TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/10 W175 2206080-1

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Veröffentlicht am 10.12.2019
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Entscheidungsdatum

10.12.2019

Norm

AsylG 2005 §70
AVG §78 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W175 2206080-1/14E

W175 2206076-1/14E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerden von 1.) XXXX , geboren am XXXX , und 2.) XXXX , geboren am XXXX , afghanische Staatsangehörige, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2018, Zahlen: 1.) 1157546602-170738813 und 2.) 1138875108-161722012, zu Recht:

A) Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. wird stattgegeben und dieser Spruchpunkt ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit den Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichts (BVwG) vom 01.10.2018, Zahlen: 1.) W175 2206080-1/4E und 2.) W175 2206076-1/4E, wurden die Beschwerden gegen die Zurückweisungen von Feststellungsanträgen in Zusammenhang mit der Dublin III-VO durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), die Anträge betreffend die Zustimmungen zu den griechischen Aufnahmegesuchen und die Anträge auf Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht abgewiesen. Die im Spruchpunkt IV. durch das BFA auferlegten Kostenentscheidung wurde im Hinblick darauf, dass die BF in Österreich keinen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten, sodass die Frage der Zuständigkeit Österreichs für ihr Schutzverfahren nicht in einem nach dem AsylG vorgesehenen Zulassungsverfahren zu prüfen sei, vom BVwG ebenfalls bestätigt. Da sich die BF nach wie vor in Griechenland aufhalten würden und dort einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hätten, sei auch für ihre Anträge der Anwendungsbereich des AsylG nicht gegeben, sodass eine Gebührenbefreiung nach § 70 AsylG für ihre Verfahren nicht in Betracht gekommen sei.

2. Die dagegen erhobenen Revisionen wurden in den Spruchpunkten I.-III. vom VwGH mit den Erkenntnissen vom 01.10.2018, Ro 2019/19/0012-3 und Ro 2019/01/0001-3, zurückgewiesen. Spruchpunkt IV. der abweisenden Entscheidungen betreffend die Auferlegung von Verwaltungsabgaben wurde vom VwGH wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Daher ist gegenständlich über die Beschwerden der BF gegen Spruchpunkt IV. der Bescheide des BFA vom 14.08.2018 zu entscheiden.

3. In den Entscheidungen vom 01.10.2018, Ro 2019/19/0012-3 und Ro 2019/01/0001-3, verweist der VwGH auf das Erkenntnis vom 26.03.2019, Ro 2018/19/0005 bis 0010, und zwar in concreto auf die in den Randziffern 37 fortfolgende genannten Gründe (Rz 37ff), in welchen der VwGH Folgendes ausführte:

"37 Die Revision bringt zutreffend vor, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anwendbarkeit der Gebührenbefreiung nach § 70 AsylG 2005 auf Anträge wie jene, die dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegen.

38 Gemäß § 78 Abs. 1 AVG können den Parteien in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörde Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden.

39 Gemäß § 1 Abs. 1 der Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 haben die Parteien für jede Verleihung einer Berechtigung oder für sonstige wesentliche in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen von Behörden in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung - abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen - die gemäß dem Abschnitt II festgesetzten Verwaltungsabgaben zu entrichten.

40 Gemäß § 2 Abs. 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 tritt die Pflicht zur Entrichtung der Verwaltungsabgabe in dem Zeitpunkt ein, in dem die Amtshandlung vorgenommen wird.

41 In dem gemäß § 4 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 für das Ausmaß der Verwaltungsabgaben maßgebenden Tarif ist in Tarifpost 2 (A. Allgemeiner Teil) für sonstige Bescheide oder Amtshandlungen, die wesentlich im Privatinteresse der Partei liegen, soweit nicht eine andere Tarifpost Anwendung findet, eine Verwaltungsabgabe in der Höhe von EUR 6,50 festgesetzt.

42 § 70 AsylG 2005 lautet:

"§ 70. Die in Verfahren nach diesem Bundesgesetz erforderlichen Eingaben, Vollmachtsurkunden, Niederschriften, Zeugnisse und ausländischen Personenstandsurkunden sowie die Verlängerung von Aufenthaltsberechtigungen sind von den Gebühren befreit. Weiters sind für Amtshandlungen auf Grund oder unmittelbar für Zwecke dieses Bundesgesetzes Verwaltungsabgaben des Bundes sowie Barauslagen nicht zu entrichten. Die Befreiung von Gebühren, Verwaltungsabgaben und Barauslagen gilt auch im Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht."

43 Diese Bestimmung geht auf § 22 Asylgesetz 1991 zurück, zu dem in den Gesetzesmaterialien Folgendes ausgeführt wird (RV 270 BlgNR XVIII. GP 22):

"Da es sich bei Asylwerbern regelmäßig um mittellose Personen handelt, sieht diese Bestimmung - abweichend von den im § 74 Abs. 1 AVG verankerten Prinzip der Selbsttragung der Kosten - aus humanitären Gründen eine generelle Kostenbefreiung vor.

Bisher waren auch auf Asylwerber die Bestimmungen der §§ 74 ff. AVG anzuwenden. In der Praxis führte dies dazu, dass Exekutionsverfahren zur Eintreibung dieser Kosten auf Grund der Mittellosigkeit der Asylwerber in der Regel ergebnislos verlaufen sind. Diese Bestimmung dient daher auch verwaltungsökonomischen Zwecken."

44 Im vorliegenden Verfahren ist strittig, ob gemäß § 70 zweiter Satz AsylG 2005 eine Befreiung von der Verwaltungsabgabe nach Tarifpost 2 (A. Allgemeiner Teil) Verwaltungsabgabenverordnung 1983 besteht.

45 Die Anträge der Revisionswerber im vorliegenden Verfahren verfolgen den Zweck, im Rechtsweg eine Zuständigkeit Österreichs zur inhaltlichen Prüfung der in Griechenland gestellten Anträge auf internationalen Schutz der Zweit- bis Sechstrevisionswerber nach der Dublin III-VO zu erreichen. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei der Erlassung der Bescheide über diese Anträge der Revisionswerber um Amtshandlungen unmittelbar für Zwecke des AsylG 2005 im Sinne von dessen § 70 zweiter Satz. Dafür spricht auch der aus den oben zitierten Gesetzesmaterialien erkennbare Zweck des § 70 AsylG 2005, Antragsteller auf internationalen Schutz - diese Stellung zu erreichen ist gerade Zweck der Anträge - in Bezug auf einen solchen Antrag aus humanitären und verwaltungsökonomischen Gründen von den in dieser Bestimmung genannten Kosten zu befreien.

46 Das BVwG hat daher die Beschwerden, insoweit sie sich gegen die Auferlegung der Verwaltungsabgaben richten, zu Unrecht abgewiesen."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die - nunmehr wieder offene - Beschwerden gegen Spruchpunkt IV. der im Spruch zitierten Bescheide des BFA erwogen:

Das Bundesverwaltungsgericht legt den gegenständlichen Entscheidungen die in Punkt I.3. wiedergegebene Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofes im behebenden Erkenntnis VwGH 26.03.2019, Ro 2018/19/0005 bis 0010, zugrunde, wonach es sich im Verfahren um Amtshandlungen unmittelbar für Zwecke des AsylG 2005 im Sinne von dessen § 70 zweiter Satz handelt.

Im vorliegenden Fall begehrten die BF die Erlassung von Feststellungsbescheiden zu den Zurückweisungen der griechischen Aufnahmegesuche, welche sich auf Art. 8 Dublin III-VO stützten, in eventu Zustimmungen zu den griechischen Aufnahmegesuchen und Erlassung von einstweiligen Anordnungen nach dem Unionsrecht. Diese Anträge fußen insgesamt auf der Prüfung der bereits in Griechenland gestellten Anträge auf internationalen Schutz der BF und der Durchführung der Asylverfahren in Österreich

Daraus ergibt sich, dass den BF im Hinblick auf das jeweils zugrundeliegende Verwaltungsverfahren keine Verwaltungsabgaben aufzuerlegen sind.

Der Spruchpunkt IV. des jeweiligen Bescheides war daher ersatzlos zu beheben.

Zu B) Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die konkret zu lösende Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof im oben zitierten aufhebenden Erkenntnis geklärt wurde und das Bundesverwaltungsgericht nunmehr verpflichtet war, in der gegenständlichen Rechtssache unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung ersatzlose Behebung Gebührenbefreiung Gebührenpflicht Kostenersatz Rechtsanschauung des VwGH Verwaltungsabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W175.2206080.1.00

Im RIS seit

23.09.2020

Zuletzt aktualisiert am

23.09.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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