TE Bvwg Erkenntnis 2019/10/18 L504 2213223-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 18.10.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

18.10.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

L504 2213223-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. R. ENGEL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb., StA. Irak, vertreten durch RAe PUTTINGER - VOGL GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.12.2018, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

Die beschwerdeführende Partei [bP] stellte am 23.07.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Es handelt sich dabei um eine XXXX geborene Frau, welche ihren Angaben nach Staatsangehörige des Irak mit sunnitischem Glaubensbekenntnis ist, der Volksgruppe der Araber angehört und aus Bagdad stammt.

Anlässlich der Erstbefragung gab die beschwerdeführende Partei Folgendes an:

"Mein Mann hatte im Irak ein Restaurant. Er führte dieses mit meinem Sohn XXXX und meinem Schwiegersohn XXXX . Sie wurden in dem Restaurant von der Miliz Ahl Al haq bedroht und am 5. Oktober 2015 wurde mein Mann von zu Hause für 10 Tage entführt. Sie ließen ihn erst gehen nachdem ich $ 5000 an sie bezahlt hatte. Seitdem hat die gesamte Familie das Land verlassen".

Gefragt, was sie im Falle der Rückkehr in den Irak befürchten würde, gab sie an, dass sie persönlich nicht bedroht worden sei, sondern ihre Familie. Sie habe aber trotzdem Angst, dass ihr etwas passieren könnte. Im Falle der Rückkehr würde sie mit keinen Sanktionen rechnen.

Sie gab weiters an, dass sie an Hepatitis B und Thalassämie leide.

Anlässlich der Erstbefragung legte sie in Kopie einen irakischen Reisepass vor, der im Irak am 29. März 2017 mit Gültigkeit bis 27. März 2025 ausgestellt wurde.

Am 25. Oktober 2018 fand die Einvernahme beim Bundesamt statt. Gefragt, ob sie den Dolmetscher bei der Erstbefragung verstanden habe, gab sie an, dass sie damals müde gewesen sei. Sie habe ihn verstanden, sie wolle jedoch einiges korrigieren. Sie habe fünf Hefte damals als Lösegeld für die Entlassung des Mannes bezahlt. In irakischer Sprache würden solche fünf Hefte $ 50.000 und nicht $ 5000 bedeuten. Ansonsten wolle sie nichts aus der Erstbefragung richtigstellen.

Nach dem Gesundheitszustand befragt, gab sie an, dass sie Hepatitis B und Thalassämie habe. Bezüglich Thalassämie habe sie das letzte Mal 2018 in der Türkei eine Bluttransfusion erhalten.

Sie habe seit 1987 Hepatitis B, sie sei 1990 zweimal in Deutschland zur Behandlung gewesen. Sie nehme keine Medikamente dagegen. Sie nehme aber regelmäßig ein Medikament namens Concord für ihre Herzprobleme, ihr fehle eine Herzklappe. Die Herzprobleme seien 2011 festgestellt worden. Sie habe sich deswegen schon im Irak behandeln lassen. Thalassämie habe sie bereits seit ihrer Kindheit.

Ihr Ehegatte sei derzeit im Bosnien.

Sie habe ca. ein Jahr in der Türkei gelebt und sei dann in den Irak zurück nach XXXX gekehrt. Sie habe damals den Rest von Geld aus dem Hausverkauf bekommen. Zu dieser Zeit habe sie auch einen neuen Personalausweis beantragt. Sie war auch beim Amt für die Grundbucheintragung, um das Haus offiziell an den Käufer zu überschreiben. Sie sei dabei ca. einen Monat in Irak gewesen und habe bei der Schwester XXXX gelebt. Im April 2017 sei sie dann letztlich aus dem Irak ausgereist.

Gefragt, warum sie nicht in der Türkei bei ihrem Mann geblieben sei, gab sie an, dass sie Sehnsucht nach den Kindern hatte, welche in Österreich gelebt hätten. Die Leberwerte seien schlechter geworden, die Behandlung in der Türkei hätte viel gekostet. In Österreich würde es ein Spezialgerät für die Kontrolle der Leberwerte geben. In einem anderen Land habe sie nicht um Asyl angesucht. Österreich sei ihr Zielland gewesen, weil die Kinder bereits vor ihr als Asylwerber nach Österreich kamen. Sie hätten gesagt, dass die Behandlung in Österreich genauso gut sei wie in Deutschland.

Ihre zwei Schwestern XXXX und XXXX würden im Irak leben. XXXX lebe in ihrem eigenen Eigentumshaus, XXXX lebe bei XXXX . Eine weitere Schwester namens XXXX lebe in Bagdad in einem Eigentumshaus. Ein Sohn lebe in einem Eigentumshaus im Irak in XXXX , XXXX lebe in einem Miethaus/im eigenen Haus.

Gefragt was ihre Ausreisemotiv aus dem Irak war, gab sie beim Bundesamt dazu Folgendes an:

"[...]

Schildern Sie bitte alle Gründe, warum sie ihr Heimatland verlassen und einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt haben von sich aus vollständig und wahrheitsgemäß. Sie werden darauf hingewiesen, dass falsche Angaben die Glaubwürdigkeit ihres Vorbringens beeinträchtigen. Soweit sie auf Ereignisse Bezug nehmen, werden sie auch aufgefordert, den Ort und die Zeit zu nennen, wann diese stattfanden und die Personen, die daran beteiligt waren.

Mein Mann wurde entführt. Ich habe in dieser Zeit entschlossen bei seiner Freilassung den Irak zu verlassen. Dann habe ich das Lösegeld für ihn bezahlt und nach seiner Freilassung reisten wir gemeinsam in die Türkei aus. Ende freier Schilderung.

Sind das all Ihre Fluchtgründe?

Ja.

[...]"

Die belangte Behörde befragte in weiterer Folge die beschwerdeführende Partei auch noch näher über die Entführung des Ehegatten. Dieser sei für zehn Tage, bis zur Bezahlung des Lösegeldes, festgehalten worden. Im Oktober 2015 sei er freigelassen worden.

Gefragt, was sie, nachdem ihr Ehegatte im Oktober 2015 freigelassen wurde, bis Ende Jänner, dem Zeitpunkt der Ausreise, gemacht habe, gab sie an:

"Wir haben nichts gemacht. Wir bereiteten uns für die Ausreise vor.

Wie lange haben Sie nach Oktober 2015 noch zu Hause gelebt?

Bis zwei Tage vor unserer Ausreise. Nachgefragt, Ende Jänner 2016. Die letzten zwei Tage waren wir bei meiner Schwester XXXX in XXXX , weil wir das Haus bereits verkauft hatten.

Ist Ihnen in dieser Zeit nach Oktober 2015 etwas passiert?

Nein.

Ist Ihrem Mann oder anderen Familienmitgliedern von Ihnen in der Zeit nach Oktober 2015 etwas passiert?

Die Gruppe Saraya al salam, welche meine Mann 10 Tage mitgenommen hat, haben mir gesagt, dass sie meinen Sohn XXXX mitnehmen würden.

Vorhalt: Sie haben angegeben, dass die Asaeb Ihren Mann mitgenommen hat und jetzt sagen Sie, dass es die Gruppe sei Sarya al salam war. Was stimmt jetzt wirklich?

Nein, nein. Entschuldigung. Ich habe mich geirrt.

Wurde ihr Sohn XXXX tatsächlich dann mitgenommen?

Nein, die Gruppe kam zu mir nach Hause. Nachgefragt ich meine die Asaeb. Sie fragten nach XXXX . Ich habe ihn angerufen und mitgeteilt, dass er nicht nach Hause kommen solle. Nachgefragt, er ging dann zu seine Freundin und ich habe sein Flugticket organisiert.

Wann genau kam die Asaeb und hat nach XXXX gefragt?

Am 5. Oktober 2015.

Ist das nicht der Tag, wo auch Ihr Mann bedroht wurde?

Das war derselbe Tag wo mein Mann mitgenommen wurde.

Vorhalt: Die Asaeb wollte ihr Familienrestaurant kaufen, sie habe Ihren Mann mitgenommen und freigelassen nachdem sie $ 50.000 Lösegeld gegeben haben und somit sind diese zu deren Geld gekommen. Das Problem ist erledigt. Was wollen diese noch von Ihnen bzw. ihrer Familie?

Es gibt keine Garantie, dass sie uns nichts mehr antun. Man kann solchen Gruppen nicht vertrauen. Ich will auch sagen, dass am 5. Oktober 2015 die Asaeb bei meinem Schwiegersohn XXXX waren. Er und meine Tochter XXXX war nicht Zuhause.

Gefragt ob der Sohn XXXX Probleme im Irak habe, verneinte sie dies. Die Bewohner XXXX seien überwiegend Sunniten. Die genannten Probleme hätte die Familie nie den Behörden bzw. der Polizei gemeldet. Die Polizei sei schwach und machen nichts."

Das Bundesamt hielt ihr vor, dass sie im März 2017 in den Irak zurückgekehrt sei, sie habe sogar für einen Monat dort gelebt und habe problemlos ein- und ausreisen können. Sie sei ihren Angaben nach bei mehreren Behörden gewesen, habe das Haus auf den Käufer umgeschrieben und ein neuer Reisepass und Personalausweis sei ausgestellt worden. Ihr sei in dieser ganzen Zeit nichts passiert. Die beschwerdeführende Partei antwortete auf diesen Vorhalt, dass sie, wie sie bereits erwähnt habe, persönlich nie bedroht worden sei. Ihre Schwester und ihre Cousine hätten sie immer begleitet.

Gefragt, was sie konkret im Falle der Rückkehr erwarten würde, gab sie an, dass sie dort keinen Mann und keine Kinder habe. Sie habe Angst. Sie müsse dann allein dort leben. Dass sie im Falle der Rückkehr die notwendige med. Behandlung im Irak nicht erlangen könnte, brachte sie persönlich nicht vor.

Das Bundesamt räumte der beschwerdeführerenden Partei die Möglichkeit ein zum Länderinformationsblatt betreffend dem Irak eine schriftliche Stellungnahme binnen zwei Wochen abzugeben. Sie gab dazu sogleich an, dass sie dieses nicht brauche, sie kenne die Lage sehr gut.

Der Antrag auf internationalen Schutz wurde folglich vom Bundesamt mit Bescheid vom 14.12.2018 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt.

Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen.

Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt.

Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die bP gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei.

Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das Bundesamt gelangte im Wesentlichen zur Erkenntnis, dass hinsichtlich der Gründe für die Zuerkennung des Status eines asyl- oder subsidiär Schutzberechtigten eine aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation nicht glaubhaft gemacht worden sei. Eine medizinische Versorgung sei auch im Irak erhältlich und für die bP zugänglich. Ebenso ergebe sich aus allgemeinen Lage im Herkunftsstaat keine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende bzw. reale Gefährdung der bP. Abschiebungshindernisse lägen demnach nicht vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen seien nicht gegeben. Ein die öffentlichen Interessen an der Aufenthaltsbeendigung übersteigendes Privat- und Familienleben würde nicht vorliegen und wurde daher eine Rückkehrentscheidung verfügt.

Dagegen wurde durch den Rechtsfreund innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Moniert wird im Wesentlichen, dass in der im Bescheid vollständig enthaltenen Einvernahme der beschwerdeführerenden Partei sich ein "Übersetzung-bzw. Verständigungsfehler der Aussage" der Beschwerdeführerin befinde. Die Beschwerdeführerin habe "nicht geschildert", dass die Gruppe Asaib ins Restaurant gekommen wäre, um das Restaurant zu kaufen, sondern die beschwerdeführende Partei habe vielmehr geschildert, dass ihr Mann und ihr Schwiegersohn der Asaib in ihrem Restaurant nichts verkauft hätten d. h. dass sie nicht bedient wurden. Zu diesem Sachverhalt seien auch der Schwiegersohn XXXX , die Tochter XXXX und der Sohn XXXX einvernommen worden und hätten sie dies ebenso geschildert.

Durch die Weigerung den Milizangehörigen im Restaurant etwas zu verkaufen, sei damit nach klar gewesen, dass die beiden Männer und somit auch deren Familienangehörige Mitglieder des islamischen Staates seien oder ihm zumindest nahestehen würden; die Familie der Beschwerdeführerin befinde sich daher nach wie vor auf den Listen der Miliz in denen die Mitglieder des islamischen Staates verzeichnet sind.

Es gebe aber noch weitere Gründe warum die beschwerdeführende Partei verfolgt werde. Bei der Familie der Beschwerdeführerin handle es sich um einen lokal bedeutenden sunnitischen Klan, der in der Vergangenheit politisch sehr aktiv gewesen sei. Im Irak gebe es das Institut der Sippenhaftung nach wie vor, die beschwerdeführende Partei sei daher auch aufgrund der vergangenen Tätigkeiten der Familie in Gefahr.

Sowohl die Beschwerdeführerin als auch ihr Ehegatte seien bis zum Sturz von Saddam Hussein Mitglieder der Baath-Partei gewesen. Die beschwerdeführende Partei sei nach dem Sturz von Saddam Hussein im Jahr 2003 nach Jordanien geflüchtet. 2006 habe sich die beschwerdeführende Partei danach Syrien begeben, da es dort bessere Möglichkeiten der Krankenbehandlung gegeben habe. Von 2003-2008 sei die beschwerdeführende Partei nicht im Irak gewesen, da sie Angst gehabt habe, dass man dort gegen sie vorgehe. Zu dieser Zeit seien die früheren Mitglieder der Baath-Partei massiv verfolgt worden. Erst 2008 habe sich die beschwerdeführende Partei wieder für ein paar Tage in den Irak zurückbegeben, um ihre Familie zu besuchen und einem Pensionsantrag zu stellen. Erst im Jahr 2011 sei ihr die Pension bewilligt worden. Danach habe sich die beschwerdeführende Partei wieder sicher gefühlt und sei im Irak verblieben. 2012 sei sie vollständig in den Irak zurückgekehrt.

Die beschwerdeführende Partei habe sich zur Flucht entschlossen, nachdem ihr Ehegatte von der schiitischen Miliz entführt worden sei. Sie sei dabei gewesen, als die Miliz ihren Gatten entführte. Dabei habe die Miliz ihr ganzes Gold gestohlen.

Das diese durch Entführungen Geld lukrieren wollen, sei aber nicht der Hauptzweck. Familien wie die der beschwerdeführerenden Partei sollen in Angst und Schrecken versetzt werden, weil sie früher herrschenden politischen Kräften nahestanden bzw. Teil davon waren und relativ wohlhabend sind. Der beschwerdeführerenden Partei drohe bei der Rückkehr erneut Verfolgung durch die Asaib.

Die beschwerdeführende Partei habe bei ihren Einvernahmen bisher nicht ausführlich über ihre Fluchtgründe sprechen können, weil ihr dazu nicht Gelegenheit gegeben worden sei.

Die notwendige medizinische Behandlung könne im Irak nicht sichergestellt werden. Entgegen den Ausführungen im Bescheid könne die beschwerdeführende Partei ihren Unterhalt im Irak nicht selbst aufbringen und kann sie auch nicht auf Unterstützung ihrer Familie oder eines sozialen Netzwerkes hoffen. Sie habe die letzten Jahre im Irak mehr wie ein U-Boot gelebt und habe sich nur wenig in der Öffentlichkeit gezeigt, da sie Angst aufgrund ihrer politischen Vergangenheit gehabt habe. Hinsichtlich familiärer Unterstützung sei auszuführen, dass man sie aus kulturellen Gründen nicht aufnehmen werde, da es nicht üblich und geduldet ist, dass Geschwister im Haushalt von anderen Geschwistern wohnen, zumal die Beschwerdeführerin verheiratet ist. Die Beschwerdeführerin bekomme auch seit 2016 keine Pension mehr im Irak. Sie habe diesbezüglich damals bei den Behörden nachgefragt bzw. immer wieder von ihren Geschwistern nachfragen lassen. Man habe dann geantwortet, dass die irakischen Behörden sie als tot registriert hätten.

Am 28.02.2019 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit der bP sowie im Beisein ihrer bevollmächtigten Vertreterin eine Verhandlung durch. Das BFA wurde durch einen Organwalter vertreten.

Mit der Ladung wurde die beschwerdeführende Partei auch umfassend auf ihre Mitwirkungsverpflichtung im Beschwerdeverfahren hingewiesen und sie zudem auch konkret aufgefordert, insbesondere ihre persönliche Ausreisemotivation und sonstigen Rückkehrbefürchtungen soweit als möglich spätestens in der Verhandlung durch geeignete Unterlagen bzw. Bescheinigungsmittel glaubhaft zu machen, wobei eine umfassende, jedoch demonstrative Aufzählung von grds. als geeignet erscheinenden Unterlagen erfolgte.

In der Verhandlung gab die beschwerdeführende Partei zu den von ihr aktuell erwarteten allfälligen Problemen in Falle einer Rückkehr Folgendes an:

"Seit ihrer Ausreise aus Ihrem Heimatland ist nun schon einige Zeit vergangen. Würden Sie aus heutiger Sicht bei einer Rückkehr an Ihren früheren Wohnort noch Probleme erwarten? Wenn ja, geben Sie bitte konkret und vollständig alle Probleme an, die sie persönlich für sich bei der Rückkehr erwarten würden.

Es kommt nicht in Frage, dass ich in den Irak zurückfahre. [Ende der freien Rede]."

In der anwaltlichen Stellungnahme vom 27.03.2019, mit der zu den ergänzend im Verfahren eingeführten Berichten Stellung bezogen wurde, wird behauptet, dass die bP mit ihrer Familie "sicherlich" zu jenen Personen gehören würde, die seitens der schiitischen Milizen verdächtigt werden, dem IS anzugehören oder diesen zu unterstützten und wäre die bP daher auch deshalb einer Verfolgung ausgesetzt. Dies, weil sich ihr Ehegatte und der in Österreich asylwerbende Schwiegersohn geweigert hätten die Milizen in Uniform zu bedienen.

Ihr Sohn XXXX brachte im Asylverfahren (Antrag 24.11.2015) bei der Erstbefragung als Fluchtgrund vor, dass er von Milizen aufgefordert worden sei "Waffen zu tragen". Er habe dies abgelehnt und sei danach mit dem Tod bedroht worden. Sein Vater sei entführt worden.

Bei der Einvernahme beim Bundesamt begründete er die Ausreise nunmehr damit, dass sein Vater, der Schwager und er selbst vom IS bedroht worden seien. Weiters, weil er von der Asaib Ahl al-haq bedroht worden wäre, weil sie sich geweigert hätten an sie in Militärkleidung im Restaurant etwas zu verkaufen. Das Bundesamt hat den Antrag auf Grund von erheblichen Widersprüchen zu den ausreisekausalen Erlebnissen abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Der Schwiegersohn XXXX brachte bei seinem Antrag vom 24.11.2015 bei der Erstbefragung zum Fluchtgrund vor, dass er wegen des Krieges im Irak und durch die Drohungen des IS sowie auf Grund von Drohungen seitens Milizen der Regierung das Land verlassen habe. Bei der Einvernahme brachte er dazu vor, er sei am 28.11.2014 einmal vom IS bedroht worden. Sie seien beschuldigt worden mit der Regierung und Sicherheitskräften zusammenzuarbeiten. Für ihn und die Familie, die im Restaurant mitarbeiteten, sei es selbstverständlich gewesen alle gleich zu bedienen. Sie hätten sodann vereinbart, generell keine Uniformierten mehr im Restaurant zu bedienen. Am 04.10.2015 seien 3 Uniformierte von der Asaib ahl al haq gekommen und verärgert gewesen, weil an sie nichts verkauft worden sei.

Das Bundesamt hat den Antrag auf Grund von Widersprüchen zu den ausreisekausalen Erlebnissen abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Ihre Tochter XXXX stellte am 24.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz und begründete diesen im Wesentlichen wie ihr Ehegatte XXXX . Auch ihr Antrag wurde mangels Glaubhaftmachung vom Bundesamt abgewiesen und eine Rückkehrentscheidung erlassen.

Die genannten Angehörigen der bP haben dagegen Beschwerde erhoben und befinden sich diese Verfahren bei anderen Geschäftsabteilungen des BVwG im Stande der Beschwerde.

Die anwaltlich vertretene bP hat dem BVwG seit der Stellungnahme im Rahmen des Parteiengehörs vom 27.02.2019 keine Mitteilung mehr im Rahmen der gesetzlichen Mitwirkungsverpflichtung (§ 15 AsylG, § 13 BFA-VG, § 39 Abs 2a AVG) gemacht, weshalb das BVwG vertretbar davon ausgehen kann, dass seither keine Änderungen von Umständen eingetreten sind, die in ihrer persönlichen Sphäre liegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Das BVwG hat durch den Inhalt des übermittelten Verwaltungsaktes der belangten Behörde, einschließlich der Beschwerde sowie durch die Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben. Ergänzend wurde auch in die Entscheidungen im Asylverfahren betreffend ihrer in Österreich asylwebenden Angehörigen XXXX , XXXX und XXXX genommen.

1. Feststellungen (Sachverhalt)

1.1. Identität und Herkunftsstaat:

Die Identität steht mangels Vorlage eines unbedenklichen irakischen, mit Lichtbild versehenen Identitätsdokumentes im Original nicht fest. Soweit sie hier namentlich genannt wird, handelt es sich lediglich um eine Verfahrensidentität.

Die bP bezeichnet sich der Volksgruppe der Araber und dem sunnitischen Glauben zugehörig.

Ihre Staatsangehörigkeit und der hier der Prüfung zugrundeliegende Herkunftsstaat ist der Irak.

1.2. Regionale Herkunft und persönliche Lebensverhältnisse vor der Ausreise:

Die bP ist ihren Angaben nach in Bagdad geboren und aufgewachsen. Sie absolvierte 12 Jahre die Schule und schloss mit Matura ab.

2006-2010 lebte sie in Syrien. 2010 kehrte sie in den Irak zurück. 2010 ging sie in Pension und lebte mit ihrem Ehegatten, dem Sohn XXXX , der Schwester XXXX im eigenen Haus in XXXX bis Jänner 2016. Zu diesem Zeitpunkt reiste sie mit dem Ehegatten und der Schwester XXXX in die Türkei, wo sie mit Unterbrechung wegen neuerlichem Aufenthalt im Irak bis 19.07.2019 lebte. In der Türkei hat sie nicht um Schutz angesucht. Die Türkei hat sie verlassen, da sie zu ihrem in Österreich asylwebenden Sohn reisen wollte und wegen der hiesigen medizinischen Behandlung.

Sie wohnte vor ihrer Ausreise überwiegend in XXXX , nördlich von Bagdad in der Provinz Salah ad-Din.

Sie war im Irak erwerbstätig, ab 2010 bezog sie im Irak eine Pension. Ihre Familie hat vor der Ausreise ein Restaurant betrieben und daraus Einkünfte lukriert. Sie lebte im Irak mit ihrem Ehegatten im eigenen Haus.

1.3. Familiäres/verwandtschaftliches bzw. soziales Netzwerk im Herkunftsstaat

Der verheiratete Sohn XXXX lebt im Irak in XXXX in einem Haus (AS 75), er hat XXXX studiert und ist bei einer XXXX angestellt. Ob dieses Haus in seinem Eigentum steht oder gemietet ist kann auf Grund widersprüchlicher Angaben der bP nicht festgestellt werden (AS 75). Dieser hat keine sicherheitsrelevanten Probleme im Irak.

Weiters leben 3 Schwestern im Irak. Als die bP im März 2017 für ca. einen Monat zur Erledigung verschiedener behördlicher Angelegenheit in den Irak zurückkehrte, wohnte sie bei ihren beiden Schwestern XXXX und XXXX im eigenen Haus von XXXX . Diese unterstützten die bP. Die Schwester XXXX lebt in Bagdad im eigenen Haus.

Die bP hat mit Familienangehörigen im Irak auch während des Asylverfahrens Kontakt. Es kam nicht hervor, dass das Verhältnis zu diesen zerrüttet wäre.

Die bP gehört im Irak einem großen Stamm/Clan an. Die überwiegende Anzahl leben in XXXX . Ihr Ehegatte ist ihr Cousin und gehört dem gleichen Clan an. Er lebt nach den Angaben der bP derzeit in Bosnien. Er hat dort keinen Asylantrag gestellt.

Die bP erhält auch in Österreich finanzielle Zuwendungen bzw. verfügt über unbekannte Einkünfte, zB für die Finanzierung der bevollmächtigten Rechtsanwaltskanzlei. Die bP verweigerte in der Verhandlung die nähere Auskunft darüber. Sie behauptete das Geld stamme von einer "Freundin", wolle aber dem BVwG keine nähere Auskunft über diese Person erteilen.

1.4. Ausreisemodalitäten

Sie reiste ihren Angaben nach im Jänner 2016 per Flugzeug legal in die Türkei. Im März 2017 kehrte sie für einen Monat in den Irak zurück. Sie lebte rd. eineinhalb Jahre in der Türkei, wo sie weder bei türkischen Behörden noch bei UNHCR um Schutz ansuchte.

Sie reiste folglich von der Türkei weiter nach Österreich, wo sie nicht rechtmäßig einreiste und am 23.07.2018 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Zum Verbleib des heimatsstaatlichen Reisepasses gab sie an, dass dieser beim Schlepper verblieb.

Sie durchreiste auf ihrem Weg nach Österreich mehrere als sicher geltende Staaten. In diesen suchte sie nicht um Schutz an. Es wurde nicht behauptet, dass ihr dort die Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz nicht auch möglich gewesen wäre oder dass Flüchtlinge dort keinen Schutz erlangen könnten.

1.5. Gesundheitszustand

Die bP hat über Aufforderung zur Vorlage aktueller med. Bescheinigungen betreffend ihrem aktuellen Gesundheitszustand bescheinigt, dass sie an chronischer Hepatitis B leidet. Einem vorgelegten radiologischen Befund vom 27.02.2019 ist im Ergebnis zu entnehmen, dass die Leber normal groß, typisch geformt und glatt berandet ist. Es besteht keine hepatomsuspekten Areale, auch kein Hinweis für eine erhöhte Lebersteifigkeit. Kein Hinweis für knotige oder fokal tumorsuspekte Veränderungen.

Einer am 11.03.2019 ausgestellten Bestätigung eines Facharztes für innere Medizin ist zu entnehmen:

Ordination: 21. Jänner 2019, 6. Februar 2019

Diagnose:

Chronische Hepatitis B Virusinfektion, niedrige Viruslast, asymptomatischer Trägerstatus

hämolytische Anämie-berichtete Thalassämia minor

ST. P. Polytransfusionen mit berichteter Eisenüberladung

ST. P. Hysterektomie wegen Gebärmutterkrebs, postoperative Chemotherapie

Kommentar: Derzeit niedrige HBV Viruslast, keine Transaminasenauslenkung, Eisenstatus derzeit normal, ebenso kein Hinweis auf aktuelle Hämolyse. Derzeit kein Hinweis auf rezidive oder Metastasierung bei St.p.Gebärmutterkrebs.

Sowohl die hämolytische Anämie, die derzeit niedrig virämische Hepatitis B Virusinfektion als auch die durchgemachte Krebserkrankung können jederzeit wieder aktiv werden bzw. rezidivieren und dann einer spezialisierten Therapie bedürfen, die medizinisch anspruchsvoll ist und nicht überall gewährleistet werden kann.

Therapievorschlag: Viread, Cortison, Desferal, bei Exazerbation der oben erwähnten Krankheiten

Kontrolle: Sechsmonatlich inklusive HBV Viruslast, Sonografie, AFP zur HCC Vorsorge, gynäkologische Kontrollen, Eisenstatus, BB

Einem vorgelegten Kommissionsbeschluss des irakischen Gesundheitsministeriums vom XXXX 2010, zuständige Kommission in XXXX , ist zu entnehmen, dass die medizinische Kommission feststellte:

Infolge einer Gebärmutterentfernung wegen Tumor und einer Gallenblasenentfernung wegen Gallensteine

Wegen erblicher Anämie benötigt sie dauernde Bluttransfusionen

Sie leidet an Hepatitis B

Sie ist dienstuntauglich und muss in Pension geschickt werden

Sie ist laut T2 von 1998 zu 75% infalid

1.6. Privatleben / Familienleben in Österreich

Art, Dauer, Rechtmäßigkeit des bisherigen Aufenthaltes:

Die bP begab sich am 19.07.2018 von der Türkei aus mit Unterstützung einer kriminellen Schlepperorganisation und ohne Vorhandensein eines Einreise- bzw. Aufenthaltstitels, behauptetermaßen über ihr unbekannte Länder am 23.07.2018 in das Bundesgebiet.

Mit der am 23.07.2018 erfolgten Stellung des Antrages auf internationalen Schutz erlangte die bP eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG, die nach Antragsabweisung durch die Beschwerdeerhebung verlängert wurde.

Da ihr in diesem Verfahren weder der Status eines Asylberechtigten noch jener eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen war, erweist sich die Einreise als rechtswidrig und stellt grds. gem. § 120 Abs 1 u. Abs 7 FPG eine Verwaltungsübertretung dar.

Familiäre Anknüpfungspunkte in Österreich:

Die Tochter befindet sich mit deren Ehegatten seit der Asylantragstellung vom 24.11.2015 in Österreich. Sie haben 3 Kinder, für welche ebenfalls ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde. Weiters befindet sich ein Sohn der bP seit oa. Datum in Österreich als Asylwerber. Nach Abweisung des Antrages und Erlassung einer Rückkehrentscheidung befindet sich deren Verfahren im Stand der Beschwerde und verfügen sie über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gem. AsylG.

Die bP wohnt in einem Flüchtlingsheim. Der Sohn besucht sie alle 2-3 Tage und unterstützt sie. Er bringt sie zu ihrer Tochter oder auch zu Terminen im Krankenhaus. Die Tochter unterstützt sie ebenfalls, zB kocht sie und die bP nimmt sich etwas mit ins Camp.

Ein gemeinsames Wohnen liegt nicht vor und lebten sie auch zw. 2015 und 2018 in unterschiedlichen Staaten.

Schutzwürdigkeit des Privatlebens / Die Frage, ob das Privatleben / Familienleben zu einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstaates bewusst waren / Grad der Integration

Für den Fall, dass die bP in Österreich dauerhaft verbleiben dürfte, äußerte sie den Wunsch hier medizinische Behandlung zu erhalten. Danach möchte sie die deutsche Sprache erlernen und in einem Supermarkt arbeiten.

Sie behauptete, dass eine "Freundin" den Rechtsanwalt in Österreich finanziert, weigerte sich jedoch den Namen der Person preiszugeben.

Bescheinigt wurde, dass sie am 25.02.2019 mit einem Deutschkurs A1, Teil 1 begann. Weiters hat sie an Asphabetisierungskursen teilgenommen. Die bP vermochte in der Verhandlung in der Praxis Deutschkenntnisse darlegen, die jedenfalls unter dem Niveau A1 gem. den GER für Sprachen liegen.

Teilweise oder gänzliche wirtschaftliche Selbsterhaltung während des Verfahrens bzw. Teilnahme an möglicher und erlaubter Erwerbstätigkeit für Asylwerber (https://www.ams.at/unternehmen/service-zur-personalsuche/beschaeftigung-auslaendischer-arbeitskraefte/beschaeftigung-von-asylwerberinnen-und-asylwerbern#wieknnenasylwerberinnenundasylwerberbeschftigtwerden) kam nicht hervor.

Gemeinnützige Tätigkeiten wurden nicht dargelegt.

Sie bezieht seit Einreise Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung, einschließlich medizinischer Leistungen.

Bindungen zum Herkunftsstaat:

Die beschwerdeführende Partei ist im Herkunftsstaat geboren, absolvierte dort ihre Schulzeit, kann sich im Herkunftsstaat - im Gegensatz zu Österreich - problemlos verständigen und hat ihr überwiegendes Leben in diesem Staat verbracht. Sie kennt die dortigen Regeln des Zusammenlebens. Sie verfügt in XXXX und Bagdad auch noch über einen Sohn bzw. Geschwister und sonstige Verwandte.

Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass die beschwerdeführende Partei als von ihrem Herkunftsstaat entwurzelt zu betrachten wäre.

Strafrechtliche/verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen:

In der Datenbank des österreichischen Strafregisters scheinen keine Vormerkungen wegen rk. gerichtlicher Verurteilungen auf.

Das Vorliegen von rk. Verwaltungsstrafen wurde dem BVwG von den Verwaltungsstrafbehörden nicht mitgeteilt und ergibt sich auch nicht aus dem Akteninhalt.

Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts:

Da der bP weder der Status einer Asylberechtigten noch der einer subsidiär schutzberechtigten Person zukommt, stellt die rechtswidrige Einreise gegenständlich auch grds. eine Verwaltungsübertretung dar (vgl. § 120 Abs 7 FPG).

Die beschwerdeführende Partei verletzte - trotz diesbezüglicher Belehrung - durch die nichtwahrheitsgemäße Begründung ihres Antrages auf internationalen Schutz ihre Mitwirkungsverpflichtung im Asylverfahren.

Verfahrensdauer:

Das Asylverfahren wurde vor beiden Instanzen ohne größere Unterbrechungen durchgeführt.

1.7. Zu den behaupteten ausreisekausalen Geschehnissen / Erlebnissen im Zusammenhang mit staatlichen bzw. nichtstaatlichen Akteuren und der zu erwartenden Rückkehrsituation:

Die bP vermochte die behaupteten, als ausreisekausal dargelegten, persönlichen Erlebnisse, so wie von ihr dargelegt, aus den in der Beweiswürdigung angeführten Gründen nicht glaubhaft machen.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass die bP im Zusammenhang mit ihrer als nicht glaubhaft erachteten ausreisekausalen Bedrohungslage im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat, konkret ihre Herkunftsregion, mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer asylrelevanten Verfolgungsgefahr oder einer entscheidungsrelevanten realen Gefahr von Leib und/oder Leben ausgesetzt wäre. Ihr ist damit auch nicht der Raub/Diebstahl ihres Vermögens im Irak gelungen.

Aus den Angaben der bP ergibt sich im Herkunftsstaat, insbesondere in der Herkunftsregion der bP, unter Berücksichtigung ihrer persönlichen Verhältnisse, keine Situation, wonach im Falle der Rückkehr eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts bestünde. Dies ergibt sich auch nicht aus der amtswegigen Einschätzung der Lage im Herkunftsstaat

Die bP war im Hinblick auf Unterkunft und Versorgung mit Lebensmitteln bislang in der Lage im Herkunftsstaat ihre Existenz zu sichern. Es kann nicht festgestellt werden, dass sie im Falle der Rückkehr nicht mehr ihre Grundbedürfnisse der menschlichen Existenz decken könnte.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP im Falle der Rückkehr über kein familiäres Netz mehr verfügen würde.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die bP aus dem Irak keine Pensionszahlung mehr erhält.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die reale Gefahr besteht, dass die Krankheiten der bP nicht auch im Irak behandelbar sind oder sie real Gefahr laufen würde zu dieser medizinischen Versorgung keinen Zugang zu haben. Die bei der bP festgestellte "Thalassämie minor" wurde auch im Irak diagnostiziert sowie behandelt und wurde dort auch die Hepatitis B festgestellt (AS 70).

Dass eine Behandlung aktuell nicht mehr möglich wäre, kann der Berichtslage nicht entnommen werden und hat die bP auch selbst keine derartigen Berichte vorgelegt.

Aus dem vorgelegten med. Bescheinigungsmittel eines Facharztes für innere Medizin ist zu entnehmen, dass zum Bescheinigungszeitpunkt 11.03.2019 keine akute Behandlungsnotwendigkeit gegeben war und eine 6-monatliche Kontrolle empfohlen wurde. Bis zum Zeitpunkt der Entscheidung wurde im Rahmen der Mitwirkungs- und Verfahrensförderungspflicht der bP keine Änderung dieser, in ihrer persönlichen Sphäre liegenden Umstände mitgeteilt, weshalb davon ausgegangen wird, dass dieser Status noch aktuell ist.

Thalassämia:

sind Anämien, die durch eine Fehlbildung und einen gesteigerten Abbau der roten Blutkörperchen verursacht sind. Sie werden autosomal dominant vererbt und treten vor allem im Mittelmeerraum, im vorderen Orient und bei der afrikanisch-stämmigen Bevölkerung auf. Gemeinsam ist ihnen ein genetischer Fehler in der Zusammensetzung des roten Blutfarbstoffes (Hämoglobin). Dadurch kommt es zu einem verminderten Hämoglobingehalt der roten Blutkörperchen sowie zu einem vermehrten Abbau derselben (vor allem in der Milz).

Therapie: Die einzige Behandlung, die zu einer definitiven Heilung führen kann, ist die Knochenmarkstransplantation. Diese wird nur bei sehr schweren Verlaufsformen durchgeführt. Die nur die Symptome behandelnde Therapie beinhaltet regelmäßige Bluttransfusionen und die Verabreichung von Medikamenten, die das überschüssige Eisen binden (Eisenchelatbildner) sowie eine zusätzliche Eisenzufuhr vermeiden.

"Thalassmia minor" (HB zwischen 10 und 12g/dl) - die häufigste klinische Verlaufsform - bedarf keiner Therapie, und wird zumeist zufällig diagnostiziert. Wichtig ist in diesen Fällen die Vermeidung der Eisenzufuhr und ggf. bei Männern die jährliche Überprüfung des Eisenstatus, wenn einmal eine Ferritinerhöhung festgestellt wurde. (Quelle: https://www.netdoktor.at/krankheit/thalassaemie-7347).

Hepatitis B:

Hepatitis B ist eine Entzündung der Leber, die durch eine Infektion mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) entsteht. Hepatitis B beginnt zumeist mit einer akuten Leberentzündung, welche in rund 95% der Fälle vollständig und ohne Folgen ausheilt. Bei einem geringen Prozentsatz der Infizierten geht die akute Hepatitis B jedoch in eine chronische Form über. Diese kann über viele Jahre zu einer fortschreitenden Leberschädigung führen. In weniger als 1% der Fälle kann die akute Hepatitis B auch fulminant verlaufen mit schwerem Leberausfall, die sich zwar spontan bessern kann, oft aber auch zur akuten Lebertransplantation oder zum Tod führt.

In der Therapie stehen wirksame Medikamente zur Verfügung, mit denen auch eine chronische Hepatitis B kontrolliert werden kann. Wichtig für den Heilungserfolg sind eine frühe Diagnose mit rechtzeitigem Therapiebeginn, bevor es zu einer schweren Schädigung der Leber mit fortgeschrittener Leberzirrhose kommt. Sicherer ist allerdings die Schutzimpfung, mit der man sich vor Infektion und Erkrankung schützen kann. Die Hepatitis B zählt, global gesehen, zu den größten Gesundheitsproblemen der Menschheit. Je nach geografischer Lage, ethnischer Zugehörigkeit und Risikogruppe ist die Häufigkeit sehr unterschiedlich. Schätzungen zufolge sind etwa 240 Millionen Menschen weltweit chronisch infiziert und etwa 600.000 Menschen sterben jährlich an den Folgen der Erkrankung.

Behandlung: Bei der Behandlung der akuten Hepatitis B genügt meist eine Therapie der Symptome. Meist heilt Hepatitis B nach dem Abklingen der akuten Leberentzündung von selbst ab. Bei schweren Verläufen oder chronischer Hepatitis B werden Medikamente eingesetzt, die die Virusproduktion stoppen und so die Krankheitsaktivität und das Fortschreiten der Erkrankung reduzieren können. Eine akute Hepatitis-B-Infektion heilt in den meisten Fällen von selbst aus. Auch die chronische Verlaufsform kann sowohl spontan als auch mithilfe einer geeigneten Therapie klinisch ausgeheilt werden. Meist wird die Erkrankung durch die Medikamente allerdings nur kontrolliert, sodass eine langfristige Medikamenteneinnahme notwendig ist. (Quelle: https://www.netdoktor.at/krankheit/hepatitis-b-7373).

1.8. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat (Quellen):

Berichte aus dem angefochtenen Bescheid:

Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Stand 20.11.2018

Aktuelles Länderinformationsblatt zum Irak (2017) vom BAMF

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation, Irak, Hepatitis B, Thalassämie, Herzprobleme, 20.11.2018

Berichte des BVwG aus dem Beschwerdeverfahren:

BVwG-vorläufige Feststellungen zum Irak

UN Casualty figures for Iraq fort he moth of December 2018

Zeitraumbezogene Vorfallsrecherche via google news, Stichwort "Samarra Iraq" und "Iraq"

Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über chronologische Auflistung sicherheitsrelevanter Vorfälle von Oktober 2018 bis Jänner 2019 mit Sunniten als Opfer

Interview mit Journalistin Birgit Svensson

Landinfo, Report Irak: Travel documents and other identity documents

Auf Basis der übermittelten verfahrensgegenständlichen Berichtslage ergibt sich für das BVwG zusammengefasst aktuell folgendes (vorläufiges) Lagebild zum Irak:

Politik / Zusammensetzung der Bevölkerung

Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert. Gemäß der Verfassung ist der Irak ein demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat, der aus 18 Provinzen besteht. Die Autonome Region Kurdistan ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Provinzen Dohuk, Erbil und Sulaymaniya. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung, verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte.

Die konfessionell/ethnische Verteilung der politischen Spitzenposten ist nicht in der irakischen Verfassung festgeschrieben, aber seit 2005 üblich. So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde. Die meisten religiös-ethnischen Gruppen sind im Parlament vertreten.

Der Irak hat ca. 38 Millionen Einwohner. Etwa 75-80 % der heute im Irak lebenden Bevölkerung sind Araber, 15-20 % sind Kurden und 5 % sind Turkomanen, rund 600.000 Assyrer/Aramäer, etwa 10.000 Armenier oder Angehörige anderer ethnischer Gruppen. Weiterhin sollen im Südosten 20.000 bis 50.000 Marsch-Araber leben. Von turkomanischen Quellen wird der Anteil der eigenen ethnischen Gruppe auf etwa 10 % geschätzt.

Etwa 97 % der Bevölkerung sind muslimisch. Über 60 % sind Schiiten und zwischen 32 und 37 % Sunniten; die große Mehrheit der muslimischen Kurden ist sunnitisch. Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch (arabische) Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Christen, Jesiden und andere Religionen bilden mit ca. 3 % eine Minderheit. Die Christen zählen überwiegend zu den orientalisch-christlichen Gemeinschaften: Chaldäisch-katholische Kirche, Assyrische Kirche des Ostens, Alte Kirche des Ostens, Armenische Apostolische Kirche, Römisch-katholische Kirche, Syrisch-katholische Kirche, Syrisch-Orthodoxe Kirche von Antiochien, Assyrisch-evangelische Kirche und andere.

Sicherheitskräfte - Milizen - Rechtschutz

Die irakischen Sicherheitskräfte ISF:

Im ganzen Land sind zahlreiche innerstaatliche Sicherheitskräfte tätig. Die irakischen Sicherheitskräfte (ISF, Iraqi Security Forces) bestehen aus Sicherheitskräften, die vom Innenministerium verwaltet werden, Sicherheitskräften, die vom Verteidigungsministerien verwaltet werden, den Volksmobilisierungseinheiten (PMF, Popular Mobilization Forces), und dem Counter-Terrorism Service (CTS). Das Innenministerium ist für die innerstaatliche Strafverfolgung und die Aufrechterhaltung der Ordnung zuständig; es beaufsichtigt die Bundespolizei, die Provinzpolizei, den Dienst für den Objektschutz, den Zivilschutz und das Ministerium für den Grenzschutz. Die Energiepolizei, die dem Ölministerium unterstellt ist, ist für den Schutz von kritischer Infrastruktur in diesem Bereich verantwortlich. Konventionelle Streitkräfte, die dem Verteidigungsministerium unterstehen, sind für die Verteidigung des Landes zuständig, führen aber in Zusammenarbeit mit Einheiten des Innenministeriums auch Einsätze zur Terrorismusbekämpfung sowie interne Sicherheitseinsätze durch. Der Counter-Terrorism Service (CTS) ist direkt dem Premierminister unterstellt und überwacht das Counter-Terrorism Command (CTC), eine Organisation, zu der drei Brigaden von Spezialeinsatzkräften gehören. Die irakischen Streit- und Sicherheitskräfte dürften mittlerweile wieder ca. 100.000 Armee-Angehörige (ohne PMF und Peshmerga) und über 100.000 Polizisten umfassen.

Volksmobilsierungseinheiten (PMF):

Der Name bezeichnet eine Dachorganisation für etwa vierzig bis siebzig Milizen und demzufolge ein loses Bündnis paramilitärischer Formationen. Die PMF werden vom Staat unterstützt und sind landesweit tätig. Die Mehrheit der PMF-Einheiten ist schiitisch, was die Demografie des Landes widerspiegelt. Sunnitische, jesidische, christliche und andere "Minderheiten-Einheiten" der PMF sind in ihren Heimatregionen tätig. Es gibt große, gut ausgerüstete Milizen, quasi militärische Verbände, wie die Badr-Organisation, mit eigenen Vertretern im Parlament, aber auch kleine improvisierte Einheiten mit wenigen Hundert Mitgliedern, wie die Miliz der Schabak. Viele Milizen werden von Nachbarstaaten wie dem Iran oder Saudi-Arabien unterstützt. Die Türkei unterhält in Baschika nördlich von Mosul ein eigenes Ausbildungslager für sunnitische Milizen. Die Milizen haben eine ambivalente Rolle. Einerseits wäre die irakische Armee ohne sie nicht in der Lage gewesen, den IS zu besiegen und Großveranstaltungen wie die Pilgerfahrten nach Kerbala mit jährlich bis zu 20 Millionen Pilgern zu schützen. Andererseits stellen die Milizen einen enormen Machtfaktor mit Eigeninteressen dar, was sich in der gesamten Gesellschaft, der Verwaltung und in der Politik widerspiegelt und zu einem allgemeinen Klima der Korruption und des Nepotismus beiträgt. Die PMF unterstehen seit 2017 formal dem Oberbefehl des irakischen Ministerpräsidenten. Alle PMF-Einheiten sind offiziell dem Nationalen Sicherheitsberater unterstellt. Die Bemühungen der Regierung, die PMF als staatliche Sicherheitsbehörde zu formalisieren, werden fortgesetzt, aber Teile der PMF bleiben "iranisch" ausgerichtet. Das Handeln dieser unterschiedlichen Einheiten stellt zeitweise eine zusätzliche Herausforderungen in Bezug auf die Sicherheitslage dar, insbesondere - aber nicht nur - in ethnisch und religiös gemischten Gebieten des Landes.

Rechtschutz

Das reguläre Strafjustizsystem besteht aus Ermittlungsgerichten, Gerichten der ersten Instanz, Berufungsgerichten, dem Kassationsgerichtshof und der Staatsanwaltschaft. Das Oberste Bundesgericht erfüllt die Funktion eines Verfassungsgerichts. Die Verfassung garantiert die Unabhängigkeit der Justiz. Jedoch schränken bestimmte gesetzliche Bestimmungen und Einflussnahmen die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz ein. Personal- und Kompetenzmangel wird zuweilen beklagt.

Die Verfassung gibt allen Bürgern das Recht auf einen fairen und öffentlichen Prozess. Dennoch verabsäumen es Beamte vereinzelt, Angeklagte unverzüglich oder detailliert über die gegen sie erhobenen Vorwürfe zu informieren. Beobachter berichteten, dass Verfahren nicht den internationalen Standards entsprechen. Obwohl Ermittlungs-, Prozess- und Berufungsrichter im Allgemeinen versuchen, das Recht auf ein faires Verfahren durchzusetzen, gibt es diesbezüglich Mängel im Verfahren. Urteile ergehen vereinzelt mit überschießend hohen Strafen.

Aufgrund von Misstrauen gegenüber Gerichten oder fehlendem Zugang wenden sich Iraker vereinzelt auch an Stammesinstitutionen, um Streitigkeiten beizulegen, selbst wenn es sich um schwere Verbrechen handelt.

Die Rechtsprechung ist in der Praxis von einem Mangel an kompetenten Richtern, Staatsanwälten sowie Justizbeamten gekennzeichnet. Eine Reihe von Urteilen lassen auf politische Einflussnahme schließen. Hohe Richter werden oftmals auch unter politischen Gesichtspunkten ausgewählt.

Sunniten

Ca. 17-22 %, also ca. 6,5 bis 8,4 Millionen der Gesamtbevölkerung sind arabische Sunniten (vorwiegend im Zentral- und Westirak), ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung sind kurdische Sunniten. So wie Schiiten sind auch arabische Sunniten in hohen politischen (zB Parlamentspräsident) und öffentlichen Ämtern vertreten. Ebenso als Beschäftigte bei Polizei, Militär und Gerichten. Sunniten nehmen ebenso am sonstigen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Leben teil. Es gibt Berichte über vereinzelte Menschenrechtsverletzungen an Sunniten, va. durch schiitische Milizen oder unbekannte Täter. Vor allem Personen die Angehörige der terroristischen Gruppierung IS sind oder im Verdacht stehen solche zu sein oder diese unterstützen, können derart gefährdet sein. Auf Grund der Berichtslage lässt sich nicht schließen, dass dies Teil eines systematischen, quasi jeden Sunniten gleichermaßen treffenden Risikos ist. Sunniten, die in schiitisch dominierten Regionen leben, können gesellschaftliche Diskriminierung in einem moderaten Level erfahren, vor allem in den südlichen Gouvernements. Es handelt sich vorwiegend um Diskriminierung am Arbeitsmarkt bzw. um gesellschaftliche Diskriminierung aufgrund von Nepotismus. Schiitische Arbeitgeber würden eher Schiiten einstellen. Generell ist die Zahl von registrierten, sicherheitsrelevanten Vorfällen jedoch seit dem Zeitpunkt als der IS als "vertrieben" gilt, stark rückläufig.

Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen Sieg über den Islamischen Staat. Die Sicherheitslage hat sich, seitdem die territoriale Kontrolle des IS gebrochen wurde, verbessert. Vereinzelte, untergetauchte IS-Kämpfer sind jedoch weiterhin in manchen Gebieten für Verbrechen verantwortlich. Ebenso werden vereinzelt Übergriffe seitens schiitischer Milizen verzeichnet. Die allgemeine Kriminalitätsrate ist hoch. Eine systematische Diskriminierung oder Verfolgung religiöser oder ethnischer Minderheiten durch staatliche Behörden findet grds. nicht statt. In der Autonomen Region Kurdistan sind Minderheiten weitgehend vor Gewalt und Verfolgung geschützt.

Wenngleich es zum Teil erhebliche Mängel im Sicherheits- und Rechtschutzsystem gibt, kann nicht davon gesprochen werden, dass für die Bevölkerung generell keine wirksamen Schutzmechanismen vorhanden wären oder, dass dazu kein Zugang möglich wäre. Ansätze zur Abhilfe und zur Professionalisierung entstehen durch internationale Unterstützung: Die Sicherheitssektorreform wird aktiv und umfassend von der internationalen Gemeinschaft unterstützt.

Es ergibt sich auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht, dass in der Herkunftsregion der beschwerdeführenden Partei oder im gesamten Irak aktuell eine Lage herrschen würde, die für eine Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit (infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes) mit sich bringen würde.

Es kann auf Grund der aktuellen Berichtslage nicht festgestellt werden, dass derzeit quasi jede Person mit dem Persönlichkeitsprofil der beschwerdeführenden Partei (insbes. ethnische, konfessionelle Zugehörigkeit) im Irak bzw. in der Herkunftsregion einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung aus asylrelevanten Motiven unterliegen würde.

Es kann ebenso nicht festgestellt werden, dass für diese Personen im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine allgemeine Sicherheitslage herrschen würde, wonach sie per se einer realen Gefahr einer Gefährdung der persönlichen Unversehrtheit ausgesetzt wären

Aktuelle Versorgungslage

Auf Grund klimatischer Verhältnisse (Wasserknappheit) und zum Teil veralteter Infrastruktur kann die Versorgung mit sauberem Wasser nicht überall gleich gut gewährleistet sein. Berichte, dass das Mindestmaß an lebensnotwendiger Versorgung mit Trinkwasser (zB auch durch Kauf von Trinkwasserflaschen in Geschäften) im Irak nicht möglich oder zugänglich wäre, liegen nicht vor.

Schätzungen des Welternährungsprogramms zufolge benötigen ca. 700.000 Iraker Nahrungsmittelhilfe. Das Sozialsystem wird vom sog. "Public Distribution System" (PDS) dominiert, einem Programm, bei dem die Regierung importierte Lebensmittel kauft, um sie an die Öffentlichkeit zu verteilen. Das PDS ist das wichtigste Sozialhilfeprogramm im Irak, in Bezug auf Flächendeckung und Armutsbekämpfung. Es ist das wichtigste Sicherheitsnetz für Arme. Es sind alle Bürger berechtigt, Lebensmittel im Rahmen von PDS zu erhalten. An der Umsetzung kann es zu Mängeln kommen.

Es kann auf Grund der Berichtslage nicht festgestellt werden, dass aktuell im Irak bzw. in der Herkunftsregion eine derart schlechte Versorgungslage herrschen würde, dass nicht das zur Existenz unbedingt Notwendige erlangbar wäre.

Medizinische Versorgung

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können, haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert.

Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm: 11,40 - 15.20 Euro]. Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind dann noch zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 11.2018).

SOZIALWESEN

1. Sozialsystem

a. Allgemeine Informationen

Alle Iraker sind automatisch im Sozialsystem registriert. Die KR-I Regierung behandelt keinen Staatsbürger unterschiedlich aufgrund von Religion oder Ethnie. Diese haben, ebenso wie Rückkehrer, Zugang zu allen Sozialleistungen.

b. Zugang, speziell für Rückkehrer

- Behinderte Personen

- Familien von Märtyrern

- Weisen

- In bestimmten Spezialfällen

- Der Staat zahlt im Staatsgebiet vertriebenen (IDP¿s) 800USD pro Familie.

- Schutzbedürftige Personen mit Behinderungen erhalten 150.000IQD für Betreuungsmöglichkeiten.

Unterstüztungsprogramme können von Gemeinde zu Gemeinde variieren.

Die Anmeldung erfolgt über das Ministerium für Arbeit und Soziales.

Es werden ein gültiger Ausweis sowie Informationskarte gebraucht. Darüber hinaus sollten alle weiteren relevanten Dokumente wie z.B. medizinische Bescheinigungen mitgebracht werden.

c. Leistungen

Irak hat ein System, welches nicht ganz der Definition einem Sozialleistungssystem in europäischen Ländern entspricht. Das Land stellt einen BürgerInnen gewisse Leistungen kostenlos zur Verfügung, wie zum Beispiel Bildung, Grundnahrungsmittel und die Gesundheitsversorge in staatlichen Krankenhäusern ist nicht teuer. Dennoch muss man hier vermerken, dass staatliche Leistungen keine hohen Standards haben und gerade in den letzten Jahren durch den Krieg gelitten haben.

2. Rentensystem

a. Allgemeine Informationen

Alle Angestellten im öffentlichen Sektor haben Zugang zum Rentensystem, sobald sie vom Staat eingestellt werden. Männliche Staatsbürger im Alter von 60 Jahren müssen zuvor 25 Jahre Dienst im öffentlichen Sektor geleistet haben, um beim Rentensystem berücksichtigt zu werden. Weibliche Angestellte im Alter von 55 Jahren müssen 20 Jahre Dienst vorweisen.

In Baghdad können Beamte mit 13 Dienstjahren oder im Alter von 55 Rente in Anspruch nehmen.

b. Zugang, speziell für Rückkehrer:

Der Rückkehrende muss Dokumente mitbringen die seine Arbeitszeit im öffentlichen Sektor nachweisen. Darüber hinaus müssen ebenfalls die oben genannten Voraussetzungen gegeben sein.

Der Rückkehrende muss ein offizielles Pensionsdokument seines Unternehmens/Institution aufweisen mitsamt einem gültigen Ausweis.

3. Gefährdete Personen

a. Generelle Informationen

Zu den gefährdete Personengruppen gehören Waisen, Märtyrerangehörige, Witwen, Personen mit Einschränkungen. Diese erhalten vom Staat Leistungen, dazu müssen sie Unterlagen einreichen, die die Dazugehörigkeit zu diesem Personenkreis bestätigt. Je nach Gefährdung sind dazu unterschiedliche Unterlagen notwendig.

b. Unterstützung für Gefährdete Personen

- Eine Liste mit NGOs und Organisationen findet man im Anhang.

- Leistungen sind in diesen Fällen finanzielle Unterstützungen

- Dazu sind irakische Unterlagen notwendig

Medizinische Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 21.11.2018:

Bitte um Überprüfung ob:

- eine Behandlung der gesundheitlichen Probleme (Hepatitis B, Thalassemia und Herzprobleme d.h. rechte Herzklappe fehlt) im Irak möglich ist.

- der Zugang zu den (unbekannten jedoch) benötigten Behandlungsmöglichkeiten bzw. Medikamente im Irak gegeben ist.

Quellenlage/Quellenbeschreibung:

In öffentlich zugänglichen Quellen wurden im Rahmen der zeitlich begrenzten Recherche auf Deutsch einige Informationen gefunden. Aufgrund der medizinisch spezifischen Art der Fragestellungen wurden diese an eine externe Stelle zur Recherche weitergeleitet. Bei dieser handelt es sich um IOM. Informationen zu IOM finden sich auf dem Quellenblatt der Staatendokumentation auf www.staatendokumentation.at. Eine ausführliche Quellenbeschreibung zu den weiteren Quellen findet sich unter http://www.ecoi.net/5.unsere-quellen.htm.

Zu Behandlung von Hepatitis B darf auf die Anfragebeantwortung IRAK_RF_MEV_Behandlung von Hepatitis B und Schilddrüsenerkrankung_2018_05_22_K verwiesen werden, zu finden auf www.staatendokumentation.at.

Weiterführend darf auf das aktuelle LIB Irak (Kapitel 18. Medizinische Versorgung) verweisen werden, zu finden ebenfalls auf www.staatendokumentation.at.

Zusammenfassung:

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass sowohl antivirale Arzneimittel als auch Behandlungen für Hepatitis B im Irak verfügbar sind.

Für die Behandlung von Thalassemia sind Bluttransfusion, stationäre und ambulante (Folge-)Behandlung durch Hämatologen verfügbar. Das angefragte Medikament Concor (Wirkstoff: Bisoprolol) ist im Irak fast in allen Apotheken erhältlich. Darüber hinaus gibt es im Land, hauptsächlich in Bagdad, Thalassemia Zentren.

Für die Behandlung von Herzerkrankungen sind die folgenden medizinischen Leistungen verfügbar: Herzchirurgie: Herzklappenchirurgie, Stationäre Behandlung durch einen Kardiologen und Herzchirurgen, Ambulante (Folge-)Behandlung durch einen Kardiologen und Herzchirurgen bzw. Diagnostische Bildgebung für Kardiologie.

Betreffend der Zugänglichkeit ist den konsultierten Quellen zu entnehmen, dass alle irakische Staatsbürger Zugang zu Gesundheitseinrichtungen haben. Es ist jedoch kein staatliches Krankenversicherungssystem etabliert, weswegen es keine Kostenübernahmen gibt.

Trotz Verfügbarkeit von Medikamenten und Behandlungsformen kann mit Einschränkungen in der medizinischen Versorgung gerechnet werden. Beispielsweise können Wartezeiten entstehen oder es kann sein, dass Medikamente nicht immer erhältlich sind. Weiters ist das Versorgungsniveau in weiten Landesteilen zurzeit weder technisch noch personell ausreichend.

Es sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich aus der grundsätzlichen Verfügbarkeit einer Behandlung/Medikation keinerlei Angaben zur tatsächlichen Zugänglichkeit im Einzelfall ableiten lassen.

Einzelquellen:

IOM Bagdad antwortet auf die Frage, ob das angefragte Medikament oder Generika mit dem angegebenen Wirkstoff im Irak verfügbar und zugänglich ist folgendermaßen: Concor (Wirkstoff: Bisoprolol) ist verfügbar und kostet 4 USD (3.53 EUR) pro Packung mit zehn Tabletten. Das oben angeführte Medikament ist fast in allen Apotheken erhältlich.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten