TE Bvwg Erkenntnis 2020/5/13 W174 2126090-2

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Veröffentlicht am 13.05.2020
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Entscheidungsdatum

13.05.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
FPG §55a

Spruch

W174 2126090-2/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.03.2018, Zl. 1078432703/15870091, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 18.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, moslemischen Glaubens zu sein und der Volksgruppe der Hazara anzugehören, ursprünglich aus dem Distrikt Miramor in der Provinz Daikondi zu stammen und Hilfsarbeiter gewesen zu sein. Sein Vater sei verstorben, er selbst habe noch eine Mutter, zwei jüngere Brüder und zwei Schwestern, die wegen der Streitigkeiten mit ihrem Stiefbruder alle in den Iran geflohen seien. Der Beschwerdeführer sei ledig und kinderlos.

Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, dass es Grundstücksstreitigkeiten zwischen seiner Familie und der Familie seines Stiefbruders gegeben habe. Der Stiefbruder habe gedroht, den Beschwerdeführer umzubringen, wenn er ihm seine Grundstücke nicht überschreibe.

3. Am 05.04.2016 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er im Wesentlichen, zur Volksgruppe der Hazara zu gehören und schiitischer Moslem sowie ledig und kinderlos zu sein. In Afghanistan habe er im Distrikt Miramor in der Provinz Daikondi sechs Schulklassen absolviert. Sechs Jahre lang habe er im Iran gelebt, und zwar von 1388 bis 1394 (2009/10 bis 2014/15), und sei dort als Hilfsarbeiter in einer Firma, die Baumaterial produziert habe, tätig gewesen. Er und seine Familie hätten illegal in Teheran gelebt. Nachdem ihn die iranische Polizei über die afghanische Grenze gebracht habe, habe er zwei bis drei Tage später von der afghanischen Grenze aus seine Reise nach Europa angetreten. Sein genaues Geburtsdatum kenne er nicht, den afghanischen Personalausweis habe er auf der Flucht verloren.

Der Beschwerdeführer sei bereits in Kabul, Kandahar und Herat gewesen. Als sein Vater krank gewesen sei, sei er mit ihm nach Kabul zum Arzt gefahren. Auf dem Weg in den Iran sei der Beschwerdeführer über Kabul, Kandahar und Herat gereist, wo er jeweils im Hotel übernachtet habe.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, dass sein Vater zwei Frauen geheiratet hätte. Seine Stiefmutter - die erste Ehefrau - habe einen Sohn gehabt, der älter als er sei. Der Stiefbruder (bzw. Halbbruder) hätte gleich nach dem Tod des gemeinsamen Vaters vor ca. sieben Jahren verlangt, dass der Beschwerdeführer eine Verzichtserklärung über dessen Besitztümer bzw. bezüglich des Erbes unterschreibe. Dies habe der Beschwerdeführer abgelehnt, weil er damit auch die jüngeren Geschwister um ihr Erbe gebracht hätte. Deshalb sei ihm von seinem Halbbruder gedroht worden, ihn entweder selbst zu töten oder jemanden dafür zu bezahlen. Auch die Cousins (die Söhne des Onkels) väterlicherseits wären auf der Seite des Halbbruders gestanden. Aus Angst sei dann der Beschwerdeführer mit seiner Familie in den Iran geflohen. Nun hätte alles der Stiefbruder. Solange dieser noch am Leben sei, könne der Beschwerdeführer nicht nach Afghanistan zurückkehren.

Die Erbfolge sei so geregelt gewesen, dass die Stiefmutter den einen Sohn und seine Mutter insgesamt drei Söhne und zwei Töchter gehabt habe. Die beiden Schwestern würden bei der Erbfolge für einen Mann zählen. Sein Vater habe schriftlich bestimmt, dass sein Erbe in vier Teile geteilt werden solle, je ein Teil für die drei Brüder und ein Teil für die Schwestern zusammen. Einen weiteren Teil habe er seinem Sohn aus erster Ehe hinterlassen. Bei dem Nachlass habe es sich um ein Haus, ein Grundstück, Vieh und Bargeld sowie um ein weiteres Grundstück in Herat gehandelt.

Der Beschwerdeführer hätte das Erbe seiner Geschwister bekommen. Da diese noch nicht 18 Jahre alt gewesen seien, wäre alles zunächst ihm zugefallen. Nur Erwachsene würden erben können. Nachgefragt, wie der Beschwerdeführer vor sieben Jahren etwas hätte erben können, wenn er ja damals noch nicht erwachsen gewesen sei, erklärte er, dass seine Mutter ihn vertreten hätte. Mit dem Stiefbruder Streit gehabt hätten sowohl er selbst als auch seine Mutter.

In Österreich habe der Beschwerdeführer keine Verwandten. Er besuche einen Deutschkurs, spiele Fußball, lebe von der Grundversorgung und habe sich in einer Schule angemeldet. Außer zu den Deutschlehrern habe er keine sozialen Kontakte zu Österreichern.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 08.04.2016 - zugestellt am 14.04.2016 - wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen (Spruchpunkt II.). Unter Spruchpunkt III. wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA Verfahrensgesetz wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Unter Spruchpunkt IV. wurde festgehalten, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend wurde im Wesentlichen angeführt, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Herkunftslandes nicht glaubhaft seien. Der Beschwerdeführer verfüge im Heimatland über familiäre Anknüpfungspunkte, sei arbeitsfähig und die elementare Grundversorgung in Afghanistan sei gesichert.

5. Dagegen wurde fristgerecht per Telefax Beschwerde erhoben, welche zunächst nur unvollständig eintraf. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht mit Schriftsatz vom 23.06.2017 einen Mängelbehebungsauftrag erteilt hatte, langte am 21.07.2017 die vollständige Version ein.

Darin wurde im Wesentlichen das bisherige Vorbringen des Beschwerdeführers wiederholt und vorgebracht, das Bundesamt habe es unter anderem unterlassen, sich mit den Problemen, die dem Beschwerdeführer wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara drohen würden, auseinanderzusetzen. Dazu wurden diverse Länderberichte zitiert. Zudem wurde ausgeführt, dass sich die vom Beschwerdeführer vorgebrachten Sachverhalte in Bezug auf die Erbaufteilung (die Schwestern bekämen die Hälfte weniger als die Brüder) sowie die gesetzliche Vertretung der Kinder durch ihre Eltern bis zum 18. Lebensjahr mit den gesetzlichen afghanischen Vorschriften decken würden. Angefügt wurden Auszüge aus einer Accord-Anfragebeantwortung über auf Grundstücksstreitigkeiten basierende Familienfehden in Afghanistan.

6. Am 22.06.2016 langten beim Bundesverwaltungsgericht diverse Integrationsunterlagen des Beschwerdeführers ein: Eine Mitgliedsbestätigung eines Vereines für afghanische Jugendliche sowie eine Deutschkurs-Teilnahmebestätigung.

Am 01.09.2016 folgte die Teilnahmebestätigung an einem Integrationskurs, am 10.01.2017 ein ÖSD Zertifikat A1 samt Deutschkurs-Teilnahmebestätigung und am 01.01.2017 eine weitere Deutschkurs-Teilnahmebestätigung.

7. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30.11.2017, GZ W174 2126090-1/22E, wurde in Erledigung der Beschwerde der Bescheid vom 08.04.2016 behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 33/2013 (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

8. Am 01.03.2018 wurde der Beschwerdeführer erneut vor dem Bundesamt niederschriftlich einvernommen und legte zunächst einen Röntgenbefund vor, laut dem er einen Beckenverschub um 3mm hat, er nehme jedoch keine Medikamente und könnte arbeiten gehen.

Identitätsbezeugende Dokumente habe er nie besessen, Verwandte gebe es in Österreich keine, jedoch Freunde, er sei Hazara und schiitischer Moslem, ledig und kinderlos.

Sein genaues Geburtsdatum kenne er nicht, die Mutter habe es ungefähr angegeben, er müsste jetzt ca. 20 Jahre alt sein. Der Beschwerdeführer sei in Afghanistan, Provinz Daikundi, Distrikt Miramor geboren und habe dort in zwei Jahren sechs Klassen absolviert. Danach seien sie in den Iran gezogen, wo er keine Schule besucht hätte, weil es ihnen nicht erlaubt gewesen sei, aber er habe verschiedenste Hilfsarbeitertätigkeiten ausgeübt. Nachdem seine Tazkira auf dem Weg nach Griechenland ins Wasser gefallen sei, hätte er seine Mutter angerufen und nach seinem Geburtsdatum gefragt. Er wäre damals ca. 18 Jahre alt gewesen, die Tazkira habe er nicht geöffnet gehabt. Das Dokument hätte sein Vater ausgestellt.

Er selbst sei im Alter von ca. 10 oder 11 Jahren in den Iran gezogen, ungefähr vor neun Jahren. Eingeschult worden wäre er im Alter von ungefähr sieben oder acht Jahren, zwei Jahre später wären sie in den Iran gegangen. Zwischen dem Ende seiner Schulzeit und dem Umzug in den Iran sei er zwei oder drei Monate zu Hause gewesen.

Angehörige im Heimatland habe er nicht. Die Eltern seiner Mutter wären bereits tot, seit wann, wisse er nicht. An die Großeltern väterlicherseits könne er sich nicht erinnern. Seine Mutter habe drei Schwestern im Heimatdorf in Afghanistan und einen Bruder im Iran, die Geschwister seines Vaters wären verstorben.

Der Beschwerdeführer habe zwei Schwestern und zwei Brüder, welche alle bei seiner Mutter wären. Der letzte Kontakt sei vor zwei Tagen gewesen.

Seit seiner letzten Einvernahme sei seine Gefährdungslage gleichgeblieben. Das afghanische Erbrecht kenne er gar nicht, er wisse auch nicht, was er hätte erben sollen, seine Mutter habe Ahnung. Das was er hätte unterschreiben sollen, wäre ein Papier gewesen, was darauf gestanden sei, habe er nicht gelesen, seine Mutter habe nur gesagt, er solle es nicht unterzeichnen. An die Situation selbst könne er sich gar nicht mehr erinnern. Wie viele Anteile der Stiefbruder von Rechts wegen geerbt hätte und was er jetzt habe, wisse der Beschwerdeführer nicht, seine Mutter hätte ihm nur gesagt, wenn du das unterschreibst, werde er alle Grundstücke bekommen. Da keiner mehr dort sei, hätte der Stiefbruder nun wahrscheinlich alles. Jetzt gebe es in Afghanistan keine Gesetze. Wenn es vielleicht irgendwann welche gebe, könne der Beschwerdeführer seine Grundstücke wieder beanspruchen. Jetzt ließen sich Richter und Polizisten bestechen.

Um welche Gegenstände es sich bei dem Erbe handle, wisse der Beschwerdeführer nicht, auch nicht, ob die Erbschaftssache abgeschlossen worden sei. Sein Stiefbruder habe in seiner Gegenwart der Mutter gedroht, er werde den Beschwerdeführer umbringen. Wie lange danach er noch in der Heimat verblieben sei, daran könne er sich nicht erinnern.

Wie alt der Stiefbruder sei, wisse er nicht. Jener lebe vermutlich in Daikundi und der Beschwerdeführer habe ihn das letzte Mal gesehen, als er weggeschickt worden sei und seitdem nicht mehr mit ihm gesprochen. Wie dessen Mutter heiße oder seit wann der Stiefbruder verheiratet sei, wisse er ebenfalls nicht. Die erste Frau seines Vaters sei verstorben.

Ausgereist sei der Beschwerdeführer damals alleine mit einem Schlepper und unbekannten Personen, im Iran habe er bei Bekannten genächtigt. Wann seine Familie nachgekommen sei, wisse er nicht, er wäre ungefähr zwei Jahre alleine im Iran gewesen.

Vorgelegt wurden ein ÖSD Zertifikat A2, eine Einstellungszusage sowie eine Teilnahmebestätigung von POLEposition.

9. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten, Bescheid vom 02.03.2018 - durch Hinterlegung zugestellt am 06.03.2018 - wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 18.07.2015 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdefüher gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

Begründend stellte die belangte Behörde im Wesentlichen fest, der Beschwerdeführer habe das Herkunftsland Afghanistan nicht aufgrund einer Verfolgung oder einer Furcht vor solcher verlassen, in seinem Fall liege keine Gefährdungslage in Bezug auf Afghanistan vor. Zudem existiere für den arbeitsfähigen Beschwerdeführer eine innerstaatliche Fluchtalternative in Kabul.

10. Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben, in welcher im Wesentlichen vorgebracht wurde, das Leben des Beschwerdeführers sei in Afghanistan aufgrund der dort geltenden Praxis der Blutrache wegen seines Erbschaftsstreits in Gefahr. Demnach hätte er nach dem Tod des Vaters die Besitztümer - ein Haus, Grundstücke, Vieh und Bargeld - an den Stiefbruder abtreten sollen und mit seiner Familie wegen des Streits die Heimat verlassen müssen. Die Mutter und die Schwestern befänden sich nun im Iran. Nochmals vorgelegt wurde die Teilnahmebestätigung von POLEposition.

11. Am 25.05.2018 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein AMS-Bescheid (Beschäftigungsbewilligung als Tapezierer und Dekorateur - Lehrling - bis 31.05.2021 zu einem monatlichen Bruttoentgelt von ? 522,31 brutto) ein.

12. Am 28.01.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Farsi eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst, dass er gesund sei, und keine Medikamente nehme. Er stamme aus dem Distrikt Miramor in der Provinz Daikundi, sei im Iran aufgewachsen, Hazara, schiitischer Moslem und seine Muttersprache sei Dari. Zuletzt gelebt habe er in Teheran, wo sich Mutter und Geschwister noch immer aufhielten.

Ein identitätsbezeugendes Dokument könne er nicht vorlegen, die Tazkira hätte der Schlepper in Griechenland ins Wasser geschmissen. Letztere hätte ihm sein Vater in Afghanistan beschafft, als er selbst im Iran gewesen sei. Seine Familie sei nach dem Beschwerdeführer in den Iran gekommen, der dort zwei Jahre gearbeitet habe. Als sie gekommen seien, hätten sie die Tazkira mitgenommen.

Der Beschwerdeführer habe vier Geschwister, zwei Brüder und zwei Schwestern sowie seine Mutter. Der Vater sei vor 15 Jahren verstorben, als er selbst sich im Iran aufgehalten hätte. Vorgehalten, anlässlich der Einvernahme im Jahr 2016 habe er dazu angegeben, der Vater wäre vor sieben Jahren gestorben, somit 2009 oder 2010, jetzt spreche er davon, dass der Vater vor ca. 15 Jahren, was 2005 entspreche, verstorben sei, erwiderte der Beschwerdeführer, er wisse es nicht, er selbst sei neun Jahre alt gewesen. Mit 10 Jahren sei er in den Iran gereist und habe dort zwei Jahre gearbeitet und teilweise das Geld seinem Vater geschickt, dann, nach dem Tod seines Vaters, sei seine Familie auch in den Iran gekommen. 2015 sei er im Iran von der Polizei festgenommen und bis an die Grenze zu Afghanistan gebracht worden, dann in den Iran zurückgekehrt und von der Türkei aus nach Europa gekommen.

Über seine Tanten im Heimatdorf habe er keine Informationen mehr. Es gebe einen Cousin väterlicherseits, dessen Namen er nicht kenne. Vorgehalten er habe 2018 erklärt, keine Cousins zu haben, meinte der Beschwerdeführer, der Dolmetscher hätte ihn nicht verstanden. In Afghanistan habe er zwei Jahre lang bei einer Organisation die Schule besucht und in diesen zwei Jahren drei Jahre Schule absolviert. Das heißt, er habe sechs Klassen gelernt und in Österreich zudem 10 Monate eine AMS Schulung gemacht. Vorgelegt wurden: die Teilnahmebestätigung von POLEoposition vom 03.11.2017 über den Kursbesuch von 10/2017 bis 12/2018 und ein Teilprüfungszeugnis einer SMS vom 05.11.2018 für Berufsorientierung. Im Iran sei der Beschwerdeführer als Hausmeister und im Straßenbau tätig gewesen. Jetzt arbeiteten seine Brüder und manchmal auch seine Mutter. Zu Letzterer habe er vergangenen Freitag Kontakt gehabt, in Afghanistan gebe es keine Kontakte mehr.

In der Heimat habe er mit seinen Eltern im familieneigenen Haus gelebt, sie hätten sehr große Grundstücke gehabt, die sein Vater "vielleicht" bewirtschaftet habe. Wer diese nunmehr nutze, wisse er nicht, vielleicht der Halbbruder.

Er könne sich nicht erinnern, wann er Afghanistan verlassen habe. Nachgefragt, warum sich seine Angaben zum Zeitpunkt seiner Ausreise um bis zu drei Jahre unterscheiden, weil er Im April 2016 davon gesprochen habe, er hätte ab 1388 (= 2009/10) im Iran gelebt und dann anlässlich der Einvernahme im März 2018 davon verschieden angegeben habe, er wäre mit ca. 10 oder 11 Jahren aus Afghanistan weggegangen, also ca. im Jahr 2008, und schließlich bei derselben Befragung bei der Behörde gemeint habe, es sei vor ca. neun Jahren gewesen, somit erst im Jahr 2011, antwortete der Beschwerdeführer, er hätte immer gesagt, er wäre neun oder 10 Jahre alt gewesen, nur das Jahr kenne er nicht.

Die Heimat habe er deswegen (zunächst) alleine verlassen, weil sein Halbbruder seiner Mutter gedroht habe, wenn der Beschwerdeführer "das" nicht unterschreibe, werde er ihn umbringen. Deshalb habe seine Mutter Angst bekommen und gewollt, dass er das Land verlasse. Sein Vater habe zu diesem Zeitpunkt nicht mehr gelebt und die Mutter keine Probleme gehabt. Nach seiner Ausreise sei er nur im Jahr 2015 in Afghanistan gewesen, als ihn die iranische Polizei an die Grenze gebracht habe.

Schon am Abend des Tages, an dem der Halbbruder die Drohung ausgesprochen habe, sei der Beschwerdeführer weg gewesen. Aufgefordert, die Situation genau zu schildern, erklärte der Beschwerdeführer: "Das weiß ich nicht, wo und wie. Aber meine Mutter ist einfach auf mich zugekommen und erzählte mir was vorgefallen ist und sagte, dass ich das Land verlassen muss." Sie habe erzählt, der Halbbruder hätte gesagt, falls der Beschwerdeführer das nicht unterschreibe, werde er ihn umbringen. "Das" seien Dokumente betreffend die Grundstücke gewesen. Er selbst habe sie nie gesehen, nur seine Mutter. Auch bei der Behörde hätte er es so angegeben. Damals hätten sie mit dem Stiefbruder zusammengewohnt, gesehen hätte er diesen zuletzt eine Woche vor seiner Ausreise. Die letzten zwei Monate davor hätte der Stiefbruder nicht mehr bei ihnen gelebt. Seine vorherige Angabe vorgehalten, erwiderte der Beschwerdeführer. "Wir haben ja viele Jahre gemeinsam gelebt. Aber nach dem Tod meines Vaters, 2 Monate bevor ich das Land verlassen habe, hat er seinen Wohnort, von uns getrennt."

Wann sein Vater gestorben ist, wisse er nicht, er sei sehr jung gewesen. Er könne sich auch nicht genau daran erinnern, wie lange der Stiefbruder danach noch bei ihnen geblieben sei.

Außer diesem Stiefbruder habe er keine Halbgeschwister, wo er aktuell lebe, wisse der Beschwerdeführer nicht, nach seiner Ausreise aus Afghanistan habe er nichts mehr von ihm gehört. Ob seine Mutter, die danach noch zwei weitere Jahre in der Heimat geblieben sei, nochmals Kontakt zum Halbbruder gehabt hätte, wisse er nicht. Nachgefragt, was er und seine Geschwister hätten erben sollen, antwortete der Beschwerdeführer, das Haus, die Grundstücke, Kühe, Schafe. Er hätte immer die gleichen Antworten gegeben. Sein Vater habe ein Schriftstück hinterlassen, in dem er alles geregelt hätte: "Dass diese Grundstücke, das Haus und meine Tiere gehen an diese Kinder von mir und mein Stiefbruder wollte, dass ich unterschreibe, dass das alles nur ihm gehört." Vorgehalten, er habe vor dem Bundesamt angegeben, der Vater hätte verfügt, dass sein Erbe in vier Teile geteilt werden solle, je ein Teil für die drei Brüder, ein Teil für die Schwestern und ein Teil für den Sohn aus erster Ehe, erwiderte er, er hätte das so gemeint. Weiters vorgehalten, es handle sich um fünf Teile, antwortete er, die beiden Schwestern bekämen einen Teil. Er habe immer gesagt, dass die Brüder einen Teil und beide Schwestern einen Teil bekämen.

In Afghanistan müssten so ein Papier auch eine Person, die eine höhere Position habe, sowie drei Zeugen unterschreiben. Der Beschwerdeführer habe das Papier nicht gesehen, er nehme an, es habe sich um so ein Dokument gehandelt. Über das afghanische Erbrecht wisse er, dass zwei Schwestern so viele Anteile erhielten, wie ein Bruder. Eine Schwester bekomme einen halben Anteil. Bis sie 18 Jahre alt seien, werde das Erbe noch nicht aufgeteilt. Solange sei die Mutter zuständig

Zu seiner Rückkehrbefürchtung nach zehn Jahren brachte der Beschwerdeführer vor, er kenne sich so wenig in Afghanistan aus und nehme an, dass es weiterhin Probleme gebe. Aber er könne es nicht wissen, weil er im Iran aufgewachsen und dann hierhergekommen sei. Die Taliban z.B. würden ihm vorwerfen, dass er ein Abtrünniger wäre, weil er im Ausland gewesen sei und dort Alkohol getrunken habe, sie würden ihm eine Hand oder ein Ohr abschneiden lassen oder ihn sogar töten.

Seine Heimatprovinz hätte er früher nur vielleicht für kurze Reisen verlassen, in Kabul sei er unterwegs in den Iran gewesen. Ansonsten könne er sich nicht erinnern. Dass er seinen kranken Vater dorthin gebracht habe, habe er vergessen. Er wisse, dass er in Herat, Kandahar und Kabul gewesen sei, aber er könne sich nicht genau erinnern.

Der Beschwerdeführer legte folgende Integrationsunterlagen vor:

Lehrvertrag als Tapezierer und Dekorateur, ausgestellt von der Lehrlingsstelle der Wirtschaftskammer Niederösterreich am 05.06.2018 samt 3 Bestätigungen über die Bezahlung der Lehrlingsentschädigung von Juni und Juli 2018 und Oktober 2019 und der Einstellungszusage vom 23.02.2018, Jahreszeugnis Landesberufsschule, 2. Fachklasse für den Lehrberuf Tapezierer und Dekorateur vom 26.01.2019, Jahreszeugnis Landesberufsschule, 2. Fachklasse für den Lehrberuf Tapezierer und Dekorateur vom 09.11.2019, ÖSD Zertifikat A1 und A2, Bestätigung 13.09.2017 Bauhof der Stadtgemeinde über geleistete Remunerationstätigkeiten, Kursbestätigung für Deutschunterricht Niveau A2 vom 10.05.2017, Teilnahmebestätigung Integrationskurs und Supervision, Teilnahmebestätigung Deutschkurs vom 19.06.2016, Teilnahmebestätigung Deutsch Niveau A1 vom 09.01.2017, Kursteilnahmebestätigung "Deutschkurse für AsylwerberInnen" vom 24.02.2017, Teilnahmebestätigung Deutschkurs vom 16.12.2016, Bescheinigung österreichisches Rotes Kreuz Erste Hilfe Grundkurs vom 24.10.2019, Bericht eines Fußballvereins betreffend Integration des asylbeantragenden Spielers vom 17.11.2017, Urkunde des LBS betreffend ein Fußballturnier vom 24.01.2019.

Da er arbeite, besuche der Beschwerdeführer jetzt keine Ausbildungen und sei auch nicht Mitglied in einem Verein. Er habe Freunde und gehe zu Festen. Dazu legte der Beschwerdeführer dem Gericht Fotos vor.

In Afghanistan habe der Beschwerdeführer niemanden, den er unterstützen müsse.

Seitens der erkennenden Richterin wurde eine Frist von 14 Tagen für eine Stellungnahme zum übermittelten bzw. ausgehändigten Länderinformationsmaterial gewährt.

Im Rahmen der Verhandlung wurde dem Lehrherren des Beschwerdeführers Gelegenheit gegeben, sich als Vertrauensperson zu äußern. Dieser erklärte im Wesentlichen, den Beschwerdeführer seit eineinhalb Jahren zu beschäftigen und mit ihm sehr gute Erfahrungen gemacht zu haben. Sie seien auch in sehr vielen Privathaushalten tätig und er könne sich auf ihn wirklich verlassen. Auch in der Berufsschule habe er ein sehr gutes Zeugnis erlangt. Er verbringe Freizeit mit seinen Kollegen und es sei ein freundschaftliches Verhältnis entstanden. Zudem habe er sich in einem gemeinnützigen Verein, in dem der Lehrherr Obmann sei, und einem weiteren Verein mit gemeinnützigem Charakter engagiert.

13. Am 12.02.2020 traf im Bundesverwaltungsgericht die Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Länderfeststellungen und der Sicherheitslage in Afghanistan ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Dari, er versteht und spricht Dari jedoch weniger gut, als die Sprache Farsi. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Daikundi, im Distrikt Miramor geboren und wuchs dort bis zur Ausreise in den Iran ca. bis zum zehnten Lebensjahr gemeinsam mit seinen Eltern und seinen vier Geschwistern auf. Der Beschwerdeführer besuchte mehrere Jahre lang die Schule. Der Beschwerdeführer erlernt im Bundesgebiet seit 05.06.2018 den Beruf des Tapezierers. Der Beschwerdeführer arbeitete mehrere Jahre als Bauarbeiter und Hausmeister.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht.

Es gab in Afghanistan zwischen dem Beschwerdeführer und seinem Halb- bzw. Stiefbruder keine Streitigkeiten um Erbschaften oder um Grundstücke oder aus anderen Gründen. Der Beschwerdeführer und sein Halb- bzw. Stiefbruder sind nicht verfeindet.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Vorfall, wonach er von seinem Halb- bzw. Stiefbruder wegen Erbschaftsstreitigkeiten mit dem Tode bedroht worden sei, und er sich nur durch Flucht habe retten können, hat sich nicht ereignet.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu den Hazara und wegen seiner Religionszugehörigkeit zu den Schiiten konkret und individuell weder physischer noch psychischer Gewalt ausgesetzt.

Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

1.2.2. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen.

Dem Beschwerdeführer droht bei einer Rückkehr nach Afghanistan wegen seiner Zugehörigkeit zur Religionsgemeinschaft der Schiiten oder zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell weder physische noch psychische Gewalt.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 18.07.2016 durchgehend in Österreich auf. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom selben Tag in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse auf Niveau A2 (ÖSD) und besuchte davor diverse Kurse.

Der Beschwerdeführer steht im Bundesgebiet seit 05.06.2018 in einem dreijährigen Lehrverhältnis als Tapezierer und Dekorateur (Lehrzeitende: 04.06.2021). Er konnte ein Teilprüfungszeugnis Berufsorientierung der Pflichtschulabschlussprüfung, sowie zwei Jahreszeugnisse einer Landesberufsschule vorlegen.

Der Beschwerdeführer führte im Jahr 2017 am Bauhof der Stadtgemeinde ehrenamtliche Tätigkeiten durch. Laut seinem Lehrherrn hat er sich in zwei gemeinnützigen Vereinen engagiert. Er absolvierte einen Erste Hilfe-Kurs.

Der Beschwerdeführer war Mitglied in einem Fußballverein.

Zurzeit ist der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben weder ehrenamtlich tätig noch Mitglied in einem Verein.

Der Beschwerdeführer konnte in Österreich Freundschaften zu seinem Lehrherrn und seinen Kollegen knüpfen. Der Beschwerdeführer verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich.

Der Beschwerdeführer wird von seinem Lehrherrn als zuverlässig, motiviert und anpassungsfähig beschrieben.

1.4. Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer wird mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bei einer Rückkehr in seine sichere Herkunftsprovinz Daikundi kein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen. Die Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers ist sicher erreichbar.

Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer alternativen Ansiedelung in der Stadt Herat/Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in Herat/Mazar-e Sharif einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat/Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Der Beschwerdeführer hat zumindest grundlegende Ortskenntnisse betreffend Herat und Kabul. Der Beschwerdeführer hat bereits im Iran in der Stadt Teheran gelebt, ihm sind städtische Strukturen bekannt.

1.5. Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Afghanistan, Stand 13.11.2019, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

1.6. Lage der Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

In Afghanistan wurden mit Stand 14.04.2020, 14:10 Uhr 714 Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei 23 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und

bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf. Der Beschwerdeführer zählt zu keiner Risikogruppe.

2. Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache und sonstigen Sprachkenntnissen, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln. Wenn auch die Angaben zur Dauer seines Schulbesuchs, laut denen er sechs Klassen in wesentlich kürzerer Zeit absolviert haben soll, nicht vollkommen nachvollziehbar ist, so lässt sich seinem Vorbringen insgesamt doch entnehmen, dass er zumindest über eine mehrjährige heimatliche Grundschulbildung verfügt.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten, ergibt sich daraus, dass er ca. bis zum zehnten Lebensjahr in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen und dort zur Schule gegangen ist. Auch im Iran lebte er die meiste Zeit mit seiner Mutter und den Geschwistern zusammen.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung. Aus seinem vor der belangten Behörde vorgelegten Röntgenbefund ergibt sich keine gesundheitliche Beeinträchtigung zumal der Beschwerdeführer ansonsten erklärte, gesund zu sein und keine Medikamente zu nehmen. Zudem erwähnte der Beschwerdeführer im weiteren Verfahrensverlauf nichts mehr von seinem 3mm verschobenen Becken und kann problemlos seiner Lehrtätigkeit als Tapezierer nachgehen.

2.2. Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt widersprüchlich, gesteigert, vage und nicht plausibel.

So brachte der Beschwerdeführer im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt im Jahr 2016 vor, sein Stiefbruder hätte gleich nach dem Tod des gemeinsamen Vaters verlangt, dass er eine Verzichtserklärung bezüglich des Erbes unterschreibe. Da er sich geweigert hätte, sei er vom Stiefbruder mit dem Tod bedroht worden. Einheitlich während des ganzen Verfahrens waren die Angaben dahingehend, dass der Streit mit dem Stiefbruder erst nach dem Tod des Vaters ausgebrochen wäre, der Beschwerdeführer sich zu diesem Zeitpunkt noch im Heimatdorf in Afghanistan befunden hätte und erst danach aufgrund des Vorfalls in den Iran ausgereist wäre. Im absolut groben Widerspruch dazu sind jedoch Angaben im Zusammenhang mit der Tazkira und seiner Arbeit im Iran, laut denen sein Vater damals, als der Beschwerdeführer in den Iran ausreiste, noch am Leben gewesen sein muss, sodass schon aufgrund dessen das gesamte Fluchtvorbringen unplausibel und nicht nachvollziehbar ist. In diesem Zusammenhang gab der Beschwerdeführer im Rahmen seiner zweiten niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt im Jahr 2018 an, die (angeblich auf dem Weg von der Türkei nach Griechenland verloren gegangene) Tazkira hätte sein Vater ausstellen lassen und erklärte im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich, der Vater hätte ihm die Tazkira beschafft, als er selber bereits im Iran gewesen sei und betonte gleichzeitig, sein Vater sei erst zu einem Zeitpunkt verstorben, als er sich selbst bereits im Iran aufgehalten hätte. Mit zehn Jahren sei er in den Iran gereist und habe dort zwei Jahre gearbeitet und teilweise das Geld dem Vater geschickt. Dann nach dem Tod des Vaters, sei seine Familie auch in den Iran gekommen.

Dazu ist auch anzumerken, dass sich die Angaben des Beschwerdeführers sowohl zum Zeitpunkt des Todes seines Vaters, als auch zum Zeitpunkt seiner Ausreise im Verfahren grob widersprechen. Seitens der erkennenden Richterin vorgehalten, anlässlich der Einvernahme im Jahr 2016 habe der Beschwerdeführer angegeben, der Vater wäre vor sieben Jahren gestorben, somit 2009 oder 2010, jetzt spreche er davon, dass der Vater vor ca. 15 Jahren, was 2005 entspreche, verstorben sei, erwiderte der Beschwerdeführer, er wisse es nicht, er selbst sei neun Jahre alt gewesen. Nachgefragt, warum sich seine Angaben zum Zeitpunkt seiner Ausreise um bis zu drei Jahre unterscheiden, weil er im April 2016 davon gesprochen habe, er hätte ab 2009 bzw. 2010 im Iran gelebt und dann anlässlich der Einvernahme im März 2018 davon verschieden angegeben habe, er wäre mit ca. zehn oder elf Jahren aus Afghanistan weggegangen, also ca. im Jahr 2008, und schließlich bei derselben Befragung bei der Behörde gemeint habe, es sei vor ca. neun Jahren gewesen, somit erst im Jahr 2011, antwortete der Beschwerdeführer, er hätte immer gesagt, er wäre neun oder zehn Jahre alt gewesen, nur das Jahr kenne er nicht. Dies verwundert, da der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben über eine insgesamt 6 Schulstufen umfassende heimatliche Grundschulausbildung verfügt und auch in Österreich inzwischen die Schule erfolgreich besuchen konnte. Dass er sich bei so wesentlichen Zeitangaben häufig so grob widerspricht, zeigt auch, dass sich die Fluchtgeschichte nicht so zugetragen haben kann, wie von ihm angegeben.

Auch seine Angaben über das Erbe an sich bzw. das afghanische Erbrecht sind durch das gesamte Verwaltungs- und Gerichtsverfahren hindurch ausgesprochen widersprüchlich bzw. nicht plausibel. So erklärte der Beschwerdeführer wiederholt, der Vater hätte schriftlich bestimmt, dass sein Erbe in vier Teile geteilt werden solle, je ein Teil für die drei Brüder (also den Beschwerdeführer und seine beiden Brüder von derselben Mutter) und ein weiterer Teil für die beiden Schwestern gemeinsam. Einen weiteren Teil hätte er jedoch seinem Sohn aus erster Ehe hinterlassen, was insgesamt fünf Teile ergibt. Dies vor dem Bundesverwaltungsgericht vorgehalten, erwiderte der Beschwerdeführer ausweichend und konnte diesen Widerspruch nicht auflösen.

Im Jahr 2018 erklärte der Beschwerdeführer zunächst von Bundesamt, das afghanische Erbrecht kenne er gar nicht, er wisse auch nicht was er hätte erben sollen bzw. um welche Gegenstände es bei dem Erbe gegangen sei, (nur) seine Mutter habe Ahnung. Abgesehen davon, dass es nicht glaubhaft ist, dass der Beschwerdeführer keine Ahnung von den zuvor erwähnten Besitztümern seines Vaters haben will, zumal der Erbschaftsstreit der Grund für seine Ausreise gewesen sein soll, widerspricht dies auch seinem früheren Vorbringen im Jahr 2016, wonach es sich um ein Haus, ein Grundstück, Vieh und Bargeld sowie um ein weiteres Grundstück in Herat gehandelt habe. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte der Beschwerdeführer weiters, in Afghanistan müssten so ein Papier (gemeint: Testament) auch eine Person, die eine höhere Position habe, sowie drei Zeugen unterschreiben und er wisse über das afghanische Erbrecht, dass zwei Schwestern so viele Anteile erhielten, wie ein Bruder. Bis sie 18 Jahre alt seien, werde das Erbe noch nicht aufgeteilt, solange sei die Mutter zuständig.

Vollkommen unplausibel ist zudem, dass der Beschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme vor dem Bundesamt im Jahr 2016 erklärte, er hätte das Erbe seiner Geschwister bekommen. Da diese noch nicht 18 Jahre alt gewesen seien, wäre alles zunächst ihm zugefallen, weil nur Erwachsene erben könnten. Dabei ist bemerkenswert, dass der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben damals selbst noch weit vom Erwachsenenalter entfernt gewesen ist. Dies vorgehalten, versuchte der Beschwerdeführer dies damit zu erklären, dass seine Mutter ihn vertreten hätte. Eine schlüssige Begründung, wieso "alles" zunächst ihm, dem Beschwerdeführer zufallen hätte sollen, obwohl er zu diesem Zeitpunkt vergleichbar zu seinen Geschwistern als Minderjähriger selbst nicht mehr Erbrecht gehabt hätte als diese, gab der Beschwerdeführer jedoch nicht ab.

Ausdrücklich erklärte der Beschwerdeführer weiters im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt im Jahr 2016, den Streit mit seinem Stiefbruder hätten sowohl er selbst als auch seine Mutter gehabt. Später, im Jahr 2018, gab er an, er könne sich an die Situation selbst gar nicht erinnern, obwohl dieses Ereignis nach seinen Angaben fluchtauslösend gewesen sein soll. Das Papier, das er hätte unterschreiben sollen, habe er nicht gelesen, seine Mutter hätte nur gesagt, er soll es nicht unterzeichnen, ansonsten würde der Stiefbruder sämtliche Grundstücke erhalten. Wie viele Anteile der Stiefbruder von Rechts wegen geerbt hätte, wisse der Beschwerdeführer nicht. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er im Unterschied hierzu an, er selbst hätte die Dokumente nie gesehen, nur seine Mutter. Auch sei die Drohung des Halbbruders gegen ihn nur der Mutter gegenüber ausgesprochen worden. Dies widerspricht jedoch eindeutig seinem Vorbringen vom Jahr 2016. Ergänzend ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte, zu diesem Zeitpunkt hätten sie mit dem Stiefbruder zusammengewohnt, gesehen hätte er ihn zuletzt eine Woche vor der Ausreise, und kurz darauf im Widerspruch zum eben Gesagten erklärte der Beschwerdeführer, die letzten zwei Monate davor hätte der Stiefbruder nicht mehr bei ihnen gelebt. Wie lange der Stiefbruder nach dem Tode des Vaters noch bei ihnen geblieben sei, wisse er nicht. Diese Angaben unterscheiden sich wiederum einerseits von den ersten Aussagen des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde im Jahr 2016, wonach der Vorfall gleich nach dem Tod des Vaters stattgefunden haben soll, und, wie ausgeführt, vor allem auch von den anderen Angaben, wonach der Vater noch gelebt haben solle, als der Beschwerdeführer bereits im Iran gewesen sei.

Auch erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt im Jahr 2016 noch, seit der Flucht in den Iran habe alles der Stiefbruder gehabt und im Jahr 2018 meinte er hingegen auf Nachhaken seitens der belangten Behörde er (gemeint der Stiefbruder) hätte jetzt wahrscheinlich alles, da keiner mehr dort sei. Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab der Beschwerdeführer dann an, wer die großen Grundstücke, die sein Vater "vielleicht" bewirtschaftet habe, nunmehr nutze, wisse er nicht, "vielleicht" wäre es der Halbbruder.

Anzumerken ist, dass der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde im Juni 2016 angegeben hatte, auch die Cousins (Söhne des Onkels) väterlicherseits wären auf der Seite des Stiefbruders gestanden, im weiteren Verfahrensverlauf davon jedoch nichts mehr erwähnte bzw. im Jahr 2018 sogar behauptete, es gebe keine Cousins und dann vor dem Bundesverwaltungsgericht im weiteren Widerspruch dazu angab, er hätte einen Cousin väterlicherseits, dessen Namen er nicht kenne. Von einer Unterstützung seines Halbbruders durch diese Verwandten väterlicherseits war jedoch keinerlei Rede mehr.

Einheitlich während des ganzen Verfahrens waren hingegen die Angaben diesbezüglich, dass der Beschwerdeführer seit der angeblichen Drohung keinerlei Kontakt mehr zu seinem Halbbruder. Der Beschwerdeführer wusste auch nichts von weiteren Drohungen, zum Beispiel seiner Mutter gegenüber, die sich nach ihm noch zwei Jahre in Afghanistan aufgehalten hat. Vor dem Bundesverwaltungsgericht erklärte er zu seiner Rückkehrbefürchtung zehn Jahre nach dem angeblichen Vorfall lediglich, er kenne sich so wenig in Afghanistan aus und nehme an, dass es weiterhin Probleme gebe.

Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, glaubhaft zu machen, in der Heimat wegen des Erbes durch den Stiefbruder bedroht zu werden.

2.3. Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage, auf die Angaben des Beschwerdeführers und der Vertrauensperson in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht sowie auf die von ihm in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen.

2.4. Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1. Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Daikundi ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellung zu den grundlegenden Ortskenntnissen über Herat ergibt sich aus der Aussage des Beschwerdeführers, dass er zwar noch nicht in Herat gelebt hat, aber er schon dort gewesen ist. Zudem hatte er vor der belangten Behörde am 05.04.2016 noch angegeben, der Vater hätte noch ein Grundstück in Herat gehabt.

Weiters hat der Beschwerdeführer durchaus die Möglichkeit und besitzt auch die Fähigkeiten sich innerhalb kurzer Zeit ausreichende Ortskenntnisse erwerben. Städtische Strukturen sind ihm bekannt.

Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er sich in Österreich seit 05.06.2018 in einem aufrechten Lehrverhältnis befindet, ehrenamtlichen Tätigkeiten nachging, bereits im Iran arbeitete und er sich im Bundesgebiet gut zurechtfindet. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat/Mazar-e Sharif, ergeben sich - unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan - aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat/Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Städte Herat bzw. Mazar-e Sharif als relativ sicher gelten und unter der Kontrolle der Regierung stehen. Diese sind auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in diesen Städten grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in diesen beiden durchaus zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat in der Heimat mehrere Jahre die Schule besucht. Der Beschwerdeführer verfügt über jahrelange Berufserfahrung im Iran und steht hier seit Juni 2018 in einem Lehrverhältnis als Tapezierer und Dekorateur. Zudem war er in Österreich auch ehrenamtlich tätig. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, alleinstehend, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Er hat keine Sorgepflichten und kann Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten auch in Herat/Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.5. Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist. Die in der Beschwerde zitierten Länderberichte sind durch die aktuellen, in den Feststellungen zitierten Länderinformationen überholt.

2.6. Zur Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Die unter Punkt II.1.6. getroffenen unstrittigen Feststellungen zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus ergeben sich aus den unbedenklichen tagesaktuellen Berichten und Informationen (z.B. https://www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; https://www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/)

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt A)

3.2.1. Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides - Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.2.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

"Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn

1. dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder

2. der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

..."

3.2.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH 22.03.2000, Zl. 99/01/0256). Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. "inländische Fluchtalternative" vor. Der Begriff "inländische Fluchtalternative" trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH 08.09.1999, Zl. 98/01/0503 und Zl. 98/01/0648).

3.2.1.3. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan nicht von seinem Halb- bzw. Stiefbruder wegen seines Erbes bedroht. Da der vom Beschwerdeführer geschilderte Vorfall sich nicht ereignet hat, droht dem Beschwerdeführer aus diesem Grund auch keine Gefahr durch Blutrache bei einer Rückkehr nach Afghanistan. Beim Beschwerdeführer liegt demnach keine Verfolgungsgefahr aus diesem Konventionsgrund vor.

3.2.1.4. Auch eine konkrete individuelle Verfolgung des Beschwerdeführers aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara und der Religionsgemeinschaft der Schiiten konnte nicht festgestellt werden.

Den oben zitierten Länderberichten ist u.a. zwar zu entnehmen, dass Schiiten - speziell jene, die der Volksgruppe der Hazara angehören - Diskriminierungen durch die sunnitische Mehrheit ausgesetzt sind. In einer Gesamtschau der vorliegenden Länderberichte erreicht diese Gefährdung jedoch nicht jenes Ausmaß, welches notwendig wäre, um eine spezifische Gru

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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