keine angepasste Größe. Dies steht alles in dem Schreiben. Das ist alles und die wichtigsten Punkte.

Aus den vorgelegten Beweismitteln hinsichtlich der Erkrankung der bP 3 ging bereits damals im Wesentlichen hervor - und wurde dies auch vom BFA bzw. BVwG festgestellt - dass eine schwerste Mehrfachbehinderung mit spastischer Tetraparese, Mikrozephalie, anamnestische Taubheit rechts und Kyphose der Brustwirbelsäule vorliegt.

Zur Integration wurde insbesondere angegeben:

LA: Beschreiben Sie Ihr Leben hier in Österreich. Haben Sie Verwandte in Österreich? Welche sozialen Kontakte haben Sie in Österreich? Sind Sie in Vereinen oder sonstigen Organisationen tätig? Besuchen Sie einen Deutschkurs?

VP: Wir haben hauptsächlich Kontakt mit Österreichern, z.B. mit dem Deutschlehrer und mit den Ärzten. Ich mache gerade einen Deutschkurs. Verwandte habe ich keine in Österreich.

...

LA: Was haben Sie beruflich gemacht und wovon haben Sie gelebt? Wie haben sie vor Ihrer Ausreise Ihren Lebensunterhalt finanziert?

VP: Ich war Abteilungsleiter im IT-Bereich in XXXX . Gearbeitet habe ich bis 2013 und konnte damit meinen Lebensunterhalt bestreiten. Seit 2013 hat mich meine Gattin unterstützt. Sie hat gearbeitet. Befragt gebe ich an, dass meine Schwiegermutter auf die Kinder aufgepasst hat. Zudem hat mich meine Mutter und die Angehörigen meiner Gattin unterstützt.

...

LA: Hat sich seit Ihrer letzten Einvernahme an Ihrem Leben hier in Österreich etwas geändert bzw. gibt es zu Ihrer Integration Ergänzungen?

VP: Ja. Ich habe noch was vergessen. Ich habe vom Krankenhaus einen Brief bzgl. meines Sohnes. Ich besuche einen Deutschkurs und lerne zu Hause auch selber Deutsch. Ich und meine Gattin müssen uns mit dem Deutschkurs immer abwechseln, wegen der Kinder. Dann habe ich noch ein Referenzschreiben einer Firma vorzulegen, wo ich unentgeltlich aushelfe. Meine Frau geht zu einer öst. Familie, wo sie Deutsch lernt, dazu kann ich auch ein Schreiben vorlegen. Mein zweiter Sohn geht in den Kindergarten. Dann habe ich noch die Deutschkurs-Teilnahmebestätigungen und noch ein Referenzschreiben vom Verein Wohnen.

LA: Ich beende jetzt die Befragung. Möchten Sie noch weitere Angaben machen?

VP: Nein. Es gibt auch einen Bericht über eine Schließung eines Reha-Zentrums für "Behinderte", weil die Leute keine behinderten Menschen in der Nähe wollten und die Frau namens Inga Lomize, die ich auch angeschrieben habe, musste deshalb umsiedeln.

...

I.3. Hinsichtlich des Behandlungs- bzw. Therapiebedarf von bP3 wurde eine Anfrage an die Staatendokumentation der bB gestellt. Hierbei ergab sich, dass Behandlungsmöglichkeiten in Georgien vorhanden sind, wenn auch auf niedrigerem Niveau wie in Österreich. Eine Anfrage zum Fluchtvorbringen ergab, dass dieses nicht den Tatsachen entspricht.

Von den bP wurden Unterlagen zur Identität, zur Integration und zu den Erkrankungen vorgelegt.

I.4. Die Anträge der bP auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der belangten Behörde ("bB") gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurden gegen die bP Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Georgien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

I.4.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der bP1 in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu Folgendes aus:

"...

Eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person war aufgrund Ihrer vagen und widersprüchlichen Angaben nicht festzustellen.

Zum einen war an der von Ihnen angegebenen Firmenadresse in XXXX keine Firma XXXX vorzufinden, auch Geschäftsleute vor Ort konnten keine Informationen zu der Firma XXXX geben. Wäre diese Firma von der Finanzbehörde und vom Innenministerium kontrolliert und dann in Folge geschlossen und der Direktor dieser Firma festgenommen worden, so wäre dies den Geschäftsleuten vor Ort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bekannt, weshalb aufgrund der Recherche in Ihrem Heimatland davon auszugehen war, dass Sie eine erfundene Geschichte ins Treffen geführt haben.

Zum anderen war aber auch aufgrund Ihrer vagen, widersprüchlichen und in Ihrer Gesamtheit nicht plausiblen Angaben, Ihr Vorbringen als nicht glaubhaft zu bewerten gewesen.

Wäre die Firma, wo Sie angeblich gearbeitet haben, wirklich geschlossen und der Direktor wegen Betruges und Fälschung festgenommen worden, so wären Sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit dazu schriftlich einvernommen worden und hätte nicht zwei dubiose Gestalten Sie auf einmal - ohne dass irgend ein Vorfall diesem Besuch vorausgegangen wäre - aufgesucht. Diese Vorgehensweise war in Betrachtung der Gesamtsituation absolut nicht plausibel. Zudem waren Ihre Angaben und die Ihrer Gattin zu dem Vorfall so widersprüchlich, dass gänzlich ausgeschlossen werden konnte, dass jemals so ein Vorfall stattgefunden hatte. So gaben Sie an, dass Sie am 1. XXXX und XXXX in Ihre Wohnung in der XXXX Str. aufgesucht und zum Mitgehen aufgefordert worden wären. Ihre Gattin gab jedoch an, dass Sie diese Wohnung seit Jänner 2013 nicht mehr gehabt haben, da Sie die Miete nicht bezahlen konnten und seitdem bei der Schwiegermutter in der XXXX Str. gewohnt haben. Ein weiterer Widerspruch bestand darin, dass Sie angaben, Ihre Gattin in der Wohnung aufgesucht, in der Nacht Atemnot bekommen haben und schließlich die Rettung rufen mussten, die Sie ins Krankenhaus gebracht hat. Ihre Gattin gab jedoch gänzlich widersprüchlich an, dass Ihre Gattin Sie bei der U-Bahnstation XXXX getroffen und mit dem eigenen PKW ins Krankenhaus gefahren hätte. All diese Widersprüche führten dazu, dass von einem vorgebrachten Konstrukt auszugehen war. Auch wenn Sie sich in der Einvernahme offensichtlich mit den Jahreszahlen geirrt haben, waren jedoch Ihre Widersprüche zu markant, um davon ausgehen zu können, dass Sie an Gedächtnislücken leiden. So konnte die erkennende Behörde davon ausgehen, dass Ihnen der Ort der Mitnahme unvergesslich in Erinnerung ist, zumal Sie seit Jänner 2013 nicht mehr in der Wohnung gelebt haben. Ihre lapidare Antwort - Sie könnten sich nicht mehr erinnern, wo die Männer Sie aufgesucht haben - führte somit gänzlich ins Leere.

Nicht nur die Widersprüche lagen vor, sondern auch Ihr Unvermögen, Ihre Anhaltung lebensnah zu schildern.

Im Verfahren nach dem Asylgesetz ist es unabdingbare Voraussetzung für die Bewertung des Vorbringens eines Asylwerbers zu den Fluchtgründen als glaubhaft, dass der Antragsteller nicht bloß eine "leere" Rahmengeschichte im Zuge der Einvernahme vorbringt, ohne diese durch das Vorbringen von Details, Interaktionen, glaubhaften Emotionen etc. zu substantiieren bzw. "mit Leben zu erfüllen".

....

So gaben Sie nur sehr vage gehalten an, dass diese Personen Sie geschlagen hätten, jedoch so stark, dass Sie sieben oder 8 Tage danach eine Operation benötigt hätten. Hätten Sie diese Schläge, die Schmerzen bzw. den Ablauf der Schläge selbst erlebt, so wäre Ihre lebensnahe Schilderung gänzlich anders ausgefallen.

Aber auch Ihre Gattin verstrickte sich in Widersprüche, die den Eindruck eines Konstrukts erhärteten. So gab Ihre Gattin in der ersten Einvernahme an, dass Polizisten in Zivilkleidung einige Male zu ihnen nach Hause gekommen sind. Ihre Gattin konnte jedoch diese Vorfälle nicht von sich aus anführen und führte nach Vorhalt dann schließlich nur ein einziges Mal ins Treffen, wo angeblich Männer in Zivil gekommen wären und nach Ihnen gefragt haben. Da jedoch Ihre Gattin angab, dass sie nach dem Vorfall und der Geburt des Kindes bei der Mutter gelebt hat - in Anbetracht dessen, dass es seit Ende Jänner die Wohnung in der XXXX nicht mehr gab - konnte der von Ihnen ins Treffen geführt Vorfall niemals im März 2013 stattgefunden haben.

Zu all diesen oben genannten Punkten kommt noch hinzu, dass Sie auch nicht in der Lage waren, die angeblichen Geschehnisse plausibel darzustellen.

Gaben Sie einerseits an, dass der Direktor nach der Schließung festgenommen worden war und Sie bei der Kriminalpolizei über die Fälschungen aussagen hätten sollen, gaben Sie andererseits jedoch an, die Aussage verweigert zu haben, keine Probleme mit den georgischen Behörden zu haben, um jedoch dann widersprüchlich anzugeben, dass Sie bei einer Aussage inhaftiert geworden wären.

Es war aber auch nicht glaubhaft, dass Sie durch Schläge brutal zu einer Aussage gezwungen worden wären, obwohl Sie davor niemals zur Polizei hinsichtlich zu solch einer Aussage vorgeladen worden waren. Es gab also keinen Grund, Sie nun zu einer Aussage mit Schlägen zu zwingen, da Sie davor eine Aussage noch gar nicht verweigert hatten bzw. Sie wegen diesem Sachverhalt noch gar nicht einvernommen worden waren.

Aufgrund o.a. Ausführungen war für die erkennende Behörde nicht glaubhaft, dass Sie aus Furcht vor Verfolgung Ihrer Person das Land verlassen haben und waren aus der Gesamtbetrachtung der von Ihnen geschilderten Situation weder glaubhaft, dass Sie bei der Firma XXXX gearbeitet haben, noch dass diese Firma von der Polizei geschlossen worden war, weshalb eine Verfolgung bzw. Gefährdung Ihrer Person noch asylrelevante Gründe festzustellen waren. In den Einvernahmen kam konkret zum Ausdruck, dass Ihr Entschluss, das Land zu verlassen, der Gesundheitszustand Ihres Sohnes war und Sie sich in Österreich eine bessere ärztliche Behandlung Ihres Sohnes erhofft haben.

...

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat keine Verfolgung droht, und Sie Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat haben, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Sie verfügen im Heimatland über verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte. Ihre Eltern und Ihr Bruder sind nach wie vor im Heimatland aufhältig und besitzen Ihre Eltern eine Eigentumswohnung, weshalb Sie über Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeit verfügen. Sie und Ihre Gattin sind arbeitsfähig und sind Sie in der Lage, eine Arbeit anzunehmen, durch die der Lebensunterhalt gewährleistet ist.

Wenn auch in Georgien eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung, unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation, festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstatt, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd Art 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Bundesasylamtes nicht gesprochen werden kann.

Es ist Ihnen zumutbar, durch eigene und notfalls auch wenig attraktive und der Vorbildung nicht entsprechende Arbeit oder durch Zuwendung von dritter Seite, z.B. Hilfsorganisationen, religiös-karitativ tätige Organisationen - erforderlichenfalls unter Anbietung der gegebenen Arbeitskraft als Gegenleistung - jedenfalls auch nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten, beizutragen, um das zu Ihrem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen zu können. Zu den regelmäßig zumutbaren Arbeiten gehören dabei auch Tätigkeiten, für die es keine oder wenig Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern und die nur zeitweise, etwas zur Deckung eines kurzfristigen Bedarf ausgeübt werden können, auch soweit diese Arbeiten im Bereich einer "Schatten- oder Nischenwirtschaft" stattfinden. Auf kriminelle Aktivitäten wird hiermit nicht verwiesen.

Aus den Länderfeststellungen geht hervor, dass die Grundversorgung in Georgien gewährleistet ist. Es gibt keine Fälle von Hungersnöten und damit in Zusammenhang stehenden Todesfällen."

In Bezug auf die bP2 - bP4 wurde in sinngemäßer Weise argumentiert.

Zu bP3 führte die bB ergänzend Folgendes aus:

"...

Sie leiden an einer schwersten Mehrfachbehinderung mit spastischer Tetraparese, Mikrocephalie, anamnestisch Taubheit rechts und Kyphose der BWS.

Den vorliegenden Länderinformationen war zu entnehmen, dass grundlegende Behandlungen im Heimatland gegeben sind, jedoch nicht dem europäischen Standard entsprechen, die verfügbaren Medikamente jedoch genügen.

Diese Mehrfachbehinderungen stellen keine lebensbedrohlichen Erkrankungen dar, ist Ihre Mehrfachbehinderung auch nicht heilbar, sondern können Ihre Leiden nur durch Schmerzmittel, orthopädische Hilfsmittel und regelmäßige Physiotherapie bzw. Schwimm-Therapie gelindert werden.

Aufgrund der vorliegenden Länderinformationen war festzustellen, dass eine grundlegende Behandlung gewährleistet ist und war daher davon auszugehen, dass eine fortführende Behandlung Ihrer Erkrankungen - wenn auch geringerem Niveau als in Österreich - gewährleistet ist.

..."

Hinsichtlich der vorliegenden Erkrankung der bP 3 wurde im erstinstanzlichen, inhaltlichen Bescheid ausgeführt, dass diese Mehrfachbehinderung keine lebensbedrohliche Erkrankung darstellt. Die Erkrankung ist nicht heilbar, sondern es können die Leiden nur durch Schmerzmittel, orthopädische Hilfsmittel und regelmäßige Physiotherapie bzw. Schwimm-Therapie gelindert werden. Aus der dem Bescheid u.a. zugrunde gelegten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 11.08.2015 hinsichtlich der Behandlungs- bzw. Therapiemöglichkeiten einer spastischen Tetraparese und Mikrozephalie in Georgien ergab sich, dass Behandlungsmöglichkeiten in Georgien vorhanden sind, wenn auch auf niedrigerem Niveau wie in Österreich.

I.4.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Georgien traf die bB ausführliche Feststellungen.

I.4.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam.

Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK (§§ 55, 10 Abs. 2 AsylG 2005) dar.

I.5. Gegen diese Bescheide wurde innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

I.6. Mit Erkenntnissen des BVwG vom 22.07.2016 wurden die Beschwerden der bP vollinhaltlich abgewiesen.

Es wurden diverse rechtliche Ausführungen zur Ermittlungs- und Mitwirkungspflicht getroffen und zusammenfassend ausgeführt, dass es den volljährigen bP nicht gelungen wäre, ihr Fluchtvorbringen entsprechend zu bescheinigen. Die unterlassene Mitwirkung wurde zu Lasten der bP ins Treffen geführt und hieraus geschlossen, dass das Vorbringen zum Ausreisegrund nicht den Tatsachen entspricht. Den Ausführungen der bB wurde vollinhaltlich gefolgt und diese als tragfähig beurteilt.

Es konnte demnach vom BVwG nicht festgestellt werden, dass die bP1 mit den von ihr beschriebenen behördlichen Verfolgungshandlungen konfrontiert war.

Festgestellt wurde demgegenüber, dass die bP Georgien aus wirtschaftlichen und sozialen Erwägungen verließen, insbesondere um in Hinblick auf bP3 die in Österreich möglichen Behandlungs- und Therapiemöglichkeiten in Anspruch nehmen zu können.

Hinsichtlich der Erkrankung der bP 3 wurde nach zahlreichen rechtlichen Erwägungen ausgeführt:

"Aus der genannten Quellenlage ergibt, sich dass die Behandlungsmöglichkeiten der bP bei Ausschöpfung der bereits beschriebenen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln jedenfalls bei Weitem über jenen, wie sie im Urteil des EGMR (Große Kammer) vom 27. Mai 2008, N. v. The United Kingdom, Nr. 26.565/05 beschrieben wurden, liegen, weshalb der Gesundheitszustand der bP3 letztlich kein Abschiebehindernis darstellt. Es stellt sich für das ho. Gericht zwar menschlich nachvollziehbar dar, dass die bP1 und bP2 der bP3 bessere Behandlungsmöglichkeiten zugänglich machen wollen als jene, wie sie in Georgien existieren, doch muss letztlich festgehalten werden, dass dieses Bestreben vor dem Hintergrund der Behandlungsmöglichkeiten in Georgien im Lichte des Art. 3 EMRK unbeachtlich sind."

Betreffend der Rückkehrentscheidung wurden unter anderem nachstehenden Ausführungen getroffen:

II.3.4.4. Die bP haben in Österreich über die im gegenständlichen Erkenntnis behandelten Mitglieder der Kernfamilie hinausgehend keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und halten sich bereits seit ca. 2,5 Jahren im Bundesgebiet auf. Sie reisten rechtswidrig und mit Hilfe einer Schlepperorganisation in das Bundesgebiet ein. Sie leben von der Grundversorgung und haben einen Deutschkurs besucht. Sie sind strafrechtlich unbescholten.

Die Rückkehrentscheidung stellt somit keinen Eingriff in das Recht auf Familienleben dar, jedoch einen solchen in das Recht auf Privatleben, wenngleich dieser schon alleine durch den erst -bezogen auf das Lebensalter der bP - kurzen Aufenthalt und den niedrigen Integrationsgrad in Österreich, welcher darüber hinaus nur durch die unbegründete Stellung eines Asylantrages erreicht werden konnte, relativiert wird.

...

Die beschwerdeführenden Parteien bP1 und bP2 sind -in Bezug auf ihr Lebensalter- erst einen relativ kurzen Zeitraum in Österreich aufhältig, haben hier keine qualifizierten Anknüpfungspunkte und waren im Asylverfahren nicht in der Lage, ihren Antrag ohne die Beiziehung eines Dolmetschers zu begründen, auch wenn davon auszugehen ist dass sie wohl gewillt sind, die deutsche Sprache zu erlernen.

Ebenso geht aus dem Akteninhalt nicht hervor, dass die bP selbsterhaltungsfähig wären bzw. taugliche Bemühungen zur Herstellung der Selbsterhaltungsfähigkeit in jenen Bereichen des Arbeitsmarktes, welche auch Asylwerbern zugänglich sind, unternommen hätten.

Zu den vorgelegten Referenzschreiben ist anzuführen, dass es sich hierbei um Personen aus dem unmittelbaren Lebensbereich der bP handelt, welche einen partiellen Einblick in die privaten Anknüpfungspunkte der bP haben und im Wesentlichen aus ihrer subjektiven Sichtweise angeben, dass die bP im Wesentlichen allgemein anerkannte Regeln eine geordneten Zusammenlebens in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld einhalten. Hieraus ergibt sich, dass die bP in ihrem unmittelbaren Lebensumfeld nicht in sozialer Isolation leben, sondern mit einem überschaubaren Personenkreis im Kontakt stehen, bzw. zum Teil Freundschaften aufbauten und in einem gewissen Umfang bestrebt sind, die deutsche Sprache zu erlernen.

Das BVwG ging im Rahmen der Interessensabwägung davon aus, dass die privaten Interessen der bP hinter die öffentlichen zurückzutreten haben.

I.7. Am 03.04.2017 übermittelte die bP 2 eine Stellungnahme betreffend der gesundheitlichen Situation der bP 3 und der schwierigen Lebenssituation der gesamten Familie.

I.8. Mit 06.04.2017 stellten die bP gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus den Gründen des Art. 8 EMRK "Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens" gem. § 55 Abs. 2 AsylG.

Im Zuge der Antragstellung bzw. im Verfahren wurden

* Empfehlungsschreiben von verschiedenen Personen,

* eine Anmeldebestätigung für den Deutsch-Integrationskurs A2 (Modul A2/1),

* ein Arztbrief bezgl. bP 3 vom 23.08.2016 des LK XXXX ,

* ein Ärztlicher Befundbericht bezgl. bP 3 vom 24.03.2017 des XXXX ,

* ein Arztbrief bezgl. bP 3 vom 31.03.2017 des XXXX ,

* weitere medizinische Stellungnahmen und Befunde

* Arbeitsvorverträge bP 1 und 2

* Deutschkursbestätigungen und Deutschprüfungszeugnisse

vorgelegt.

I.9. Am 24.08.2017 war die Abschiebung der bP nach Georgien beabsichtigt, welche jedoch aufgrund des Gesundheitszustandes der bP 3 nicht umgesetzt werden konnte.

Diverse medizinische Schreiben im Akt gingen von einer damals nicht vorhandenen Überstellungsmöglichkeit hinsichtlich der bP 3 aus.

I.10. Am 12.03.2018 erging eine Aufforderung zur Vorlage von Beweismittel an die rechtsfreundliche Vertretung, welcher am 27.03.2018 entsprochen wurde.

Es wurde die Heiratsurkunde und jeweils der Reisepass und die Geburtsurkunde der bP 1 - 4 vorgelegt.

I.11. Am XXXX 2018 erfolgte die gemeinsame, ärztlich begleitete Charterabschiebung der bP nach Georgien.

I.12. Am 27.11.2018 langte eine Stellungnahme der bP ein. Ausgeführt wurde, dass sich der Gesundheitszustand der bP 3 seit der Abschiebung wesentlich verschlechtert habe. In Georgien sei eine adäquate Therapie aufgrund der hohen Kosten nicht zu erlangen. In Georgien habe die bP 3 zudem im Gegensatz zu Österreich nicht die Möglichkeit, die Schule zu besuchen und sei sozial isoliert. Da die bP 2 wieder schwanger sei, sei sie nicht in der Lage, die bP 3 zu tragen und seien zudem die Treppen zur Wohnung in Georgien unüberwindbar. Das Medikament Levebon, welches die bP 3 in Österreich erhalten habe, sei zudem in Georgien nicht erhältlich. In Georgien gäbe es keinen Arzt für die von der bP 3 benötigte Hüft- und Beckenoperation. Da keine medizinische Betreuung in Georgien vorhanden wäre, würde die bP 3 dort einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung ausgesetzt sein. Auch die bP 4 hätte in Georgien nur einen Platz in einer Kindergartengruppe von 50 Personen erhalten, was für die Entwicklung des Kindes negativ sei.

Beigelegt war ein Schreiben der XXXX idF G).

I.13. Für den 17.06.2019 lud das erkennende Gericht die Verfahrensparteien zu einer mündlichen Beschwerdeverhandlung.

I.13.1. Gemeinsam mit der Ladung wurden aktuelle Länderberichte zu Georgien, unter anderem eine Anfragebeantwortung zur zerebralen Lähmung vom 27.09.2017 der Staatendokumentation übermittelt.

I.13.2. Es langte am 29.05.2019 eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderfeststellungen ein, welche die tatsächliche Lage nicht widergeben würden. Die aktuelle, individuelle Lage würde sich insbesondere aus den vorgelegten Unterlagen ergeben.

Vorgelegt wurden:

- Schreiben von G vom 28.05.2019

- Gutachten Jörg Becker zur Situation behinderter Menschen in Georgien, Verein zur Förderung der Behindertenhilfe in Georgien von Mai 2010

- Empfehlungsschreiben (von Nachbarin und Mitglied im Verein DA, welcher den Kindergarten für die bP 4 in Georgien finanziert; von ehemaliger Wifi - Deutschlehrerin; von 2 privaten Deutschlehrerinnen)

- Einstellungszusage für die bP 1 von G als IT-Techniker

- Stellungnahme

- Empfehlungsschreiben XXXX idF V (Information des Obmannes, dass sein Verein die bP in Österreich und in Georgien unterstützt hat und er eine Mitarbeiterin nach Georgien geschickt hat, um dort Hilfsmittelfirmen, Therapeuten und Ärzte in Erfahrung zu bringen, welche der bP 3 helfen können; Info dass bP 3 in Österreich am 13.06.2019 operiert wird und alle Hilfsmittel neu angepasst werden)

- Führerschein bP 1

- Teilnahmebestätigung Basisbildung bP 2

- Deutschzeugnis bP 1 und 2

I.13.3. Am 13.06.2019 langte eine weitere Stellungnahme der bP ein.

Ausgeführt wurde, dass ihnen von diversen Ärzten in Georgien abgeraten worden wäre, verschiedene Behandlungsmöglichkeiten für die bP 3 in Georgien anzunehmen, da diese veraltet wären. Sie hätten aber für 3 Jahre Vojta Therapien 5x pro Woche a 40 Min täglich aus eigenen Mitteln finanziert. Dann sei ihnen von Hilfsmitteln in Georgien abgeraten worden, weshalb sie nach Österreich gekommen wären, wo sie alle notwendigen Hilfsmittel und einen gut ausgestatteten Rollstuhl erhalten hätten. 4x wöchentlich sei die bP in ein physiotherapeutisches Zentrum gebracht worden und hätte es regelmäßige Kontrolltermine zur Überwachung der Krankheit gegeben.

Seit der Rückkehr seien die Behandlungen eingeschränkt, da die Kosten sehr hoch wären. Die Sozialbeihilfe sei für Kinder nur 200 Lari monatlich. Man müsse Medikamente kaufen. Die Physiotherapie werde von G bezahlt, sei jedoch nicht ausreichend. Es gäbe keinen Arzt, der die von der bP 3 benötigte Operation bewerkstelligen könnte. Die UN-Behindertenrechtskonvention bleibe in Georgien hinter den festgesetzten Standards zurück und habe die bP 3 gerade auch im öffentlichen Raum kaum die Möglichkeit, sich im Rollstuhl zu bewegen (bsp. auch Schule). Schließlich sei die Möglichkeit, in Schulen aufgenommen zu werden nicht gegeben und wurde aus diversen, Großteils Englischen Berichten zitiert und der Bericht "The Monitoring report oft he human rights Strategies and action plans" sowie der Bericht von EMC "Guidelines on the Implemantation oft the UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UNCRPD) vorgelegt.

I.13.4. Die wesentlichen Passagen der Verhandlung stellen sich wie folgt dar:

RV: Warum haben Sie die OP nicht in Georgien durchgeführt?

P1: Wie ich bereits sagte, in erster Linie aus finanziellen Gründen. Der zweite Grund war, dass uns der behandelnde Arzt empfohlen hat, es war ein Orthopäde, die OP im Ausland machen zu lassen. Nachgefragt gebe ich an, dass der Orthopäde in Georgien empfohlen hat die OP im Ausland zu machen.

RI: Warum?

P1: Der Orthopäde meinte selbst, dass der Standard in Georgien niedriger als im Ausland ist und auch wegen der anschließenden Rehabilitation.

RV: Hätte es in Georgien eine Rehabilitation gegeben?

P1: Nein.

RI: Um welche Rehabilitation geht es jetzt?

P1: Physiotherapie, Logotherapie, Bewegungstherapie. Meine Kinder sind in Georgien nicht versichert, es wird nicht finanziert.

RI: Es gibt in Georgien Physiotherapie, Logotherapie, Bewegungstherapie. Welche konkrete Therapie gäbe es in Georgien nicht?

P1: Ich wurde von dem Arzt in Georgien informiert, dass in Georgien, nach der OP, nichts mehr gemacht werden würde.

RV: Was hätte das dann zur Folge gehabt?

P1: Mein Sohn wäre wahrscheinlich im gleichen Zustand oder sogar in einem schlechteren Zustand. Er wäre in einem viel schlechteren Zustand, er hört auf einem Ohr nichts, er hat Mikrozevalie.

RI: Der P1 wird die Anfragebeantwortung der Staatendoku zu Georgien, zerebrale Lähmung vom 27.09.2017 erläutert.

P1: Sie haben vollkommen Recht, es gibt diese Möglichkeiten, nur ist es nicht mit österr. Standard zu vergleichen. Einen Physiotherapeuten muss man selbst bezahlen, und es ist auch nicht 40 Minuten, sondern nur 40 Tage im ganzen Jahr, es gibt nur 2 Kurse. Nachgefragt gebe ich an, eine Übung 40 Minuten dauert, falls ich diese selbe bezahle. In Georgien gibt es keine behindertengerechte- Transportmittel. Man kann öffentliche Verkehrsmittel mit dem Rollstuhl kaum benützen. Es gibt gar keine Hilfsmittel die er benötigen würde.

RV: Was gibt es sonst noch für Hilfsmittel außer einen Rollstuhl?

P1: Es gibt in Georgien einen Standard -Rollstuhl. Eine Spezialanfertigung, wie für meinen Sohn erforderlich, gibt es nicht. orthopädische Schuhe, Korsetts, orthopädische Gürtel, und Hüfthalter gibt es in Georgien nicht.

...

RV: Wie sind die medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten von XXXX in Georgien?

P2: Das Einzige war wir für Ilija kaufen können ist das Rivotril, er benötigt aber auch andere Medikamente welche wir von der GFGF nach Georgien postalisch geschickt bekommen. Es gibt Nahrungsergänzungsmittel und Levebon- das ist auch gegen die Epilepsie. Es gibt auch Verdickungsmittel um die Flüssigkeiten zu verdicken. Er kann keine normalen Flüssigkeiten trinken deswegen werden diese verdickt und das bekommen wir auch von der GFGF.

RV: Warum bekommen Sie das von der GFGF geschickt?

P2: In Georgien gibt es diese Medikamente nicht.

RV: Wie hat sich der Gesundheitszustand von XXXX im letzten Jahr verändert?

P2: Dieser hat sich verschlechtert. Vor allem die Muskeln haben sich verschlechtert. Er hat starke Verspannungen in den Armen und Beinen. Er hat viermal in der Woche, jeweils eine Stunde, Physiotherapie in Georgien erhalten. Das wurde vom Verein GFGF finanziert. Dadurch, dass die Muskeln verspannt sind hat er öfters epileptische Anfälle.

RV: Wie sind die ärztlichen Behandlungsmöglichkeiten und Betreuungen in Georgien?

P2: Diese sind viel schlechter als in Österreich, es ist mit Österreich gar nicht zu vergleichen, es gibt schon Möglichkeiten der Physiotherapie aber es ist nicht individuell auf die Patienten verteilt. Mein Sohn ist ein sehr schwieriger Patient, für ihn gibt es diese Form der Therapie gar nicht.

RI: Was konkret gibt es für Ihren Sohn nicht?

P2: Die Behandlungsart ist unterschiedlich. Diese Art der Physiotherapie gibt es dort auch. Auch die Logotherapie gibt es nicht. man nennt dort eine Behandlung einfach Logotherapie, diese ist aber nicht individuell an Patienten abgestimmt. Dort gibt es nur ein System für alle.

RV: Können Sie zu den individuellen Behandlungsmöglichkeiten, welche Ila brauchte, konkrete Angaben machen?

P2: Mein Sohn kann weder gehen noch sitzen noch kann er etwas in der Hand halten. Es besteht auch keine Möglichkeiten ihn in einen Rollstuhl zu setzen, wenn er nicht einen speziellen Rollstuhl hat und ein Korsett trägt. Er braucht unbedingt spezielle Schuhe. Er braucht einen speziellen Beckenhaltgurt. Es gibt wohl Rollstühle und man kann auch einen Antrag stellen. Als wir das beantragt hätten, meinten die Orthopäden, dass diese für unseren Sohn nicht passen würden. Man muss diese Hilfsmittel auch an die Größe anpassen.

RV: Was gibt es in Georgien für Möglichkeiten, für XXXX , sich zu bewegen?

P2: Zurzeit wohnen wir im 4ten Stock, der Aufzug beginnt erst ab dem 2ten Stock, der Rollstuhl passt nicht hinein. Wir verlassen sehr selten die Wohnung, etwa, wenn wir einen Arzt besuchen müssen und dann trägt mein Mann XXXX . Mein Mann arbeitet den ganzen Tag und ich habe noch ein Kind bekommen, wir sind praktisch den ganzen Tag zu Hause. Die Nachbarschaft kennt XXXX nicht. auch öffentliche Verkehrsmittel sind für Behinderte nicht geeignet, man muss ein Taxi bestellen. Mein Kind hat so gut wie keinen Kontakt zu anderen Menschen.

...

RI: Welche Behandlung braucht XXXX .

Z2: XXXX benötigt eine intensive Therapie, Ergotherapie, Physiotherapie und Logotherapie + Kommunikationstraining am PC. Er braucht eine regelmäßige orthopädische Behandlung und er braucht Hilfsmittel, welche immer wieder angepasst werden müssen. Das sind ein Hüftgurt, ein Mider. Korsett, handschienen, orthopädische Schuhe und einen Rollstuhl für Schwerstbehinderte mit Kantelung.

RV: Kann er diese Hilfsmittel in Österreich bekommen?

Z2: Ja., natürlich, ich habe ihn vor 2 Jahren kennen gelernt und wir waren intensiv daran die Behandlungen zu organisieren. Die Therapeuten anzulernen, weil es schwierig ist den Ila zu behandeln. Wir fuhren sofort zu einem erfahrenen Orthopäden. Dieser hat veranlasst, dass eine sofortige Botoxbehandlung und mit den Hilfsmitteln begonnen wird, damit er vom Rücken her eine bessere Aufrichtung bekommt. Beide Hüften waren subluxiert. XXXX hatte schwere Schmerzen, er zuckte immer. Die Ärzte die ihn behandelt haben, haben gesagt, dass man sofort mit der intensiven Therapie beginnen soll. Die Logopäden haben mit Verdickungsmittel für die Nahrung gearbeitet, weil XXXX immer wieder Lungenschwierigkeiten hatte und die die normalen Flüssigkeiten nicht schlucken konnte. Nach einem 3/4 Jahr hat er besser Essen gelernt. Es war eine OP für den Herbst geplant, diese wurde aber erst letzte Woche durchgeführt. Bei dieser muskulären OP ist nicht klar, ob die Hüften in der Hüftpfannen bleiben. Wenn das nicht der Fall ist, dann benötigt er eine knöcherne OP.

RV: Was haben Sie für Wahrnehmungen in XXXX gemacht?

Z2: Wir haben 2 Monaten bevor ich dort war, mit der Mutter regelmäßig Kontakt gehabt, dass sie Therapeuten suchen soll und das wir uns nach geeigneten Hilfsmittel umsehen. Sie hat eine Therapeutin gefunden die Kinderbehandlung macht. Es war nach einem Russischen System, ich kannte es. Ich habe 3 Tage lang versucht mit der Therapeutin zu erarbeiten, was diese zum Teil erlernte. Hilfsmittel haben wir keine gefunden, die Orthopädiezentren sind nicht auf genaue Hilfsmittel für Kinder, mit schwersten Behinderungen, ausgerichtet. Als XXXX vor 3 Wochen, im Mai, hier war, haben wir sämtliche Hilfsmittel neu anpassen lassen. Die Familie ist dann nach Georgien zurückgeflogen. Zuvor hat der orthopädische Experte XXXX nochmals klinisch untersucht. Dieser sagte: wenn operieren, dann sofort, dann kann man es muskulär versuchen.

RV: Was würde passen, wenn XXXX diese nicht angepassten Rollstühle verwendet?

Z2: Es würde sich der Rundrücken verstärken und dadurch die Lungenbelüftung abnehmen. Die Position der Beine würde sich ebenfalls massiv verschlechtern, es kommt zu weiteren Gelenksverschlechterungen, er könnte in dieser Position seine Umgebung nicht beobachten.

RV: Was passiert, wenn XXXX "nur" dieses Russische System in Anspruch nimmt?

Z2: Er hatte einen Sponsor gehabt der diese Therapie bezahlt, diese Situation hat sich aber verschlechtert.

RV: Also es gibt zwar Physiotherapien aber es gibt andere Therapien nicht?

Z2: Ja. XXXX kann auch nirgends hin, er kann kaum aus der Wohnung heraus, er hat keine soziale Gruppe wo er hinkann. Wir haben zu Beginn auch einen großen Stress gehabt, bei der Behandlung von XXXX , weil er nicht geschlafen hat und immer wieder Anfälle gehabt hat. Unserer Therapien und Behandlungen haben langsam gewirkt. Nach einem halben Jahr war es besser und er hat auch gelächelt.

BehV: Wie sieht der soziale Umgang von XXXX in Österreich aus?

Z2: Er kommt heute aus dem Spital.

BehV: Ändert sich im Vergleich zu Georgien in Österreich etwas für XXXX ?

Z2: In Österreich gibt es eine soziale Gruppe, wo er eine Schule besuchen kann, wo die Eltern gut integriert sind, in dieser Elterngruppe. Dort kann er wirklich lernen und die Mutter kann auch Zeit wo anders verbringen und betreut ihn nicht 24 Stunden. Unsere Betreuer und die Kinder in der Fördergruppe würden sehr gerne haben, dass XXXX in Österreich bleiben kann.

BehV: Wann ist die Ausreise der Mutter bzw von XXXX geplant, wenn kein Aufenthaltstitel erteilt wird?

Z2: Innerhalb von 3 Monaten. In dieser Gruppe wird er auch nachbehandelt und von dort aus zu den ärztlichen Kontrollen zum MED Kampus III gebracht. Die Orthopädietechniker kommen dorthin und passen die Hilfsmittel, individuell, an.

In der Verhandlung vorgelegt wurden Empfehlungsschreiben und Reisepasskopien.

Es wurden neben den bP 1 und 2 drei Zeugen, unter anderem Leute der Organisationen DA und G einvernommen. Darüber hinaus wurden die Anfragebeantwortung zur Behandelbarkeit von zerebraler Lähmung und das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Georgien - letzte Aktualisierung erörtert.

Nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wurde das Erkenntnis des BVwG vom selben Tag mündlich verkündet.

Die Beschwerden wurden als unbegründet abgewiesen. Die Revision wurde gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.

Die bP wurden iSd § 29 Abs. 2 a VwGVG über das Recht, binnen zwei Wochen nach Ausfolgung bzw. Zustellung der Niederschrift eine Ausfertigung gemäß § 29 Abs. 4 zu verlangen bzw. darüber, dass ein Antrag auf Ausfertigung des Erkenntnisses gemäß § 29 Abs. 4 eine Voraussetzung für die Zulässigkeit der Revision beim Verwaltungsgerichtshof und der Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof darstellt, belehrt.

Nach Verkündung der Erkenntnisse wurde den bP sowie deren rechtsfreundlicher Vertretung eine Ausfertigung der Niederschrift ausgefolgt.

I.14. Am 27.06.2019 langten Anträge auf Ausfertigung der Erkenntnisse gemäß § 29 Abs. 4 VwGVG ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den beschwerdeführenden Parteien handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Georgier, welche aus einem überwiegend von Georgiern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen. Die bP sind damit Drittstaatsangehörige.

Die beschwerdeführenden Parteien bP1 und bP2 sind junge, gesunde, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer -wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich- gesicherten Existenzgrundlage.

Die Pflege, Obsorge und der Unterhalt der minderjährigen bP3 - bP4 ist durch ihre Eltern gesichert. Die bP 3 leidet an einer schwersten Mehrfachbehinderung mit spastischer Tetraparese, Mikrozephalie, anamnestische Taubheit rechts und Kyphose der Brustwirbelsäule. Die bP 4 ist gesund.

Familienangehörige leben nach wie vor im Herkunftsstaat der bP. Die Mutter der bP 1 besitzt eine Eigentumswohnung, Mutter und Bruder gehen einer Arbeit nach. Die Eltern der bP 2 beziehen eine Pension, darüber hinaus leben zwei Geschwister in Georgien.

Vor seiner ersten Ausreise war die bP 1 als IT-Techniker beschäftigt. Vor der zweiten illegalen Einreise in Österreich ging die bP 1 wiederum einer Beschäftigung nach, welche sie als Grund angab, im Juni 2019 wieder nach Hause fliegen zu müssen. Die bP 2 studierte und war vor ihrer ersten Ausreise als Assistentin beschäftigt.

Die bP haben über die im gegenständlichen Erkenntnis hinausgehenden Mitglieder der Kernfamilie keine relevanten familiären und die sich aus der Aufenthaltsdauer ergebenden privaten Anknüpfungspunkte in Österreich. Die bP 2 hat die B1 Deutsch-Prüfung absolviert, die bP 1 die A2 Deutschprüfung. Die bP 1 arbeitete ehrenamtlich bei Essen auf Rädern. Die bP 1 und 2 helfen bei gemeinnützigen Veranstaltungen.

Die bP reisten erstmalig 2014 illegal in Österreich ein und kamen ihrer Ausreiseverpflichtung nach negativen Abschluss des Asylverfahrens trotz Besitz von gültigen Reisedokumenten nicht nach. Die Abschiebung erfolgte mit Charterflug (Ambulanzjet), sie reisten nach der Abschiebung im Jahr 2018 wiederum illegal mittels Linienflug in Österreich ein. Grund der Einreise war eine Operation der bP 3, der Flug wurde von einer österreichischen Organisation finanziert. Die bP standen in Georgien durchgängig mit österreichischen Unterstützern bzw. Vereinen in Kontakt und wurden finanziell unterstützt. Sie lebten in einer Mietwohnung in der Nähe der Mutter der bP 1.

Die bP verfügen in Österreich über keine eigenen, den Lebensunterhalt in Österreich deckenden Mittel. Zwei Einstellungszusagen liegen vor.

Die bP sind strafrechtlich unbescholten.

Die Identität der bP steht fest.

Die Erkrankungen der bP 3 erreichen kein iSd Art. 3 EMRK relevantes, lebensbedrohendes Niveau und können in Georgien behandelt werden.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass eine Abschiebung in den Herkunftsstaat gemäß § 46 FPG unzulässig wäre.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Georgien

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei Georgien um einen sicheren Herkunftsstaat gem. § 19 BFA-VG handelt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in Georgien werden folgende Feststellungen getroffen:

Politische Lage

Im Jahr 2017 begann Georgien mit einer grundlegenden Reform der Verfassung, mit welcher der Übergang von einem gemischten zu einem parlamentarischen System abgeschlossen wurde. Die Reform, die insgesamt positiv von der Venediger-Kommission des Europarates bewertet wurde, zielt darauf ab, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu festigen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der Rechtsstaatlichkeit und des Schutzes der Grundrechte beruht. Der vom Parlament angenommene Entwurf wurde von der Opposition nicht unterstützt, weil vor allem das rein-proportionale Wahlsystem erst bis 2024 eingeführt werden soll. NGOs und Oppositionsparteien sahen den Entscheidungsprozess als nicht inklusiv und zu voreilig (EC 9.11.2017).

Georgien hat eine doppelte Exekutive, wobei der Premierminister als Regierungschef und der Präsident als Staatsoberhaupt fungiert. Der Präsident wird durch Direktwahl für eine Amtszeit von fünf Jahren gewählt. Der Präsident ernennt den Premierminister, der vom Parlament ernannt wird. Nach den im Jahr 2017 beschlossenen Verfassungsänderungen wird der Präsident indirekt von einem Gremium, bestehend aus nationalen, regionalen und lokalen Gesetzgebern, gewählt, wobei diese Änderungen erst nach der Wahl 2018 wirksam werden (FH 1.2018). Nach der geänderten Verfassung wird Georgien ab 2024 auf ein Verhältniswahlsystem mit einer Fünf-Prozent-Hürde umstellen. Ab 2025 wird der Präsident nicht mehr vom Wahlvolk, sondern von einem speziellen Gesetzgebungsrat gewählt (RFE/RL 20.10.2017).

Bei den Präsidentschaftswahlen 2013 gewann Giorgi Margvelashvili, ein von der Partei "Georgischer Traum" unterstützter unabhängiger Kandidat, 62% der Stimmen, vor dem Kandidaten der Vereinigten Nationalen Bewegung (UNM), David Bakradze, der 22% gewann. Während Beobachter über einige Verstöße berichteten, bezeichneten sie den Wahlgang als kompetitiv und vertrauenswürdig und lobten dabei die Zentrale Wahlkommission für ihre Professionalität. Giorgi Kvirikashvili von der Partei Georgischer Traum kehrte nach den Parlamentswahlen 2016 als Premierminister zurück; er war seit Ende 2015 in dieser Funktion tätig (FH 1.2018).

Am 8.10. und 30.10.2016 fanden Parlamentswahlen in Georgien statt. Die bislang regierende Partei "Georgischer Traum" sicherte sich die Verfassungsmehrheit, indem sie 115 der 150 Sitze gewann. Die "Vereinigte Nationale Bewegung" (UNM) des Expräsidenten Mikheil Saakashvili errang 27 und die "Allianz der Patrioten Georgiens" (APG) sechs Sitze (RFE/RL 1.11.2016). Mit der APG, die im ersten Wahlgang am 8.10.2016 knapp die Fünf-Prozent-Hürde schaffte, ist erstmals eine pro-russische Partei im Parlament vertreten. In der notwendigen Stichwahl am 30.10.2016 in 50 Wahlkreisen, die nach dem Mehrheitswahlrecht bestimmt werden, gewann der "Georgische Traum" 48 Wahlkreise (Standard 31.10.2016). Die übrigen zwei Sitze gingen jeweils an einen unabhängigen Kandidaten und einen Vertreter der "Partei der Industriellen" (VK 31.10.2016).

Die Wahlbeobachtungsmission der OSZE bewertete gemeinsam mit anderen internationalen Beobachtern die Stichwahl als kompetitiv und in einer Weise administriert, die die Rechte der Kandidaten und Wähler respektierte. Allerdings wurde das Prinzip der Transparenz sowie das Recht auf angemessene Rechtsmittel bei der Untersuchung und Beurteilung von Disputen durch die Wahlkommissionen und Gerichte oft nicht respektiert (OSCE/ODIHR 30.10.2016).

Am 21.10. und 12.11.2017 fanden Gemeinde- und Bürgermeisterwahlen statt. In der ersten Runde am 21.10.2017 gewann die Regierungspartei, Georgischer Traum, in allen Wahlkreisen und sicherte sich 63 von 64 Bürgermeisterämter, darunter in der Hauptstadt XXXX (RFE/RL 12.11.2017). Bei der Bügermeisterstichwahl am 12.11.2017 gewannen in fünf der sechs ausstehenden Städte ebenfalls die Kandidaten des Georgischen Traums. Nur in Ozurgeti siegte ein unabhängiger Kandidat (Civil.ge 13.11.2017). Die Wahl verlief reibungslos und professionell, wobei die Stimmabgabe, die Auszählung und das Wahlermittlungsverfahren von Beobachtern positiv beurteilt wurden, obwohl Hinweise auf mögliche Einschüchterungen und Druck auf die Wähler Anlass zur Besorgnis gaben (OSCE 13.11.2017).

Das politische Leben in Georgien ist lebendig. Die Menschen sind in der Regel in der Lage, politische Parteien zu gründen und ihre eigenen Kandidaturen mit wenig Einmischung durch Dritte umzusetzen. Allerdings hat ein Muster der Einparteiendominanz in den letzten zehn Jahren die Entwicklung und Stabilität konkurrierender Gruppen gehemmt. Die Partei Georgischer Traum dominiert den politischen Raum. Entscheidend dafür ist die Rolle von Ivanishvili, dem Schöpfer und Finanzgaranten der Partei, der maßgeblichen Einfluss auf die politische Entscheidungsfindung in Georgien hat. Die finanziellen und geschäftlichen Interessen von Ivanishvili sind auch im politischen Bereich von großer Bedeutung (FH 1.2018).

Quellen:

* Civil.ge (13.11.2017): GDDG Wins Most Mayoral Runoff Races, http://www.civil.ge/eng/article.php?id=30622, Zugriff 26.3.2018

* EC - European Commission (9.11.2017): Association Implementation Report on Georgia [SWD(2017) 371 final], https://www.ecoi.net/en/file/local/1419205/1226_1512477382_171109-association-implementation-report-on-georgia.pdf, Zugriff 9.4.2018

* FH - Freedom House (1.2018): Freedom in the World 2018 - Georgia, https://www.ecoi.net/en/document/1426297.html, 26.3.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-operation in Europe/Office for Democratic Institutions and Human Rights, European Parliament, OSCE Parliamentary Assembly, Parliamentary Assembly of the Council of Europe (30.10.2016): International Election Observation Mission, Georgia - Parliamentary Elections, Second Round - Statement of Preliminary Findings and Conclusions, Preliminary Conclusions, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/278146?download=true, Zugriff 26.3.2018

* OSCE/ODIHR - Organization for Security and Co-Operation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights (13.11.2017): Election Observation Mission Georgia, Local Elections, Second Round, 12 November 2017, http://www.osce.org/odihr/elections/georgia/356146?download=true, Zugriff 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (20.10.2017): Georgia's President Reluctantly Signs Constitutional Amendments, 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (1.11.2016): Georgia's Ruling Party Wins Constitutional Majority, http://www.rferl.org/a/georgia-elections-second-round-georgian-dream-super-majority/28085474.html, Zugriff 26.3.2018

* RFE/RL - Radio Free Europe/Radio Liberty (12.11.2017): Georgians In Six Municipalities Vote In Local Election Runoffs, https://www.rferl.org/a/georgia-local-elections-second-round/28849358.html, Zugriff 26.3.2018

* Der Standard (31.10.2016): Regierungspartei kann Georgien im Alleingang regieren, http://derstandard.at/2000046738001/Wahlsieg-von-Regierungspartei-in-Georgien-in-zweiter-Runde-bestaetigt, Zugriff 26.3.2018

* Vestnik Kavkaza (31.10.2016): Georgian Dream wins 48 districts out of 50, http://vestnikkavkaza.net/news/Georgian-Dream-wins-48-districts-out-of-50.html, Zugriff 26.3.2018

Sicherheitslage

Die Sicherheitslage in Georgien hat sich seit der militärischen Auseinandersetzung zwischen georgischen und russischen Truppen vom August 2008 weitgehend normalisiert. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Im Gali-Distrikt Abchasiens kommt es immer wieder zu Schusswechseln, Entführungen und anderen Verbrechen mit teilweise kriminellem Hintergrund. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien und Georgien nicht ausgeschlossen werden. Gleiches gilt im Falle Südossetiens. In den städtischen Zentren kann es gelegentlich zu Demonstrationen und Protestaktionen kommen, vor allem im Zusammenhang mit Wahlen. Straßenblockaden und Zusammenstöße mit den Sicherheitskräften sind nicht ausgeschlossen. Das Risiko von terroristischen Anschlägen kann auch in Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 6.6.2018).

Die Kriminalitätsrate ist in Georgien in den letzten Jahren deutlich gesunken. Auto- und andere Diebstähle sowie Einbrüche kommen vor, und sind gelegentlich von Gewalt begleitet. Übergriffe gegen Personen, die sich in der Öffentlichkeit als homosexuell zu erkennen geben, können vorkommen (AA 6.6.2018a, vgl. EDA 6.6.2018).

Bei einem Anti-Terroreinsatz in XXXX sind am 22.11.2017 ein Polizist und drei mutmaßliche Terroristen getötet worden. Mehrere mutmaßliche Anhänger einer terroristischen Gruppe hatten sich der Festnahme widersetzt, indem sie das Feuer mit automatischen Waffen eröffneten und Handgranaten auf die Anti-Terror-Einheit warfen (Standard 23.11.2017). Einer der getöteten Terroristen war offenbar Achmed Tschatajew, ein tschetschenischer Befehlshaber des sog. Islamischen Staates (IS), der den georgischen Behörden bekannt war. Tschatajew stand seit 2015 auf der Terroristenliste der Vereinigten Staaten von Amerika und wurde auch von Russland und der Türkei wegen der Organisation des tödlichen Bombenanschlags auf den Flughafen von Istanbul im Juli 2016 gesucht. Die Prognose, dass sich die terroristische Bedrohung in Georgien auf die einheimischen und zurückkehrenden Kämpfer verlagert hat, wurde durch die Operation in XXXX drastisch bestätigt (Jamestown 29.11.2017, GA 1.12.2017):

Die EU unterstützt aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die Krise in Georgien und d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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